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Die Gartenlaube (1863)/Heft 3

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1863
Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
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[33]

Der Gartenlaube![1]
Von Friedrich Rückert.


Alle groß und klein,
Freunde, tretet ein!
Hier ist Lustverein;
Traulich girrt die Taube

5
In der Gartenlaube.


Nach des Tages Müh’n,
Nach der Sonne Glüh’n,
Ruhet aus im Grün!
Purpurn reift die Traube

10
An der Gartenlaube.


Des Geschäftes Drang
Rollt die Welt entlang;
Hier lockt Becherklang;
Fern vom Straßenstaube

15
Grünt die Gartenlaube.


Mag der Winter auch
Plündern Baum und Strauch,
Nie dem kalten Hauch
Fall’ ein Blatt zum Raube

20
Unsrer Gartenlaube.


Stets einhelliger
und geselliger,
Stets gefälliger,
Schattiger belaube

25
Sich die Gartenlaube!


Die Tochter des Fälschers.


Von Carl Heigel.
(Fortsetzung.)


Wieder läuteten die Glocken; das Kirchenthor entließ die Gemeinde, und in buntem Gewirr strömten Männer, Frauen, Bürger und Landleute über den Marktplatz. Amanda, von der Rede ihres Geliebten tief bewegt, mischte sich unter eine Schaar blühender Mädchen, die über Sonntagspläne lebhafte Debatten pflogen, und war bald der lautesten und fröhlichsten eine, ohne dabei die Kirchenthüre aus dem Aug’ zu verlieren, durch welche der junge Pastor kommen mußte. Denn Reinhold pflegte nach dem Gottesdienst die fürstliche Herrschaft zum Wagen oder bei heiterem Himmel auf’s Schloß zu geleiten.

Jeder kleinstädtische Marktplatz bietet an schönen Wintersonntagen nach der Predigt ein ebenso bewegtes als anmuthiges Bild. Der Schnee liegt glänzend und flimmernd auf den spitzen Giebeldächern der alten, wunderlichen Häuser, wie frischgewaschene Schlafmützen. Auch die Menschen sehen im Sonntagsputz frischer und zufriedener aus. Der Winterhauch giebt den Gesichtern gesunden Glanz; das Bewußtsein des freien Tages verleiht ihren Bewegungen eine größere Gemessenheit und Würde, ihre Rede ergeht sich breiter und behaglicher als im Drang der Werktage. Vor den Gasthäusern stehen die abgeschirrten Fuhrwerke benachbarter Forst- und Amtleute; diese selbst unterhalten sich auf dem Platz mit befreundeten Städtern, alle kennen sich und plaudern in gemüthlichen Gruppen über Zeitereignisse und Marktpreise. Die junge Männerwelt, die Provinzialdandies, stolz in vorjähriger Modekleidung, lugt nach den Mädchen, den zierlichen Beamtentöchtern und drallen Bürgerkindern. Arm in Arm schlendern die Dragonerofficiere der Garnison durch den bunten Schwarm. Die Kaufleute öffnen ihre Lager, und die Weinstübchen hinterm Laden füllen sich.

Schon stand Amanda mit der Tochter des Kreisgerichtsraths nunmehr allein und verabschiedete sich eben auch von dieser, welche sie zum Besuch auf den Nachmittag eingeladen hatte, als das Fürstenpaar mit dem Pastor aus der Kirche trat. Jene erwiderten die Complimente der Mädchen mit freundlichem Gruß; länger, feuriger ruhte das Auge Reinhold’s auf dem freudestrahlenden Antlitz seiner Braut. Während diese vier Menschen, Amanda in respectvoller Ferne folgend, die sanft sich senkende Straße nach dem Thor gemächlich hinabschritten, stand Scybylski im Zimmer der Superintendentin. Nach kurzem gleichgültigem Gespräch faßte die greise Frau ihn plötzlich scharf in’s Auge.

„Sie waren gestern Nachmittags mit den Herren vom Gericht beim Rendanten?“

„Sie wissen …?“ stotterte Scybylski.

„Glaubten Sie, eine so geheimnisvolle Versammlung bliebe in unserer Stadt unbesprochen?“

„Man weiß also – ?“

„Was weiß man? Ohne Zweifel, daß der Rendant sein Testament gemacht hat.“

[34] Scybylski athmete tief auf. „Ganz richtig,“ sagte er; „ganz richtig, das Testament.“

„O,“ fuhr sie mit lauter Stimme fort und behielt den Verlegenen im Auge; „das vermuthet die Menge, aber Klügere vermuthen Anderes. Kluge Leute lassen sich nicht täuschen. In des Rendanten Verhältnissen ist ein Testament sehr überflüssig!“

„Erlauben Sie mir, Frau Superintendentin, ein Testament –“

„Keine juristischen Flausen, lieber Scybylski! Es handelt sich um kein Testament! Können Sie mir frei in’s Auge blicken und behaupten, daß es diese Angelegenheit betraf?“

„Welche andere denn?“ preßte der Gefolterte mit neuer Bestürzung heraus.

„Es könnte sich ja auch …“ sagte die Superintendentin mit stockender Stimme, und plötzlich blitzte ihr ein Gedanke auf, „es könnte sich ja auch um Unterschlagung handeln!“

„Wer sagte Ihnen!?“ rief der erblaßte Schreiber und sprang empor, daß hinter ihm der Stuhl zur Erde fiel.

„Also doch – Unterschlagung! Der Gedanke, der wahnsinnige Gedanke ist richtig? Rendant Günther – der Ehrenmann – ein Schurke!“

„Um Himmelswillen! Nein! Gnädige Frau, ich beschwöre – ich bitte, sprechen Sie nicht so laut!“

„Verhüllen, verleugnen Sie mir nichts mehr! Amanda, das leichtsinnige, thörichte Mädchen ist schuld, daß ich es entdecken mußte. Doch nein – Gott hat gewollt, daß ich das Unheil erfahre. Sagen Sie mir Alles! Ich, die künftige Schwiegermutter, habe ein Recht, es zu wissen. Ihr müßt mir’s sagen, oder ich schreie meine Vermuthung in alle Welt hinaus.“

Scybylski schlug stöhnend die Hände über sein Gesicht zusammen. „Ich dachte mir’s wohl,“ bebte er, „daß es nicht verborgen bleiben könne, daß sich die Schuld rächen werde. O, wenn Sie wüßten, welche Qualen ich unter der Last dieses Geheimnisses litt! Ihnen ist es bekannt, wie ich den Rendanten verehrte, wie ich ihn liebte. Ein Sohn konnte nicht felsenfester auf ihn vertrauen. Wir Alle haben auf ihn vertraut, der Gerichtsrath, der Kreisrichter; wir Alle wurden von ihm getäuscht. Wer mir vor vier Wochen gesagt hätte: der Rendant betrügt! dem hätte ich in’s Gesicht geschlagen, als einem niedrigen, verleumderischen Schurken. Ich nannte mich selbst einen verworrenen Dummkopf, einen leichtfertigen Lügner, als ich nach seiner Erkrankung Günther’s Geschäfte übernahm, seine Bücher revidirte und die Bücher gefälscht fand. Eine ganze Nacht saß ich darüber. Ich zweifelte, ob 5 und 2 sieben sei oder 7 von 22 nur 5 bleiben. Ich nahm sieben Stücke Geld und zählte sie; die vier Species schienen mir keine Wahrheit mehr! … Noch am Morgen wollte ich mich überreden, daß ein Fieber mir die Klarheit geraubt und meine Sinne verwirrt hätte. Ohne ein Wort zu äußern, legte ich die Bücher dem Gerichtsrath vor und erst, als auch er erblaßte, erst da gestand ich mir’s: Hier hat ein Mann das ihm anvertraute Gut und tausend Arme bestohlen. – O, was sind wir Menschen! Dieser Mann, liebenswürdig, gebildet, gutmüthig, kein Verschwender, kein Spieler, kein Müßiggänger: dieser Mann übt sieben Jahre hindurch mit sicherer Hand und raffinirter Schlauheit Betrug! Sieben Jahre hindurch nimmt er das Geld von den Armen und der Gemeinde und giebt es nicht in die Casse; nimmt er aus der Casse Geld und giebt es nicht der Gemeinde, nicht den Armen. Das rücksichtslose Vertrauen seines Vorgesetzten, der aus Herzensgüte und Menschenzuversicht die Strenge seines Amtes umgeht und den Rendanten allein und ohne Aufsicht walten läßt, täuscht er; sieben Jahre lang war Günther ein Fälscher und Dieb, und ohne seine Miene zu ändern, nahm er das Lob und die Achtung einer ganzen Stadt hin!“

Scybylski schwieg, denn der Schmerz überkam ihn zu mächtig. Dann erhob er sich. „Wir haben,“ sagte er, „trotzdem mit dem Manne Mitleiden fühlen müssen, schon um seines Kindes willen. Der Gerichtsrath und Kreisrichter wollen die fehlende Summe, die sich auf mehrere Tausend Thaler beläuft, theils vom benachbarten Fürsten, theils von der Loge, deren Bruder Günther ist, erheben und das Deficit decken. Niemand soll es erfahren. Günther kann seine Krankheit zum Vorwand nehmen, um seinen Abschied zu erlangen. Gestern theilten wir ihm unsere traurige Entdeckung mit, die er natürlich nicht zu leugnen vermochte. Wir richteten den Verzweiflungsvollen durch das Gelöbniß auf, sein Verbrechen Niemand zu verrathen. Zu unserer eigenen Beruhigung und Sicherstellung unserer Amtsehre ließen wir ihn ein Document unterzeichnen, worin er seine Schuld bekennt. Amanda unterbrach uns, als er eben die Feder ansetzte … das arme, ahnungslose Kind! – Frau Superintendenten, es war meine unselige Schwäche, die Folge meiner Aufregung, daß Sie Mitwisserin wurden! Sie werden aus Barmherzigkeit mit dem Kinde, Sie werden um Ihres eigenen Sohnes willen das Geheimniß gegen Alle, selbst gegen Herrn Reinhold, verschweigen und als ein Geheimniß in’s Grab nehmen!“ –

Er ging; sie erhob sich nicht bei seinem Weggehen, sondern starrte nach immer auf die Stelle, wo er gesessen und ihr die grausame Wahrheit mitgetheilt hatte. Dann plötzlich fuhr sie empor, eilte zum Crucifix und warf sich auf dem Betpult ihres Sohnes nieder. „Heiliger, gerechter Gott!“ rief sie, die Hände emporstreckend, „Du hast mein Haupt vor Entehrung, hast die Familie, welche Dir treu diente, vor unauslöschlicher Schande bewahrt. Du hast die Entdeckung gewollt, Du hast mich gewarnt – ich darf nicht schweigen! – Ich kann meinen Sohn nicht zum Bruch seines Versprechens zwingen, ohne ihm die Wahrheit zu sagen; er kann sich von seinem Schwur nicht lösen, ohne der Welt die Wahrheit zu sagen. Du willst nicht, Herr, daß Deiner Gerechten Einer um einen Schurken leide. Ich muß den Menschen die Augen öffnen über den Betrug, der an ihnen verübt wurde und noch wird.“ Damit erhob sie sich, fest und mit gereiftem Entschluß. –

Reinhold aber schritt in behaglicher Gemächlichkeit auf dem Weg nach Hause. Die Fürstin hatte ihm viel Verbindliches über seine Predigt gesagt. Er war in gehobener, freudiger Stimmung. Wie ruhevoll und stattlich lag hinter den Lindenbäumen das Pfarrhaus! Der junge Priester konnte nicht umhin, vor seinem Eintritt einen dankbaren Blick zum Himmel auszusenden, der ihn mit seltenem Glück überschüttet hat, denn es ward ihm bei äußerem Wohlstand ein heiliger Beruf, dem er mit Begeisterung anhängt, eine schöne, geliebte Braut, und als Zeugin seines Glücks lebt ihm noch in voller Gesundheit die Mutter.

„Glauben Sie,“ sprach er zu dieser, als Beide wenige Minuten nach Reinhold’s Heimkehr beim Mittagsmahl saßen. „daß ich der Vorbereitung zu meinen Predigten kaum bedürfte. Sobald ich die Kanzel betrete und mein Auge auf Sie, auf Amanda fällt, bin ich von der Güte und Liebe Gottes so durchdrungen, daß die Worte sich von selbst fügen, ja, daß mir die Stunde nicht genügt, meiner Gemeinde das zu sagen, was mich im Innersten so schön bewegt. Wohl glaube ich vom Himmel mehr als Viele begünstigt zu sein, aber auch nirgends finde ich unglückliche Verhältnisse, ohne die Spur eines ursprünglich weisen Planes, der zum Glück führte, wenn nicht die Menschen ihn durch eigene Schuld verwirrten!“

Die Mutter schwieg. Hatte sie vorher die traurige Mittheilung beabsichtigt, so wagte sie jetzt doch nicht, eine gottselige Stimmung durch den entsetzlichen Mißton zu entweihen. „Ich kann nicht!“ rief das Muttergefühl in ihr, „ich kann es nicht über die Lippen bringen; mag er das Unheil von Andern erfahren!“

Nach der Mahlzeit verabschiedete sie sich daher vom Sohn, um einige Freundinnen zu besuchen. Sie kannte die Welt und kannte die Macht der Fama.


Kaum zwei Stunden waren vergangen, so wußte vom Verbrechen des Rendanten der reichste und ärmste Bürger. In allen Kreisen tönte die Kunde: Günther hat seine Casse bestohlen! und wer sie hörte, ward erschüttert. In den Sälen des benachbarten Schlosses, in Wirthsstuben, Küchen und Ställen der Stadt flüstert man, ringt man die Hände. Auf den Straßen hält man sich an und raunt sich’s zu, zweifelt eine Secunde, um dann desto fester zu glauben. Vieler Jahre hat es bedurft, den Ruf Günther’s so stolz und in Aller Herzen zu begründen, eine Stunde genügt, ihn zu stürzen. Das ist ein schwerer Schlag für gute und ehrliche Gemüther, das ist ein Fest für die bösen Zungen! – –

In der Gesellschaftsstube des Gerichtsrathes sitzt ein Kreis von älteren Damen und Herren um den Kaffeetisch. Die junge Welt schäkert und plaudert in traulichen Ecken und Fensternischen. Da wird die Thür aufgerissen; mit hochrothem Antlitz stürzt die fürstliche Räthin, eine geschworene Feindin der königlichen Rathsgattin, in’s Zimmer. „Wissen Sie das Neueste?“ ruft sie. „Der Rendant Günther hat in sieben Jahren die Summe von achttausend Thalern unterschlagen.“

Alles fährt empor.

„Um Gottes willen, schweigen Sie!“ bebt der Herr des Hauses, ein würdiger, edel gesinnter Mann. Aber es ist zu spät.

[35] Ein bleiches Mädchen tritt mit funkelnden Augen auf die Dame: „Das ist nicht wahr, das hat mein Vater nicht gethan!“ Und sie schlägt einen Blick, einen verzweiflungsvoll bittenden Blick zum Justizrath empor. Vertheidige den Geschmähten! Wie sie die Verwirrung, das rasche Erröthen und Erbleichen des Mannes sieht, wie nach einer Minute athemloser Spannung dieser schweigend sich abwendet, da bricht sie ohnmächtig in den Armen Reinhold’s zusammen, mit dem sie kurz vorher in seliger Liebe geschwärmt hatte.

Man bringt sie zu sich; man bittet, beschwört sie, man schmeichelt ihr, man tröstet das arme Kind – aber sie ist kein Kind mehr. Sie hört nicht auf das Nichts der glatten Worte, sie fühlt nur die einzige, furchtbare Wahrheit. Stumm lehnt sie jede Hülfe, jede Beileidsbezeigung, selbst die Hand ihres Geliebten ab und verläßt das Haus, das zum Grab ihres Glücks geworden.

Wie sie nach Hause kam, wußte sie nicht. Was sie den Vater dort fragte und sagte, wußte sie nicht. Aber dieser schreit gegen die Tochter, wie gegen eine Gespenstererscheinung, die zur Gruft winkt. Und als sich gleich darauf die Thür des Krankenzimmers öffnete und der Justizrath mit fahlem, unglücksweissagendem Antlitz auf der Schwelle sich zeigte, da war’s dem kranken Mann zu viel – er schlug krampfhaft die Hände in die Luft – aus der Brust riß sich der Strom des gepeitschten Blutes – er röchelte – er sank zurück – wollte noch sprechen – verstummte, verstummte für die Ewigkeit.

Und als die schöne, friedselige Nacht mit Mond- und Sternenlicht heraufgezogen war, ging das neue Gerücht durch Häuser und Hütten: der Rendant Günther ist gestorben.


6.

Im Haus, das eine Leiche beherbergt, herrscht heilige Scheu. An seiner Thür lagert eine ernste Sphinxgestalt, unlösbare Fragen auf den Lippen. Stumm und gedemüthigt treten wir an ihr vorüber zum Sarg.

Hätte Günther seine Schande überlebt, wären fürderhin die Freunde von ehedem ihm aus dem Weg gewichen und Aller Augen würden ihn gemieden haben. Da er aber in seinem Zimmer lag, starr, kalt und fahl, schaarten sich Freunde und Bekannte um ihn, und das tiefere Räthsel des Todes drängte die Frage: Wie konnte dieser Mann so handeln? zurück.

Es war ein lichter Nachmittag, an dem man sich zu Günter’s Begräbniß versammelte. Die Sonne begann den hartgefrorenen Boden zu erweichen, und von den Dächern sprühte der geschmolzene Schnee.

In dunkler Kleidung, mit gemeßnem Schritt und ernstem Antlitz kamen nach und nach die Städter, die Amtmänner und Landleute der Nachbarschaft vor dem Trauerhause an. Garten und Thüren stauden Jedermann offen, und ein schweigsames Aus- und Eingehen begann. Jeder drängte sich in des Verstorbenen Zimmer, um jenen letzten, scheuen Blick, womit wir fremde Leichen betrachten, auf die regungslos hingestreckte Gestalt zu werfen. Durch’s Fenster scheint freundlich die Sonne herein; trotzdem brennen Kerzen rings um den Sarg. Der Mann auf dem Schragen, der weiland Allbeliebte, ist inmitten der Lebendigen wie das Kerzenlicht am Tage.

