Die Gartenlaube (1891)/Heft 20

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1891
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[325]

Nr. 20.   1891.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

In Wochen-Nummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pf. In Halbheften: jährlich 28 Halbhefte à 25 Pf. In Heften: jährlich 14 Hefte à 50 Pf.



Lea und Rahel.

Roman von Ida Boy-Ed.

(3. Fortsetzung.)


4.

Wenn lang brütende Unzufriedenheit erst einmal anfängt, sich in Worte zu kleiden, so geht es auf der abschüssigen Bahn gewöhnlich schnell weiter, und es ist keine Rettung mehr vor völliger Verzweiflung.

Seit vielen Jahren war Leas Dasein ein Hin und Her zwischen Langerweile und Vergnügen gewesen. In den Zuständen der Langenweile hatte sie sich und andere mit bösen Launen, Heftigkeit und Ansprüchen gequält, an den Tagen des Vergnügens sich auf einer herrlichen und unantastbaren Höhe des Lebens gefühlt.

Nun aber, seit sie zuerst Clairon gegenüber Worte für ihre Unzufriedenheit gefunden hatte, gab es kein Halten mehr. Eine ungemessene Bitterkeit bemächtigte sich ihrer, die um so peinigender war, als sie der Berechtigung und des Zieles entbehrte.

Jeden Morgen, wenn sie sich erhob, dachte sie: „wozu noch aufstehen? Um sich anzukleiden, zu frühstücken, ein wenig im Modejournal zu blättern, spazieren zu reiten auf den langweiligen, ewig gleichen Landwegen, während der Mittagshitze im Zimmer auf der Chaiselongue zu liegen, wieder zu essen und nachmittags die Bekannten zu sehen, diese unerträglichen, geisttötenden, philiströsen Bekannten.“ Wie das Leben einen anekeln konnte!

Wenn Lea Tagelöhner ihres Vaters sah, regte sich in ihr Neid auf die armen Menschen. Die machten keine höheren Ansprüche, waren beglückt, wenn sie Sonntags ein gutes Stück Fleisch hatten. Die konnten sich noch freuen. Selbst die Geselligkeit machte ihr keine Freude mehr. Wenn nachmittags Gäste kamen, zog sie sich zurück unter dem Vorwand von Migräne, saß dann oben und brütete über ihr verfehltes Leben nach.

Die Ihrigen begannen ängstlich zu werden und Papa Römpker sprach sich im Vertrauen mit dem alten Freunde der Familie, dem Medizinalrath, aus. Dieser, mit der Derbheit des Mannes, der zumeist Bauern kurirt, gab Herrn von Römpker den Rath, Lea zu verheirathen, und begründete seinen Rath ausführlich. Herr von Römpker theilte seiner Frau mit, daß man sich Leas wegen nicht beunruhigen solle, daß es aber am besten wäre, Lea verheirathe sich. Frau von Römpker klagte infolgedessen jeden Tag ihrer ältesten Tochter vor, wie schade es doch sei, daß sie im Vorjahr den und im Vorvorjahr jenen Bewerber ausgeschlagen habe, und wie glücklich sie – die Mutter und auch der Papa – sein würden, wenn Lea sich bald vermählte.

Hieraus sog Lea dann weiter den bittern Gedanken, man wolle sie los sein, und in ihrer verfinsterten Seele befestigte sich der trotzige Entschluß immer mehr, Lüdinghausen zu


Die neue Pfeife.
Nach einer Zeichnung von C. Grethe.

[326] heirathen. Niemals huschte auch nur ein Schimmer der Erkenntniß durch ihr unglückliches Gemüth, daß dieser ganze Zustand bloß durch ihre falsche Stellung zu Clairon hervorgerufen sei. Sie traf ihn zuweilen im Walde. Aber diese Begegnungen wurden für beide Theile immer qualvoller, und der erstaunte Ludwig, welcher in respektvoller Entfernung das Pferd seiner Herrin hielt, wurde Zeuge, wie diese an Clairons Schulter weinte, oder wie scharfe Worte hin- und herflogen, die er zwar nicht verstand, die aber sehr böse sein mußten, denn ohne Gruß, in hastigem Zorn, warf Clairon sich dann auf sein Roß und ritt davon.

Kaum war Lea allein, so verzehrte sie sich in Sehnsucht nach ihm und tausend innige Worte brannten ihr auf den Lippen, die sie ihm hätte sagen mögen. Und wenn sie ihn in Gesellschaft der andern sah, wo oft jede Gelegenheit zu einem unbewachten Wort fehlte, hätte sie sich am liebsten jauchzend an seinen Hals geworfen. Aber da sagten es ihm dann wenigstens ihre Blicke oder ein Lied, und niemals hatte sie schöner gesungen als jetzt.

Ja, das Ganze war ein schrecklicher und unertragbarer Zustand. Gegen die stille Schwester fühlte Lea auch oft einen feindseligen Zorn. Wie war es nur möglich, daß man diese stete, gleichmäßige Freundlichkeit zeigen konnte? Wie war es möglich, sich mit all dem öden Haushaltungskram so eifrig abzugeben? Welch ein Mangel an Poesie! Welche Aermlichkeit im Geist!

Es reizte Lea förmlich, zu versuchen, ob sie die Schwester nicht auch „zum Erwachen“ bringen könne, das heißt, ob sie ihr nicht das Gleichgewicht zu nehmen, ihr das Leben zu verleiden imstande wäre. Ihr schien, es hätte sie getröstet, auch Rahel an dem „Gitter des Käfigs“ rütteln zu sehen.

Da begab sich denn zuweilen etwas Seltsames. Rahel hatte eine Engelsgeduld mit der Schwester, welche sie für nervös leidend hielt. Aber sowie Lea ihren bittern Hohn über das Wesen und die Person Rahels ergießen wollte, sah diese sie still und groß an, und vor den klaren Augen verstummte Lea regelmäßig.

Nur die Gegenwart eines Menschen ließ die alte Lea wieder hinter den düstern Wolken glanzvoll hervortreten. Das war Lüdinghausen. Dieser sah das Mädchen immer nur von der Seite, wie sie an jenem ersten Abend sich gezeigt hatte. Sie wollte ihn erobern um jeden Preis und sagte sich, wenn so etwas wie Besinnung auf weibliche Ehre in ihr wach wurde, beschwichtigend: „Nachher kann ich ja noch immer thun, was ich will.“

Welcher Mann sollte aber das Entgegenkommen einer Frau nicht bemerken? Auch Erasmus Lüdinghausen durfte sich nicht verhehlen, daß Lea ihn sehr auszeichne. Natürlich war er, als der Erbe großer Reichthümer, solche Auszeichnung bis zum Ueberdruß gewohnt, und er hatte diese denn bis jetzt auch immer nur seinem Reichthum, nie seiner Person zugeschrieben.

Vorsichtig und langsam von Entschlüssen, wie er war, hatte er sich bisher von allen Frauen zurückgehalten und kannte nur eine genau, seine Mutter, die nun längst verstorben war.

Er dachte als Mann nicht gering von sich, hielt sich aber nicht für die geeignete Persönlichkeit, einem jungen Mädchen als Ideal zu erscheinen. Mangel an Enthusiasmus, Unfähigkeit zu romantischen Gefühlen, allzu große Kaltblütigkeit hielt er für seine Eigenschaften, die alle einem jungen Mädchen gegenüber zu schweren Fehlern werden mußten.

So war ihm seit dem Jahre, als er „seinen Regierungsassessor gemacht“ und der Vater ihn bei der Gelegenheit gebeten hatte: „heirathe recht bald,“ sein Schicksal vermeintlich vorgezeichnet. Er sah eine Verstandesheirath vor sich, im höchsten und edelsten Sinne. Er würde, so dachte er, ein Wesen heirathen, das in Bildung und Sitten ihm gleich sei, gleich hohe Lebensziele habe und wie er eine herrliche, aber auch pflichtenvolle Aufgabe darin sehe, auf den großen Besitzungen das Wohl Hunderter von Arbeiterfamilien zu fördern, ein Regent zu sein im kleinen, – ein Wesen, welches daneben alle die äußerlichen, glänzenden Eigenschaften zum Repräsentiren habe, die ihm fehlten. Gleichheit in der Auffassung der Pflichten schien ihm die einzig richtige Vorbedingung zum Glück.

Daß er dies alles und dazu noch Liebe finden sollte, däuchte ihm unwahrscheinlich.

Da sah er Lea von Römpker. In ihr fand er zunächst die äußerlichen Bedingungen alle erfüllt und das Unwahrscheinliche zur Thatsache werden: er wurde geliebt.

Er begann, sich in seinen Gedanken mit ihr zu beschäftigen und sich zu sagen: wenn die innere Gediegenheit ihres Wesens der äußeren Anmuth desselben entspräche, wäre sie die rechte Frau, um neben mir zu stehen in meinem zukunftigen ernsten und doch auch glänzenden Leben.

Ganz im geheimen regte sich auch in ihm das Selbstbewußtsein des Mannes. Er mußte sich sagen, daß Lea von Römpker gewiß ein außerordentlich viel umworbenes Mädchen, daß es bisher offenbar aber noch niemand gelungen war, tieferen Eindruck auf sie zu machen. Dazu befand sie sich zweifellos in der Lage, frei nach ihrem Herzen wählen zu können, und war über jeden Verdacht erhaben, daß sie etwa auf eine „reiche Partie“ gewartet hätte.

Hiernach mußte ihm ihr sichtliches Entgegenkommen als der unbewußte Ausdruck einer schnell entstandenen und unwiderstehlichen Neigung erscheinen, und er durfte sich wohl davon tief und schön berührt fühlen. Nur ein frivoler Mann wird sich aus leerer Eitelkeit darüber freuen, der Gegenstand einer ehrlichen Liebe zu sein, die er doch selbst nicht erwidert, während der ernste Mann dieses Bewußtsein nicht ohne Bewegung ertragen wird.

Der Wunsch, tiefer in ihre Seele blicken zu können, ward immer lebhafter in ihm und gab auch seinem Verkehr mit ihr allmählich den deutlichen Anschein, als werbe er um sie.

Während dieser Zeit schloß er sich sehr an Raimar an. Der heitere Mann, in dem eine Kinderseele lebte, gefiel ihm. Dazu war Raimar, als Römpkers Jugendfreund, der beste Kenner von Menschen und Verhältnissen des Römpkerhauses, und durch ihn konnte Lüdinghausen manch beleuchtendes und aufklärendes Wort hören. Der alte Junggeselle hatte gar keine Angehörigen außer einem leichtlebigen Neffen, dem er feindlich gesinnt war, seit derselbe Schulden gemacht und die Gläubiger auf des Onkels Tod vertröstet hatte. Sein ganzes Herz hing an den Römpkers und in Lea sah er das vollkommenste weibliche Wesen. Für ihn, der seit fünfundzwanzig Jahren nur selten mehr sein Gut und seinen Kreis verlassen hatte, war Lea die Vornehmheit, die Eleganz, der Geist und die Liebenswürdigkeit in Person. Dabei machte aber sein gerechtes Herz ihm stets Vorwürfe, daß er Rahel zurücksetze, und im Bemühen, auch sie herauszustreichen, nahm sein Ton immer etwas Mitleidiges an. Raimar war, gleich seinem Freunde Römpker, von dem lebhaften Wunsch beseelt, aus Lüdinghausen und Lea ein Paar zu machen, in der ehrlichen Ueberzeugung, daß diese beiden Menschen füreinander geboren seien. Und jedes Gespräch über die Familie Römpker artete demnach in einen Lobesgesang auf Lea aus.

So wuchs schnell der zweifelvolle Gedanke einer Werbung um Lea in Lüdinghausen zum Vorsatze heran, ohne daß dieser sich nur einmal gefragt hätte: liebe ich sie auch? Vielleicht nahm er die Erregung, in welche er allmählich hineingerieth, für beginnende Liebe und das Herzklopfen, welches ihn bei Leas Anblick befiel, für Verlangen.

Er ging soweit, an seinen Vater zu schreiben, daß er glaube, das Mädchen gefunden zu haben, welches er für werth halte, seine Zukunft zu theilen. Er nannte den Namen Römpker und fragte an, ob seinem Vater die Verbindung mit dieser Familie erwünscht sei.

An einem Morgen des Monats August bekam er eine Antwort, welche ihn ganz aus der Fassung brachte und beinahe das ganze, langsam aufgeführte Gebäude von Trugschlüssen umwarf, welches er sich für seine Zukunft aufgebaut hatte.