Was dann in Günther’s Zimmer erfolgte. … im Palast und in der Hütte ist es dasselbe düstre, jammervolle, hoffnungslose Bild. Wiederholt warf sich Amanda über den Entseelten; unbekümmert um die Gegenwart so vieler Fremden, dem Schmerz ganz hingegeben, weinte sie laut, rief mit gebrochenen Tönen den Theuern und küßte sein Antlitz, als müßten ihre warmen Lippen diesem marmorgewordenen Vaterbild Athem und Leben einhauchen. Immer noch verzögerte sie den letzten Abschiedsblick, immer noch hoffte sie auf ein Wunder, auf ein plötzliches Erwachen und Auferstehen des Todten, bis man sie mit sanfter Gewalt entfernt, und die Hammerschläge, welche auf den Sargdeckel niederfallen, ihr das Bewußtsein rauben. – –

Als Amanda wieder die Augen aufschlug, war Niemand außer der Todtenfrau im Zimmer. Die ausgelöschten Kerzen rauchten noch, aber der Raum zwischen den Leuchterpaaren war leer. Die Leichenwärterin, durch die Gewohnheit abgestumpft, öffnete die Fenster und legte alle Stühle um, weil sonst – nach dem Aberglauben jener Gegend – „der Leiche im Hause bald eine andere nachfolge“. Dann packte sie das Kirchengeräth zusammen und ging.

Amanda warf einen wirren Blick um sich. Nur zu bald ward sie an die Wirklichkeit gemahnt. Das Glockengeläute, das durch’s Fenster dringt, begleitet ihren Vater auf dem letzten Wege!

Athemlos lauschte sie. Ihre Gedanken gingen mit dem Zug hinter dem schwankenden Sarge her. … Jetzt lenkt man von der Heerstraße rechtsab, wo der kurze, gerade Weg zum neuen Kirchhof fuhrt. … Die Glocken verstummen; man steht vor dem offnen Grab.

Die Rede des Pastors tönt nicht bis zu ihr – es ist ja nicht Reinhold! Ein fremder Prediger gab ihrem Vater das letzte Geleite. Rings still!

Rings still! In diesen stummen Minuten überdenkt sie zum erstenmal seit dem Unglücksabend ihre trostlose Lage; zum erstenmal ruft sie sich auch die Ereignisse vor Günther’s Tod in’s Gedächtniß, und mit seinem ganzen Jammer überfällt sie der Gedanke, daß ihr Vater entehrt gestorben ist! Nicht mit reiner Anerkennung und ungetheiltem Lob wird jetzt an seinem Grab gesprochen, sondern in der vieldeutigen Sprache des Mitleids und der Nachsicht. Das Blut schießt Amanda in’s Gesicht: zum erstenmal fühlt sie außer dem Schmerz um den Verlorenen die Last seiner Schuld und seiner Schande.

Welch ein trostloser Blick in die Zukunft! Wohl stimmt heute noch das Schauspiel des Todes die Herzen weich und rücksichtsvoll, allein wenn sich erst die Erde über dem Sarg geschlossen haben wird, werden Unwille und Lästerung auf’s Neue laut werden. Man wird das Kind fühlen und entgelten lassen, was der Vater verbrach. Und selbst wenn gegen alle Menschenart Keiner ihr Herz verletzen, Niemand sie geringer achten würde, so kann sie doch selber nie mehr lächeln unter Menschen, welche ihr Vater belog und bestahl.

Und nun sammelt sie die Erinnerungen der letzten zwei Tage. Die Fürstin, der Gerichtsrath und Viele kamen; Doctor Michaelis war Morgens und Abends bei ihr, aber Reinhold’s Stimme hatte sie nicht gehört. O wenn Einer sie trösten konnte, war’s Reinhold, aber er, er allein war nicht erschienen!

„Das ist mein Urtheil,“ sagte sie und weinte auf’s Neue.

Horch! die Glocken tönen wieder, und Knabenstimmen singen ein schwermüthig Lied.

Jetzt rollt der Sarg – – – Plötzlich erhebt sich Amanda; eine goldne Kette, das Geschenk ihres Vaters, nimmt sie sich vom Hals, einen Ring vom Finger und legt sie weg. „Ich habe kein Recht auf dieses Gold. Fürderhin schmuck- und freudelos, arm und elend!“

Ein Entschluß reifte in ihr, sie eilte hinauf in ihre Kammer und schrieb dort. Als sie damit fertig war, schnürte sie in fliegender Eile das Nothwendigste ihrer Habseligkeiten in ein Päckchen; die seidenen Kleider und hübschen Hüte, ehedem ihr Stolz und ihre Lust, ließ sie unberührt. Den Brief, welchen sie geschrieben, nahm sie hinab in die Wohnstube, um ihn zu Ring, Kette und andern Schmucksachen auf den Tisch zu legen. Dann trat sie in’s Freie.

„Dies Haus meiden Diebe!“ sagte sie bitter, als sie den Schlüssel in der Thüre stecken ließ.

Hastig schritt sie nun nach dem Marktplatz. Er lag still und menschenleer; Alle waren auf dem Kirchhof. Nur der Posten vor der Wache bewegte sich hin und her, wie ein Pendel. Am Fenster der Wachtstube saß ein Officier, mit dem Amanda auf dem Fürstenschloß oft getanzt hatte, und las. Sie aber warf nur einen Blick hinüber nach dem Pfarrhause. Die Gardinen waren herabgelassen. „Fahrwohl! Fahrwohl!“ flüsterte das Mädchen unter Thränen und winkte mit der Hand.

Bald befand sie sich auf der Landstraße. Behend wie ein flüchtiges Reh eilte sie auf dem nassen, glatten Weg dahin, Hügel auf, Hügel ab, durch einsamen, schneebelasteten Forst, an traulichen Dörfern vorüber.

Der Tag verglühte, und dichte Nebel hüllten die Landschaft ein. Da und dort stahl sich das Heerdfeuer eines stillen Weilers hindurch. Die Straße selbst war wenig belebt, arme Frauen trugen ihre Reisigbündel heimwärts, zuweilen schlich ein Fuhrwerk träg vorbei, oder ein Stück Wild sprang über den Weg waldeinwärts. Amanda schritt ohne Aufenthalt vorwärts, bis endlich bei sinkender Nacht die grünen Laternen und die erleuchtete Halle der Bahnstation K. … ihr entgegenglänzten.

Ein Stationshaus ist kein gastlich Haus. Wer drinnen Einkehr hält, legt nicht Hut und Wanderstab bei Seite, sondern drückt in Mienen und Gebahren Eile und Fortverlangen aus. Die Gäste kennen sich nicht; sie schreiten verdrießlich auf und nieder oder [36] brüten, von Handkoffern und zugeschnürten Schachteln eingeengt, über dem Fahrplan. Draußen rufen und lärmen die Packknechte, knarren die Rollwagen; die Thüren gehen von Hand in Hand, und die Winterluft bläst herein.

Doch gerade dies fremde, nüchterne Getriebe that Amanda wohl. Sie athmete nach ihrer Ankunft freier. Niemand hier kannte sie, kannte ihren unglücklichen Vater. Und als, wenige Minuten später, Amanda im brausenden Eilzug die nächtliche Landschaft durchflog, sank sie in der kahlen, kalten Wagenecke nach zwei durchwachten Nächten zum ersten Mal wieder in ruhigen, traumlosen Schlaf.


Nur Einer erfuhr am Abend noch die Abreise des Mädchens, denn das Begräbniß Günther’s schien alle Neugier und Theilnahme erschöpft zu haben. Niemand bekümmerte sich um die Waise, Niemand achtete darauf, daß die Fenster beim Rendanten unerhellt blieben.

Auch Doctor Michaelis, der sich als Vormund des verlassenen Mädchens dem Gerichte angeboten hatte, ging nicht sogleich nach dem Begräbniß zu Amanda, sondern spazierte vom Friedhof nach einer Hügelkette, wo zur Sommerszeit auf sandigem Grund herber Wein wuchs. Dort schlenderte er nachdenklich dahin, pfiff seinem Pudel, wenn dieser ein Häschen aufscheuchte, blieb stehen, stieß zornig seinen Rohrstock in den Schnee, setzte sich wieder in Bewegung und hielt im Gehen laute Monologe.

„Recht geschieht mir! Wieder einmal sentimental gewesen, mich um andrer Leute Brei bekümmert! Hab’ ich nicht an meinen Patienten genug? Noch mehr Aerger und Plage und Undank? – He, Hans! her zu mir. (Hans hieß des Doctors Hund.) – Amanda ist zwar ein Prachtkind, gesund und frisch, ohne Heuchelei und brav! Ich wollte, sie wäre mein Kind! Aber warum will sie just den Pastor heirathen? Warum hat sie keine andere Schwiegermutter, als – – – Hans! Bestie! hierher! Willst Du kommen! Wird eine nette Unterhaltung werden, wenn ich jetzt zu Reinhold’s gehe! Ich sehe der alten Madame Augen. – Da läuft das Thier schon wieder davon! – Aber ausgesprochen und ausgetragen muß die Sache werden! Ohne Barmherzigkeit; heute noch.“

Unter diesen und ähnlichen Selbstgesprächen erreichte Michaelis die Stadt, wo er in das Pastorhaus trat.

Reinhold kauerte, das schmerzende Haupt auf beide Hände gestützt, im Zwielicht einer Ecke, während seine Mutter im vollen Lampenlicht aus dem Sopha saß, ungebeugt, starr, stolz wie immer.

„Sie hörten vielleicht,“ begann der Arzt, nachdem er der Witwe gegenüber Platz genommen hatte, „daß ich die Vormundschaft über die verwaiste Günther angetreten habe?“

„Wir hörten,“ erwiderte frostig die Superintendentin.

„Dann errathen Sie ohne Zweifel, in welcher Angelegenheit ich zu Ihnen komme?“

„Durchaus nicht, Herr Doctor,“ sagte Frau Reinhold. „Ich denke nur, daß es von Wichtigkeit sein muß, was Sie zu uns führt.“

„Ich komme in meiner Eigenschaft als Vormund. Günther hat außer der unsicheren Aussicht auf den Gewinn einiger Lotterieloose Nichts hinterlassen. Baares Vermögen ist nicht vorhanden, das Grundeigenthum belastet. Dem Kinde bleibt also nichts, und mir die Sorge, seine Zukunft zu sichern …“

„Nur eine Frage also an Ihren Sohn,“ fuhr nach einer Pause Michaelis fort und wandte sich nach der dunkeln Ecke, wo der Prediger saß. „Sie, Herr Pastor, gaben dem Mädchen das Eheversprechen, Sie zeigten sich auch der Welt gegenüber als ihr Verlobter. Sind Sie gesonnen, Ihr Wort zu halten?“

„Halt!“ rief die Superintendentin und schnitt ihrem Sohn jede Erwiderung ab. „Als Theodor in die Beziehungen zu Günther’s trat – Beziehungen, welche ich nicht leugne, obwohl ich sie nie gebilligt habe! – war eine Heirath mit Amanda Günther, wenn auch kein Glück, doch keine Unmöglichkeit. Der Rendant galt für einen Ehrenmann, und verwandt mit ihm zu werden, für keine Schande. Nun aber haben sich die Verhältnisse so geändert, daß die Ehe mit einer Günther für den Pastor Reinhold ein moralischer Selbstmord sein würde. Wenn also mein Sohn ein stillschweigendes Gelöbniß that, so erlauben ihm doch die letzten Vorfälle, es ohne Sünde zurückzunehmen. Oder glauben Sie nicht, daß es dem Herodes besser gewesen wäre, wenn er seinen Schwur –“

„Denken Sie über Herodes, wie Sie wollen!“ unterbrach sie Michaelis gereizt. „Ich bin da, um mir von Ihrem Herrn Sohn selbst ein kurzes Ja oder Nein zu erbitten.“

Reinhold erhob sein Antlitz, das vom inneren Kampf ein ungeheucheltes Zeugniß gab.

„Ja oder nein!“ sagte er bitter. „Wie rasch, wie kalt Sie das fordern! Und doch hängt von diesem Entscheidungswort das Glück zweier Menschenleben ab. In jede Schale hab’ ich hundert Gründe zu legen: mein Herz zieht die eine, mein Verstand, meine Amtsehre und Pflicht die andere. Denken Sie sich doch, bevor Sie so kurzweg einen Entschluß verlangen, in meine Lage!“

„Verstand, Herz, Ehre,“ sprach der Doctor ärgerlich, „wozu diese Unterscheidungen? Ich in Ihrer Lage würde als Mensch recht zu handeln suchen, ohne Furcht, meinem Amt dadurch zu nahe zu treten.“

„Gestatten Sie mir eine Bemerkung,“ entgegnete die Mutter, und ihre Augen funkelten. „Das Amt meines Sohnes mißt sich nicht an alltäglichem Beruf, sondern ist göttlichen Ursprungs. Dreimal mehr Wehe, als Andern, dem Priester, der ein Aergerniß giebt!“

„Was ist ein größeres Aergerniß, eine Unschuldige zeitlebens für das Vergehen ihres Vaters büßen zu lassen, oder Geschehenes mit dem Mantel der christlichen Liebe zu bedecken und sich und Andere glücklich zu machen?“

„Der Herr sucht die Sünden der Väter an den Kindern heim bis in’s dritte und vierte Glied! Mit von Gott Geschlagenen sollen die Hüter der Bundeslade nicht verkehren! Schlagen Sie diese beiden Stellen in der Bibel nach, wenn Sie eine besitzen! Mein Sohn muß, als Seelenhirt, rein dastehen vor der Gemeinde; kein Schatten darf auf seinen Weg fallen; kein Makel an ihm, ebenso wenig an seinem Weibe haften, denn dies Weib wird Fleisch von seinem Fleisch und Blut von seinem Blut.“

„An Amanda –“ begann Michaelis, aber Frau Reinhold unterbrach ihn.

„Der Herr sucht der Väter Sünden an den Kindern heim,“ sagte sie ungeduldig; „muß ich es Ihnen noch einmal in’s Gedächtniß rufen?“

„Und wenn Sie mir zehnmal es wiederholen,“ rief der Doctor, „Sie bekehren mich nicht zu Ihrer Auffassung. Ich gestehe Herrn Reinhold durchaus keine andern Ehrengesetze zu, weil er zufällig Pastor ist.“

„Zufällig?“ rief die Greisin außer sich und sprang empor. „Was Sie zufällig nennen, Herr Doctor, hält mein Sohn und ich für ein köstliches Geschenk des Himmels. Jahrhunderte hindurch, in den Stürmen des dreißigjährigen Krieges, wie später in der Pestzeit der Revolution haben die Reinhold’s, deren Namen auch ich schon vor meiner Ehe trug, fromm und tugendhaft und unentweiht als Wächter des heiligen Amtes dagestanden. Es war kein Mann, noch ein Weib in unserer Familie, deren Leben und Abkunft nicht vor den Augen Gottes wie der Welt das strengste Gericht bestehen konnte. Das Andenken an die Eltern und Großeltern wurde für Jeden der schönste Sporn, der reinste Quell hoher Kraft und Begeisterung. Und so soll es bleiben, so lange der Name Reinhold genannt wird. Wenn mein Sohn die Günther zum Weibe nimmt, wird ein krankes Reis auf den gesunden Stamm gepfropft. Was wird der Vater seinen Kindern erwidern, wenn sie nach ihrem Großvater fragen? Was werden die Kinder, heranwachsend, von der Welt erfahren? Herr Doctor! Wir abergläubischen, wir unaufgeklärten, dunklen Leute, wir lassen uns nun einmal nicht beschwatzen, daß die Abkunft von einer streng sittlichen, untadelhaften Familie kein Glück, kein wohlzuverwahrendes Gottesgut, sondern ein bloßer Zufall sei. Und Gott sei Dank, das Volk ist noch ebenso abergläubisch, so unaufgeklärt und dunkel wie wir. Mein Sohn hat mit diesem Volke, nicht mit den Gelehrten und Philosophen zu verkehren. Sein Weib muß ihn in der lebendigsten Gemeinschaft mit seinen Pfarrkindern unterstützen, nicht hemmen; sie muß sogar in hundert Fällen die Vermittlerin sein zwischen dem göttlichen Amt und der menschlichen Familie. Das abergläubische, unaufgeklärte, dunkle Volk aber, Herr Doctor, würde für die Vermittlung einer Frau danken, deren Vater dies Volk betrogen und bestohlen hat, deren Vater ehrlos gestorben ist. Du, mein Sohn, sagtest vorhin, daß Dein Herz die eine Wage ziehe, nun denn – in die andere werf’ ich zum Vermächtniß Deiner Väter und zur Meinung der Welt den Segen Deiner Mutter!“

(Fortsetzung folgt.)
[37]
Die Mitra mit dem Eichenkranz.
Von Friedrich Hofmann.
1


Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg.
Nach einer Originalzeichnung von Fr. Pecht in München.

Den Mann, vor dem wir stehen, schmückt der Ruhm des seltensten Verdienstes: der Ruhm, als Priester, als Dichter und als Staatsbürger allezeit deutsch und frei gedacht und gelehrt, gesungen und geschrieben, gelebt und gewirkt zu haben. Nie ist der bischöfliche Schmuck, die Mitra, von einem deutscheren Haupte getragen worden.

Wer die Bedeutung dieses Mannes ’gerecht würdigen will, darf nicht den Standpunkt der Gleichgültigkeit einnehmen, auf welchen viele Leute des Fortschritts in der Gegenwart sich der Kirche gegenüber stellen. Wer sich von dem kirchlichen Gebiet kampfscheu mit der Phrase zurückzieht, daß mit der Freiheit im Staate sich die in der Kirche von selbst einfinde, der wird jeden Kampf für die religiöse Wohlfahrt der Geister als eine unnütze Bemühung ansehen und höchstens denjenigen Kampfmitteln, welche zugleich der Volksbildung dienen, seine Anerkennung schenken. Unseres Mannes höchstes Streben wird nur der gerecht würdigen, welcher mit Karl Hüetlin, dem Bürgermeister von Constanz, ausrufen kann: „Ich würde mich – schon um meiner Kinder willen – vor Gott und meinem Gewissen der Sünde fürchten, wenn ich dem pfäffischen Treiben gegenüber, dessen Fußstapfen überall nur geistiges und leibliches Elend folgt, müßig zuschauen wollte!”

Auf diesen Standpunkt drängt uns mehr und mehr die Einsicht [38] in das wahre Wesen unseres deutschen Volkes, das sich durch immer neue Erscheinungen von Tag zu Tag klarer darstellt. Es ist in der That, „wie kein zweites in der Welt, ein Volk aus einen Gusse – und, nach den drei Grundzügen seines Wesens, ein Volk von religiösem Bewußtsein, von unbegrenztem Wissensdrang, von opfermüthigem Freiheitsgefühl – und nur als ein solches darf es und will es genommen sein.“ Dieser patriotische Glaubens- und Lehrsatz unseres E. A. Roßmäßler,[2] der recht eigentlich als Motto gelten kann für eine Lebensbetrachtung, wie wir sie hier geben wollen, dieser Satz mahnt jeden Volkskämpfer an seine doppelte Pflicht: das Volk nicht wehrlos preiszugeben der rastlosen und bis in das Heiligste der Familie eingreifenden und einschleichenden Betriebsamkeit des Priesterthums, und vor Allem die Wiege unserer Volksbildung, die Schule, vom priesterlichen Gängelbande zu erlösen; denn nur der in seinem religiösen Bedürfniß nach seiner freien eigenen Gottesanschauung geschützte und vor jedem störenden Eingriff in seinen Bildungsgang gesicherte Deutsche wird mit ganzer Seele zum Vaterlande stehen. Wer daher für das Volk in den „strengen Dienst der Freiheit” geht, den muß die Einsicht leiten, daß beides, der Kampf auf dem politischen wie aus dem kirchlichen Gebiet, Schritt vor Schritt gemeinsam vordringen muß, wenn wir nicht abermals nur auf dem einen Flügel siegen wollen, während wir auf dem andern geschlagen werden. Man fürchte nicht, dadurch neue Feinde gegen das politische Streben des Fortschritts aufzuhetzen: nicht ein Feind kommt neu hinzu, sie stehen längst alle mitten im Kampf, nur daß die Heerschaaren des Priesterthums fast fröhlichen Sieges vorwärtsschreiten, weil sie auf so wenig geharnischte Gegner stoßen.

Diese Einsicht leitete den Mann, aus dessen edles Antlitz heute unsere Leser blicken: er verfolgte als Priester, Gelehrter und Bürger das eine Ziel der Volksbeglückung in der Kirche, in der Schule wie im Ständesaal, und wie er in seiner hohen geistlichen Stellung bei seiner kirchlichen Reformation das politische Feld nie außer Acht ließ, ebenso sollten unsere politischen Volksführer in ihrer hohen weltlichen Stellung nicht vom kirchlichen Gebiet so scheu, wie bisher, ihre geistigen Waffen zurückziehen. Das Volk denkt in dieser Hinsicht anders, als sie; und weil gerade jetzt in mehreren deutschen Ländern zugleich eine lebhaftere kirchliche Bewegung begonnen hat, so glaubten wir uns verpflichtet, gerade jetzt den einst von Hunderttausenden gesegneten und von Millionen gefeierten Wessenberg allen Deutschen wieder in das Gedächtniß zu bringen und allen deutschen Volkskämpfern als ein Vorbild auf die wohlverdiente Ehrensäule zu stellen.

Ignaz Heinrich Freiherr von Wessenberg ist der Sprosse einer alten Adelsfamilie, von deren Stammburg auf einem der Höhenzüge des Frickthals unweit Brugg, im heutigen Canton Aargau, nur noch wenige Trümmer zeugen. Er war der mittlere von drei Brüdern und am 4. November 1774 zu Dresden geboren. Sein Vater, Philipp von Wessenberg, bekleidete am kursächsischen Hofe die Stelle eines Conferenzministers und Obersthofmeisters der verwittweten Kurfürstin und leitete später die Erziehung des minderjährigen Kurfürsten Friedrich August, entsagte aber dem Hofleben im Jahre 1776 und zog sich auf sein Gut Feldkirch im Breisgau zurück.

Hier verlebte Heinrich seine Knabenjahre. Das Leben der Familie in Feldkirch, und während der Wintermonate im nahen Freiburg, war ein glückliches; selbst der ehrwürdige Schmuck eines Großvaters fehlte ihr nicht, eines neunzigjährigen Greises, der oft Heinrich‘s, seines Lieblings, Antlitz mit Freude streichelte und mit Stolz sagte: „Das ist noch eine rechte deutsche Stirn!”

Und diese Stirn log nicht; der Mann machte des Greises Ausspruch zu einem Prophetenwort.

Nachdem Wessenberg sich durch fleißige Studien auf den Schulen und Universitäten zu Augsburg, Dillingen, Würzburg und Wien für seinen Stand vorbereitet und schon im Jahr 1799 actives Mitglied der Domcapitel von Constanz und Augsburg geworden war, eröffnete ihm im Januar 1800 der Tod des Fürstbischofs von Constanz das Feld seines großen Wirkens. Dalberg bot ihm das Generalvicariat von Constanz an, und Wessenberg übernahm es, nachdem beide Männer in einer vertrauten Unterredung zu Augsburg sich den Plan über die zukünftige Gestaltung der Kirche gemeinsam vorgezeichnet hatten. „Nach jener Unterredung,” schreibt Wessenberg, „hatte ich nun meine Bestimmung, und mein Entschluß stand fest, ihr mein Leben und alle meine Kräfte zu widmen.”

Ehe er jedoch damit beginnen konnte, führte ihn die Nachricht von der Erkrankung eines Oheims nach Regensburg, und die Ereignisse der Zeit (der traurige Verlauf und Ausgang des österreichischen Kriegs gegen Frankreich, von den Schlachten von Marengo und Hohenlinden bis zu den Friedensschlüssen von Basel, Campo Formio und Lüneville, 9. Februar 1801) hielten ihn über ein Jahr dort zurück. Seine Bemühungen, den drohenden Säcularisationen geistlicher Herrschaften gegenüber „solche Stipulationen zu erhalten, wodurch die Selbstständigkeit der deutschen Kirche gesichert und zugleich die Interessen der Humanität und Bildung gefördert würden” – kurz, für die Kirche in Deutschland eine nationale Stellung und einen nationalen Charakter unter einem Primas zu erlangen – sie scheiterten an der persönlichen Bequemlichkeit und den politischen Nebenrücksichten der Kirchenhäupter jener Tage. – „Ueberhaupt war,” schreibt Wessenberg über jene Zeit, „im deutschen Vaterland, namentlich in gewissen Kreisen, aller Gemeinsinn und patriotische Geist erschlafft. Die heillose Schicksalsidee hatte sich, wie der dramatischen Dichtung, so auch des wirklichen Lebens bemächtigt. Entmuthigt und gedankenlos lebte man in den Tag hinein. … Die Wahrnehmung dieser Zustände erregte in mir einen wahren Ekel und die Sehnsucht, recht bald meine Kräfte einzig dem Berufe meines geistlichen Hirtenamtes zu widmen.”

Als Wessenberg die Verwaltung des Bisthums Constanz übernahm (so sagt Dr. Jos. Beck[3], der Biograph Wessenberg’s dessen vortreffliches Werk wir diesem Artikel zu Grunde gelegt haben), belief sich die Seelenzahl der katholischen Bewohner in den deutschen und schweizerischen Antheilen auf etwas über anderthalb Millionen, die gesammte Geistlichkeit umfaßte 6608 Personen, kam also auf etwa 233 Einwohner ein Kleriker! Der geistige Zustand der Diöcese war trostlos, von der geistlichen Regierung an bis hinab zu den untergeordneten Organen der kirchlichen Verwaltung. Hier lagen Schäden offen, die mit einer Gewalteur nicht zu heilen waren.

So begann er denn sein Reformationswerk mit der Berufsbildung der Geistlichkeit selbst. Um zunächst Ordnung und Pünktlichkeit in die Geschäfte zu bringen, entwickelte er eine riesige Arbeitskraft. Von Morgens fünf Uhr bis spät in die Nacht fand man ihn rastlos beschäftigt. Dadurch suchte er nicht nur die Unfähigen vor der Hand selbst zu ersetzen, sondern allen Geistlichen seiner Diöcese mit seinem Beispiel voranzuleuchten. Allmählich schritt er dann zu der Ausscheidung der durchaus Unbrauchbaren und Unverbesserlichen. Bei allen seinen Schritten aber ging er von dem Grundsatz aus: „Keine Reform vorzunehmen, die nicht eine Verbesserung wäre, und nichts zu ändern, was nicht einer Verbesserung bedurfte.”

Seinen Kampf gegen jenes hierarchische System, welches nur auf dem Boden geistiger Uncultur gedeiht, eröffnete er mit einem Regulativ, das den Studiengang der Candidaten der Theologie feststellte. Ueber die Aufnahme in das Seminar entschied fortan eine Hauptprüfung, welche Wessenberg, so oft als möglich, selbst leitete. Das Seminarwesen erfuhr eine völlige Neugestaltung, und insbesondere erhob er das Hauptseminar zu Meersburg zu einer Musteranstalt. Damit dies ganz in seinem Geist geschehe, zog er für einige Zeit selbst nach Meersburg, um das Ganze zu leiten und wichtige Lehrfächer so lange selbst zu übernehmen, bis er die rechten Männer für sie gefunden hatte. Sogar für eine Buchhandlung sorgte er, denn auch damit sah es in der Diöcese, bei dem gar zu geringen Bücherbedarf des bisherigen Priester- und Gelehrtenthums, schlimm genug aus.

Nicht weniger kräftig ging er an die Reformen in der Verwaltung des Bisthums, in der er vor Allem für einen bessern Organismus sorgte. Er strebte dahin, im Klerus wieder Sinn für christliches Gemeinleben zu wecken, rief die vergessenen Pastoralconferenzen wieder in’s Leben, gründete eine besondere Zeitung (Archiv für die Pastoralconferenzen etc.) für dieselben, deren Redaction er selbst fünfundzwanzig Jahre besorgte, richtete literarische Lesevereine und Capitelsbibliotheken ein, schrieb öffentliche Preisfragen aus, erneuerte die Concursprüfungen und suchte sogar die vielen geistlichen Müßiggänger, die sog. einfachen oder simplen Priester [39] (sacerdotes simplices), deren Tagewerk nur im Wesselesen besteht, zu nützlichen Menschen umzuschaffen.

Mit gleichem Eifer trat er in die Volksschule und forderte auch hier vor Allem Berufsbildung des Lehrers. Das ist das einzige Feld, aus dessen Saat ihm nur Freuden blühten, denn noch heute ist es Wessenberg’s anerkanntes Verdienst, daß das Schul- und Unterrichtswesen in Baden, theilweise auch in der Schweiz und mittelbar auch anderwärts auf der gegenwärtigen Höhe steht. Selbstverständlich drang Wessenberg auch auf die Schulbildung der Geistlichkeit, denn er wollte, daß der Geistliche nicht der herrische Gebieter des Lehrers, sondern sein erster Freund, sein fachkundiger Berather, sein Vorbild in Berufstreue und christlicher Humanität sei. Daß dieser Wunsch des edlen Reformators nicht in Erfüllung ging, ist die Schuld der Geistlichkeit, und der Ruf nach Erlösung der Schule von ihr wird so lange gerechtfertigt sein, als Beck’s Ausspruch gilt: daß Hierarchen so wenig wie Junker je angethan seien, sich selbst zu reformiren.

Von großer Bedeutung sind endlich Wessenberg’s gottesdienstliche Reformen, und obwohl in Folge äußerer Ereignisse mitten in ihrer Entwicklung aufgehalten, auch später von der kirchlichen Reaction zum guten Theil wieder beseitigt, haben sie dem deutschen Volk doch wenigstens zwei unschätzbare Errungenschaften gebracht: die Einführung des deutschen Kirchengesangs und den Gebrauch der deutschen Sprache bei der Liturgie. Sein deutsches Gesangbuch, in welches er das Beste aus alter und neuer Zeit und ohne Rücksicht auf die Confession der Versasser aufnahm, war eine große deutsche That, das Bestreben, der großen Hälfte des deutschen Volks seine Sprache für das religiös-kirchliche Leben zurück zu erobern, war der erste kühne Schritt auf der Bahn zu nationaler Selbstständigkeit.

In unseren Tagen mag es für Viele schwer sein, die Schwierigkeiten, ja Gefahren dieses Unternehmens zu würdigen. Diese mögen bedenken, daß Wessenberg nicht nur in einem sehr großen Theil der Geistlichkeit, sondern im Volke selbst hartnäckige Widersacher fand, gegen die er nicht die Bekehrungsmittel des Kurfürsten von Mainz anwenden durfte. Erthal hatte schon zu Anfang der neunziger Jahre in seinem Erzstift den deutschen Kircheugesang einzuführen gesucht. Da erklärten die Bewohner des Mainzischen Ortes Rüdesheim, ihre Eltern und Großeltern seien doch auch keine Narren gewesen und hätten kein Latein verstanden, wären aber doch selig geworden, wie der Herr Pfarrer sage; darum wollten auch sie mit ihrem lateinischen Gesang in den Himmel kommen. Gegen diesen Widerspruch versuchte das Hochstift erst das Mittel väterlicher Belehrung; als dieses nicht fruchtete, legten sich 600 Mann Executionstruppen in den Ort, und eine solche Last ertrugen diese Rüdesheimer neun volle Monate, ehe sie von ihrem geliebten Latein losließen.

Wessenberg durfte nur belehrend bekehren, denn er verfolgte ein höheres Ziel, als die bloße Einführung deutschen statt lateinischen Gesangs. Sein Streben war gegen den Aberglauben gerichtet, der sein Wesen in dem für den Laien geheimnisvollen Latein sogar noch gesetzlich trieb. Noch im Jahre 1781 war ein lateinisches liturgisches Handbuch im Constanzer Bisthum eingeführt, welches eine förmliche Theorie über Teufel- und Geisterbeschwörung und eine lange Reihe vorgeschriebener Formeln enthielt, um alles Mögliche, Menschen und Thiere, Haus und Stall, die Bettstätten der Eheleute, Milch und Butter u. s. w. zu beschwören. Und so mächtig wirke noch im Anfang des 19. Jahrhunderts der Wahn, daß Wessenberg selbst von Protestanten, namentlich aus der Schweiz, nicht selten Bittbriefe erhielt, ihnen diesen oder jenen Geistlichen oder Mönch, als den Mann ihres besonderen Vertrauens, zu einer Teufelsbeschwörung bald an einem kranken Kinde, bald an einem Stück Vieh und dergl. abzuordnen. Gegen solchen Unfug konnte Wessenberg anfangs nicht einmal verbietend auftreten, weil die Seelsorger und Mönche auf die einträglichen Geschäfte der Exoreismen als auf ihr Recht, ja ihre Pflicht pochten, die ihnen durch ihre lateinische Liturgie vorgeschrieben sei. Diesem konnte Wessenberg vor der Hand nur den Befehl entgegensetzen, für jede Teufelsbeschwörung erst die Erlaubniß der bischöflichen Oberbehörde einzuholen. Dadurch kamen wenigstens die meisten solcher Fälle zu seiner Kunde, und er beeilte sich dann, so oft wie möglich, persönlich die Irrenden, Priester und Laien, belehrend und ermahnend von ihrem Vorhaben abzubringen und gegen Widerspenstige strenge Zurechtweisung zu üben. Erst durch seine deutsche Liturgie legte er diesem durch Jahrhunderte von der Priesterschaft so sorgsam gepflegten Wahn das Beil an die Wurzel. Schon nach diesen wenigen Andeutungen wird auch der protestantische Norddeutsche keine Anmaßung mehr darin finden, daß man im katholischen Süddeutschland die Wessenbergische Einführung der deutschen Sprache in den Volksgottesdienst für ebenso epochemachend erklärte, als früher die deutsche Bibelübersetzung Luther’s. Beides waren deutsch-nationale Siege des Lichts gegen die jesuitisch-ultramontanen Dunkelmänner.

Zu demselben Zweck sorgte Wessenberg für die Verbreitung der deutschen Bibel in allen seinen Gemeinden; sie galt ihm als das „Buch der befreiten Menschheit”, als die „Magna Charta der christlichen Geistesfreiheit und der Brudergleichheit aller Menschen”, darum als die unversiechliche Quelle der Humanität. – Zu demselben Zweck ordnete er für die reifere Jugend an den Sonntagsnachmittagen erst einen „christlichen Lehrunterricht” an, aus dem sich nach und nach die so segensreich wirkenden Sonntagsschulen und endlich die Fortbildungsschulen und Fortbildungsvereine entwickelten.

So war einzig und allein das Volksglück durch Volksbildung, durch Volksveredlung das Ziel, das er mit eherner Beharrlichkeit anstrebte, für das er die zäheste Geduld der Belehrung, eine unermüdliche Kraft der Abwehr aufwandte, für das er auf dem Lehrstuhl der Schule wie auf der Kanzel, mit der Feder des Schriftstellers wie mit der Harfe des geistlichen Dichters das Beste seiner Seele und feines Herzens opferte. Und selbst wo er mit dem Eifer eines Kirchenhauptes die Selbstständigkeit und die guten Rechte der Kirche verfocht, wo er namentlich das Kirchengut und das Vermögen milder Stiftungen aus den habgierigen Fingern der damals so säcularisationsseligen Dynastien zu retten suchte, geschah dies nur, damit das eingezogene Kirchenvermögen einem bessern Zwecke, als fürstlicher Vererbung oder Vergeudung, damit es zur Förderung kirchlich-religiöser und humaner Zwecke diene, insbesondere für Erziehungs- und wissenschaftliche Anstalten verwendet werde. Daß gleichwohl bei der Zerrüttelung und dem Umsturz des deutschen Reichs durch Napoleon für die Volksbildung in Wessenberg’s Geist so wenig abfiel, das ist nicht blos die Schuld, das lag im wohlerwogenen Plane der höheren Hierarchie selbst: „denn die erkannte Wahrheit macht frei, wie das Evangelium sagt, und duldet in die Länge keine hierarchischen Fesseln.”

Trotzdem und ebendeshalb trug Wessenberg’s Saat tausendfältige Früchte. Ein neues frisches Leben zog in die Kirche ein und wirkte auf das Leben der Familie und der Gemeinde zurück. Mehr und mehr wich aus den Kirchen der handwerksmäßige Formendienst, jeder Tag wirkte in den Seminarien zur Verbesserung der Schulen, zur Veredlung des Cultus, die Laien überkamen das Geschenk einer neuen Zeit, die Alten ergaben sich ihr mit immer geringerem Widerstand, und in der Jugend ward der Keim gepflegt, der den Sieg des Lichtes für die Zukunft sichern mußte. Soweit die deutschen Grenzen des Bisthums reichten, wuchs von Tag zu Tag die Einigkeit, knüpften sich die innigsten Beziehungen zwischen dem Generalvicar und seinen geistlichen Dienern. Das stille, reformatorische Werk innerhalb der katholischen Kirche war zu so schöner Blüthe gediehen, daß es die Augen von ganz Deutschland, und nicht blos des katholischen, auf sich lenkte und daß es bereits die Kraft der Nachahmungswürdigkeit erlangt hatte. Noch heute sind jene Geistesblüthentage int Volke unvergessen, und heute mehr als je hat die katholische Kirche Deutschlands Ursache, das Zertreten jener Blüthe zu beklagen, das ein Unglück für ganz Deutschland war. Das Gefühl dieser Wahrheit ist es, das sich seit Wessenberg’s stillem Dahinscheiden laut ausspricht in dem Wunsche, die Stätte seines Wirkens mit einem Ehrenmale zu bezeichnen,[4] und es wird auch den Männern des deutschen Nordens wohlanstehen, dem süddeutschen Geisteshelden die andere Hälfte zum vollen Lorbeerkranz zu reichen.