„Mein Junge,“ schrieb der alte Lüdinghausen, „Du hast mir da einen Brief geschrieben, der mir sehr mißfallen hat und in dem ich kein Tröpflein von meinem Blut verspüre. Zum Henker noch einmal, was geht’s mich an! Hättest Du geschrieben: ‚Vater, ich hab’ einen Engel, ein Mädel ohne gleichen gefunden, so was, was es nicht noch einmal auf der Welt giebt, und ob Dir’s recht ist oder nicht, Alter, ich heirathe sie, denn sie ist meiner und somit auch Deiner würdig‘ – ja, hättest Du das geschrieben, dann wäre ich mit einem Extrazug angekommen, um Dich und Dein Mädchen an mein Herz zu schließen. Denn ich will auch etwas von ihr haben. – Aber so! Auf Pedanterie verstehe ich mich nicht. Als ich um Deine Mutter freite, habe ich keinen Menschen vorher gefragt. Auf einmal wußte ich es, als sie und ich uns eines schönen Tages in die Augen sahen: die soll’s sein. Und so hat Deine Mutter es auch gefühlt. Es kann ja sein, daß ein so hochstudierter Mann wie Du anders [327] empfindet als ich Lebenspraktikus. Aber mir ist die Geschichte nicht einfach genug. Darum laß mich heraus aus den Präliminarien! Daß Du nur ehrenhaft wählst, weiß ich, ob das Mädchen nun Müller heißt und bettelarm ist oder ein vornehmes Fräulein. Gott sei Dank, mein Junge, wir haben ja Vertrauen zu einander und ich bevormunde Dich nicht. Es grüßt Dich

Dein Vater.“ 

Lüdinghausen sah seinen Vater förmlich vor sich: die untersetzte, zur Fülle neigende Gestalt, das bartlose, runde, röthliche Gesicht mit den lebhaften Augen und den schneeweißen Haarstoppeln, welche über der Stirn wie eine Bürste aufstanden. Er dachte sich Lea daneben und Lea überhaupt im Gegensatz zu seines Vaters Brief. In der That – da war kein Einklang zu erzielen. Lüdinghausen konnte sich die junge Dame nicht vorstellen als den Gegenstand einer so naturwüchsigen Werbung und Verlobung, wie sie sein Vater sich dachte.

„Ich bin anders als mein Vater,“ dachte er, „Lea ist anders als meine Mutter – Erziehung und Zeitgeist sind heute verschieden von damals. Es kann ja nicht nach einem Schema gefreit werden.“

Das Bewußtsein kam ihm überdies, daß er sein Werben überhaupt schon zu deutlich gemacht habe, um ohne eine entscheidende Aussprache zurück zu können.

Er beschloß, daß dieser Tag nicht zu Ende gehen solle, ohne ihm einen festen Entschluß gebracht zu haben. So ordnete er denn in seinem Bureau die Arbeit für seine Beamten an und bestieg dann sein Pferd.

Es war ein schwüler Sommertag; vor dem Thor, zwischen den schon abgeernteten Feldern, auf der fast schattenlosen Chaussee kam sich Lüdinghausen einen Augenblick wie Don Quixote vor, der auszieht, gegen Windmühlen zu kämpfen. Er konnte nicht umhin, die Gefühle eines Heirathskandidaten für recht beklemmend und sehr wenig männlich zu halten – vorausgesetzt, daß allen Männern, die solche Pläne hegen, so zu Muth dabei sei wie ihm. Der Brief seines Vaters war wohl daran schuld. Dieser hatte ihn von der Bahn der verständigen, gelassenen Erwägung gestoßen, ohne daß er selber den andern Weg, den der jubilirenden Eroberung, zu finden vermochte.

Die Hitze flimmerte über dem Erdboden in jener zitternden Wellenbewegung der Luft, welche diese sichtbar macht. Todtenstille herrschte; die Ferne war mit grauem Dunst verschleiert. Die Sonne stand beinahe in Scheitelhöhe, und wie Lüdinghausen auf der hellen Landstraße langsam dahinritt, glitt fast unter seinem Pferd der schwarze Schatten von Roß und Reiter als formloser großer Fleck immer mit. Ein trockener Wind wehte über die Felder. Die Ruhe des Hochsommers lag auf den grell besonnten Gefilden.

Die Trägheit in der Natur fing an, sich seinem Thier, ja ihm selbst mitzutheilen. Er beschloß, durch den Wald zu reiten, der sich bis Römpkerhof hinzog und der schon unfern an die Landstraße herantrat. Ganz weit auf dem Weg vor ihm wölkte sich jetzt eine Staubmenge auf, aus welcher sich bald ein Zug Husaren entwickelte. Sie kamen von einer Felddienstübung und ritten staubbedeckt, mit rothen, schläfrigen Gesichtern auf müden Thieren, zur Stadt zurück.

Lüdinghausen wechselte im Vorbeireiten Grüße mit den Offizieren. Auch der Rittmeister, Baron Ehrhausen, war dabei. Clairon, welcher bei derselben Schwadron stand, fehlte.

Da war der Wald. Lüdinghausen athmete förmlich auf, denn wenn auch nicht Kühle, so gab es doch Schatten. Er ritt aber immer langsamer. Er dachte darüber nach, unter welchen Vorwänden er den Tag auf Römpkerhof zubringen könne. Daß alle seine Gründe errathen würden, war ihm zweifellos, aber er fand es taktvoll, sie zu verhüllen, ehe er mit Lea gesprochen hatte. In tiefem Sinnen überhörte er, daß ihm ein Reiter entgegenkam, und schreckte über einem lauten Aufwiehern seines Pferdes zusammen. Nun sah er den Grafen Clairon im Dienstanzug, bestaubt und mit einem Antlitz voll finsteren Ernsts daherkommen.

„Sie haben Ihre Schwadron verlassen?“ fragte Lüdinghausen nach freundlichem Gruß, den der andere ohne ein Lächeln erwiderte.

„Der Wald lockte mich. Und Sie? Ich bin ebenso erstaunt, Sie um diese Tageszeit hier zu sehen,“ fuhr Clairon, nun geradezu unfreundlich, fort.

„Ich will nach Römpkerhof,“ sagte Lüdinghausen einfach.

Clairon sah ihn an. Er verbarg kaum ein bitteres Lächeln unter seinem blonden Schnurrbart. Sein helles Auge blirkte voll Hochmuth über den andern hin.

„Nun – ich grüße die Damen voll Ehrerbietung. Auf Wiedersehen!“

Und er sprengte davon.

„Dieser Aktenmensch, dieser Kohlengräber,“ dachte Clairon, und fühlte eine Minute lang den ganzen Stolz des Offiziers auf sein ritterliches Handwerk im Gegensatz zu der Juristerei und dem Bergwerksbesitz Lüdinghausens. „Und der soll der Glückliche sein!“

Lüdinghausen fand das Benehmen Clairons ein wenig befremdlich und erinnerte sich jetzt, daß dieser eigentlich immer besonders kühl gegen ihn geblieben war. Er hatte das bisher kaum bemerkt. Clairon war ihm eine zu fernstehende und unwichtige Persönlichkeit gewesen, als daß er ihm viel Beachtung geschenkt hätte.

Lüdinghausen war noch selten in den Wald gekommen, er glaubte sich aber ohne Schwierigkeiten zurecht finden zu können, wenn er sich immer die Richtung nach Römpkerhof vergegenwärtigte. Ohne Bedenken schlug er einen schmalen Weg ein, der diese Richtung zu haben schien.

Aber ein Schreck, der eher peinlich als freudig war, fuhr ihm durch den ganzen Körper, als er plötzlich ein helles Frauenkleid durch die Stämme schimmern sah. Das mußte und konnte nur Lea sein. Rahel war ja immer im Hause beschäftigt und Frau von Römpker trug keine weißen Kleider. Er war gar nicht vorbereitet, ihr hier zu begegnen, und besann sich, was er thun solle.

Ja, es war Lea. Sie saß auf dem Boden, im braunen Buchenlaube des Vorjahres, an dem grauen Stamme einer Buche. Sie hatte die Ellbogen auf die Kniee gestützt und die Hände gefaltet neben dem tiefgeneigten Kopf. Sie brütete finster vor sich hin. Ihr dunkles Haupt war unbedeckt und ihr Hut lag neben ihr. Ihr weißes Gewand schmiegte sich eng um ihre Kniee und lag in fächerartig ausgebreiteten Falten rechts neben ihr auf dem Boden.

Zum ersten Male war Lüdinghausen von der eigenartigen Schönheit ihrer Erscheinung, die er bisher sozusagen als Unbetheiligter bewundert hatte, innerlich betroffen.

Sie hob den Kopf, müde und gleichgültig, als sie Geräusch hörte, aber augenblicklich sprang sie auf, das Gesicht mit flammender Röthe übergossen.

„Er ist Clairon begegnet,“ dachte sie, „er durchschaut alles.“

Aber Lüdinghausen durchschaute nichts. Er besaß keine Ahnung davon, daß Graf Clairon um Lea sich beworben hatte, und selbst mit solcher Kenntniß wäre er noch weit davon entfernt gewesen, hier eine Verabredung und gar eine zu verheimlichende Verabredung zu wittern. Männer, welche ohne Schwester aufgewachsen sind, denken immer zu gut oder zu schlecht von jungen Mädchen.

Weil er nun selbst bei dieser Begegnung verlegen war, bemerkte er Leas ganz kurze Bestürzung nicht.

„Das nenne ich einen hübschen Zufall,“ sagte sie mit ihrem Lächeln, welches immer etwas Besonderes zu verheißen schien, „erst reitet Clairon hier vorbei, und nun erscheinen Sie, während man sonst wochenlang hier im Walde nichts erlebt.“

„Graf Clairon war wohl sehr ermüdet, wenigstens schien er nicht bei bester Laune,“ bemerkte Lüdinghausen.

„Nun, es mag auch kein Vergnügen gewesen sein, bei der Temperatur auszurücken. Und Sie, Herr Landrath, haben ohne Zwang einen Ritt gemacht?“ fragte Lea, die sich sogleich Gedanken darüber gemacht hatte, aus welcher Veranlassung er komme.

Lüdinghausen schwang sich aus dem Sattel und legte sich die Zügel um die Faust zurecht. Dann erst antwortete er:

„Wenn Sie so wollen, gehorchte auch ich einem Zwang. Es war der unabweisbare Wunsch in mir, den heutigen Tag in Ihrem Hause verleben zu dürfen.“

Er sah Lea mit seinen ernsten, ruhigen Augen gerade an. Sie hielt diesen Blick aus. Ein Lächeln stand fest auf ihren Lippen, ihre Augen strahlten. Und dabei dachte sie:

„Er hat eine Art, jemand anzusehen – so schulmeisterlich, so prüfend.“

„Papa und die andern werden sich sehr freuen.“

„Sie sind allein?“

„Römpkerhof ganz ohne Gast? Nein, das ist undenkbar. Aber es ist nur Fräulein Malchen da, Mamas Freundin, welche jahraus jahrein den Donnerstag bei uns verlebt. Sie zählt also nicht.“

[328] „So will ich mich für jetzt von Ihnen verabschieden und Ihren Herrn Papa aufsuchen,“ sagte Lüdinghausen.

„O, ich gehe mit Ihnen,“ rief Lea, „ich bin ja stolz darauf, einen so lieben Gast als Jagdbeute mit heimzubringen.“

Sie nahm ihren Hut auf und klopfte einige Moos- und Blatttheilchen aus seinem Tüll. Dann faßte sie ihn an dem Rand und trug ihn in der herabhängenden Hand. So ging sie langsam neben Lüdinghausen her.

„Sie waren auf der Jagd . . .?“ nahm Lüdinghausen die Unterhaltung wieder auf.

„Nach schwarzen Gedanken, kohlpechrabenschwarzen,“ lachte Lea.

„Die möchte ich kennen,“ sagte er, „denn sie scheinen so unvereinbar mit Ihnen.“

„Wie wenig Sie mich demnach kennen!“ erwiderte sie langsam. „Ich bin oft sehr ernst, so ernst, daß es schon an Traurigkeit grenzt.“

Lüdinghausen bekam Herzklopfen. Er sah sie an, Ihr Gesicht war ganz streng und stolz, ihr Auge düster. Sie sah aus wie jemand, der gewohnt ist, ein großes Leid stumm zu verbergen. Sekundenschnell flog ihm der Gedanke durch den Kopf, daß ihre Liebe zu ihm sie vielleicht unglücklich mache, weil sie das Gefühl nicht erwidert glaube. Daß Lea denken könne, er sei in sie verliebt, fiel ihm trotz seines werbenden Benehmens nie ein.

Lea hingegen gab sich in dieser Pause, von wenig Herzschlägen Dauer einer ihrer „großen“ Stimmungen hin. Mit Verachtung gegen das Geschick und Spott für Lüdinghausen dachte sie, wie oft sie hier neben einem andern so gegangen war; nicht einmal das Pferd als Staffage fehlte. Und für diesen andern waren Blick und Lächeln echt gewesen! Sie fühlte sich als Märtyrerin und sagte sich, daß sie ihrer Persönlichkeit es schulde, das Unglück stolz zu tragen, und das häßliche Leben fest und muthig anzugreifen.

„Worüber traurig?“ fragte er, und seine Stimme zitterte, „darf ich es wissen? Fühlen Sie so viel Vertrauen zu mir, um sich mir gegenüber aussprechen zu mögen?“

Frauen verachten die Männer immer, welchen sie eine Komödie vorspielen. Lea sah in diesem Augenblick geradezu auf Lüdinghausen herab.

Aber sie fing an, zu sprechen, und schon nach wenig Worten hatte sie diese Aufwallung vergessen. Sie redete sich ganz in das hinein, was sie sprach, und sah in Lüdinghausen die Erfüllung ihrer Augenblicksphantasien.