Wir verlassen heute den großen Mann auf der Höhe seines nach von außen ungestörten Wirkens, während es schon von Rom her droht. Wir werden in einem zweiten Artikel unsern deutschen Priester und Mann zu seinem höchsten Streben nach einer nationalen deutschen Kirche, zu seinem Kampfe mit dem Papstthume in Rom selbst, zu seiner Unterdrückung, zu seinem bittern Entsagen begleiten, wir werden ihn als wackern deutschen Staatsbürger in der badischen Ständekammer wiederfinden und endlich in seiner stillen Dichterklause zu Constanz von ihm scheiden.

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Die letzten Tage des deutschen Parlaments
Von Moritz Hartmann.
Der Zug nach Stuttgart – Besuch bei Justinus Kerner – Wie der Nervegeischt zusammenstimmt – Schwüle in der Residenz – Die erste Sitzung – Uhland als Redner – Wahl der Reichsregentschaft – Deutschlands Vertreter obdachlos – Noch einmal Uhland – Der Gang zum Schaffote – Das Erbarmen der Soldaten.


Wie herzlich auch die Aufnahme war, welche wir in Heilbronn, wo sich der größere Theil der Abgeordneten sammeln sollte, fanden, wie freundlich man uns überhaupt überall auf würtembergischem Boden aufnahm, so konnte sich wohl doch ein großer Theil unserer Schaar des Gefühles nicht erwehren, daß es zu Ende gehe. Die Pflicht hatte uns die Unternehmung geboten; die Hoffnung saß wohl nur bei Wenigen im Reisewagen: Hundert Kleinigkeiten schienen uns, oder wenigstens mir, in diesem Zustande bedeutungsvoll und auf Auflösung nach allen Seiten hin zu deuten. Fortwährend mußte ich an den Schulmeister gedenken, den wir am selben Tage in einem Gasthause auf badener Gebiete getroffen hatten. Er war sonntäglich gekleidet und machte kein Hehl daraus, daß er dem Großherzog nachziehe, ja er proclamirte es laut, so oft er glaubte, daß Revolutionäre in der Nähe seien, offenbar wünschend, von ihnen seiner großherzoglichen Treue wegen mißhandelt oder zurückgehalten zu werden. Es zog ihn nicht im Geringsten zum Großherzog; er war mit ganzer Seele bei dessen Feinden, und einmal, in einem ekstatischen Zustande, stieß er ein brünstiges Gebet für die Revolution und die Verfassungskämpfer aus. Weinend aber versicherte er, es bleibe nichts Anderes übrig, als mit dem Großherzog Frieden zu machen, weil Alles verloren sei. Dieser Schulmeister war mir das trübe Bild des deutschen Volkes.

Im Gasthause zu Heilbronn sahen wir zwei reisende junge Mädchen, deren eines als Mann verkleidet war. Höchst wahrscheinlich auf der Flucht und schutzlos, wie sie waren, schufen sie sich auf diese Weise einen fingirten Schutz. Sie hatten nichts Abenteuerliches in Wesen und Benehmen, und man sah es ihnen an, daß nur die Noth sie zu solcher nicht ganz weiblichen List gezwungen hatte. Alle Anwesenden, sammt den Wirthsleuten, gingen stillschweigend auf ihre Absichten ein, obwohl Niemand auch nur einen Augenblick getäuscht war. Romantik ist eine schöne Sache, wo sie einem aber auf solche und ähnliche Weise im Leben entgegentritt, da deutet sie immer auf Zustände, wie sie nicht sein sollten. Ich gestehe, daß die Serenaden und feurigen Ansprachen, die uns in Fülle zu Theil wurden, wenig zu meiner Erheiterung beitrugen; auch Heinrich Simon war sehr nachdenklich, nur Jacoby bewahrte jene unerschütterliche und erstaunliche heitere Ruhe, welche sagt: „impavidum ferient ruinae“. Rappard saß auf seiner Stube und zerstreute sich mit mikroskopischen Untersuchungen. Glücklicherweise waren diese meine speciellen Reisegefährten so geartet, daß sie selbst in solchen Zeiten sich den Sinn für alles das bewahrten, was in ruhigern Jahren ihrem Geiste, ihrem Gemüthe und Schönheitsgefühle wohlgethan. Mit Jacoby konnte man immer von Kant und überhaupt von Philosophen und Dichtern sprechen; von Heinrich Simon erinnere ich mich, daß er mir selbst auf dieser Reise, da doch unsere Geister so sehr eingenommen und beunruhigt waren, sehr ausführlich über seinen Landsmann, den alten Dichter Logau sprach, den er bis in’s Einzelnste und zum großen Theile auswendig konnte und an dessen letzter Ausgabe er sein Theil hatte. Ja, er lieferte mir sogar einen Lustspielstoff aus Logau’s Jugendleben.

Es war mir nicht schwer, solche Reisegefährten zu einem Besuche bei Justinus Kerner in Weinsberg zu bewegen, und dieser Besuch bildet in jener bewegten und in unsern Gemüthern noch mehr als äußerlich ruhelosen Zeit eine schöne Idylle. Weinsberg war mir als sagenhafter Boden der Weibertreue, als geschichtlicher des Bauernkrieges und als Aufenthalt eines lieben Dichters und sonderbaren Magiers interessant und bis zu einem gewissen Grade heilig als ehemaliger Aufenthaltsort meines theuren Nicolaus Lenau, der mir in schönen Jugendtagen oft von Weinsberg erzählt hatte. Es war ein herrlicher Sommernachmittag, an dem wir durch das schöne Land dem schönen Städtchen entgegenfuhren; aber ich will Fahrt und Land und Kernerhaus nicht näher beschreiben, wohl fühlend, daß sich meine Beschreibung dem „Besuche bei Justinus Kerner von David Strauß“ nicht im Entferntesten nähern würde.

Der alte Magus empfing uns überaus freundlich, und ich hatte die schmeichelhafte Genugthuung, die ich nicht im Geringsten erwartet hatte, mit meinen Versen von ihm gekannt zu sein. Seine Erscheinung machte mich anfangs etwas stutzig, denn er sah gar nicht so aus, wie ich mir einen Geisterseher vorgestellt hatte. Groß, breitschulterig und dick, wie er war, begriff man es nicht, wie er in die Gesellschaft durchsichtiger, körperloser Geister paßte, und wie sich in solch derber Körperlichkeit eine Phantasie eingenistet haben sollte, die so phantastisches Zeug an’s Tageslicht brachte und selber daran glaubte. Hatte man sich aber nach einiger Zeit an diese Wohlbeleibtheit gewöhnt, und brachte man es dahin, von dieser zu abstrahiren und nur den großen Kopf mit den langen Haaren und den halb erloschenen Augen, über denen sanfte Dämmerung schwebte, für sich allein zu betrachten: dann allerdings konnte man das Resultat der Betrachtung mit der vorgefaßten Vorstellung von Justinus Kerner in Einklang bringen. Was uns rasch für ihn einnahm, war der Umstand, daß er sich sofort als unsern Gegner auf politischem Felde offenbarte und daß er uns trotzdem mit so großem Wohlwollen entgegenkam, als ob nichts trennend zwischen uns stände. Ach, wie selten waren in jener Zeit solche Erscheinungen! Selbst wenn er uns ironisirte mit unsern Bestrebungen, war es, als ob er uns und die Leiden, die uns erwarteten, nur beklagte. Von Ankage, von Verdächtigung unserer Absichten, war in Wort und Benehmen keine Spur. Doch hing er als veralteter Romantiker mit ganzer Seele am Alten. Bei Erwähnung Böhmens brach er in ein Lob des Katholicismus aus und rühmte die Zeit, da die Welt von Mönchen angefüllt war. Dieser Mann, den man immer mit Ludwig Uhland zusammen nannte, war ganz und gar das Gegenstück dieses klaren, ruhevollen, edeln Geistes, der immer auf festem, irdischem Boden stand, an Leid und Freud’ der Gegenwart Antheil nahm, sich über Vergangenheiten nicht täuschte und die Zukunft nach Kräften gut und schön mit aufzubauen strebte, und wahrhaftig, es wird doch Niemandem einfallen, diesen Ludwig Uhland als Romantiker im schönsten Sinne des Wortes unter Justinus Kerner zu stellen.

Nachdem wir in seinem reizenden Hause einige Zeit gemüthlich verplaudert hatten, führte uns Justinus Kerner durch seinen Garten in den historischen Thurm, welcher während des Bauernkrieges allerlei Gräuel gesehen und in dessen Fenstern jetzt die berühmten Kerner’schen Aeolsharfen wie Geister über Gräbern Klagelieder aushauchen. Auf dem Wege dahin stützte sich Justinus auf meinen linken Arm und sprach von der Glückseligkeit des Klosterlebens, dann mit einem Male hielt er inne, drückte meinen Arm fest an seine Seite, ergriff meine Hand und fragte, indem er sein Gesicht dem meinigen näherte: „Fühlst Du nit, wie unser Nervegeischt zusammenstimmt?“ Ich bestätigte das; er war darüber voller Freude, bedauerte, daß ich ihn wieder verlassen solle, da offenbar zwischen uns ein inniger Rapport bestehe, und rieth mir am Ende, von den revolutionären Wegen abzulassen. Dann, während sein Sohn Heinrich Simon in einen Thurm führte, wo junge Mädchen für den Fall eines Aufstandes Patronen machten, zeigte mir Justinus Kerner die seinem Hause gegenüberliegende kleine Wohnung, in welcher Lenau gehaust hatte und in der noch sein melancholisches Portrait hing. Es war in dieser Stube, unter diesen traurigen Augen noch trauriger, als in jenem Thurmgemache, das die Aeolsharfen mit ihren geheimnißvollen Klagen erfüllten.

Die Stimmung, in der wir das Haus des Magus verließen, war im Ganzen eine gemüthliche; seine feine Ironie oder Ironisirung der revolutionären Bestrebungen war um so weniger verletzend, als er, sobald man mit ihm discutiren wollte, zugab, daß sein Conservatismus rein Gemüthssache sei, da er an mehreren Gliedern der königlichen Familie mit großer Freundschaft hänge, und daß er in der Theorie eigentlich gar nichts gegen uns einzuwenden habe und uns Recht geben müsse. Ein einiges, großes und freies Deutschland wäre gewiß eine sehr schöne Sache, und man müßte aller Poesie, jedes Edelsinnes baar sein, wenn man für diese Idee nicht empfänglich, ja begeistert wäre; aber die Sache, wie die Dinge einmal ständen, sei zur Zeit nicht ausführbar, und er persönlich hätte zu großes Mitleid mit denjenigen, die, wenn man es erreichte, darunter zu leiden hätten. Das sei allerdings nicht gesprochen, wie ein Politiker sprechen sollte, aber er sei ja auch kein Politiker und er wolle sich als alter blinder Mann auch [41] nicht in Dinge mischen, welche naturgemäß das jüngere Geschlecht auszufechten habe. Unter solchen Bedingungen und Zugeständnissen konnten wir uns seine Widersprüche gefallen lassen, und das um so leichter, als die Witze, die er damit verband, nie gegen uns, sondern gegen seinen eigenen Sohn, der sich im höchsten Grade revolutionär zeigte, gerichtet waren.

Wir schieden als gute Freunde, und selbst Jacoby, jener klare Verstand, der Landsmann und Jünger Immanuel Kant’s, der rationelle Arzt, sprach auf dem ganzen Wege von dem guten Eindruck, den ihm sein geistersehender College gemacht hatte. Was mich betrifft, so glaube ich nach einzelnen sehr klugen und klaren Aeußerungen Justinus Kerner’s schließen zu dürfen, daß er in seinen alten Tagen nur noch deshalb Geister sah, weil er ihre Existenz in seiner Jugend zu laut proclamirt hatte.

In Heilbronn, wo sich indessen mehrere Abgeordnete gesammelt hatten, wurden wir mit großen Volksdemonstrationen empfangen, denen am nächsten Tage noch andere und größere folgten, und an denen auch die Bürgerwehr Theil nahm. Indessen erinnere ich mich nicht mehr an die Einzelnheiten, die diese bezeichneten, da die damalige Zeit an solchen Aeußerungen reich und diese einander meist sehr ähnlich waren. Ich weiß nur, daß uns der Empfang in Heilbronn einen Eindruck machte, der uns zu dem Glauben berechtigte, daß wir in Würtemberg willkommen seien und daß das würtembergische Volk aufrichtig und mit Wärme an der Reichsverfassung hänge. Viele ausgezeichnete Würtemberger, darunter Mitglieder des Landesausschusses, Kammerabgeordnete und Schriftsteller, kamen uns von Stuttgart aus entgegen, und mit diesen bestiegen wir einen mit schwarz-roth-goldenen Fahnen, Blumen und Guirlanden geschmückten Eisenbahnzug, um uns in die Hauptstadt zu begeben. Auf jeder Station wurden wir von großen Volksmassen begeistert empfangen; am bedeutungsvollsten aber dürfte die Begrüßung erscheinen, die uns in Ludwigsburg zu Theil wurde.

Dort unter den Augen des Hofes, der sich dahin geflüchtet hatte, drängte sich eine große Anzahl von Soldaten, meist Artilleristen, an uns heran, um uns ihre Sympathien, ihre Ueberzeugung von der Gerechtigkeit unserer Sache auszudrücken. An ihrer Spitze stand ein Unterofficier der Artillerie, ein sehr schöner junger Mann, dessen Worte und Benehmen viel Bildung verriethen und der in höchst klarer, ruhiger, aber darum nicht minder schwungvoller Rede auseinandersetzte, wie die Sache des Volkes auch Sache der Armee sei. Man hätte bei allen diesen Symptomen, auch ohne sanguinisch zu sein, die größten Hoffnungen hegen dürfen. Ich gestehe, daß ich trotzdem von großen Hoffnungen weit entfernt war, will das aber weniger meinem Scharfsinn zuschreiben, als dem leidenden Zustande, in dem ich in Stuttgart ankam.

Wer die Augen öffnen wollte, konnte sich überzeugen, daß es in der Hauptstadt anders aussah, als im offenen Lande. Die Bürgerwehr, die uns feierlich empfing und sich dem Parlamente zur Verfügung stellte, war offenbar zu einem großen Theile für uns; auch die untern Volksschichten und Alles, was in den Mittelclassen mit der liberalen Partei zusammenhing. Aber man wußte doch nicht, was wir in den Falten unserer Toga mit uns brachten; wir waren eine geheimnißvolle Erscheinung und darum bis zu einem gewissen Grade unheimlich. Die große Mehrheit war von unserm Rechte durchdrungen, voll Achtung für uns, als die Vertreter der Nation und zwar als das kleine Häuflein von Vertretern, das in diesem kritischen Momente aushielt, während die große Mehrzahl auf Befehl oder Drohungen der Regierungen auseinander stob und die Fahne der Nation schmählich im Stiche ließ. Von unserem Rechte, und ich darf wohl sagen, von dem Achtungswerthen unserer Lage, war Jedermann durchdrungen; wagte doch selbst die Regierung in ihrer Proclamation weder das Eine noch das Andere zu leugnen; aber die Stadt war ruhig, und wir brachten vielleicht die Revolution, wir brachten vielleicht Straßenkampf, eine neue Krise und eine Zukunft voll Unsicherheit.

Nicht Alle, die für das Recht waren, waren zugleich für einen Kampf um dieses Recht und alle aus einem solchen Kampfe entspringenden Möglichkeiten. Die Begeisterung, die Ehrerbietung, die man uns zeigte, hatte etwas Gedrücktes, so wie bei aller Bewegung, die wir brachten, die ganze Atmosphäre nicht aufgeregt, gewitterhaft wurde, sondern ohne Schwüle gedrückt blieb. Ein großer Theil der Einwohner dieser Stadt, welche sich damals noch nicht, wie das heute der Fall ist, durch Handel und Gewerbe unabhängig gemacht hatte, hing mit dem Hofe zusammen und lebte vom Hofe. Dieser Theil war uns ausgesprochen feindlich; dieser betrachtete uns mit düstern Blicken, während der andere, wenn auch mit Sympathie, doch zugleich melancholisch zu uns herübersah. Dies ist die Wahrheit über die damalige Stimmung in Stuttgart, wenn auch der Enthusiasmus, der uns in den nächsten Kreisen umgab, manchem Abgeordneten vielleicht ein anderes Bild in der Erinnerung zurückließ. Die Agitatoren des Landes, die Mitglieder des Landesausschusses, diejenigen, die uns unsere eigentliche Basis schaffen sollten, waren selber niedergeschlagen, denn sie hatten in den letzten Tagen Erfahrungen gemacht, in Folge deren sie uns die Uebertragung des Parlamentes widerrathen haben würden, wenn es nicht zu spät gewesen wäre. Die traurigste dieser Erfahrungen war die, daß mehrere Städte, die sich eifrig für die Reichsverfassung gezeigt hatten, plötzlich lau wurden, als sie zu merken glaubten, daß sie durch die Grundrechte gewisse aus alten reichsstädtischen Zeiten herabgekommene Privilegien, die ihnen einen Theil ihrer Einkünfte sicherten, verlieren könnten. Doch das sind Einzelheiten, über welche Mitglieder des Landesausschusses, wie z. B. Carl Mayer von Eßlingen, bester Auskunft geben können, als ich. Zur Ehre dieses Landesausschusses sei es gesagt, daß er vom Momente unserer Ankunft an, trotz mancher entmuthigenden Täuschung, seine Thätigkeit sofort wieder aufnahm und zu Allem bereit war, was die Nationalversammlung, als einzige berechtigte Vertreterin der Nation, beschließen würde.

Schon am Abend nach unserer Ankunft erfuhren wir, daß unser College, der Minister Römer, den Kopf verloren habe, daß er besinnungslos zwischen seiner Wohnung und dem Schlosse hin und her renne, und man sprach die Vermuthung aus, daß er sich, sobald er ein wenig zur Besinnung gekommen, dem Parlamente als Feind gegenüber stellen werde. Dieser Mann war vor Allem ein Würtemberger und vor Allem schreckte ihn der Gedanke, daß seine Heimath mit in die Revolution hineingezogen werden solle. Dies war auch bei andern Würtembergern, auch bei Ludwig Uhland der Fall, aber dieser Letztere, obwohl er die Uebertragung des Parlamentes nach Stuttgart widerrathen hatte, obwohl ihm unser Beschluß wahrhaften Schmerz verursachte, dachte doch, wie die meisten andern würtembergischen Abgeordneten, groß genug, um trotz aller persönlichen Gefühle auf Seiten des Rechts und der Nation auszuharren, seine Besorgnisse und Schmerzen nicht weiter zu berücksichtigen und den Beschlüssen der einzigen berechtigten Behörde und seinem Mandate Folge zu leisten. Dies war um so rühmenswerther, als die Gefahr für die würtembergischen Abgeordneten, wie es damals schien, größer sein konnte, als die der Andern, da sie unmittelbar und auf heimischem Boden gegen ihre Regierung auftreten mußten. Römer erkannte zwar als Advocat ebenfalls das Recht der Nationalversammlung und zwar bis auf den letzten Moment der Auflösung und selbst bis über diesen hinaus, aber vor Allem fühlte er sich als Würtemberger und als Minister des Königs von Würtemberg. Sein bureaukratisches Gewissen war stärker als sein rechtliches und patriotisches; er sprach sich für die Pflicht aus, die Jedermann bestreiten konnte, und gegen die Pflicht, die Niemand und er selber nicht bestritt.

Am 5. Juni Mittags hatte sich in Stuttgart bereits die beschlußfähige Anzahl von Abgeordneten eingefunden, und am Abend fand eine Vorversammlung statt, in welcher die Fortsetzung der Sitzungen gleich für den nächsten Tag bestimmt wurde. Diese Vorversammlung war nicht ohne Interesse. Alte Freunde und Parteigenossen, die nun seit mehr als einem Jahre miteinander getagt und, da sie immer in der Minderheit waren, man darf wohl sagen, mit einander gelitten hatten, fanden sich hier nach einer Trennung von nur wenigen Tagen mit Gefühlen zusammen, als ob zwischen Frankfurt und Stuttgart lange Zeiten und unendlich große Räume lägen. Jedermann hatte irgend welche Abenteuer zu erzählen; die Hessen hatten bereits den Weg zwischen den beiden Städten verlegt, und so hatten sich die Einen mit allerlei Schweirigkeiten mitten durch sie hindurchschlagen oder schleichen müssen, während die Andern zu großen Umwegen durch die Pfalz oder durch Baiern gezwungen waren. Diese kleine Schaar, deren jeder Einzelne von seinem Rechte durchdrungen war, mußte sich von einem Orte nach dem andern, nach Art einer Räuberbande, begeben, zerstreut und in einzelnen Abtheilungen, damit doch wenigstens ein Theil glücklich am Endziele anlange. Und da wir nun endlich zusammen waren, was wird unser ferneres Schicksal sein? Wahrlich, unsere Lage war keine lachende; die Meisten von uns hatten [42] das Bewußtsein, daß wir einen letzten und äußersten Versuch zur Rettung der Freiheit machten und daß, wenn dieser Versuch mißlang, mit ihm vielleicht unser ganzes Leben zugleich ein mißlungenes wurde. Trotzdem herrschte in jener Versammlung die Heiterkeit des Wiedersehens; unsere Partei hatte im Laufe des Jahres eine Art Familiengefühles bekommen, viele einzelne Mitglieder waren unter einander auf’s Innigste befreundet, und zu alle dem kam, daß die große Mehrheit der Anwesenden sich gerade durch das Schwierige unserer Lage gehoben fühlte.

Am 6. Juni Morgens neun Uhr versammelten wir uns auf dem Rathhause, um uns von da nach der würtembergischen Kammer zu begeben. Bürgerwehr bildete den ganzen Weg entlang ununterbrochene Spaliere, und hinter diesen drängte sich das Volk, um uns durch Zuruf zu begrüßen und zu ermuntern. Der kleine Saal der würtembergischen Kammer war groß genug, um die deutsche Nationalversammlung, welche einst in den weiten Räumen der Paulskirche kaum Platz hatte, bequem zu beherbergen. An die große, säulengetragene Rotunde mit den weiten Gallerien gewöhnt, war es uns hier zu Muthe, als befänden wir uns in einem hübschen Familienzimmer. Indessen war unsere Schaar nicht so klein, als man gewöhnlich annimmt. Hundertunddrei oder hundertundfünf Mitglieder waren bereits anwesend; Manche, die zur äußersten Linken gehörten und die uns unter andern Umständen gewiß begleitet hätten, waren als Theilnehmer an der Pfälzer und badischen Bewegung in der Ferne, wie z. B. Ludwig Bamberger aus Mainz, Trützschler, Martin, Würth aus Sigmaringen u. A. Nahe an funfzig waren mit „Entschuldigung“ abwesend und gehörten de facto noch zur Nationalversammlung, obwohl sie ihrem ganzen Wesen nach nichts mehr mit uns zu thun hatten und nur noch aus Politik, um abwarten zu können, ihre Austrittserkläurugen verzögerten. Zu diesen darf man wohl die Herren Beseler, Edel, Robert Mohl, Tellkamp u. A. zählen.

Löwe von Calbe wurde zum Präsidenten gewählt, und es begannen sofort die Debatten, welche die Schöpfung eines neuen Mittelpunktes, einer neuen Centalgewalt zum Zwecke hatten. Der Reichsverweser konnte als Vertreter der Centralgewalt von uns nicht anerkannt werden; er hatte keine der Pflichten erfüllt, die er beschworen, und die Gewalt, die man ihm anvertraut hatte, gegen die Nation gekehrt, die ihn an die Spitze gestellt. Wir waren mehr als berechtigt, wir waren verpflichtet, diese Centralgewalt als null und nichtig wenigstens zu erklären, und es war geboten, eine neue zu schaffen, für den Fall, daß ihr noch irgend eine Wirksamkeit gegönnt wäre. Die Debatten, die sich in Bezug darauf entspannen, sowie die Debatten der folgenden Tage zeichneten sich vor denen der Paulskirche vortheilhaft durch ihre Kürze aus. Man fühlte wohl, daß man keine Zeit zu verlieren hatte, und es war keine Partei da, in deren Interesse es lag, vor Allem Zeit zu gewinnen und die revolutionäre Kraft verrauchen zu lassen, wie das ein Jahr hindurch in der Paulskirche der Fall gewesen. Nur um vor der Nation unsere Schritte zu motiviren, hielt noch Vogt eine seiner glänzenden Reden. Was in dieser ersten Sitzung noch auffallen mußte, war die größere Thätigkeit, die Uhland jetzt entwickelte. Es war ein Antrag von ihm auf der Tagesordnung, und er sprach auch einmal vom Platze. Weil die Gefahr da war, wurde dieser Edle auch thätiger. Er griff unmittelbar ein, während er sich in der Paulskirche immer im Hintergrunde gehalten hatte, und er sprach frisch weg und eifrig seine Meinung aus, da es ihm doch sonst eine große Ueberwindung kostete, eine Rede zu halten. Ich erinnere mich, wie ich ihm in der Paulskirche, als er nach seiner Kaiserrede die Tribüne verließ, einige Schritte entgegen eilte, in der Besorgniß, daß ihm, aufgeregt wie er war, etwas begegnen könnte, und wie er mir beinahe athemlos versicherte, daß er mehr als zwei Dritttheile dessen, was er sagen wollte, vergessen habe. Jetzt war es anders. Er sprach kurz, aber entschieden und präcis, horchte nach allen Seiten, blickte überaus ruhig und war wie ein Steuermann, der auf Alles achtet. Der Minister Römer nahm sich neben ihm wie das böse Gewissen aus; er schob sich auf seinem Sitze hin und her, beugte sich bald vor-, bald rückwärts, fuhr sich mit den Händen über’s Gesicht und murmelte viel vor sich hin, ohne ein lautes Wort zu sprechen.

In dieser ersten, wie in allen spätern Stuttgarter Sitzungen wurden uns Ergebenheits-Adressen vorgelesen oder angekündigt, die allerdings von vielseitigem gutem Willen zeugten, gegen die aber Unsereiner schon längst abgehärtet war. Ebenso kamen uns verschiedene Geschenke zu, und unter diesen auch noch ein Beitrag zur deutschen Flotte, was wohl Manchen noch hätte lachen oder lächeln machen können, wenn man damals überhaupt zur Beobachtung der komischen Momente und der komischen Seiten unserer Lage gestimmt gewesen wäre. Es war damals schon ebenso schwer, an die deutsche Flotte zu glauben, wie an eine deutsche Reichsverfassung.

Am Nachmittag des 6. Juni gingen wir an die Wahl der Reichsregentschaft. Mehr oder weniger hatten wir Alle die Ueberzeugung, daß wir damit etwas Illusorisches begannen, und gewiß waren die fünf Männer, die wir zu Reichsregenten ernannten, von dieser Ueberzeugung durchdrungen. Desto größer war ihr Opfer, daß sie sich zu einem Versuche hergaben, der wie ein Spiel ausfallen konnte, ja der alle Wahrscheinlichkeit des Mißlingens für sich hatte. In der That ist die Selbstverleugnung, die diese Männer zeigten, nicht genug zu rühmen. Man sage, was man wolle, man mache alle Witze, welche Gefallenen gegenüber so leicht zu machen sind, so ist es doch wahr, daß Charaktere und Intelligenzen, wie Heinrich Simon, Schüler, Raveaux, Becher, Vogt, selten in einer Regierung vereinigt sind, und man darf behaupten, daß solche Männer, wo sich ihnen nicht Unmöglichkeiten entgegenstellen, ein Regierungscollegium bilden würden, das hoch über all den Regierungen stünde, welche uns besiegt haben. Man vergleiche diese Männer mit den Ministerien und Regierungen der damaligen Zeit und sage, ob hier zu viel behauptet oder übertrieben werde. Daß sie mit unbestreitbarem Rechte auf ihrer Seite doch unterlagen und das vorgesteckte Ziel nicht erreichten, das beweist nur, daß Recht, Charakter und Geist auf dieser Erde nicht immer, vielleicht am seltensten den Sieg davon tragen, und daß dieser häufiger ihren Antagonisten, ihrem Gegentheile bestimmt ist. Die Wahl der Reichsregenten wurde von den Gallerien mit Begeisterung aufgenommen, und in der ganzen Umgebung der Kammer erscholl gewaltiger Jubel, als man von Einsetzung der Reichsregentschaft vernahm. Ich gestehe, daß dieser Jubel, als er in den Sitzungssaal eindrang, mein Herz mit den schmerzlichsten Gefühlen und mit der größten Bitterkeit erfüllte. Aber es blieb uns nichts mehr übrig, als wenigstens die Form des Rechtes zu erfüllen, da es uns, die wir von der Majorität der Nationalversammlung, sagen wir es nur gerade heraus, feige verlassen waren, nicht gegönnt war, das Recht selbst zu verwirklichen. Wir versuchten das Letzte und Aeußerste, wenn es auch bereits wie ein leeres Spiel aussah, und mit kaltem Blute, nach jahrelanger Abkühlung scheint mir dieses Spiel noch immer würdiger, als die Desertion der Mehrzahl, die so rasch den Regierungen gehorchte und die Fahne dahinwarf, die ihr die Nation in die Hände gegeben. Was wir thaten und begannen, war Moschus, den wir dem sterbenden Rechte eingaben, um noch Tage oder Stunden zu gewinnen, während welcher eine heilsame Krisis, eine Rettung möglicherweise eintreten konnte.

Am 8. Juni nahm Fürst Waldburg-Zeil Urlaub, und so that auch der Abgeordnete Giskra. Das waren Symptome. An diesem Tage hatte auch schon Herr Römer, unser College, seine gegen die Nationalversammlung gerichtete Ansprache an das würtembergische Volk erlassen, und damit war der Krieg erklärt und der Bruch des Rechtes eingeleitet, welches Herr Römer selbst in dieser Ansprache noch anerkannte. So stark ist der Deutsche, wenn es gilt, die Theorie von der Praxis zu scheiden. Es ist wohl zu bemerken, daß Herr Römer seinen Austritt aus der Nationalversammlung erst am 13., also nach Erlaß der Ansprache, anzeigte. Allerlei dunkle Gerüchte verbreiteten sich in Folge dieser Kriegserklärung; unsere Freunde glaubten uns von drohenden Gefahren umgeben, und ihre Besorgnisse schienen gerechtfertigt, als man sich überzeugen konnte, daß in der That allerlei militärische Vorbereitungen getroffen wurden. Es kamen uns allerlei Warnungen zu, und der Schreiber dieser Zeilen erhielt selbst einen Brief von einer mit höhern Kreisen in Verbindung stehenden Person, in welchem er beschworen wurde, an seine Sicherheit zu denken und Stuttgart zu verlassen. Die Bürgerwehr bot uns ihren Schutz an, und das Bureau der Nationalversammlung, auf den Antrag eingehend, verlangte, daß die Bürgerwehrartillerie vor dem Sitzungssaale auffahre, um uns den Eingang frei zu erhalten. Aber als die Artillerie Folge leisten wollte, fand es sich, daß die Regierung an ihr Eigenthum Hand gelegt und ihre Kanonen confiscirt hatte.

Die Sitzung des 8. Juni war die letzte, die wir in der würtembergischen Kammer gehalten; von diesem Tage an waren wir, [43] so zu sagen, obdachlos, und die souveraine Nationalversammlung des deutschen Volkes irrte in den Straßen umher. Am 13. versammelten wir uns im Kolbischen Saale. An diesem Tage lief wieder eine große Anzahl von Adressen ein, und, was interessanter ist, es stieß eine Anzahl von Ersatzmännern zu uns, um die Lücken einiger Deserteure der letzten Tage aufzufüllen, und unter diesen auch der Ersatzmann des Herrn Römer. Es ist gewiß anerkennenswerth, daß diese Männer sich im letzten und äußersten Momente auf das lecke Schiff begaben, das sich selbst als ein versinkendes bekannte. Wieder am 16. beherbergte uns das Fritz’sche Reithaus, das, ohne daß wir eine Ahnung hatten, vor unserm Einzuge mit Blumen und Gezweige auf das Anmuthigste ausgeschmückt wurde. Es war ein geschmückter Katafalk. Wir sollten nicht zum zweiten Male in diese Räume einziehen.

Am 17., spät Abends erhielt der Präsident Löwe von Calbe im Namen des Gesammtministeriums ein von Herrn Römer unterzeichnetes Schreiben, in welchem dieser verkündigte, „daß das Tagen der hieher übergesiedelten Nationalversammlung und das Schalten der von ihr am 6. d. Mts. gewählten Reichsregentschaft in Stuttgart und Würtemberg nicht mehr geduldet werden könne.“ Die Zuschrift enthält noch immer eine Anerkennung des Rechtes, kann sich aber trotzdem hie und da eine gegen die Nationalversammlung gerichtete höhnische Bemerkung nicht versagen. Wer Herrn Römer für einen tragischen Helden hält, der unter einer Collision von Pflichten leidet, der lese diese Zuschrift, um sich zu überzeugen, daß sich mit dieser Kleinigkeit, mit dieser Verspottung des ohnmächtigen Rechtes, keine Tragik verbinden lasse. Der Präsident ließ diese Zuschrift unbeantwortet. Herr Römer schickte ihm am nächsten Tage, gegen Mittag, wieder einen Zettel zu, um ihn „darauf aufmerksam zu machen“, daß gegen eine Sitzung der Nationalversammlung „die erforderlichen Maßregeln ergriffen werden“. Der Präsident wollte sich hierauf mit den Schriftführern in das Sitzungslocal begeben, um es vor Eröffnung der Sitzung, welche um drei Uhr beginnen sollte, in Besitz zu nehmen, aber schon um ein Uhr wurde er benachrichtigt, daß das Haus bereits von Militär besetzt sei. Doch war von Truppenbewegungen nichts bemerkt worden; die Soldaten hatten sich durch Seiten- und Nebengassen in die Nähe des Fritz’schen Locales geschlichen. Man wußte bald, daß dort verhältnißmäßig bedeutende Truppenmassen aufgehäuft waren, und in den Straßen hieß es, daß man uns Alle niederhauen wolle. Da trat Ludwig Uhland auf. Er forderte den Präsidenten auf, so viele Mitglieder als möglich zu versammeln und sich mit diesen in einem Zuge an Ort und Stelle zu begeben, um die Gewalt an uns sich vollenden zu lassen, und käme es auch auf’s Aeußerste. Wir versammelten uns unter den Bäumen eines gewissen Platzes, den ich, bei meiner damaligen Unbekanntschaft mit der Stadt, nicht näher bezeichnen kann, und setzten uns von da aus in Bewegung. An unserer Spitze schritt der Präsident, ihm zu Seiten zwei Prytanen Deutschlands, die beiden Greise Albert Schott und Ludwig Uhland, zwei Männer, die ein ehrenvolles, fleckenloses, langes Leben hinter sich hatten, das nur dem Kampfe für das Recht, für das Gute und Schöne gewidmet war und das sie auch jetzt, ohne Zaudern der Ungewißheit, einer drohenden Gefahr ruhig und schlicht entgegentrugen. Auf dem Gesichte des alten Schott lag dieselbe Milde, derselbe Ausdruck der Humanität, die dieses Gesicht zu allen Zeiten charakterisirte, dieselbe Heiterkeit, die nur eine attische Bildung, verbunden mit dem Bewußtsein stets erfüllter Pflicht, geben kann. Damit sei aber nicht gesagt, daß sich in diesem sanften Gesichte nicht zugleich eine gewisse Aufregung kund that; das Verbrechen, welches eben an der deutschen Nation begangen werden sollte, ging ja von Römer aus, der der Mann seiner Tochter war. Wenn es Deutschland nicht auffiel, wie klar ein Recht sein mußte, für das ein Mann wie Schott mit dem Reste seiner Tage eintrat, so fehlte es vielleicht nicht an fernen und fremden Völkern, denen seine Gegenwart am Sterbebette der Nationalsouverainetät für uns ein vollgültiges Zeugniß war. Ist es doch dem Aufzeichner dieser Skizze begegnet, daß sich bei ihm, auf ferner griechischer Insel, alte Hellenen nach dem braven, edlen „Skotos“ erkundigten. Und aus der andern Seite des Präsidenten ging Ludwig Uhland, mit jenen großen, strammen Schritten, die man an ihm kannte. Sollte man nicht meinen, daß ein Recht, das von zwei solchen Zeugen begleitet auftritt, von aller Welt erkannt werden müsse? Man sollte es meinen, wenn man nicht wüßte, daß der Eigennutz sich um das Recht und seine heiligsten Zeugen nicht kümmert und daß er, um es zu besiegen, die Gedankenlosigkeit als Mittel gebraucht. Unmittelbar hinter dem Präsidenten und den beiden Greisen ging ich, Arm in Arm mit meinem Freunde Ludwig Simon, kann also als Augenzeuge über die letzten Momente des Parlamentes berichten. Ich wußte, daß wir unserm Ende entgegengingen, und das dicht gedrängte Volk, rechts und links an unserm Wege, flößte mir, trotz aller Zurufe, kein Vertrauen ein. Durch die natürlichste Ideenassociation erinnerte ich mich jenes andern Ganges vom Römer in die Paulskirche bei Eröffnung des Parlamentes – als alle Häuser mit Flaggen und Blumen geschmückt waren, aus allen Fenstern Jubelrufe erschollen, die Musik „Nur gewagt, unverzagt“ aufspielte und Aller Herzen voll großer Hoffnungen waren. Nun will ich es offen gestehen, daß ich mich damals in Frankfurt nicht so gehoben fühlte, wie auf diesem letzten Gange des Parlamentes, der einem Gange zum Schaffote glich. Wir kamen in eine Straße, in der wir das Militär, Infanterie, aufgestellt sahen; während links in einer Seitenstraße Cavallerie wartete. Wir setzten unsern Weg fort, als ob jenes Hinderniß vollkommen unsichtbar wäre, und kamen so an die Reihen der Soldaten, welche die Straße, die zum Sitzungslocale führte, absperrten. Der Präsident mit seinen beiden Begleitern war eben bis auf ungefähr zwei Schritte Entfernung den Soldaten nahe gekommen, als sich deren Reihen plötzlich öffneten und ein älterer Mann mit weißer Binde und einem Papier in der Hand heraustrat und dem Präsidenten verkündete, daß er als Civilcommissär den Auftrag habe, zu erklären, daß keine Sitzung gehalten werden dürfe. Der Mann – Cammerer hieß er – war blaß, und seine Stimme zitterte, wie eines Verbrechers. Kaum hatte er seine Worte hervorgestoßen, als er schon wieder hinter den Soldaten verschwand. Ich glaube, daß er nur noch die Worte „mein Auftrag ist erfüllt“ hervorstotterte. Der Präsident erhob seine klangvolle Stimme und rief: „Ich erkläre“ – hier aber wurde er von Trommelwirbel unterbrochen, wie ein Delinquent, den man nicht zu Worte kommen läßt. Trotzdem rief der Präsident dem Civilcommissär zu: „Sie müssen mich hören!“ und als dieser verschwunden blieb, erhob er die Stimme noch einmal und rief: „Ich protestire gegen dieses Verfahren, als gegen einen Verrath an der Nation!“ und die Worte wurden gehört, trotzdem die Trommelwirbel immer stärker wurden und trotz dem Waffengeklirr. Die meisten Abgeordneten hatten sich indessen nach vorn gedrängt und standen in compacter Masse vor den Soldaten. Eine kleine Episode, die in diesem Momente spielte, scheint von nur sehr Wenigen, vielleicht nur von mir bemerkt worden zu sein, da ich sie in den zahlreichen[WS 1] Berichten, die später im Hotel Marquart erstattet wurden, nirgends erwähnt finde.