„Ich fürchte, mißverstanden zu werden,“ sagte sie. „Was kann ein Mann wissen von den qualvollen, ja vielleicht zu hochfliegenden und darum thörichten Träumen einer Frauenseele! Aber jede von uns – das heißt die, welche die Kraft und die Fähigkeit in sich haben, etwas zu leisten – hat einmal eine Zeit, wo sie wünscht, ein Mann zu sein. Was können wir? Nichts! Nicht einmal uns die Aufgaben wählen, zu deren Erfüllung wir berufen wären. Wir müssen warten, bis die Aufgaben an uns herankommen. Wir müssen zufrieden sein mit dem Platz, welchen uns der Zufall der Geburt gegeben hat. Ein Mann kann sich einen höheren und besseren Platz erobern, wenn er sich dem entwachsen fühlt, auf welchem er stand. Er kann empor. Wenn er in sich die Berufung zu einem Thron fühlt, kann er sich den des Geistes, den der Arbeit erobern. Wir können nichts. Wir müssen warten – warten. Und wenn kein freundliches Geschick uns erlöst, müssen wir still unser Können, unser Wollen begraben. Wir müssen schön und anmuthig bleiben, vielleicht brave Frauen werden, die auf Ordnung in Küche und Haus halten, aber zu den Herrlichen dieser Welt gehören wir nicht. O, daß ich eine der Wenigen, Auserlesenen wäre!“

Wie sich jeder in eine schöne Musik das hineindenkt, was ihn gerade bewegt, so vernahm auch Lüdinghausen aus dem Wortgetön Leas gerade das, was er gewünscht hatte, in ihr zu finden: das Bedürfniß nach großen Lebensaufgaben.

„Glauben Sie mir,“ sagte er ernst, „daß ich verstehe, was Sie bewegt. Sie fühlen sich zu höheren Leistungen veranlagt, als diejenigen sind, welche Ihre Pflichten hier von Ihnen fordern. Die Zukunft wird Ihnen ohne allen Zweifel bringen, was sie Ihnen schuldet. Ich liebe und bewundere den Ehrgeiz auch in einer Frauenseele. Auch eine Frau soll kämpfen. Auch eine Frau soll das Pfund recht verwalten, das ihr die Natur gegeben hat.“

Diese seine Worte zogen Lea aus ihren Höhen wieder herab auf die Erde, und sie hörte nur, daß er sie offenbar ganz und gar nicht verstanden hatte. Was Kampf? Was Pfund verwalten? O Clairon, der fühlte mit jedem Pulsschlag ihr nach, daß sie zu etwas Höherem geboren sei. Zu Genuß und Glanz, aber nicht zu Kampf und Arbeit.

Und wieder erschien ihr Lüdinghausen so schulmeisterlich und so unerträglich pedantisch.

O Gott, warum hatte nicht Robert, der schöne, stolze, vornehme Robert, die Millionen dieses Menschen!

Lüdinghausen schwieg, weil seine Gedanken übervoll waren von beglückenden Hoffnungen. Lea schwieg, weil die Bitterkeit ihr Herz verzehrte.

So kamen sie an das Parkgitter.

„Wir sind angekommen,“ sagte sie, „ich eile, den Meinigen den lieben Gast zu verkünden und Ihnen den Reitknecht entgegenzuschicken.“

So war Lüdinghausen denn auf Römpkerhof, und der Tag, welchen er hier verleben sollte, erschien ihm in allen späteren Jahren, wenn er daran zurückdachte, nicht wie ein Tag, sonderst wie eine ungemessene Spanne Zeit.

(Fortsetzung folgt.)



Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Unschuldig verurtheilt!

Beiträge zur Geschichte des menschlichen Irrthums.0 Neue Folge. III.
Irrthümer der Medizin und der Naturwissenschaft. – Der Prozeß gegen die Ottoschen Eheleute wegen Mords der eigenen Kinder. – Mord oder Selbstmord? – Wahnsinn oder Verstellung?

Bei der Feststellung des wirklichen Thatbestands, das heißt bei der Beantwortung der Frage, ob überhaupt ein Verbrechen vorliegt oder nicht, ist der Richter oft ganz auf den Ausspruch der medizinischen Sachverständigen angewiesen. Ihnen fällt die Aufgabe zu, die Todesursache festzustellen, wenn der Tod eines Menschen unter verdächtigen Umständen erfolgte. Der Gerichtsarzt übernimmt in solchen Fällen das Amt des urtheilenden Richters und die damit verbundene oft weittragende Verantwortung. Die Schwankungen und Irrthümer in den Lehrsätzen der Erfahrungswissenschaften, welche heute oft etwas als unumstößliche Wahrheit aufstellen, was sie nach einer Reihe von Jahren wieder als falsch verwerfen müssen, beeinflussen damit auch die Frage der Schuld oder Nichtschuld eines Angeklagten. So fällt namentlich die Entscheidung darüber, ob der Tod eines Menschen die Folge der Beibringung von Gift gewesen ist, neben der Medizin zunächst der Chemie zu. Ihre Aufgabe ist es, im Wege der chemischen Untersuchung das Vorhandensein oder Fehlen von Gift oder Giftspuren in der vielleicht schon längere Zeit im Grabe ruhenden Leiche festzustellen. Und gerade nach dieser Richtung hin hat die Chemie in den letzten Jahrzehnten durch Erfindung geeigneter Apparate und Entdeckung neuer Verfahren große Fortschritte gemacht. Aber mit jeder neuen Verbesserung der Methode verband sich zugleich die Feststellung der Mängel der frühern und der möglichen Irrthümer, welche durch sie verschuldet sein konnten. Mit dem irrenden Ausspruche der Wissenschaft irrt aber auch der Richter.

Auch hierfür liefert die Geschichte der Strafrechtspflege mehrfache Beispiele, in welchen die Wahrheit noch zum Worte gekommen ist, ehe es zu spät war.

Im Herbst 1889 spielte sich vor dem Schwurgerichte in Gera der Schlußakt einer Untersuchung ab, welche gegen den Drahtwarenfabrikanten Eduard Otto und dessen Ehefrau in Jena wegen versuchter und vollendeter Ermordung ihrer eignen Kinder durch Beibringung von Gift anhängig gemacht worden war. Bei diesem Prozesse lag der Ausgang ganz in den Händen der Chemie und Medizin.

Den beiden genannten Eheleuten waren während ihrer vierzehnjährigen Ehe elf Kinder geboren worden. Von diesen starben zwei Mädchen im Alter von anderthalb Jahren bezw. vier Monaten

[329]

Verhängnißvoller Augenblick.
Nach einer Zeichnung von Mathias Schmid.

[330] im Jahre 1882, dann aber vier weitere in rascher Aufeinanderfolge innerhalb der zwei Jahre 1888 und 1889: ein Sohn Arthur, drei Monate alt, im Januar 1888; im November desselben Jahres eine Tochter Erna im Alter vom vier Jahren; endlich am 29. Januar 1889 der nur sechs Tage alte Georg und in der Nacht vom 19. auf den 20. April die schon neunjährige Tochter Else. Gleichzeitig mit ihr war auch die ältere Schwester Fanny erkrankt, aber wieder genesen.

Diese Häufung von Krankheits- und Todesfällen in derselben Familie erregte die öffentliche Aufmerksamkeit, und man schöpfte umsomehr Verdacht, als die äußeren Verhältnisse der Eheleute derart bescheidene waren, daß sie eine so großes Anzahl von Kindern wohl als eine schwerdrückende Last empfinden konnten.

Fanny und Else waren am 15. April 1889, dem Tag nach Palmsonntag, nach dem zu Hause eingenommenen gemeinsamen Mittagsmahl auf ein nahe bei Jena gelegenes Dorf zum Besuche einer befreundeten Wirthsfamlie gegangen und hatten dort Semmeln, Milch, Kuchen und Weißbier genossen. Schon auf dem abendlichen Heimgange war es dem einen der beiden Kinder übel geworden. Beim häuslichen Abendessen fehlte ihnen der Appetit und sie mußten sich erbrechen. Nach vier Tagen starb Else, während Fanny, wie erwähnt, wieder gesund wurde. Schon die während der Krankheit hervortretenden Anzeichen – Gelbsucht, Leberanschwellung, Herzschwäche – ließen für die behandelnden Aerzte die Möglichkeit einer Phosphorvergiftung zu. Es wurde Untersuchung gegen die Eltern eingeleitet, und man ließ die Leichen der Else und der drei letztgestorbenen Kinder wieder ausgraben, da ähnliche Erscheinungen auch die Krankheit der andern Kinder begleitet hatten. Der Befund legte für die Gerichtsärzte die Annahme nahe, daß der Tod der Kinder durch Einführung von Gift (Phosphor oder Arsenik) verursacht war. Beide Ehegatten wurden nunmehr verhaftet. Die chemische Untersuchung durch den Professor Dr. R. ergab für diesen, daß in dem Körper der zuletzt verstorbenen Else Phosphor in der Form von Phosphorsäure ziemlich reichlich vorhanden war, wenn auch nicht so viel, daß es zur Bestimmung der Menge des substantiellen Phosphors ausgereicht hätte. Auf dies hin gaben die Gerichtsärzte ihr Gutachten dahin ab, daß der Tod der Tochter Else der Einwirkung von Phosphor zuzuschreiben sei. Die Staatsanwaltschaft konnte sich indeß nach Abwägung der vorliegenden Verdachtsgründe nicht entschließen, förmliche Anklage gegen die Ottoschen Eheleute zu erheben. Sie gab vielmehr nach Schluß der Voruntersuchung das weitere der Strafkammer anheim, und diese beschloß, das Hauptverfahren gegen die Angeschuldigten zu eröffnen wegen dringenden Verdachts, daß sie ihre Tochter Else durch Phosphor vorsätzlich und mit Ueberlegung getödtet und in gleicher Weise die Tödtung der wiedergenesenen Fanny versucht hätten. Der hiernächst zur Begutachtung des Falls aufgeforderte Geheime Medizinalrath Liman in Berlin, ein bedeutender Fachgelehrter, erklärte, daß nach dem Leichenbefunde Erscheinungen, welche auf eine Vergiftung zu schließen berechtigten, nicht vorhanden gewesen seien und es überhaupt eine bedenkliche Sache sei, nach drei Monaten noch die Anwesenheit von Phosphor feststellen zu wollen, wenigstens mit dem Mitscherlichschen, von Professor R. angewandten Apparate. Es wurde infolgedessen auf Antrag der Vertheidigung noch der in gerichtlich-chemischen Untersuchungen hocherfahrene Chemiker Dr. Bischoff aus Berlin in der Hauptverhandlung vor dem Schwurgerichte vernommen. Derselbe erklärte, es sei die von Professor R. angewandte Prüfungsmethode (nach Mitscherlich), nicht einwandsfrei. In neuerer Zeit werde die Methode Dusart-Blondlot angewandt, welche allein zuverlässige Ergebnisse gewähre. Es rechtfertige sich daher keinesfalls der sichere Schluß, daß freier Phosphyr bei Lebzeiten der Else in deren Körper eingeführt worden sei, da die vorgefundene geringe Menge von Phosphor in Substanz wohl von den aus der Phosphorsäure gebildeten Krystallen herrühren könne. Phosphorsäure finde sich aber in normaler Weise im thierischen Körper, besonders in den Knochen. Inzwischen hatte man auch entdeckt, daß der unter der Tapete der Kinderstube befindliche, theilweise losgelöste und abgebröckelte Anstrich des Kalkputzes der Wände in hohem Grade arsenikhaltig war. Die Verbindung des Arseniks mit der feuchten Zimmerluft konnte aber nach Angabe der Sachverständigen Arsenwasserstoff, ein äußerst scharfes Gift, erzeugt haben, durch dessen Einschlucken und Einathmen chronische Arsenikvergiftung herheigeführt worden sein könne.

Diese neuen Gutachten vernichteten die ganze Unterlage, auf welcher die Anklage sich aufgebaut hatte. Es wurde sogar für unnöthig gehalten, noch weitere Beweise zu erheben, vielmehr erfolgte auf Antrag der Staatsanwaltschaft die alsbaldige Freisprechung der Angeklagten von der furchtbaren Beschuldigung, unter deren Druck sie fünf Monate, größtentheils im Gefängniß, gelebt hatten. Alle übrigen Beweismittel für ihre Schuld waren in der That so schwach, daß sie jetzt alle selbständige Bedeutung verloren. Mochte den Angeschuldigten auch die große Anzahl ihrer Kinder manche Sorge bereiten, so hatten sie doch deren Pflege nie wesentlich verabsäumt, namentlich es nie unterlassen, bei den zahlreichen Krankheiten derselben ärztliche Hilfe rechtzeitig zur Stelle zu rufen. Ein in der Behandlung von Kinderkrankheiten besonders erfahrener Arzt war ihr ständiger Berather. Verdächtig war nur die von ihnen nicht bestrittene einmalige Anschaffung von Phosphorbrei zur Vertilgung von Ratten, aber eine solche Verwendung hatte in der That stattgefunden. –

Auch die Frage, ob bei einem ungewöhnlichen Todesfalle Mord oder Selbstmord vorliege, unterliegt zunächst und in den meisten Fällen der Entscheidung des Arztes. Ihre Beantwortung ist nicht immer so leicht, wie man glauben möchte. So war in dem Rechtsfalle des Dienstknechtes Loth, den wir im Jahrgange 1887 der „Gartenlaube“, S. 345, näher geschildert haben, die Verurtheilung auf die Annahme der Gerichtsärzte gegründet, daß der todt aufgefundene Zorn von dritter Hand und zwar durch drei auf ihn abgegebene Schüsse getödtet worden sei, wogegen durch drei andere Aerzte in dem Wiederaufnahmeverfahren überzeugend festgestellt wurde, daß die beiden ersten Schüsse von Zorn selbst herrührten, während erst der dritte Schuß von fremder Hand abgefeuert war, durch welches Gutachten die ganze Sachlage verändert wurde.[1]

Ein ähnlich zugespitzter Fall war der folgende.