Civilcommissär Cammerer, nachdem er hinter den Soldaten verschwunden war, kam auf einen Augenblick wieder zum Vorschein, wandte sich an Ludwig Uhland und sagte ihm, daß, wenn er allein eintreten wolle, ihm der Weg offen stehe. Ich werde die Gebehrde der Verachtung, das wegwerfende Achselzucken, mit dem sich Uhland von ihm abwandte, nie vergessen und ich glaube, daß selbst Herr Cammerer, obwohl ein Mann, der sich zu einem solchen Amte hergegeben, diesen Moment ebenso wenig vergessen werde. Mittlerweile, da die Abgeordneten sich an die Soldaten herangedrängt hatten, commandirte man „Fällt das Bajonnet“ – aber sie gehorchten nur zur Hälfte. Ich bemerkte, daß ein einziger Soldat das Bajonnet so weit sinken ließ, daß es Einen der Herandrängenden beschädigen konnte. Dieser Eine hatte offenbar den besten Willen, sein Bajonnet in Blut zu tauchen; seine Bewegungen, wie der Ausdruck seines Gesichtes verriethen es zu deutlich. Die Anderen aber waren unschlüssig und sahen niedergeschlagen vor sich hin. General Miller bemerkte das wohl ebenso gut wie ich, rief dem Präsidenten, der unbeweglich stand, ein „Fort!“, dann einem Officier in der Seitenstraße ein Commandowort zu, und in demselben Augenblicke sprengte die Cavallerie auf uns ein, während der Officier, der sie führte, „Einhauen!“ conmmandirte und die anderen Officiere fortwährend „Haut zu! Haut zu!“ ausriefen. Doch muß ich der Gerechtigkeit wegen hinzufügen, daß ich einen Officier selber sah, der einem Cavalleristen, welcher auf den Abgeordneten Günther einhauen wollte, in den Arm fiel. Der Abgeordnete Günther nämlich, als die Cavallerie herbeisprengte, warf sich ihr entgegen, riß seine Kleider auf und außer sich rief er den Heransprengenden entgegen: „Haut zu!“

Im Allgemeinen aber hatten auch die Cavalleristen, trotz der beständigen Aufmunterung der Officiere und Unterofficiere, nicht die [44] geringste Lust zum Einhauen. Sie thaten nur so und schwenkten, indem sie in unsere Schaar hineinritten und uns trennten, ihre Säbel über unseren Köpfen. Der Präsident selbst war in Gefahr niedergeritten zu werden. Es lag also nach alldem weder an Herrn Römer noch an dem guten Willen der würtembergischen Officiere, daß das Parlament ein unblutiges Ende nahm. Hätten die Soldaten gehorcht, ihre große Anzahl hätte unser kleines Häuflein binnen fünf Minuten bis auf den letzten Mann niedermetzeln können. Das Volk drängte sich mit in das Gewirre, und die Erkenntniß von der Stimmung der Soldaten, die man sofort gewinnen mußte, war wohl mit eine der Ursachen, daß es zu keinem weitern Conflicte kam.

Bei dem Gedränge von Abgeordneten, Soldaten und Volk, bei der Verwirrung war es nicht möglich uns wieder zusammenzufinden und an Ort und Stelle etwas Gemeinschaftliches zu beginnen. „Nach dem Hotel Marquart!“ rief ein Abgeordneter dem andern zu, und in der That fanden wir uns dort zur selben Stunde zusammen, auf welche die Sitzung in der Reitschule angesetzt war. Aber wir zählten uns – unsere Zahl belief sich nur noch auf 94 – wir waren nicht mehr beschlußfähig – die Nationalversammlung war gestorben oder, wenn es besser klingt, hingerichtet.

Man nahm noch ein Protokoll auf über die Vorgänge, und wir erfuhren bei dieser Gelegenheit, daß auch die Reichsregentschaft auf ihrem Wege zum Sitzungslocale vom Militär aufgehalten und dann mit Gewalt unter militärischer Begleitung in ihr Haus zurückgebracht wurde, daß sich während dieser Zeit zwischen Bürgern und Officieren ein Conflict erhoben, und daß die Officiere gegen die wenigen Männer der Reichsregentschaft ihre Soldaten die Gewehre laden ließen.

Indessen war die Hoffnung nicht aufgegeben, die beschlußfähige Anzahl von Abgeordneten wieder zusammenzubringen, obwohl Manche in wahrhafter Verzweiflung während der letzten Tage ihren Posten verlassen hatten. Der Präsident hatte das Recht uns wo immer zusammenzuberufen. Natürlich wandten sich unsere Blicke nach Baden, als dem einzigen Winkel auf deutscher Erde, in welchem sich die einzigen rechtlichen Vertreter deutscher Nation noch versammeln konnten. Es kam nicht darauf an, daß wir noch Berathungen hielten, es kam nur darauf an, daß die Reichsversammlung noch zu Recht bestand. Viele Abgeordnete begaben sich bald auf badischen Boden, Andere verweilten noch einige Tage in Stuttgart, obwohl sich schon am 18. Juni, dem Tage der Auflösung, das Gerücht verbreitete, daß die Reichsregenten und viele Abgeordnete verhaftet werden sollten. Es scheint auch in der That die Absicht der Regierung gewesen zu sein, uns zwangsweise über die Grenzen bringen zu lassen. Aber sie kam davon ab und begnügte sich damit, einige andere politische Persönlichkeiten, die nicht zum Parlamente gehörten, aus dem Lande zu weisen. Was die Abgeordneten betrifft, so hatte der König die Gnade, ihnen, im Falle es ihnen an Mitteln fehlte, Reisegelder anbieten zu lassen. Ich will nicht weiter untersuchen, welche Motive dieser Anerbietung zu Grunde lagen, und selbst annehmen, daß diese der besten Art waren – Thatsache aber ist, daß auch der Aermste unter uns von diesen Anerbietungen keinen Gebrauch machte.

In Baden-Baden fanden wir uns wieder in bedeutender Anzahl zusammen. Aber es war nach der Schlacht bei Waghäusel. In Freiburg machten wir noch ein Mal Halt, aber nur um von da aus mit der Masse badischer Flüchtlinge, mit der Reichsregentschaft und mit dem Archive der deutschen Nationalversammlung in’s Exil zu wandern.


Aus den Zeiten der schweren Noth.
Nr. 8. Der Landtag zu Königsberg und die Errichtung der Landwehr.
Von Ferd. Pflug.


Wir stehen am Anfang eines Jahres, das durch die Reihe seiner weltgeschichtlichen fünfzigjährigen Jubiläen für Deutschland hohe Bedeutung hat, und wir beginnen hiermit diese Feste, indem wir die Erinnerung an die erste große That des deutschen Volksgeistes im Siegesjahre 1813 feiern, denn als der bedeutendste, der eigentlich entscheidende und bestimmende Moment in der Bewegung von 1813 muß unbedingt die Errichtung der preußischen Landwehr erachtet werden. Es datirt diese folgenschwere Handlung indeß nicht erst vom 17. März, dem Erlaß der königlichen Ordre hierüber, sondern bereits vom 5. Febr. des genannten Jahres, dem Tage, wo zu Königsberg die Ständeversammlung der Provinzen Ostpreußen und Litthauen, im Verein mit den Repräsentanten der Theile von Westpreußen diesteits der Weichsel, aus eigner Machtvollkommenheit und allein getragen von dem gewaltigen, diese herrliche Zeit belebenden und befruchtenden Geiste, die Aufstellung einer Landwehr für die gedachten Landestheile beschloß und unter der Dringlichkeit der Umstände die Ausführung dieser großen Maßregel sofort auch selbstthätig in die Hand nahm. Ohne diesen entscheidenden Schritt würde einerseits sicher der durch die That York’s zu Tauroggen unvermeidlich gewordene Krieg Preußens gegen Frankreich einmal nie in dem Maße, als dies wirklich geschah, ein Volkskrieg geworden sein, und zweitens würde andererseits noch viel unzweifelhafter die preußische Landwehr, wenn sie überhaupt in’s Leben getreten wäre, doch nur geworden sein, was auch die österreichische Landwehr des Jahres 1809 und die russische des Jahres 1812 gewesen sind, ein Zuwachs des stehenden Heeres an einer Miliztruppe von, bei der mangelhaften Ausrüstung und geringen Vorübung derselben, sehr zweifelhaftem militärischen Werthe. So jedoch, unter der naturgemäßen Rückwirkung jenes merkwürdigen Ereignisses, ward sie mehr, ward sie der wenn auch noch halb unbewußte Ausdruck der in dem Volke wachgerufenen eigensten und innersten Kraft und damit in des Wortes vollster und unmittelbarster Bedeutung eine Volkswehr. Was jene alte preußische Landwehr so weit über alle ähnlichen Erscheinungen ihrer Zeit emporhob, wie nicht minder, was von den ersten Tagen ihrer Errichtung ab die Staatskünstler der alten Schule und die Männer des absoluten Regiments mit geheimem Mißtrauen und schlecht verhehlter Besorgniß wider dieselbe erfüllte, es muß zunächst und vor allen Dingen auf diesen ihren Ursprung zurückgeleitet werden.

Seltsam genug ist in dem gegenwärtigen Streit der Parteien für und wider die neue preußische Armeeorganisation, d. i. der wesentlichen Bedeutung nach, in dem Streite für das auf die Landwehr gestützte Volksheer, oder eine stehende Armee nach dem neueren französischen Zuschnitt, noch kaum von jenem erwähnten großen Ereigniß die Rede gewesen. Dasselbe wird, wenn es hoch kommt, einfach als der Geschichte angehörig betrachtet, während es thatsächlich doch noch lebendig fort und fort wirkt, während eigentlich beinahe alle Fäden des neueren preußischen Staatslebens in ihm anknüpfen und auf dasselbe zurückleiten, und, was wichtiger als dies Alles, während nur auf die durch dasselbe begründeten großen militärischen Grundsätze zurückgegangen zu werden braucht, um für die angestrebte Wehrverfassung des neueren freiheitlichen Staats die bis dahin noch vergeblich gesuchten Formeln und eine nur des weiteren Ausbaus bedürfende Grundlage zu finden.

Es war eine verworrene, schicksalsschwere, eiserne Zeit, der die preußische Landwehr ihre Entstehung verdankt, und selten mag ein Staat sich in einer bedrohteren Lage befunden haben, als diejenige war, welche zu diesem Zeitpunkte Preußen verstrickt hielt. Anfang Sommer 1812 hatte Napoleon I. mit einem Heere, wie es seit den Zeiten des Alterthums und der Kreuzzüge zahlreicher und kriegsgerüsteter die Erde noch nicht gesehen, seinen Zug gegen Rußland angetreten, Angesichts der Gefahr aber, von der Wucht dieser sich heranwälzenden Riesenmacht erdrückt zu werden, hatte die preußische Regierung keinen besseren Ausweg zu finden gewußt, als mit dem gewaltigen französischen Schlachtenkaiser auf dessen Bedingungen hin ein Bündniß abzuschließen und 20,000 Mann, nahezu die Hälfte der ihr nach dem Frieden von Tilsit noch verbliebenen Waffenmacht, zu dessen Heere stoßen zu lassen. Es blieb keinesfalls zu verkennen, daß für Preußen mit diesem Schritt auch die letzte Möglichkeit, wenigstens des preußischen Namens würdig zu enden, als verschwunden erachtet werden mußte, und daß, wenn es Napoleon gelang, Rußland niederzuwerfen, das fernere Schicksal und die Entscheidung über die Existenz des preußischen Staats bedingungslos in die Hand dieses einen Mannes gelegt waren. Bei der bekannten, [45] gleichsam ahnungsvollen Abneigung des französischen Kaisers gegen Preußen konnte überdies über den Ausfall der Entscheidung desselben in einem solchen Falle schwerlich der geringste Zweifel obwalten.

Ehre und Pflicht hätten bei der so gestalteten Lage der Dinge wohl zum Einschlagen des gerade entgegengesetzten Weges rathen sollen, ja, es blieb unter den obwaltenden Verhältnissen hier eigentlich gar keine Wahl, als, gestützt auf Rußland, den Kampf um Sein oder Nichtsein wider die französische Uebermacht aufzunehmen. Indeß die Männer, welche unmittelbar nach dem Unglückskriege von 1806 und 1807 den Wiederaufbau des durch denselben zertrümmerten preußischen Staats mit so kräftiger Hand aufgegriffen hatten und die einen derartigen Entschluß wohl jener schwachmüthigen Unterwerfung vorgezogen haben würden, befanden sich längst nicht mehr in der Lage, ihren Einfluß hierfür geltend zu machen. Stein, der große, freisinnige Staatsmann, war seit 1810 bereits in der Leitung der Staatsgeschäfte durch Hardenberg ersetzt worden und schließlich, geächtet von dem französischen Kaiser und verlassen von denen, die ihn hätten stützen sollen, nach Rußland entwichen, um von dort aus für seine Lebensaufgabe, die Befreiung Deutschlands vom fremden Joche, zu wirken. Scharnhorst, der tiefe Denker auf militärischem Gebiet, besaß seit dem gleichen Zeitraume kaum mehr als eine berathende Stimme in der Umgebung Friedrich Wilhelm’s III.; selbst Blücher, der kühne Feuergeist, hatte eben erst dem französischen Einflusse weichen müssen.

Die Einrichtung der preußischen Landwehr in der Ständeversammlung zu Königsberg am 5. Februar 1812.

Dieser schlimme Einfluß erhob täglich kühner sein Haupt und fand eine mächtige Stütze in den Feudalen, welche durch die seit 1808 angetretenen innern Reformen, ganz wie auch heute wieder, zu der blindesten und maßlosesten Opposition aufgestachelt, nur den einen Zweck verfolgten, wie sie redlich beigetragen, den Urheber dieser ihnen widerwärtigen Richtung, Stein, zu stürzen, jetzt auch dessen Nachfolger, Hardenberg, der die Reformen desselben größtentheils aufgenommen, zum Fall zu bringen. Kaum daß dieser letzte bedeutende Mann und seine wenigen Anhänger sich wider die unablässig gegen sie angesponnenen Intriguen noch in ihren Stellungen zu behaupten vermochten. Der König endlich, langsam im Entschluß und seinem ganzen innersten Wesen nach mehr zum Festhalten an dem Alten und Bestehenden hinneigend, schwankte zwischen den ihn bestürmenden Ansichten hin und wieder. Wo hätte da ein Aufraffen zu einer so großen Handlungsweise, wie die entschlossene Aufnahme eines letzten Entscheidungskampfes, wohl Platz greifen sollen?

Der Eindruck, welchen jene Entschließung zu einem Zusammengehen mit Frankreich auf die preußische Nation und Armee hervorbrachte, konnte in der That für nicht viel besser als der Anfang einer völligen Auflösung betrachtet werden. Gegen 600 Officiere, darunter Männer wie Pfuel, Clausewitz, der jüngere Dohna u. A., quittirten den preußischen Dienst und gingen größtentheils nach Rußland, um unter russischer Fahne den gehaßten Landesfeind zu bekämpfen. Das Volk, das unter dem unerträglichen Druck der Fremdherrschaft eben noch zu den schwersten Opfern bereit gewesen war, sank mit dieser getroffenen Entscheidung in eine dumpfe Lethargie zurück. Auch die Hoffnungsreichsten begannen jetzt an der Zukunft des Vaterlandes zu verzweifeln.

Und dennoch sollte gerade aus diesen anscheinend hoffnungslosen Zuständen die Rettung keimen, und jene schwächliche Eintagspolitik [46] sich als der Angelpunkt einer neuen Zeit erweisen. Napoleon hatte in Rußland sein „Bis hierher und nicht weiter“ gefunden, sein ungeheures Heer war auf dem unbegrenzten Raum dieses weiten Reichs dem Mangel, den Waffen des Feindes und den Schrecken des nordischen Winters erlegen, nur jammervolle Trümmer desselben vermochten sich über den Niemen zu retten. Bei alledem wäre der französische Kaiser jedoch wohl im Stande gewesen, diesen Fehlschlag wieder einzubringen und, gestützt auf die unerschöpflichen Hülfsquellen der ihm unterworfenen oder verbündeten Staaten, im nächsten Jahre mit einem neuen, vielleicht noch stärkeren Heere abermals gegen Rußland aufzutreten, wofern nicht ein sich dieser großen Katastrophe anschließendes und aus derselben entwickelndes Ereigniß plötzlich und unverhofft die Geschicke der Welt in neue Bahnen gelenkt hätte.

Das kleine, der großen französischen Armee beigegebene preußische Corps hatte einen Theil des von dem französischen Marschall Macdonald befehligten und gegen Riga operirenden französischen Corps gebildet. Bei dem Vormarsch der französischen Hauptmacht gegen Moskau blieb dies Letztere somit gleichsam als deren am weitesten nach rückwärts und links vorgeschobener Seitenposten zu erachten, und es folgte daraus, daß es auch am spätesten erst von dem nachherigen Rückzuge jener mit ergriffen werden konnte. Alles hing für die Franzosen davon ab, die Russen wenigstens am Niemen aufzuhalten, und das noch in ziemlich gutem Zustande befindliche preußische Corps sollte hierzu die Rückendeckung derselben übernehmen. Der Führer dieses indeß, der General York, statt die ihm zugefallene Aufgabe zu erfüllen, trat eigenmächtig mit dem verfolgenden Feinde in Unterhandlung und schloß mit demselben jene weltgeschichtliche Convention von Tauroggen, wodurch die preußische Abtheilung sich zwar noch nicht völlig den Russen anschloß, aber doch, unter dem Vorbehalt der späteren Entscheidung ihres Königs über ihre Bestimmung, ihre Sache von der der Franzosen trennte. Die Folge dieses Schritts äußerte sich zunächst gleich darin, daß die Letzteren vor den nunmehr ungehindert über die preußische Grenze vordringenden Russen bis hinter die Weichsel zurückweichen mußten und daß ihnen so gleichsam im ersten Anlauf die ganze Provinz Preußen verloren ging. Eine weitere und noch viel bedeutsamere Folge war jedoch noch, daß mit der Kunde von jener That plötzlich, gleich einem elektrischen Schlag, die ganze preußische und deutsche Nation der Gedanke durchzuckte: jetzt oder nie sei der Moment der Befreiung von den fremden Drängern erschienen. Es bedurfte nur noch des zündenden Funkens, um die in allen Herzen aufzuckende Hoffnung und Erwartung zur lichten Flamme der Begeisterung zusammenschlagen zu machen.

Ganz anders ward freilich die Kunde jenes Ereignisses in den Berliner Hofkreisen aufgenommen. Man glaubte sich dort in der ersten Bestürzung nur durch verdoppelte Unterwürfigkeit gegen Napoleon retten zu können. York ward seines Commandos entsetzt und vor ein Kriegsgericht verwiesen. Allmählich brach sich jedoch auch hier dem gegenüber die Ueberzeugung der Verständigen und Einsichtsvollen Bahn, daß alle die gemachten Anerbietungen den französischen Kaiser nicht versöhnen würden, und daß der Kampf um die Existenz Preußens nunmehr unbedingt gewagt werden müsse. Der König ging nach Breslau, Unterhandlungen mit Rußland wurden eingeleitet.

An eine rasche Förderung der Sache durfte bei alledem noch immer nicht gedacht werden, Zweifel und Bedenken gegen eine derartige Entscheidung machten sich vielmehr fortgesetzt von Neuem geltend. Auch ist auf die besondere Schwierigkeit der Lage schon gleich zu Eingang Bezug genommen worden. Soviel Napoleon in Rußland auch verloren haben mochte, so blieben seine Hülfsmittel doch groß genug, um binnen Kurzem die erlittenen Verluste mehr als zu ersetzen, andrerseits aber durfte jedenfalls mit Bestimmtheit angenommen werden, daß auch die Russen aus dem furchtbaren Streit des vorigen Jahres auf’s Aeußerste geschwächt hervorgegangen sein würden. Auf Oesterreich konnte, wenigstens für’s Erste, schwerlich gezählt werden, die gesammten Fürsten des übrigen Deutschlands dagegen waren durch den Rheinbund an Frankreich gefesselt. Polen, im Rücken des preußischen Staats, stand ebenfalls auf französischer Seite. Beinahe das ganze Land und sieben von dessen Hauptfestungen befanden sich überdies augenblicklich noch vom Feinde besetzt. Die Theilnahme der eignen Nation an dem Befreiungswerke und deren Leistungsfähigkeit ließen sich endlich aus Mangel an jedem Maßstabe dafür noch gar nicht ermessen. Der ganz unbestimmt gehaltene Aufruf der Freiwilligen vom 3. Februar 1813 war gleichsam ein erster Fühler, wie viel man von dieser Richtung etwa erwarten durfte.

Früher hatte man jedoch schon in Königsberg seinen Entschluß genommen. York begriff, daß er nicht auf halbem Wege stehen bleiben konnte. Im Anschluß an die russischen Truppen war er mit seinem Corps ebenfalls in Preußen eingerückt. Doch die vielleicht gehoffte Erhebung des Volkes blieb aus; es liegt, oder es lag damals wenigstens doch noch in diesem norddeutschen Stamme ein zu soldatisches Element, als daß die Angehörigen desselben ohne höhere Autorisation dazu auch auf den gehaßtesten Feind hätten losschlagen sollen. Noch stand York, mit der ausschließlichen Verantwortlichkeit für seine That belastet, allein; er wußte bereits, was gegen ihn in Berlin beschlossen worden war, und wofern er sich nicht rettungslos verloren geben wollte, blieb ihm kein Ausweg weiter, als durch einen zweiten großen Schritt das ganze Land zur Theilnahme an seiner Handlung zu bestimmen und so die unschlüssige Regierung halb mit Gewalt zu einem gleicherweise entschlossenen Vorgehen gegen Frankreich mit sich fortzureißen.

Es bleibt indeß zweifelhaft, ob York seinerseits so leicht dieser zwingenden Nothwendigkeit des Handelns nachgegeben haben würde. Er ist eine jener dunklen Erscheinungen der Geschichte. Verschlossen, wortkarg, abstoßend, ein abgesagter Feind aller irgendwie idealen Pläne und Bestrebungen, galt er während der Periode von 1808 bis 1812 zwar für einen eben so fähigen und braven Officier, als glühenden Patrioten, aber andrerseits doch auch für einen der unbedingtesten Anhänger der nur eine Varietät des Junkerthums bildenden exclusiven Militärpartei. Es muß noch heute fast unerklärlich erachtet werden, daß gerade ein solcher Mann bei seinen fest normirten Grundsätzen sich, soweit erkennbar, allein aus sich selbst heraus zu einer so außergewöhnlichen Handlungsweise wie dort zu Tauroggen aufschwingen konnte.

Sein scharfer Verstand und seine rücksichtslose Energie mußten ihn von hierab freilich weiter führen, und überdies war ihm auch bereits ein Anderer bestimmend, anregend, fördernd zur Seite getreten.

Dieser war Stein, der in Begleitung der russischen Heere den deutschen Boden wieder betreten und sofort das Befreiungswerk in die Hand genommen hatte. Mit einer fast unumschränkten Vollmacht des Kaisers Alexander von Rußland erschien derselbe nach einer vorherigen Rücksprache mit dem einflußreichen und ihm geistesverwandten Regierungspräsidenten von Litthauen, von Schön, zu Insterburg, am 21. Januar in Königsberg.

Der Plan des großen Mannes zielte auf nichts Geringeres, als in einer Landwehr und dem Landsturm die gesammte Wehrkraft der Nation zum Kampfe aufzubieten. Der Entwurf zur Errichtung einer solchen war von Scharnhorst bereits 1808 dem Könige Friedrich Wilhelm III. untergebreitet, allein nach einer anfänglich sehr günstigen Aufnahme von Seiten dieses Monarchen später doch als bis auf Weiteres unausführbar mit so manchen anderen Reformprojecten wieder zur Seite gelegt worden. Stein hatte diesen damals unter seinen Augen und mit seiner Zustimmung entstandenen Entwurf jetzt wieder aufgenommen, und die 1809 zum ersten Mal versammelt gewesene und seitdem in einem Ausschuß noch fortbestehende Ständeversammlung der Provinz sollte demselben die gesetzliche Sanction ertheilen.

York ging auf den letzten oder eigentlich den ersten Theil dieses Vorhabens, die Berufung der Ständeversammlung zur Erwägung der Mittel des Widerstandes gegen den Feind, freudigst ein, von der Errichtung einer Landwehr zu diesem Zweck war er dagegen, um seiner streng geschulten militärischen Richtung willen, immer ein principieller Gegner gewesen. Und dennoch bekleidete der General seit Anfang 1812 die ihm Ausgang desselben Jahres nochmals bestätigte Stellung als Militärgouverneur der Provinz Preußen, und auf seine Entscheidung hierüber mußte deshalb der Gang der Verhandlungen jedenfalls zuletzt zurückführen. Auch nach anderen Richtungen gab es noch unendliche Weitläufigkeiten und Schwierigkeiten zu beseitigen. Namentlich veranlaßte die zeitige Stellung Stein’s in russischen Diensten und die demselben vom Kaiser Alexander I. ertheilte Vollmacht ein schwer zu bewältigendes Hinderniß, da die patriotischen preußischen Männer um jeden Preis auch nur den entfernten Anschein, bei ihrem Entschluß von Rußland beeinflußt zu sein, zu vermeiden wünschten.

(Schluß folgt.)
[47]
Blätter und Blüthen.


Die Garrotte in London. Die Periode des Selbstmords beginnt in England bekanntlich im Spätherbst, wenn die schweren altenglischen Nebel keinen Licht- und Hoffnungsstrahl in die vom Spleen verdüsterte Seele dringen lassen, und dauert bis Weihnachten, wo der Engländer nach guter alter Sitte so viel essen, trinken und verdauen mag, daß es ihm an Zeit und Lust zum Halsabschneiden gebricht; aber während den Monate November und December hat jeder anständige Mensch hier das Recht sich aufzuhängen, und Niemand macht ihm dasselbe streitig, denn es ist sehr natürlich und immer so gewesen. Ebenso natürlich ist es, daß Schwindel und Betrug in der Mitte des Sommers, wo die Londoner Saison auf ihrer Höhe angekommen ist und alle reichen Leute und Abenteurer der vereinigten Königreiche in und um Hydepark versammelt hat, auf der Tagesordnung stehen sollten. Der Taschendiebstahl nimmt einige Zeit später, im August und September, wo die nationalen Wettrennen immense Haufen zusammenziehen und die sonst so ängstlich von einander geschiedenen Gesellschaftsclassen unter einander mischen, den hervorragendsten Platz in den Polizei- und Gerichtsannalen ein. Auffallender dürfte es schon sein, daß gerade die Frühlingssonne die dunkelsten Instincte der menschlichen Natur zu wecken scheint. Wenn sich die Natur mit Knospen, Blüthen und Blättern belebt, die stille Frühlingssonne vom blauen Himmel ihre verjüngenden Strahlen auf alt und kalt gewordene Herzen wirft, den Vögeln neue Lieder lehrt und den Menschenkindern alte Erinnerungen zurückgiebt, wenn sich Alles des wiedergeschenken Lebens freut und mit den lauen Lüften Muth, Hoffnung und Frieden einathmet, – dann erwacht der Trieb der Zerstörung im Menschen, und das Verbrechen feiert in England seine Mord-Saison. Es scheint, als wenn der Mensch gerade diesen Gegensatz des heiteren, friedlichen Lebens in der Natur nöthig hätte, um sich vollständig zu verbittern und in Mordlust bis zum Wahnsinn zu berauschen.

So viel ist gewiß, daß die Mordthaten hier im Frühjahr am häufigsten sind und die fast elementarische Ansteckungskraft des Verbrechens beweisen. Ein Mord, der unter ungewöhnlichen Umständen und mit einem außerordentlichen Aufwand von Grausamkeit oder Berechnung begangen worden ist, kommt fast nie allein. Alle Zeitungen berichten und raisonniren darüber, und er bildet eine Zeitlang den hauptsächlichsten Gegenstand der Discussion in Wirthshaus und Familie. Plötzlich wird das Publicum durch die Nachricht von einer neuen Mordthat erschreckt, die unter ähnlichen Umständen, aus ähnlichen Beweggründen und mit ähnlichen Mitteln begangen worden ist. Die öffentliche Discussion erhitzt sich immer mehr und erhält neue Nahrung durch Neue Fälle, welche in den Fußstapfen der alten folgen. Die Zeitungen beginnen ihre betreffenden Leitartikel mit den Worten: „Der Mord ist zur Manie geworden!“ Und so ist es. Schließlich tritt er geradezu als Selbstzweck auf. Es kommen alljährlich Fälle vor, bei denen sich gar kein Motiv der That mehr entdecken läßt. Das ist freilich dann die höchste Stufe des Deliriums, das Fieber verzehrt sich in seiner eigenen Heftigkeit, und gar bald sinkt das künstlich exaltirte Verbrechen wieder auf seinen Normalzustand herab. Die Fascination, welche der Mord auf die menschliche Natur ausübt, hat De Quincey in seiner berühmt und berüchtigt gewordenen Abhandlung „über die Philosophie des Mordes“ mit bewundernswürdiger Seelen- und Lebenskenntniß geschildert; im Ganzen jedoch ist die Physiologie und Pathologie des Verbrechens noch ein zu wenig angebautes Feld, das den interessantesten Studien einen weiten Spielraum eröffnet. Für unseren Zweck genügt es, darauf hinzuweisen, daß die bloße äußerliche Beobachtung der ansteckenden Wirkung des Verbrechens noch keine genügende Erklärung für seine seuchenartige Ausbreitung abgiebt. Es müssen da tiefer liegende Gründe in den gesellschaftlichen Zuständen vorhanden sein, welche die Ansteckung propagandiren und das Publicum für dieselbe empfänglich machen. Nur wenn diese Gründe richtig erkannt und entschlossen hinweggeräumt werden, ist eine radicale Cur möglich. Geschieht das nicht, so kann eine bestimmte Krankheitsform des Verbrechens wohl zeitweilig unterdrückt und modificirt werden, der vorhandene Ansteckungsstoff wird jedoch immer wieder in dieser oder in jener Form einen Ausdruck finden.

Woher kam es, daß die „Garrotte“ drei Monate lang eine Bevölkerung von drei Millionen zu terrorisiren und eine Gewalt zu werden vermochte, vor welcher die mit Recht gerühmte Londoner Sicherheitspolizei, die ganze Criminalrechtspflege, ja wir können sagen die ganze Civilisation der übercivilisirten Weltstadt machtlos zusammenbrach? Der sociale Krieg, der unter dem Namen „Garotte“ so lange in den volkreichen Straßen Londons geführt wurde, hat zwar noch nicht ausgetobt, aber er ist zu Gunsten der Ordnung entschieden, und die Plänkeleien, die noch allnächtlich vorkommen, beweisen, daß die geschlagene Armee des Verbrechens auf dem Rückzuge begriffen und entmuthigt ist. Das Publicum hat sich daher von seinem Schrecken so weit erholt, daß es Gemüthsruhe und Selbstvertrauen genug besitzt, um jene Frage ernsthaft zu untersuchen und zu discutiren. Die Regierung hat eine „Königliche Commission“ von Staatsmännern und Sachverständigen aller Parteien niedergesetzt, welche das bisherige Strafsystem einer genauen Prüfung unterziehen und dem Parlament bezügliche Reformvorschläge machen soll; die Polizei ist um 300 Mann vermehrt worden, und verschiedene Bills zum wirksameren Schutze von Person und Eigenthum werden in der bevorstehenden Parlamentssession eingebracht werden. Diese gründlicheren Untersuchungen wollen wir den Sachverständigen überlassen und uns hier darauf beschränken, den Lesern ein übersichtliches Bild von dem sogen. „Garrotte-panic“, von dem sich London eben zu erholen beginnt, zu entwerfen.

Von jeher hat es in London unsichere Straßen gegeben, ja ganze Quartiere, in die sich kein wohlgekleideter Mensch wagen konnte, ohne seine Börse und seine Haut zu riskiren. Aber sie waren und sind bekannt. Jeder, der das Labyrinth schmutziger Beistraßen nördlich und südlich von Highstreet, Whitechapel, betrat, that es mit dem vollen Bewußtsein der Gefahr, welcher er sich aussetzte. Bei Tag oder bei Nacht gewisse Gassen „über dem Wasser“, in denen das Verbrechen liederlich und die Liederlichkeit verbrecherisch wird, mit Uhr und Kette durchwandern, hieß der menschlichen Schwachheit eine stärkere Verführung darbieten, als sie zu ertragen vermochte. Im Mittelpunkte des Westends, zwischen Oxfordstreet und Strand, von der classischen Drurylane aus laufen einige lange, schmale Gassen nach Osten, welche am hellen Tag kein Polizeimann allein zu betreten wagt. Die hohen, zerfallenen Häuser, fast ohne Fenster und Thüren, lassen keinen Sonnenstrahl durch die mit stinkenden Dünsten erfüllte Atmosphäre dringen. Große Schmutzhaufen, aus Lumpen, zerbrochenen Geschirren und Gemüseabfällen gebildet, liegen in der Mitte der Gasse und beweisen, daß diese versteckte Welt primitiver Barbarei vom modernen Straßenverkehr unberührt bleibt. Haufen zerlumpter Kinder tummeln sich auf dem Schmutze herum; in Laster und Verbrechen ergraute und verknöcherte Weiber waschen, kochen, nähen, zanken, fluchen und prügeln sich vor den Hausthüren; finstere Männergestalten erscheinen zuweilen an den mit Papier und Lumpen verhüllten Fenstern, aber selten auf der Straße. Der bloße Augenschein muß Dich belehren, daß kein guter und glücklicher Mensch in diesen der Barbarei verfallenen Straßen wohnen kann. Der Hunger liegt den Insassen bleich auf den schmalen Lippen, und das Laster lauert unheimlich in ihren eingefallenen Augenhöhlen. Wer in diese inmitten des hauptstädtischen Luxus und Gewerbeverkehrs extemporirte Welt der Barbarei eintritt, muß die Vortheile des civilisirten Lebens hinter sich lassen. Die Aus- und Eingänge dieser Gassen oder „Courts“ werden den ganzen Tag über von der Polizei bewacht, und mit Eintritt der Dunkelheit postiren sich zwei handfeste Constabler an jedes Ende der berüchtigten und verpesteten Verbrecherhöhlen, mehr um die Ausgehenden zu beobachten, als um die Eintretenden zu warnen oder sich in die lärmenden Straßenkämpfe der Inwohner zu mischen. Wie gesagt, der Charakter dieser Straßen ist hinlänglich bekannt. Die Polizei sucht sie so viel wie möglich von der Außenwelt zu isoliren und findet hierbei um so weniger Schwierigkeiten, da sich das Verbrechen selbst zu isoliren strebt.