Der Maschinenbauer Carl Schmidt zeigte der Ortspolizei von N. an, daß sein Vater, der alte Auszügler Schmidt, sich in seiner Wohnstube erschossen habe. Bei der Besichtigung der Leiche fand sich eine Schußwunde an der rechten Schläfe, welche offenbar mit dem neben der Leiche liegenden Terzerol beigebracht worden war, die Annahme eines Selbstmordes schien also gerechtfertigt zu sein. Nun fand sich jedoch gleichzeitig eine Wunde am Hinterkopfe vor, welche dem Anscheine nach von einem scharfen Instrumente herrührte, das mit solcher Wucht geführt worden sein mußte, daß es die Hirnschale zertrümmert hatte. Diese ebenfalls tödliche Verwundung konnte sich Schmidt nicht selbst beigebracht haben. Dieselbe müßte also wohl von einem Dritten herrühren, und dieser Dritte, so konnte man weiter schließen, hatte, nachdem er den alten Mann vielleicht nicht mit Absicht und Ueberlegung, sondern im Streit und in der Erregung getödtet hatte, nunmehr den Todten oder Sterbenden mit einem Terzerol in die Schläfe geschossen und das Terzerol ihm dann nur in die Hand gedrückt, um den Anschein zu erwecken, als ob er sich selbst erschossen habe. Für diese Annahme sprach sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit insofern, als der Sohn des Gemordeten sich in einer lieblosen und schadenfrohen Weise über den Tod des ihm wegen seiner Arbeitsunfähigkeit lästigen Vaters ausgesprochen hatte. Carl Schmidt wurde deshalb verhaftet, und zwar gleichzeitig mit seiner Mutter, deren Verhältniß zu ihrem Manne ebenfalls kein freundliches gewesen war. Beide betheuerten ihre Unschuld. Im Laufe der Untersuchung fand nun eine nochmalige genauere Besichtigung der Oertlichkeit statt, an welcher der Tod erfolgt war. Da bemerkte man auf einer eisenbeschlagenen Truhe die Flecken von eingetrocknetem Blute und bei näherer Untersuchung mit dem Vergrößerungsglase einzelne mit dem Blute vermischte Haare, welche unter dem Mikroskope sich als Menschenhaare erwiesen und die gleiche Farbe trugen wie das Haar des Gemordeten. Nunmehr hellte sich die Sache in der Weise auf, daß der alte Schmidt, nachdem er sich in die Schläfe geschossen, beim Umfallen mit dem Hinkerkopfe auf die scharfkantige eisenbeschlagene Truhe gestürzt war und sich so die zweite schwere Verletzung, welche man ursprünglich für die erste gehalten, zugezogen hatte. Damit entgingen die Angeschuldigten der ihnen drohenden Verurtheilung.

[331] Eine weitere verantwortungsvolle Frage, die sehr oft jeder sicheren Aufklärung spottet, entsteht für den Richter, beziehungsweise für die ihm zur Seite stehenden wissenschaftlichen Sachverständigen durch den Zweifel: war der Angeklagte bei Begehung der verbrecherischen That geistig zurechnungsfähig oder nicht? – und auch hier ist der jeweilige Stand der wissenschaftlichen Erkenntniß von entscheidendem Einfluß auf die Urtheilsabgabe. Die Ansichten der Irrenärzte haben sich schon vielfach gewandelt. So nahm man früher das Bestehen besonderer krankhafter Triebe an, welche die Zurechnungsfähigkeit für den Augenblick der That aufhöben, und sprach von einem „Brandstiftungs“- und „Diebstahlstrieb“ („Pyromanie“ und „Kleptomanie“). Die spätere Psychiatrie verwarf jedoch diese Lehre von den besonderen Manien und läßt sie nur gelten als Ausflüsse einer allgemeinen geistigen Erkrankung. (Man vergleiche den Artikel „Wahnsinn und Verbrechen“, Jahrgang 1885, S. 392.) Sie nimmt mit anderen Worten keinen bloß theilweisen, sondern nur einen allgemeinen Wahnsinn an. Neuerdings tritt aber eine Strömung unter den Irrenärzten hervor, welche der Unzurechnungsfähigkeit der Verbrecher noch eine weitere Grenze steckt. Diese Strömung geht auf Annahme eines sogenannten „moralischen Irreseins“ und weist zugleich, indem sie krankhafte Störungen bei den Vorfahren und Verwandten festzustellen sucht, der „erblichen Belastung“ maßgebende Bedeutung zu. Je mehr diese Lehre Einfluß und Beachtung gewinnt, desto größer wird die Zahl der Freisprechungen und desto größer muß also auch die Zahl derer sein, welche bisher unschuldig verurtheilt wurden. Es ist ja kein Zweifel, daß diese Lehre eine gewisse Gefahr des Mißbrauchs in sich birgt. Trotzdem aber kann sie nicht von der Schwelle des Gerichtssaales gewiesen werden, und thatsächlich ist es denn auch schon vorgekommen, daß die Vertreter der ärztlichen Wissenschaft, wenn sie das abgeschlagene Haupt eines von der Justiz Gerichteten unter ihre kritische Sonde nahmen, sich haben gestehen müssen, daß der Verurtheilte statt dem Henker dem Irrenarzte hatte überwiesen werden sollen.

Die Beurtheilung der Zurechnungsfähigkeit ist namentlich um deswillen eine schwierige, weil die verbrecherische That oft das erste Zeichen des im Verbrecher bereits heimlich schlummernden Wahnsinns ist, während er bis dahin ganz vernünftig gehandelt hatte. Sie wird aber für den Arzt häufig noch dadurch erschwert, daß manche Verbrecher, um der Strafe zu entgehen, Wahnsinn vorspiegeln (simuliren). In den Registern der gerichtlichen Medizin wird namentlich ein Fall angeführt, in welchem es zur vollen Erledigung jener Frage eines Zeitraums von elf Jahren bedurfte, während dessen der Angeklagte sein Leben zwischen Irrenhaus und Gefängniß hinbrachte. Es ist dies die Geschichte eines Schuhmacherlehrlings namens B., der in seinem 18. Jahre am Abend des 12. Februar 1852 einen gewaltthätigen Angriff gegen die Witwe S. ausführte. Er zeigte kurz vor und nach der That Anzeichen von Verrücktheit. Der Gefängnißarzt Dr. R. erklärte sein tobsüchtiges Gebühren für Verstellung. Da aber B. in seinem tollen Handeln fortfuhr, unsinnige Reden führte und alles zerstörte, was unter seine Hände kam, sich im Winter auf die platte Erde legte, ohne von der Zudecke Gebrauch zu machen, aus dem Waschbecken trank etc. und monatelang stumm blieb, wurde er einer Irrenanstalt übergaben. Der Direktor derselben, Dr. J., erklärte, B. sei wirklich wahnsinnig und zwar unheilbar. Zur Aufhebung dieses Widerspruchs wurde ein Gutachten des Medizinalkollegiums eingeholt. Dieses entscheidet sich für die Wahrscheinlichkeit einer Verstellung. B. wird daher aus dem Irrenhause wieder ins Gefängniß zurück gebracht. Dort unterzeichnet er alle Protokolle statt mit seinem Namen mit „Napoleon“. Vors Schwurgericht gestellt, giebt er auf keine einzige Frage Antwort und bleibt stumm. Die dort vernommenen Sachverständigen widersprechen sich von neuem. Dr. R. und Dr. Rtz. halten ihn für einen Heuchler, Dr. S. erklärt dies für höchst zweifelhaft.

Nachdem die Verhandlung auf einige Stunden unterbrochen und dem Angeklagten vorgehalten worden ist, daß er durch sein hartnäckiges Verharren in der Stummheit nur seinen Prozeß und damit seine Haft in die Länge ziehe, verharrt er, wieder in den Saal zurückgeführt, dennoch in dem früheren Schweigen und setzt dasselbe auch im Gefängniß fünf Vierteljahre lang fort. Nun werden neue Gutachten eingeholt. Dr. R. hält jetzt in Uebereinstimmung mit Dr. S. eine Verstellung auch für unwahrscheinlich, da sie keinen Zweck mehr habe, indem sie den B. nur länger im Gefängniß zurückhalte. Der Angeklagte wird von neuem ins Irrenhaus gebracht. Dort kehrt nach acht Monaten bei ihm die Sprache wieder. Ein erneutes Gutachten der Medizinalkommission schließt mit der erneuten Annahme einer wahrscheinlichen Verstellung.

Um die Sache endlich zum Abschlusse zu bringen, wird vom Gerichte ein End- und Obergutachten von der wissenschaftlichen Deputation des Medizinalwesens in Berlin eingeholt, und in diesem wird ausgeführt und wissenschaftlich begründet, daß B. niemals geheuchelt habe, daß er schon bei Begehung des Verbrechens wahnsinnig gewesen sei und daß dieser Wahnsinn fortgedauert habe bis zur Gegenwart. Auch sein Stummsein in der Schwurgerichtssitzung und später sei nur als ein Ausfluß seiner Verrücktheit anzusehen.

Nun erst konnte das gerichtliche Verfahren durch die Freisprechung des B. zu Ende geführt werden. In der Zeit aber, die seit seiner Inhaftnahme verflossen war, würde er die ihn schlimmstenfalls treffende Strafe schon längst verbüßt gehabt haben.
Fr. Helbig.




Aus Thüringer Erde.

Die Töpfereien zu Bürgel.
Von Hermann Ferschke. Mit Zeichnungen von O. Herrfurth.

Jena, die alte Saalestadt, haben wir verlassen, die Saale überschritten und auch die beiden Schwesterorte Kamsdorf-Wenigenjena durchwandert, nicht ohne dem schlichten Kirchlein zu Wenigenjena, der Trauungsstätte Friedrich Schillers einen pietätvollen Besuch abgestattet zu haben, – da kommen wir auf eine prachtvolle, zwischen seltsam geformten Bergen sich hinziehende Landstraße. Sie führt uns in zwei guten Wanderstunden nach Bürgel, einer kleinen Stadt im Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach von gegen 1700 Einwohnern, an dem Gleißflüßchen gelegen, welches sich, zwischen Jena und Dornburg in die Saale ergießt. Die Stadt liegt auf einer Anhöhe, welche eine Unterlage von rothem Sandsteinfelsen hat, und wird meilenweit von prachtvollen Wäldern umrahmt, die allein schon unseren Besuch reichlich belohnen würden. Aber nicht um die reine Luft dieser Höhen zu athmen, nicht um in dem würzigen Hauch der Wälder uns zu erquicken, sind wir gekommen; den Menschen und ihrem Leben und Wirken gehört heute unsere Aufmerksamkeit. Denn wie viele Orte in dem gesegneten Thüringerlande, so hat auch Bürgel eine uralte, eigenartige Industrie, welche diese Stadt weit und breit bekannt gemacht hat und ihr heute vollends, da man die Erzeugnisse dieser Industrie in kunstgewerblich veredelter Gestalt überall auf dem Weltmarkte findet, einen hochangesehenen Namen unter den Stätten deutschen Gewerbfleißes sichert, – es ist dies die Fertigung von Thonwaren.

Die Töpferei in Bürgel ist wahrscheinlich so alt wie die Stadt selbst; denn als man bei einer Ausgrabung unter der alten, im 13. Jahrhundert erbauten Stadtmauer einen Keller freilegte, fand man darinnen alte Thonwarenüberreste, welche genau dieselbe blaue Glasur an sich trugen wie die heutigen Erzeugnisses der Bürgeler Töpferkunst. Es ist dies keineswegs etwas Merkwürdiges, da ja die Verfertigung gebrannter Thongefäße zweifellos bis in die vorgeschichtliche Zeit hineinreicht, wie dies durch die in alten Gräberfeldern gemachten Funde von Urnen, Krügen und Topfscherben hinreichend bewiesen ist. Das Töpfereigewerbe setzte sich vor Zeiten eben da fest, wo die Bedingungen seines Bestehens vorhanden waren, das heißt wo sich geeignete Thonlager und reichliches und billiges Feuerungsmaterial vorfanden.

[332]

Das Thonquetschen.

So hat denn die Stadt Bürgel seit Jahrhunderten weit über die engeren Grenzen Thüringens hinaus die Haushaltungen mit ihren Schöpfungen versehen und thut dies noch heute; auf allen Märkten sind die Bürgeler Töpferweiber wohlbekannte Erscheinungen.

Da Bürgel noch keine Eisenbahnverbindung besitzt, so werden die Waren zum größten Theil mittels Wagen im Lande herumgefahren, und nur größere Lieferanten befördern dieselben, wenn es sich um einen Versand in weitere Entfernungen handelt, zur Bahnverladung nach Jena. Es ist demnach natürlich, daß die neunundzwanzig Töpfereien von Bürgel bei weitem nicht den Erfolg haben, den sie haben könnten, da die theuren Fuhrlöhne, welche von den Töpfern bei dem Fortschaffen der fertigen Waren noch besonders bezahlt werden müssen, den Verdienst sehr erheblich vermindern.

Bis gegen, Ende der siebziger Jahre ist denn auch in Bürgel nur einfache, marktgängige Gebrauchsware mit gelber, brauner und blauer Glasur hergestellt worden; zu der genannten Zeit jedoch fing man auf Anregung des Bürgermeisters Hermann Schauer an, Versuche mit Herstellung schön geformter Vasen und Krüge zu machen, und der Großherzog von Sachsen-Weimar, Karl Alexander, welchem einige solche Stücke überreicht wurden, widmete auch sofort bei dem ihm eigenen Kunstsinn dieser Industrie lebhafte Aufmerksamkeit. Auch das großherzogliche Staatsministerium ergriff die Sache mit großem Eifer und sorgte dafür, daß den geschickten und zum Kunstgewerbe geeigneten Arbeitern eine Anzahl geschmackvoller Modelle von künstlerischem Gepräge zugänglich gemacht wurde. So geschah es, daß schon im Jahre 1880 die zur Ausstellung nach Halle gebrachten Geschirre durch ihre schönen Formen die allgemeine Aufmerksamkeit des Publikums auf sich lenkten; sie wurden mit Preisen ausgezeichnet und große Aufträge waren die weitere Folge.

Bei den Drehern.

Damit war denn der Uebergang zum Kunstgewerbe auf Grund einer vorhandenen, gut vorbereiteten Technik hergestellt, und es galt nun, fleißig fortzuarbeiten und das Erreichte weiter zu entwickeln. Mit staatlicher Unterstützung wurde unter Leitung des Professors Kugel eine Modellir- und Zeichenschule eingerichtet, welche von älteren und jüngeren Mitgliedern des Töpfergewerbes eifrig besucht wurde. Diese Schule ward dann später dem Rektor Neumärker übergeben, welcher sich der Heranbildung eines geschickten, für Formenschönheit empfänglichen Arbeiterpersonals bis auf den heutigen Tag befleißigt. Der Großherzog stellte [333] die Schätze des weimarischen Museums zum Zwecke der Nachbildung schöner Kannen und Krüge zur Verfügung und das großherzogliche Staatsministerium that durch die Gründung einer gut ausgewählten Mustersammlung von Thongeschirren, das Seine zur Verbesserung und Veredelung der Formen. Das „keramische Museum“, zu welchem diese Modelle den Anfang bildeten, befindet sich in der Wohnung des um die Hebung des Töpfergewerbes hoch verdienten Bürgermeisters Schauer und enthält in drei Zimmern sechshundert Nummern von Erzeugnissen der keramischen Industrie, wie sie in Bürgel seit Anfang dieses Jahrhunderts angefertigt wurden, vom gewöhnlichstem Stuck bis zu den künstlerisch ausgeführten feineren Arbeiten.

Am Ofen.

Wie schon oben gesagt, wird die Herstellung von Thonwaren gegenwärtig in neunundzwanzig Töpfereien betrieben, von denen sich zwei fast ausschließlich mit Anfertigung von Dekorations- und feineren Gebrauchsgegenständen, wie Vasen, Krügen, Schalen, Jardinièren, Blumentöpfen u. a. m. in den verschiedensten Glasuren, beschäftigen. Daneben ist in letzterer Zeit auch die Anfertigung von festgebranntem und hübsch glasirtem Spielzeug in Aufschwung gekommen.

Von einem Fabrikbetrieb ist bei alledem nicht die Rede, und noch immer besitzt die Bürgeler Töpferei den Charakter des alten deutschen Handwerks. Mit wenigen Ausnahmen werden alle Geschirre freihändig gedreht, und es bereitet dem Besucher ein besonderes Vergnügen, mit anzusehen, wie aus einem auf die Drehscheibe gebrachten rohen Thonklumpen in kürzester Zeit ein künstlerisch schönes Gebilde entsteht. Folgen wir einmal einem solchen auf seinem Werdegang.

Das Glasieren.

Die Arbeit beginnt mit der Herrichtung des aus der Grube herangeschafften Thones. Letzterer wird zunächst „eingesumpft“, das heißt mit Wasser angefeuchtet und tüchtig durchgeknetet. Die auf diese Weise erzielte flüssige Masse wird sodann durch Siebe getrieben, um alle gröberen und härteren Theile zu entfernen, worauf die gereinigte Thonmasse unter die Presse gebracht wird, welche das Wasser herauszutreiben hat; jedoch muß der Thon immer noch weich genug bleiben, um sich gut kneten und willig formen zu lassen. Eine solche Bearbeitung des rohen Thones ist namentlich zur Herstellung feinerer Gegenstände nothwendig; in anderen Fällen wird der erweichte Thon einfach in die Quetschmaschine gebracht, welche alle harten Brocken zerkleinert und geschmeidig macht. Derartig zubereiteter Thon findet aber nur Verwendung für die einfache Marktware, sowie zur Anfertigung von Kapseln, in welche die feineren Stücke vor dem Brennen eingesetzt werden.

Ist der Thon nun gereinigt und geschmeidig genug, dann wird er verarbeitet. Dies geschieht auf der Drehscheibe, auf welcher der rohen Masse die beabsichtigte Form gegeben wird, und zwar kann dies auf zweierlei Art vor sich gehen. Die kunstvollere ist die, daß der an der Drehscheibe sitzende Mann, welcher „Dreher“ genannt wird, einen Thonklumpen auf die Drehscheibe wirft, dieselbe mit den Füßen in schnelle Drehung versetzt und nun freihändig ohne Modell und Form sein Gebilde hervorzaubert. Die Gewandtheit der Handgriffe und die Geschwindigkeit, mit welcher solch ein „Dreher“ in wenigen Minuten aus einem rohen Klumpen Thon ein kleines Kunstwerk herausbildet, wie er erst die Uebergangsform eines Cylinders, dann in kürzester Zeit ganz nach Belieben einen Teller, eine Schale, einen Krug oder eine Vase entstehen läßt, das wird dem Beschauer immer Bewunderung abnöthigen. Wir sehen die einzelnen Stufen zum Theil auf dem unteren Bilde S. 332. Links ist die cylindrische Uebergangsform in Arbeit, in der Mitte wird einer kleinen bereits geformten Vase, welche erst Körper und Fuß hat, noch der Hals angesetzt, was durch Aufkratzen der aneinander zu bringenden Stellen, sowie durch Erweichen und Andrehen geschieht. Der höher sitzende Arbeiter rechts endlich ist beschäftigt, die fertige Ware, nachdem sie ein wenig abgetrocknet, glatt abzudrehen und ihr den letzten Schliff zu geben.

Die zweite etwas mechanischere Art des Formens geschieht unter Zuhilfenahme von Gipsformen, in welche die Gegenstände auf der Scheibe eingedreht werden. Hier wird also nach einem vorhandenen Modell gearbeitet, welches vorher in Gips gegossen wurde; erforderlichen Falles ist dasselbe in mehrere Theile getheilt, wie z. B. bei einer Vase der Kopf, das Mittelstück und der Fuß getrennte Theile bilden, welche der Dreher in die einzelnen Gipsformen hineindreht und schließlich aneinanderfügt. Hier wie oben kommen aber die Stücke zuletzt noch in eine besonders gewandte Hand, die sie glatt abdreht und, wo nöthig, mit Henkeln versieht, worauf sie mittels eines sogenannten Stichels ciselirt werden, wie dies unser Anfangsbildchen veranschaulicht.

Bei dem Lufttrocknen, welches nunmehr folgt, kommt es hauptsächlich darauf an, daß der Vorgang des Trocknens nur ganz allmählich sich vollzieht, weil sonst Risse entstehen. Sind die Gegenstände ganz lufttrocken und dabei tadellos geblieben, dann wandern sie in den Ofen, um gebrannt zu werden. Auch hierbei wird verschieden verfahren. Größere Fabrikate mit größerer Festigkeit werden ganz frei in den Ofen gesetzt, während Gegenstände von geringerer Festigkeit, feinere Waren und solche, welche aus einem stark schwindenden Thone gearbeitet sind, in mit Platten verdeckte Kapseln eingestellt werden, welche sie vor Verunstaltung ihrer Formen schützen müssen. Diese Kapseln werden im Ofen eine über die andere gestellt und zu ganzen Thürmen aufgebaut.


An der Schleifmaschine.

Die feinere Ware macht zweimal die Bekanntschaft mit diesem Raume. Sie wird nämlich ehe sie mit Verzierungen und Glasur [334] versehen wird, zuvor „gescheint“, d. h. einer ersten vorläufigen Brennung unterzogen; danach erst wird sie gemalt und wandert dann in die Glasierstube, wo sie von einem Arbeiter mit der flüssigen Glasurmasse solange übergossen wird, bis sich ihre Poren ganz damit gesättigt haben. Jetzt erst ist es zum eigentlichen Brennen Zeit. Die glasurgetränkten Stücke werden, nachdem sie erst wieder einigermaßen abgetrocknet sind, zum zweiten Male in die Kapseln und mit diesen in den Ofen gesetzt; ist alles drin, so wird der Eingang mit Chamottesteinen vermauert und die Anfeuerung beginnt. Es würde aber Schaden bringen, wollte man sofort stark heizen; deshalb wird zunächst, um die Vollendung des Trocknens und die Verdampfung des Wassers herbeizuführen, mit einem sogenannten Vor- oder Schmauchfeuer, welches nur wenig Hitze entwickelt, angefangen; allmählich aber geht man zum Vollfeuer über, bei welchem sich das völlige Schmelzen der Glasuren vollzieht. Man nennt diesen Vorgang das „Gut- oder Ausbrennen“. Nach Beendigung desselben läßt man dem Ofen einige Tage Ruhe bis er sich gehörig abgekühlt hat, bricht alsdann die vermauerte Oeffnung wieder auf und die Entleerung beginnt.

Es ist bei der Töpferei wie beim Kuchenbacken; man wünscht, daß alles wohl geräth, und ist neugierig, ob dieser sehr berechtigte Wunsch in Erfüllung geht. Man läßt deshalb Löcher in der Vermauerung, durch welche man Probescherben heraus- und hineinschieben kann. Nachzuhelfen giebt es natürlich schließlich immer; bald fehlt dies, bald jenes – bald ist die Glasur im Feuer herabgeflossen, bald zeigen sich an der Fußfläche Unebenheiten und diese kleinen Mängel müssen noch durch Glattschleifen auf der schnell rotierenden Schleifmaschine beseitigt werden. Nicht immer aber handelt es sich um derartige geringfügige Mängel; sehr häufig verändern die Gegenstände im Ofen derartig ihre Form, daß sie unbrauchbar sind und fortgeworfen werden müssen. Und noch beim Abschleifen kann es vorkommen, daß der Arbeiter dem so gut wie fertigen Stücke den Fuß abbricht oder einen andern Schaden zufügt und dadurch alle frühere, darauf verwendete Mühe vergeblich macht.

Im ganzen werden in Bürgel jährlich etwa 40 000 Centner Töpferwaren angefertigt und nach allen Richtungen ausgeführt, so daß es sehr natürlich ist, wenn man sich endlich eine Eisenbahnverbindung wünscht, um die theuren Fuhrlöhne ersparen zu können. Es ist aber nicht anzunehmen, daß damit die in ganz Thüringen bekannten Bürgeler Töpferwagen mit ihrer weiblichen Begleitung, die, den Quersack über der Schulter, nebenher marschirt, aus der Welt geschafft würden. Diese Leute kennen eben kein anderes Leben und würden auch, wollten sie etwas anderes treiben, mit ihrer Zeit nichts anzufangen wissen; denn ihre Vorfahren haben seit Jahrhunderten genau dieselben Reisetouren gemacht, welche sie jetzt machen, und die Leute von heute folgen daher nur den „Spuren ihrer Väter“.



Nachdruck verboten.     
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Eine unbedeutende Frau.

Roman von 'W. Heimburg.

(19. Fortsetzung.)

Als die Kleine endlich, längst wieder völlig getröstet, mit der Alten abfuhr, ging Leo in das Haus zurück und setzte sich, wie er es früher wohl auch zuweilen gethan hätte, an das Fenster der zierlich aufgeputzten Wohnstube von Frau Dora. Aber er wurde seiner erregten Gedanken hier noch weniger Herr, denn die junge Frau glaubte, es sei ihre Pflicht, den trübselig Dahinbrütenden etwas zu unterhalten, und sie hatte die ganze Tasche voller Neuigkeiten von der Hütte. Da hatte Frau Jussnitz gestern den Grundstein zu einem neuen Schulhaus gelegt, und die Kleine hatte müssen den ersten Hammerschlag thun. Und dann hatte sie mit dem Herrn Ferdinand Frey zusammen das Eisenwerk „Günderode“ gekauft, und sie bauten gemeinschaftlich einen Hochofen. Wer nur so etwas habe denken können von der stillen blassen Frau! Der Herr Kortmer habe gesagt, die alte Frau sei schon tüchtig gewesen, aber diese gehe noch darüber, denn die verstorbene Frau Bergrath habe ein wenig zaghaft gethan mit Neuerungen.