Die Nothwendigkeit, mit dem Gange der modernen Nationalökonomie gleichen Schritt zu halten, hat hier, wo das Diebsgewerbe handwerksmäßig erlernt und geschäftlich betrieben wird, zu Associationen geführt, die auch räumlich in sich abgeschlossen und verbunden sind. Der Londoner Dieb arbeitet mit Capital und nach dem Principe der Arbeitstheilung, auf welchem zum großen Theile die wunderbaren Erfolge der englischen Industrie beruhen. Die Associationen, zu denen er sich genöthigt gesehen hat, um sein Capital zu verstärken und seine Arbeitskraft zu ergänzen, haben zu einer kastenartigen Absonderung geführt, die auch ein charakteristisches Merkmal des gesellschaftlichen und geschäftlichen Lebens in England ist. Der Hauseinbrecher lebt und verkehrt mit dem Hauseinbrecher, der Taschendieb mit dem Taschendieb, der Ladendieb mit dem Ladendieb, der Falschmünzer mit dem Falschmünzer, der Fälscher mit dem Fälscher etc., und die Polizei weiß genau, wo sie verkehren und leben, und wo vorkommenden Falls nach ihnen gesucht werden muß. Diese Ueberwachung schließt jedoch nicht aus, daß ein professionirter Dieb alt und grau in seinem Geschäfte wird, oder sich auch in seltenen Fällen mit Capital in’s respectable Leben zurückzieht. Der Corpsgeist, der die Mitglieder einer bestimmten Diebszunft belebt, ist so stark, daß der Taschendieb auf den Hauseinbrecher, der Falschmünzer auf den Ladendieb mit Stolz und Verachtung herabsieht. Neulich stand ein junger Mann vor dem Polizeigerichtshofe von Bowstreet, der Mitwirkung bei einer Garrotte-Räuberei verdächtig. Mit Entrüstung erklärte der Angeklagte, er sei, wie allgemein bekannt (generally known), ein „sharper“, und brauche sich daher auf das rohe und halsbrechende Geschäft des Garrottirens nicht einzulassen. Das war mit so viel aufrichtigem Stolze und beleidigter Unschuld gesagt, daß der Angeklagte, welcher kein Garrotter, sondern ein sharper zu sein behauptete, wirklich freigelassen wurde. Unter sharpers versteht man falsche Spieler, welche Fremde, am liebsten Pächter vom Lande, cordial auf der Straße aufzugreifen, in ein benachbartes Wirthshaus zu locken, durch eine Getränkmischung bewußtlos zu machen und durch Kartenspiel oder Wetten auszuplündern pflegen. Da diese Operation schon sehr oft exponirt worden ist, so haben sie allerdings viel Gewandtheit und Geschick nöthig, um ihr Handwerk zu betreiben, das sich im Falle des Gelingens gewöhnlich sehr vortheilhaft erweist. Daß ein sharper nicht nöthig habe, zum gewaltsamen Straßenraub zu greifen, begriff der Polizeirichter sofort.

Die kastenartige Absonderung in Diebszünfte hat zwar viel dazu beigetragen, um die Leistungen in den einzelnen Zweigen des Handwerks zu einer erstaunlichen Vollkommenheit auszubilden, aber auch im feindlichen Heerlager eine Zersplitterung hervorgerufen, welche der Gesellschaft eine wirksame Garantie gegen große, combinirte Angriffe bietet. Nur dann, wenn eine solche Combination der feindlichen Kräfte stattfindet, wie bei den Garrotteräubereien der letzten Wochen, nimmt der Kampf Proportionen an, vor denen die Organe des Gesetzes und das plötzlich von allen Seiten angegriffene Publicum erschrecken, die alten Polizeibarrieren in Trümmer fallen und eine neue Organisation des Widerstandes erforderlich wird.

Der gewaltsame Straßenraub, der unter dem Namen „Garrotte“ eine so große Rolle in den neuesten Gerichtsannalen Londons gespielt hat, ist nicht englischen, sondern französischen Ursprungs, wie das zu seiner Bezeichnung verwandte französische Wort schon zeigt; es ist sogar wahrscheinlich, daß das von der Weltausstellung hierher gezogene continentale Diebsgesindel die erste Anregung zu dieser neuen Form des Straßenraubes gegeben hat. Aber seine systematische Vervollkommnung verdankt er der Erfahrung und dem Organisationstalente der englischen Diebe, und zu seinem Erfolge gehörte eine Stadt wie London. Wie auf Verabredung wurde London zu Anfang des Herbstes plötzlich an allen Ecken und Enden von den Garotters angegriffen. Gute und schlechte Stadtviertel, die [48] hauptsächlichsten Verkehrswege der inneren Stadt und die stillsten Straßen der Vorstädte, die dicht bevölkerten Arbeiterviertel des Südens und die aristokratischen Squares des Westens wurden zugleich überfallen. Die Garrotte war allenthalben und die Polizei eben deshalb nirgends. Das Parlamentsmitglied Mr. Pilkington wurde inmitten seiner aus dem Unterhause heimkehrenden Collegen, gerade unter der Nelsonstatue auf Trafalgar-Square, also im eigentlichen Knotenpunkte des hauptstädtischen Verkehrs, wo zu keiner Zeit der Nacht das Straßenleben schläft, überfallen, niedergeworfen, beraubt und bewußtlos heimgetragen. Mehrere seiner Collegen sahen die Attaque vor ihren Augen vor sich gehen, aber so plötzlich, ungestüm und verwegen war der Ueberfall, daß in wenigen Secunden das strangulirte Opfer blutend zu Boden lag und die Räuber sich selbst und ihre Beute in Sicherheit gebracht hatten, noch ehe die Zuschauer sich von ihrem Erstaunen erholen und zu einer energischen Verfolgung entschließen konnten. Dieser Vorfall erhob die Garrotte zur Ehre einer Frage, die in den Schlußsitzungen des Parlaments discutirt, in der Presse beleitartikelt und auf den Bierbänken verhandelt wurde. Je mehr sich das Publicum durch diese Discussionen erhitzte, desto allgemeiner wurde die Operation der Räuberbanden, welche allnächtlich ihre oben erwähnten Sammelplätze verließen und sich über das ungeheure Areal von London verbreiteten, desto vollkommener wurde ihre Organisation, desto verwegener ihre Kühnheit und desto eclatanter ihr Erfolg.

Die Operationsweise ist in allen Fällen gleich und verräth so viel Einheit in Plan und Leitung, daß sie wohl geeignet ist, Entsetzen zu verbreiten. Gewöhnlich operiren die Garrotters in Trupps von drei Mann, die sich entweder am Eingang einer Seitenstraße postiren, oder auch auf den Trottoirs auf- und abwandern. Die Zeit der Handlung beginnt vor Mitternacht und erstreckt sich über die ganze Nacht. Wenn ein Vorübergehender, der durch Kleidung und Uhrkette gute Beute verspricht, sich dem Versteck der Garrotters nähert, oder arglos die drei verbündeten Spaziergänger passirt, so wird er von dem stärksten und vierschrötigsten Räuber, der in diesem Theile der Arbeit seine Specialität besitzt, mit beiden Händen von hinten am Halse gefaßt. Während dieser dem unversehens überfallenen Opfer mit eisernen Fingern die Gurgel zuschnürt und jeden Hülfeschrei in seinem mächtigen Griffe erstickt, fällt der Zweite dem Betäubten in die Arme, oder schlägt ihn mit einem Todtschläger vollends zu Boden. Der Dritte leert dem niedergeworfenen Manne die Taschen. Noch ein paar nachträgliche Fußtritte oder Schläge mit dem Todtschläger, der hier sehr uneigentlich Lebensretter genannt wird, um die allzufrühe Wiederbelebung des strangulirten Mannes zu verhüten, und das Werk ist vollbracht. Das Opfer liegt so lange bewußtlos auf dem Boden, bis es von der Polizei oder von Vorübergehenden aufgelesen und in’s nächste Hospital gebracht wird, und die Räuber sind mit ihrer Beute verschwunden. Alles das ist das Werk weniger Augenblicke. Das Gelingen des Ueberfalls hängt hauptsächlich vom ersten Griff ab; ist dieser so vollständig und wirksam, daß er den Angegriffenen durch Strangulation sofort betäubt und am Aufschreien hindert, so ist die Garotte fast immer erfolgreich und wird nur in seltenen Fällen durch das Dazwischenkommen der Polizei gestört. Wenn es jedoch dem Ueberfallenen gelingt, aufzuschreien und sich zur Wehr zu stellen, so nimmt der Kampf eine andere Gestalt an. Im Augenblicke füllt sich die Straße mit einem Haufen Gesindels, das wie auf ein gegebenes Signal von allen Seiten herbeiströmt, Männer, Weiber und Kinder. Es kommt zu einem regulären „row“; der Haufe versperrt den herbeieilenden Constablern den Weg, insultirt und attakirt sie. Diese haben ihrerseits die Todtschläger aus ihren Rocktaschen zu ziehen und sich mit hartem Kampfe Schritt für Schritt durch den Haufen Bahn zu brechen. Zuweilen gelingt es ihnen, den einen oder den andern der Garrotters nach verzweifelter Gegenwehr festzunehmen und trotz des unaufhörlich zur Befreiung anstürmenden Gesindels bis zur nächsten Station zu bringen, selten werden alle betheiligte Räuber eingefangen, und fast nie wird die Beute, welche sofort ihre Abnehmer unter den Verbündeten des Haufens findet, entrissen.

Mit Recht wurde das Publicum durch die grauenhafte Ausdehnung, zu der dieser sociale Kampf allmählich gedieh, und durch die Verwegenheit und Barbarei, womit die Angriffe ausgeführt wurden, alarmirt. Eine Zeit lang fanden allnächtlich durchschnittlich zwölf Garrotteräubereien in London statt, von denen nur etwa drei durch die Dazwischenkunft der Polizei an die Oeffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen gezogen wurden. Die Polizei bewies sich also ebenso unzureichend zum Schutze der Gesellschaft, als die Criminalrechtspflege. Achtzehn Garotters, welche im Verlaufe des Monats November festgenommen worden waren, wurden vom Central-Criminalgerichtshofe auf einmal verurtheilt und mit dem höchsten Strafmaße belegt; aber das abschreckende Beispiel diente nur dazu, um das Uebel zu vergrößern und John Bull noch mehr zu erhitzen. Mit dem Untergange der Sonne hörte die Civilisation in London auf, und Niemand war in den belebtesten Straßen der Weltstadt seines Lebens und Eigenthums sicherer, als in den Abruzzen oder in den Katakomben von Rom. Diese Räuberromantik im Centralpunkte der Civilisation hatte weniger Reiz für die friedlichen Bewohner Londons, als für phantasiereiche Zeitungsleser. Das Fieber wuchs auf beiden Seiten bis zum Delirium. Rigoristische Maßregeln wurden in Vorschlag gebracht und in der Presse besprochen. Einige verlangten, daß die Prügelstrafe wieder eingeführt werde, Andere bestanden auf Todesstrafe für überwiesene Garrotters, noch Andere verlangten eine Deportation des verdächtigen Gesindels im Ganzen und Großen. Dieses Verlangen wurde zum Theil erfüllt. Die Polizei wurde plötzlich sehr eifrig und griff auf den bloßen Verdacht hin Individuen auf. Es genügte, daß ein Constabler erklärte, daß er die aufgegriffenen Individuen in Verdacht habe, auf Garrotteräubereien auszugehen, um diese vor die Assisen zu bringen, und die unter dem herrschenden Terrorismus stehende Jury sprach Alles „schuldig“, was mit Garrotte in Beziehung gebracht wurde. Gar mancher Unschuldige mag auf diese Weise der öffentlichen Entrüstung zum Opfer gefallen sein.

Alle diese bis zur Ungerechtigkeit gesteigerte Strenge genügte jedoch nicht, um dem Wachsen der Manie Einhalt zu thun. Daß die Ansteckung und der Trieb der Nachahmung wirksam gewesen ist, läßt sich nicht leugnen. Die detaillirten Schilderungen in den Zeitungen, die übertriebenen Gerüchte, mit denen sich die erschreckte Phantasie des Publicums herumtrug, mögen viel dazu beigetragen haben, um die verbrecherischen Kräfte gerade auf diese fashionable Form des Verbrechens hinzulenken. In Whitechapel fielen zwei Knaben von zehn und zwölf Jahren über eine siebzigjährige alte Frau her, garrottirten sie, warfen sie nieder und beraubten sie ihrer fünf Kupferpfennige, die sie bei sich trug. Die Kinder auf der Straße und in den Parks spielten „Garottiren“, so wie man bei uns zur Blüthe der Räuberromane „Räuber“ spielte.

John Bull verlor endlich die Geduld und griff zur Selbsthülfe. Von allen Seiten ertönte der Ruf: „Zu den Waffen!“ In den Waffenläden wurden alle möglichen Mordinstrumente als „gut gegen die Garrotter“ ausgeboten. Speculative Waffenschmiede erfanden „Gurgelpanzer“, menschenfreundliche Apotheker priesen „Balsam zur Belebung der gehemmten Blutcirculation“ in ihren Schaufenstern an. Ein besonders entrüstetes Mitglied der respectablen Gesellschaft erklärte in einer Zuschrift an ein hiesiges Tagesblatt, daß er einen Strick in der Tasche mit sich herumführe, um jeden Garrotter, der ihm in die Hände falle, am nächsten Baume aufzuhängen, und jedem guten Bürger rathe, ein Gleiches zu thun. Ein angesehener Kaufmann in King William Street ließ sich Riesenplacate drucken und in seinen Fenstern ausstellen, um seinen Mitmenschen den Rath zu geben: „Wenn du am Halse gefaßt wirst, so stich mit dem Dolche nach hinten!“ Das Delirium wurde Wahnsinn und fixe Idee. Leute glaubten sich garrottirt, wenn sie am steifen Hals litten. Aber London bewaffnete sich. Revolver, Stockdegen, Dolche fanden reißenden Absatz. Die Garrotters erfuhren durch einige blutige Rencontres, daß sie keinen Menschen mehr auf der Straße angreifen könnten, der nicht die Mittel besitze, sie in die andere Welt zu befördern. Sie wurden vorsichtiger, und John Bull, der sich auf seine persönliche Kraft und auf das primitive Mittel der Selbstvertheidigung angewiesen sah, gewann Vertrauen in seine eigene Kraft. Die Krankheit war auf ihrem Höhepunkte angekommen und ist jetzt im Abnehmen begriffen. Noch in jeder Nacht kommen Garotteräubereien vor, aber wir fühlen uns leichter um’s Herz und um die Gurgel. Es war die Energie des Publicums und nicht die Macht der Polizei- und Sicherheitsbehörden, welche diesen merkwürdigen Kampf aufnahm und siegreich zu Ende führte.


Aus dem Thüringer Walde. Der Hauch des Geistes, der wie ein frischer würziger Bergluftzug immer von den Höhen und aus den Thälern des Thüringer Waldes anregend und belebend strömt, hat auch in diesem Jahre manche erfreuliche Blüthe getrieben. Zunächst ist des geistesfrischen, rührigen und liebenswürdig humanen Alex. Ziegler’s treffliches Buch: „Der Rennsteig des Thüringer Waldes“ (Dresden, Höckner) zu nennen, ein süßer Liebesgruß aus der und an die grüne Bergheimath des Verfassers, der eben so schönes Zeugniß für die bekannte Wanderlust desselben, für den hellen Blick, mit welchem er ihr genügt, wie für den echt deutschen Forschertrieb, der ihn beseelt, beibringt. Denn das höchst interessante Buch enthält nicht nur eine mit der ganzen liebenden Hingebung an die prächtige Bergnatur seines heimischen Gebirgs geschriebene Wanderung über den ganzen romantischen Rennsteig, sondern auch das Resultat langjähriger, mühevoller, ausführlicher Geschichtsstudien über das Alter dieses durch so hohe Eigenthümlichkeit ausgezeichneten Gebirgswegs. Ziegler’s Buch ist ein werthvoller Beitrag zu der immer wichtigere Bedeutung gewinnenden culturhistorischen Literatur unserer Zeit; denn er zeigt uns, wie ernstlich wir erst auf kleinen Feldern zu forschen haben, ehe wir mit Sicherheit das Gesammtgebiet der Culturgeschichte betreten können.

Nach einer andern Seite hin hat der bekannte literarisch thätige Archidiakonus Aug. Wilh. Müller in Meiningen die Specialgeschichte des Thüringer Gebirgslandes mit einem werthvollen Beitrage bereichert, der nicht ohne erfreuliche Einwirkung auf die sittliche Stärkung Deutschlands sein kann. Wir meinen sein mit Liebe und Sachkenntniß geschriebenes kleines Buch: „Dr. Martin Luther und sein Stammort Möhra“ (Meiningen, Gadow), welches von der Aufstellung der ehernen Lutherstatue in Möhra Veranlassung genommen, die Geschichte der Entstehung dieser Denksäule, so wie die Beziehungen des großen Reformators zu seinem Stammorte in höchst lebendiger und anziehender Weise mitzutheilen. Ein Mahnruf Luther’s an unsere Zeit und eine sehr sinnig zu dem bestimmten Zwecke zusammengestellte Blumenlese aus Luther’s Schriften wird den meisten Lesern eine willkommene Zugabe sein. Ebenso hat derselbe Schriftsteller uns den als Tondichter und Menschen gleich liebenswürdigen und beliebten Andreas Zöllner in einer trefflich geschriebenen Schilderung („Aus des Liedercomponisten Andreas Zöllner Leben und Streben“, Magdeburg, Heinrichshofen) vorgeführt.

L. St.

  1. Wir erfreuen die Leser und Freunde der Gartenlaube mit dieser Ehrengabe für dieselbe gewiß um so mehr, als sie von dem letzten großen Dichter aus der classischen Zeit unserer Literatur kommt, der seit Jahren die Blüthen und Früchte seines rastlosen stillen Schaffens dem Auge der Oeffentlichkeit entzieht.
    D. Red.
  2. Die Fortschrittspartei und die Volksbildung.
  3. Freiherr J. Heinrich von Wessenberg. Sein Leben und Wirken. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der neuern Zeit. Auf Grundlage handschriftlicher Aufzeichnungen Wessenberg’s. Von Dr. Jos. Beck, großherzogl. bad. Geh. Hofrath. Freiburg, Fr. Wagner. 1862.
  4. Zu Beiträgen fordert das „Central-Comit zur Errichtung eines Wessenberg-Denkmals in Constanz” auf und bittet alle Redactionen, sich der Sache und der Gabensammlungen anzunehmen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: zahreichen