„Herr,“ schloß sie, „Sie werden sich wundern, wenn Sie hinunter kommen. Wann werden Sie denn hinunterziehen? Behüt’ Gott, daß ich Sie etwa forthaben wollte, aber ich meine, Sie müssen sich hier langweilen. Morgen früh geht der Herr Doktor Fuchsgraben mit dem Wilhelm. Dann sitzen Sie wieder allein. – Aber wie wär’s denn? Oben auf der Bodenkammer steht noch Ihr altes Malzeug, sogar der Schirm ist noch da. Malen sollten Sie, Herr Jussnitz, malen!“

Und die flinke Frau eilte hinaus, um nach den Sachen zu suchen, zur großen Erleichterung des Zurückbleibenden. Er stand auf und schritt in dem Gemach auf und ab, und in Gedanken verloren blieb er endlich vor dem Glasschrank der Frau Försterin stehen, hinter dessen Scheiben vom grellblauen Hintergrund sich unbeschreiblich bunte Tassen, Kuchenteller, ihr Brautkranz, Wachsengelchen, Blumenvasen und dergleichen abhoben. Seine Blicke musterten zerstreut diese Herrlichkeiten, dann blieben sie an einem kleinen Gegenstande haften, nachdenklich und lange. Es war ein aus Thon modellirter Frauenkopf, der sprechend ähnlich das kecke Näschen, den vollen Mund und die welligen Haarmassen der jungen Försterin wiedergab; eine Porträtbüste, so gut getroffen wie nur möglich.

Er betrachtete sie noch, als Frau Dorchen wieder eintrat.

„Droben in Ihrem Zimmer steht jetzt alles wieder so, Herr Jussnitz, als wären Sie eben davon fortgegangen,“ rief sie munter. Aber er sagte nicht einmal: „Schön Dank!“ Er deutete auf die kleine Büste und sagte: „Hat sich ja sehr gut gehalten, das Ding da!“

Sie war näher gekommen und lachte. „Ja, Sie haben wohl gedacht, ich würde die schöne mühevolle Arbeit zum Fenster hinauswerfen, wie Sie damals thun wollten, Herr Jussnitz? Gott bewahre! Da hat sich schon manch einer darüber gefreut und gemeint, ich sei aufs Haar getroffen. Das hebe ich mir auf für meine alten Tage und zeige dann den Leuten, daß ich mal jung und hübsch war. Und“ – sie schwieg auf einmal und sah den Maler an, der von dem Thonköpfchen den Blick nicht wenden konnte.

„Herr Jussnitz,“ platzte sie endlich heraus mit der Freudigkeit, mit der jemand einen guten Einfall kundgiebt, „Herr Jussnitz, Thon ist draußen vollauf – hätten Sie nicht Lust, mir – ach, seien Sie nur nicht böse, es ist so unverschämt – mir meinen Alten dazu als Gegenstück zu formen?“ Und als er nicht antwortete, bat sie: „Lieber Herr Jussnitz, aber ebenso ähnlich und so fein, wie Sie mich da herausgearbeitet haben. Bitte, Herr Jussnitz!“

Er schüttelte den Kopf und blickte sie an; als er aber die erwartungsvollen Augen der schönen Förstersfrau sah, huschte ein flüchtiges Lächeln über sein Gesicht. „Meinetwegen!“ sagte er leise.

Und Frau Dora lief eilends fort, um den Thon vorzubereiten, so eilig, als sollte er schon heute beginnen.

Er stieg hinauf in sein Stübchen, setzte sich an das Fenster und sah den Mond über den Wald emporsteigen. Spät erst trat Maiberg bei ihm ein und fand ihn noch immer dort sitzend.

„Kommst Du von der Hütte?“ fragte Leo.

„Ja!“ antwortete Maiberg und zog einen Stuhl herzu.

„Ich glaube, ich halte es hier nicht länger aus,“ fuhr Jussnitz fort. „Sag’ mir, wann bin ich wohl so weit, daß – daß ich – –“

„Bald!“ war die lakonische Antwort.

Jussnitz erhob sich plötzlich; es war ihm, als ob er ersticken müßte in dem engen Raum.

„Maiberg!“ Er blieb vor dem Arzt stehen, der in den Mondschein blickte mit großen sinnenden Augen.

„Was willst Du, Leo?“

Die Arme des Malers hingen schlaff herab; er lehnte sich gegen das Tischchen und senkte den Blick. „Wenn ich auch wollte, ich kann ja nichts beginnen – ohne Geld,“ sagte er.

„Du hast Ansprüche auf einen Theil von Antjes Vermögen; der Justizrath setzte es mir vor einigen Tagen erst auseinander,“ sprach Maiberg.

Leo stand plötzlich mit geballten Fäusten vor dem Freunde. „Wolf, und Du glaubst, ich würde einen Pfennig nehmen?“

„Ich thäte es nicht!“ war die Antwort, „ich würde mir lieber etwas borgen.“

[335] Leo lachte auf. „Ich wüßte in der Gotteswelt keine Seele, die das riskiren möchte!“

„Keine?“

„Keine!“

„Hm! Ich wüßte eine, Leo. Viel ist’s freilich nicht, wenn Dir aber ein paar tausend Mark für den Anfang genügen –“

„Du?“ Es klang schier spöttisch. „Macht Dich Dein Glück so leichtsinnig?“

„Möglich Leo – Ich bitte Dich, nimm die paar lumpigen Kassenscheine, ich brauche sie augenblicklich nicht und Dir nützen sie; ich habe sogar noch so viel, daß ich ganz bequem mit Dir eine kleine Erholungsreise wagen kann.“

„Du wolltest mit mir fortgehen – von hier fort?“

„Allerdings!“

„Ich mache keine Erholungsreise!“

„Mir auch recht; – aber nimm das Geld.“

„Ich danke Dir, Wolf; ja, ich kann nicht anders – so schwer es mir wird.“

„Warum wird es Dir so schwer?“

Leo antwortete nicht. Er stand im Schatten und betrachtete das lächelnde Gesicht seines Freundes, das ein eigenartiger weicher Schimmer verklärte und aus welchem die hellen klugen Augen mit einem so ungewohnten sehnsüchtigen Ausdruck über die mondbeglänzte Lichtung hinwegschweiften, hinüber zu dem Wege, der sich in die schwarzen Tannen verlor, durch welche er thalabwärts führte nach der Hütte. Und Leo fühlte es heiß aufsteigen in sich; er mochte den Freund nicht mehr sehen in seiner glücklichen Sicherheit, in dem sehnsüchtigen Hinüberstarren.

„Ich bitte Dich, verlaß mich jetzt, Wolf,“ sagte er fast heiser, „ich bin todmüde.“

Der Dokor erhob sich. „Gute Nacht, Leo! – Und mach Dir keine Sorgen über die Rückzahlung, ich kann warten.“

Jussnitz antwortete abermals nicht. Er schloß kirrend das Fenster, ließ den Vorhang herab und warf sich in den Kleidern auf das Bett. Aber er sah doch nichts weiter vor sich als diesen mondbeleuchteten Pfad, der hinunterführte zu dem Paradiese, das er verloren. Und er mußte sich an die Bettpfosten klammern, um der Macht zu widerstehen, die ihn hinunter zog auf diesen Weg.




Drunten im Herrenhause schaffte die junge Frau unermüdlich vom Morgen bis zum Abend. Sie that alles mit einer Gründlichkeit, als dächte sie an nichts anderes als an das, was sie eben vorhatte. Nie nahm sie einen ihrer Befehle zurück, nie bemerkte man ein Schwanken in ihrem Wollen. Klar, bestimmt gab sie ihre Entscheidung in geschäftlichen Angelegenheiten, und ebenso klar und bestimmt in der Wirthschaft, wie in der Erziehung der Kleinen.

Von ihrem Gatten sprach sie nicht. Man hätte meinen können, sie habe den Mann, dessen Namen sie führte, längst vergessen oder – niemals geliebt. Die guten Freunde und Nachbarn, die von dem Trauerspiel in dem kleinen Försterhause gehört hatten und unter dem Vorwande, sich einmal nach Frau Antje umschauen zu wollen, vorgefahren kamen, zogen mit ungestillter Neugier wieder von dannen. Frau Antje empfing sie mit gemessener Freundlichkeit, ließ ihnen einen vorzüglichen Kaffee und Kuchen vorsetzen, zeigte den Frauen die Kleine, sprach mit den Herren von dem Bau des Hochofens, von der neuen Einrichtung ihres Walzwerkes und hatte auf die Fragen, wie sich denn Herr Jussnitz befinde, ein freundliches „Danke sehr – recht gut!“ in Bereitschaft, das allem weiteren Forschen ein Ziel setzte. Kein Mensch wußte weiter um den Verlust des Kapitals als der alte Kortmer; diesen freilich traf die Mittheilung so hart, als ginge es sein eigenes Vermögen an.

Antje stand ihm gegenüber bei der Eröffnung dieses Unglücks mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck.

„Wenn doch nur solche Herren Maler und dergleichen Menschen von Geldgeschäften wegbleiben wollten!“ jammerte der alte Herr. „Frau Antje, wie sollen wir das wieder einbringen?“

„Wir sparen, wir sparen!“ tröstete sie und lächelte mit blassen Lippen, „und Sibyllenburg wird verkauft, das Werthvollste steckt in Sibyllenburg, Herr Kortmer.“

„Ach, wer wird für solch altes Gerümpel wie Porzellan und Stoffe einen Pfennig geben, Frau Jussnitz,“ polterte der alte Mann, „das wird alles unecht sein; wer weiß, wie oft man ihn angeführt hat bei seinen Käufen?“

„Kortmer,“ sagte sie ernsthaft, „ich bezweifle nicht, daß Sie in geschäftlichen Dingen besser Bescheid wissen als Herr Jussnitz, von Kunstsachen aber wird er wohl mehr verstehen.“

Dem kleinen Herrn war das Wort abgeschnitten; er klagte nicht mehr, er half Ordnung ins Haus bringen. Sibyllenburg ward verkauft und es blieb nach Auszahlung der Differenzen noch eine kleine Summe übrig. Antje legte dieselbe stillschweigend bei Seite für den Fall, daß das Härteste eintreten, daß Leo etwa von ihr Geld verlangen sollte. – Sie ward schamrot bei dieser Vorstellung. In ihrem tiefsten Herzen litt sie unendlich bei dem Gedanken: was soll aus ihm werden? Eine Unterstützung in Form eines Kapitals durfte sie ihm nicht anbieten unter den gegenwärtigen Verhältnissen, es wäre ein Schlag gegen sein Ehrgefühl gewesen, ein Almosen, eine Bettlergabe. Besaß er noch die Kraft, sich geistig und körperlich aufzuraffen, um sich fortzuhelfen? Und doch, wenn noch die Fähigkeit in ihm war, sich zu retten, sich selbst zurückzugewinnen, so mußte sie sich jetzt zeigen, sie selbst aber durfte nicht anders erscheinen als hart, hart wie ein Stein.

Sie mußte den Dingen ihren Lauf lassen und müßig zusehen, ob er sich aus dem Wirrsal, in das er sich gestürzt, zu lösen imstande sei. Kein Mensch sah ihr unruhiges Herz. Es wurde immer erst wieder still und kalt, wenn sie sich an die kleine Schleife erinnerte, die seine Hand um klammert hielt, als er sterben wollte; aber dann war sie noch elender als vorher.

Maiberg sprach gar nicht mit ihr über Leo, wenn er herunter kam vom Försterhause, um im Gartensaal bei Frau Antje den Kaffee zu nehmen. Er pflegte dann nur zu sagen: „Alle Tage geht es vorwärts!“ und damit wußte sie ja genug.

Es waren recht wunderliche Nachmittage in dem traulichen großen Zimmer, das Antje sich nach ihrem Geschmack eingerichtet hatte. Von Stil keine Spur, und doch wie wahrhaft behaglich und vornehm, trotz der bunt zusammengewürfelten Möbel! Von der braungetäfelten Decke hing ein uralter Messingkronleuchter herab, der schon den Gästen des einstigen Besitzers zum fröhlichen Jagdbankett geleuchtet haben mochte. Vor den kleinen in Blei gefaßten Fensterscheiben hingen, weit zurückgenommen, bunte gewirkte Gardinen, die dem Sonnenlicht keineswegs den Eintritt verwehrten. Den glänzend gebohnten Fußboden bedeckte zum Theil ein farbenbunter Teppich, am Kamin stand vor einem zierlichen Bauernschemel Antjes Spinnrad. An den getäfelten Wänden standen schöne alte Schränke, einer im echtesten Rokoko gehalten, mit Elfenbeineinlage; der andere in Renaissance, auf dem in bunter Holzmosaik eine kunstvolle Tischlerarbeit, die Geschichte der Hochzeit zu Kana, prangte. Der Nähtisch am südlichen Fenster stammte von der Großmutter in Holland; das großmächtige behagliche Sofa, der kreisrunde Tisch davor und die Gesellschaft von Stühlen und Sesseln aus den verschiedensten Zeitaltern nahmen sich sehr einladend und gemüthlich aus. Für die Dekorirung der Wandgesimse und Wände hatte Antje die Rumpelkammer des Hauses geplündert, hatte alle Delfter Fayencen mit frischen Blumen gefüllt, nachgedunkelte Familienbilder in schwarze Rahmen gefaßt und so einen reizvollen Schmuck für die alte braune, mit goldgepreßten Arabesken verzierte Ledertapete hergestellt, die keine moderne Nachahmung in Farbenwirkung und Gediegenheit zu erreichen vermocht hätte. Und hier, vor der offenen auf die Veranda mündenden Thür, durch welche die goldig grünen Lichter des Gartens flutheten, saß man an den Nachmittagen, wenn der junge Arzt kam, saß Antje allein oder mit Hilde.

Hilde war noch immer da. Sie hatte, während Antje an Leos Krankenlager weilte, getreulich die Pflege der Kleinen fortgeführt, und jetzt, wo die alte Classen dieses Amt übernommen hatte, konnte Antje, ohne unartig zu sein, dem jungen Mädchen auch nicht sagen: „Verlaß mein Haus!“ – Und Hilde schien gar nicht daran zu denken, daß dies überhaupt möglich sei.

Antje ertrug des Mädchens Gegenwart, ertrug sie mit einem Stolz, der für Hildegard hätte peinlich sein müssen. wenn diese überhaupt noch aus einem gewissen träumerischen Hinbrüten aufgewacht wäre. Antje betrachtete sie zuweilen mit heimlicher Verwunderung; sie konnte so selig vor sich hinlächeln, und dann wieder flog ein schmerzlicher Zug um den kleinen Mund und eine Falte bildete sich zwischen den dunklen Brauen. In solchen Augenblicken war es, wo Antje meinte, sie denke an späteres Glück, oder sie habe Sorge um seine und ihre Zukunft. Zuweilen lief Hilde

[336]

Der Prior kommt.
Nach dem Gemälde von A. Humborg.

[337] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [338] ganze Nachmittage im Walde umher und kam erst gegen Abend zurück, mit glühenden Wangen, einen halb verwelkten Strauß an der Brust und beide Hände voll Blumen, die sie dann stumm vor Antje auf den Nähtisch legte. Und die junge Frau stellte die Blüthen in frisches Wasser, aber sie trug sie in ein anderes Zimmer, wo sie dieselben nicht zu sehen brauchte. Es war ihr immer, als müsse sie die Blumen fragen: „War sie allein, als ihr gebrochen wurdet, oder half Er euch pflücken?“

Der Doktor beobachtete den Verkehr der beiden scheinbar gar nicht, und gegen Hilde hatte er ungefähr einen Ton angenommen, als sei er ihr Vater, halb zärtlich, halb ärgerlich, mehr zu Tadel geneigt als zu Lob.

So saßen beide Damen auch einmal wieder, am letzten Mai war es, im Gartensaal; Hilde mit einem Buch in der Hand, aus dem sie vorlas. Antje hatte sie darum gebeten, um das Qualvolle einer Unterhaltung aus dem Wege zu räumen, denn sie fühlte, wie Hilde heute nach einer Unterredung mit ihr drängte, und sie wollte nicht mit ihr reden – wozu auch? Die Kleine spielte unweit der Veranda auf dem sonnigen Kiesplatz unter Obhut der Classen; Antje hielt die Arbeit müßig im Schoß und hörte kein Wort von dem, was Hilde las. Es war „L'Arrabbiata“ von Paul Heyse.

Das junge Mädchen hatte einen Augenblick innegehalten. Antje, dadurch aus ihren Gedanken aufgeschreckt, wandte wie fragend den Kopf nach ihr, und Hilde las weiter:

„Von meinem Vater wußt’ es auch niemand, wie er zu meiner Mutter war, denn sie wäre eher tausendmal gestorben, als es einem sagen und klagen! Und das alles, weil sie ihn liebte. Wenn es so um die Liehe ist, daß sie einem die Lippen schließt, wo man Hilfe schreien sollte, und einen wehrlos macht gegen Aergeres, als der ärgste Feind einem anthun könnte, so will ich nie mein Herz an einen Mann hängen.“

Sie ließ das Buch sinken und blickte Antje an, furchtsam, mit scheuen bittenden Blicken. Die junge Frau machte sich hastig etwas mit ihrer Arbeit zu thun, dann legte sie dieselbe fort, erhob sich und ging, ihren Schirm aus ungebleichter Leinwand aufspannend, durch den sonnigen Garten ein Stückchen am Fluß hinauf. Dort öffnete sie, an der Mauer angelangt, eine kleine in den Wald führende Pforte und begann langsam den Weg emporzuwandern, der steil an dem mit herrlichen Buchen bestandenen Berge hinaufführte. Es ist etwas Köstliches, ein solcher Waldpfad im Frühjahr. Wie unter einem lichtgrünen durchsichtigen Baldachin, durch den neckende Goldfunken blitzten, schritt sie dahin, schwellendes Moos zu beiden Seiten, junge Farrenkräuter und blaue Blüthen. Und überall rauschte es und tropfte es und rieselte krystallkar über den Pfad dem Thale zu, kleine winzige Bächlein. Im Dickicht verschwand langsam ein Reh, so langsam, als wisse es, daß in dieser wonnigen Frühlingszeit kein Jäger ihm auflauere; sein Kitzlein äugte verwundert nach der Menschengestalt hinüber und sprang der Mutter nach. Aus den Wipfeln klang das Locken der Finken; es war so still und so jubelvoll zugleich in der Natur, so sehnsüchtig und doch so friedlich, es war wie eine Predigt von der ewigen Jugend und Seligkeit, wie ein Lied von Glück und Liebe.

Antje empfand das alles, sie sah alles, aber es that ihr weh. Sie hatte wieder nur den einen Gedanken: Was wird er thun – wie soll es enden? Wie könnte man ihm helfen, ohne ihn zu demüthigen? Sie fühlte sich heute körperlich angegriffen und muthlos dazu. Sie fragte sich, wie es ihr armes Herz ertragen sollte, so weiter zu leben. Und das Schwerste kam ja erst noch. Wie sehr sie litt, verriethen freilich nur ihre blassen Wangen und die trüben Augen.

Was las doch Hilde eben? „Die Liebe verschließt den Mund, wo man Hilfe schreien sollte!“ Ja, lieber Gott, wer hätte ihr denn auch helfen sollen? Sie wußte keine Seele auf der ganzen Welt; die einzige, die sie gehabt, war ja gestorben.

Sie war langsam höher gestiegen. Nun bog sie von dem Wege ab und ging auf schmalem Pfade durch junges Unterholz; die Büsche schlugen hinter ihr zusammen und trennten sie, ein durchsichtiger grüner Vorhang, von dem Wege, den sie eben verlassen hatte. Sie kannte und liebte das Plätzchen, auf dem sie jetzt stand. Ein paar Baumstümpfe waren durch übergelegte Bretter zu einer Bank geschaffen, dicht unter einer mächtigen Buche. Durch einen Aushau in den Bäumen konnte man just hinuntersehen auf das Herrenhaus und den Garten. Obgleich schon ziemlich hoch stehend, erkannte Antje doch deutlich die kleine weiße Gestalt ihres Töchterchens, das mit seinem winzigen Gartengeräth neben der strickenden Wärterin spielte.

Wie schön das gewesen wäre, wenn man hier so zu Zweien hätte sitzen können, um das traute Heim anzuschauen!

Sie lehnte den Kopf gegen den Buchenstamm. Am liebsten hätte sie geweint, so recht inbrünstig geweint, aber es war, als habe sie keine Thräne mehr. – So saß sie lange, bis dicht neben ihr auf dem Wege ein leichter Tritt erklang; durch die Gezweige schimmerte ein helles Kleid, und die junge Frau sah gleich darauf etwas weiter oben Hilde, die, den Gartenhut in der Hand schwenkend, dahin ging. Dann blieb sie stehen, und in Antjes Ohr klang eine ihr wohlbekannte Stimme, die gutmüthig vorwurfsvoll sagte: „Ei, ei, welche Unpünktlichkeit, Hilde! Das mußt Du Dir abgewöhnen.“

Dann ein Kuß und – Maiberg – ja Maiberg war es! – fügte hinzu: „Immer der Erzieher, meine arme Kleine, und nie der nachsichtige Liebhaber! – Wirst Du das ertragen, Hilde?“

Und das Mädchen war eine Weile still und sagte dann klar und innig: „Ich bin so dankbar, daß ich Dich habe! Ich könnte mir gar keinen andern als Bräutigam denken, Wolf, als eben nur Dich.“

Antjes Augen hatten sich fast unnatürlich erweitert, der letzte Rest von Farbe war aus ihrem Gesichte gewichen. Mit schwankendem Schritt ging sie weiter, immer weiter in die grüne Wirrniß hinein, und erst als der Schall jener Stimmen sie nicht mehr erreichte, stand sie still, schlang den Arm gleichsam hilfesuchend um eine Birke und schaute wie abwesend über die Chaussee hinweg, an deren Rande sie, ohne es zu wollen, angelangt war.

Wie war es möglich! Wie war es nur möglich!

Ein paar Holzknechte, die des Weges daherkamen, rückten ihre Mützen – sie sah es nicht. Nach einer Weile erst kam Leben in ihre Gestalt; sie trat auf die Chaussee hinaus und schritt nun eilig in der Richtung nach der Försterei fort. Sie mußte verhindern, daß Leo jetzt von dieser Thatsache erfuhr, er durfte nicht auch noch das Letzte, Schwerste erleben, jetzt, wo er noch nicht ganz gesundet war, wo er kaum begann, sich aufzuraffen; es mußte ihn ja völlig wieder niederwerfen, ihn abermals zum Schlimmsten treiben. Großer Gott!

Sie wollte die Rückkehr Maibergs in Frau Doras Stübchen abwarten, wollte ihn bitten, zu schweigen, bis Leo ganz gesund wäre. –

Rasches angestrengtes Gehen brachte sie nach dreiviertel Stunden schon an das Forsthaus. Die knorrige Eiche davor hatte all ihre Blätter entfaltet unter den Strahlen der heißen Sonne und die Försterin hatte Wäsche aufgehängt. Leos Giebelfensterchen stand weit geöffnet, seine bunten Schlafdecken, die Teppiche, die Antje ihm hinaufgeschickt hatte, lagen auf der Brüstung zum Auslüften. Vor der Hausthür auf dem Sandsteintritt streckten sich die Hunde im warmen Sonnenschein, und auf der Schwelle des Hauses saß Frau Dorchen, ihre rothhaarige Lola im Schoß, und sprach in zärtlich bedauerlichem Tone mit dem Thier.

Antje bot ihr „guten Tag!“ Die Frau schaute auf; sie hatte verweinte Augen. „Herr Du mein!“ rief sie, ohne sich zu erheben, „Sie sehen aus wie ein Geist, Frau Jussnitz! Wären Sie nur früher gekommen, vor einer halben Stunde ist Herr Jussnitz hinunter! Lieber Himmel – – es war, als wenn uns ein Verwandter fortginge, man hat ja auch so Schweres mit ihm durchgemacht.“

„Er ist fort?“ fragte die junge Frau und ihr Antlitz ward noch um einen Schritt bleicher.

Dorchen nickte. Antje aber ging an der hübschen Frau vorüber, welche die Wunden Lolas vom letzten Fuchsgraben her mit Thee auswusch, und stieg die Treppe hinauf zu dem Krankenstübchen; sie war unfähig, vor der Frau ihre Sorge zu verbergen.

Der Raum zeigte alle Spuren der Abreise seines Bewohners; leer, dürftig, kahl sah er aus, die Kommodenschübe geöffnet, ein unbeschriebener Briefbogen auf dem Tische, welke Blumen in den Vasen, ein halbgeleertes Weinglas. –

Sie setzte sich wie erschöpft auf das Bett und betrachtete die Unordnung, als könne sie aus diesen armseligen Ueberbleibseln herauslesen, was ihn fortgetrieben hatte. Aber sie wußte es ja nun, Hildens Untreue war es, Hildens Untreue! „Großer Gott, gieb, [339] daß er nicht noch einmal verzweifelt; um des Kindes willen stehe ihm bei!“ betete sie. Eine herzbeklemmende wahnsinnige Angst bemächtigte sich ihrer. Sie sprang empor und eilte zur Thür; da stockte ihr Fuß, es kam jemand die Treppe herauf und dann ins Zimmer. Es war Maiberg, der erstaunt zurücktrat, als er Antje erblickte.

„Sie hier? Und wo ist Leo?“

„Er ist fort! Ich wollte Sie fragen, woher sein plötzlicher Entschluß –“ stammelte sie.

Der Doktor sah so verblüfft aus, als habe ihm jemand gesagt, der Brocken sei von hier nach China versetzt. „Der Heimlichthuer!“ sagte er endlich.

Sie blickte ihn mit verständnißlosen Augen an.

„Aber, Frau Antje, was denken Sie?“ begann Maiberg, „in die Welt ist er! Sie konnten dach nicht erwarten, daß er hier weiter lebe wie ein gefangener Stieglitz im Bauer, der sich das Futternäpfchen alle Tage füllen läßt? Er ist hinaus, um sich eine Existenz zu schaffen. Aber ich wußte nicht, daß er es so eilig damit hatte; ich glaube, er ging heimlich, weil er mich nicht mitnehmen wollte.“

„Sie wußten also, daß er den Plan hatte?“ forschte sie.

„Ja freilich! Ich wollte ihn sogar ein Stück Wegs in das neue Leben begleiten, – so wenigstens war meine Absicht noch gestern mittag; aber seitdem hat sich mein Kurs allerdings etwas geändert.“ Er lehnte sich gegen die Kommode und ein heimliches Lächeln zog um seinen bärtigen Mund.

„Kannte Leo diesen veränderten Kurs?“ fragte sie, noch immer nicht Herrin ihrer Aufregung.

Nun lachte der junge Arzt leise. „Wie konnte er das wissen? Weiß ich’s doch selbst erst seit gestern abend – daß ich –“ Er faßte beide Hände der zitternden Frau und drückte sie herzlich. „Ihnen darf ich es ja sagen, wie ich es eben Leo sagen wollte, daß Hilde meine Braut geworden ist.“ Und unter fortwährendem Schütteln ihrer Hände sprach er weiter: „Frau Antje, ich weiß, daß Sie sich wundern werden; ich wundere mich ja selbst über die Geschichte. Alles, was ich von meiner künftigen Frau erträumt und erhofft habe, das besitzt sie nicht! Ich dachte immer nur an eine Frau – nun, an eine – so wie Sie sind, Frau Antje, so sanft, so gut, so engelsgut; so klug und so verständig – so – –“ Er lachte, und ein paar Thränen schimmerten in seinen treuen blauen Augen. „Nun stellt mir das Schicksal ein Kind in den Weg mit allen möglichen Unarten und Dummheiten im Köpfchen, ein Wesen, das ich hüten muß, als wäre ich der leibliche Vater; ein Geschöpfchen, das außer einem großen Dankbarkeitsgefühl und kindlichem Vertrauen mir vielleicht nichts weiter von dem entgegen bringt, was man billig verlangen kann von seinem zukünftigen Weibe, und das ich doch, seitdem es mich das erste Mal angeschaut hat mit seinen großen Zauberaugen, hilfesuchend und rathlos, liebe, wie man auch eine Bessere nur lieben kann. Und nun sagen Sie nicht, Frau Antje, daß ich im Begriff bin, eine Thorheit zu begehen, sagen Sie es nicht! Ich handle mit Bewußtsein, und Sie, gerade Sie, Antje, haben es bewiesen, was Liebe, ehrliche treue Liebe ist! Sie kämpft, sie leidet, sie wird gemartert; sie kann streng sein, hart, aber sie ist unwandelbar in ihrer Treue!“

Er ließ sie los und trat von ihr fort.

Sie stand da, mit gesenktem Kopf, „Und Leo? Wenn er es erfährt?“ flüsterte sie.

„Frau Antje,“ sagte er und legte die Hand auf ihre Schulter, „Leo vergaß seinen Traum, ich weiß es – ich bin kein schlechter Menschenkenner. Und Sie werden ihm nicht nachtragen, daß er, gerade er, irrte. Und wenn er wirklich noch nicht vergessen hätte, wenn er selbst es erst lernen müßte, so dürfen Sie es ihm nicht erschweren durch ein falsches Mitleid.“

Sie antwortete nicht; sie ging plötzlich zu dem Tische hinüber, bückte sich und hob eine kleine rothe Schleife vom Boden auf, die verstaubt, zertreten zwischen dem Kehricht und zerrissenem Papier lag. Sie betrachtete sie ein Weilchen. „Muß er es noch lernen?“ fragte sie das winzige Ding. – „Nein!“ antwortete die kleine stumme Botin, „nein!“ – –

Am Abend dieses Tages saß Antje drunten im Herrenhaus mit dem Brautpaar zusammen am gedeckten Tische und stieß mit freundlich ernster Miene auf sein künftiges Glück mit ihm an. Und als man sich endlich trennte, da schmeichelte sich Hilde mit in das Zimmer der jungen Frau, knieete dort vor ihr nieder und schluchzte eine Bitte um Verzeihung.

Antje streichelte über den Scheitel des Mädchens. „Machen Sie ihn glücklich!“ war ihre ganze Antwort.

„Ich will es ja, von ganzen Herzen will ich es,“ betheuerte Hilde.

„Hilde,“ fragte Antje plötzlich mit bebender Stimme, „lieben Sie ihn?“

Das verweinte Gesicht hob sich; ein schelmisches Lächeln ließ alle ihre kleinen Perlenzähne sehen. „Ich glaube: ja!“ flüsterte sie, „und wenn noch nicht ganz so, wie ich es mir immer ausgemalt habe, so leidenschaftlich und überschwenglich, so lerne ich es gewiß noch.“

Antje senke traurig den Kopf. „Mögen Sie nicht irre werden an diesem Glauben, liebe Hilde! Aber nun Gute Nacht – Gute Nacht!“ Und Hilde schlüpfte aus dem Zimmer.

Antje aber schlief nicht. Sie ging auf und ab in dieser letzten Mainacht, in dem trauten geborgenen Zimmer. Und sie dachte hinaus in die weite Welt – irgendwo, irgendwo schwankte ein kleines Boot auf den Wellen des Lebens – – wird die schwache Hand, die es steuert, stark genug sein, es durch die Brandung zu führen? Wird es genug Proviant an Lebensernst und an Willenskraft besitzen? Wird es zurückkehren zu ihr?

Draußen vor dem Fenster schlug eine Nachtigall; die Nacht war so weich, so märchenhaft duftig. Sie ging zum Fenster hinüber und sah in den dämmernden Garten; sie stand dort, wie sie es als bräutliches Mädchen gethan, und wünschte, in die Ferne sehen zu können, dahin, wo er sei.

Sie dachte, daß einer Mutter, die den geliebten halbverlorenen Sohn in das Leben schickt, wohl so ähnlich zu Muthe sein möge wie ihr heute; daß sie keine Nacht schlafen werde ohne Sorge, daß kein Morgen dämmere, an dem sie nicht mit Bangen seiner gedenken müsse.

„Gottlob,“ sprach sie, „daß ich Arbeit habe, viel Arbeit!“

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.


Das Buch von der gesunden und praktischen Wohnung. Seit Jahren ist die „Gartenlaube“ bemüht gewesen, ihren Lesern als Führerin zu dienen auf dem weiten Gebiete der Hygieine. Wir sagen, auf dem weiten Gebiete; denn es giebt kaum eine Form menschlichen Seins und menschlicher Thätigkeit, die nicht zu der Hygieine ihre Beziehungen, von ihr Rathschläge, Warnungen, Belehrungen zu erfahren hätte. Die geistige wie die körperliche Arbeit, die Anstrengung wie die Ruhe, Nahrung, Kleidung, Wohnung, alles will und soll die Hygieine durchdringen zum Segen der Menschheit, denn was sie sich zum Ziel gesteckt hat, ist nichts geringeres als die Erhaltung des höchsten menschlichen Gutes, der Gesundheit.

Ein Stück aus diesem großen Arbeitsfelde der Hygieine hat sich nun der unsern Lesern wohlbekannte C. Falkenhorst herausgegriffen, um es für sich in einem besonderen Buche, dem „Buche von der gesunden und praktischen Wohnung“ (Leipzig, Ernst Keil’s Nachfolger), zu behandeln, und zwar wendet er sich in erster Linie an die berufenen Wächterinnen der Gesundheit im Hause, an die Frauen. Mit Recht ruft der Verfasser aus: „Was nützen uns alle Polizeimaßregeln, wenn im Hause gegen die Grundsätze der Gesundheitslehre gesündigt wird? Was nützen uns alle Schulpaläste und Schulärzte, wenn die Jugend im Hause nicht nach gesundheitlichen Grundsätzen erzogen wird? Besser wird es nur dann werden, wenn die großen hygieinischen Errungenschaften der Neuzeit auch in Privathäuser ihren Einzug gehalten, wenn sie in jeder Familie bethätigt werden.“ Zur Durchführung dieser Forderung aber ist der weitaus in den meisten Fällen durch seinen Beruf außerhalb des Hauses in Anspruch genommene Mann nicht imstande, und so geht die Aufgabe über an seine natürliche Vertreterin und Gehilfin, an die Frau.

Dementsprechend ist auch das Buch Falkenhorsts gehalten; es will kein trockenes, schwerverständliches Lehrbuch sein, es will in leichter Fassung über ernste Dinge mit der Hausfrau plaudern; es befolgt auch keine wissenschaftlich systematische Eintheilung, sondern schließt sich den einzelnen Abschnitten des häuslichen Pflichtenkreises der Frau an. Was es aber lehrt, das Büchlein, das sind wohl zu beherzigende Dinge, und es wird gut um ein Haus bestellt sein, wo es zur Richtschnur für die tägliche Lebensführung geworden ist und seinen Anweisungen gewissenhaft Folge geleistet wird.

[340] Eine Krone als Pfand. In dem Roman „Die Könige im Exil“ von Daudet kommt der Zwischenfall vor, daß ein König seine Krone als Pfand hinterlegen muß, aber diese Romanerfindung wurde neuerdings durch ein wirkliches Ereigniß parodirt. Bei einem Gasthofsbesitzer in Ostende verpfändete ein König seine Krone für seine zu mehreren tausend Franken angewachsenen Gasthausschulden. Als der Wirth indeß die Schachtel öffnete, fand er in Papier eingewickelte Kieselsteine darin. Und doch war’s ein fürstliches Haupt aus Ostasien gewesen, Marie I., König der Sedangs, der bei ihm gewohnt hatte. Marie I., der als „regierender Fürst“ den Namen seiner Mutter annahm, war in Paris geboren und wurde, nachdem er sein Erbe durchgebracht, nach Tongking geschickt, um sich dort irgend eine Stellung zu verschaffen. Er begab sich, und zwar mit Unterstützung der Regierung, zu den unbekannten Stämmen des Innern, und da er durch seine Kraft und Gewandtheit auf diese Eindruck machte, so wählten ihn die Sedangs zu ihrem König. Er kehrte nun nach Tongking und dann nach Frankreich zurück und vertheilte überall die Großkreuze und kleineren Insignien des von ihm gestifteten Ordens. Dafür mußten die Empfänger ihm Geld borgen oder auf sein Anlehen zeichnen. Zwar nicht von der Regierung, aber von hundert unternehmungslustigen Glücksrittern, die ihm ihre Dienste anboten, wurde König Marie ernst genommen. In Paris ging’s mit seiner Herrlichkeit alsbald zu Ende; aber in Belgien fand sich ein reicher Kaufmann, der ihm 40 000 Franken, Waffen und sonstige Ausrüstung zu einem Zuge zu den Sedangs gab. Auf dem Schiffe machte er die tollsten Streiche; in Singapore verliebte er sich in eine Mulattin und brachte mit ihr das ganze Geld für die Expedition durch. Auf einer benachbarten Insel gerieth er in Streit mit einem Franzosen Villeneuve, den er wahrscheinlich vergiftete. Der französische Konsul in Singapore wollte ihn verhaften lassen. Doch Marie I. starb inzwischen durch Selbstmord oder von einem andern vergiftet. Ein starkes Gift trug er immer neben seinen Orden bei sich, um gelegentlich von dem einen oder von den anderen Gebrauch zu machen. In seinem Nachlaß fanden sich hübsche rosarothe Postmarken mit fünf Kronen, doch hat es nie in seinem Reiche eine Post gegeben.

Verhängnißvoller Augenblick. (Zu dem Bilde S. 329.) Aus dem Bergdorfe, das am rauschenden Gletscherbach zwischen Matten und Felshängen liegt, will sie hinaufsteigen zu ihrer Alm, die schlanke, wetterbraune Sennerin. Der schmale Steig, den sie eingeschlagen hat, ist eigentlich ein verbotener, weil er über den Bahndamm führt an einer Stelle, wo derselbe nicht betreten werden sollte. Es ist überhaupt eigentlich gar kein Steig, sondern man gewahrt nur einzelne Tritte, die an der steilen Geröllhalde hinaufführen, nur gangbar für die schwindelfreie Aelplerin. Und nun, wie sie den Schienenweg erreicht hat und elastischen Schrittes darüber hinwegeilen will, um an der Bergwand weiter hinan zu klimmen, sieht sie auf dem schwarzen Eisengestänge einen reichlich zentnerschweren Gneißblock liegen, der aus der Höhe herabgerutscht und zuletzt, vielleicht vor einer Stunde erst, auf die Schiene herabgestürzt ist. Oder haben ihn verruchte Hände hingewälzt, um ein entsetzliches Unheil herbeizuführen, ein Unheil, das krachend und dröhnend mit zerberstenden Wagen, mit zerklirrenden Maschinentheilen und mit dem Todesschrei von Hunderten in den Abgrund hinunter donnern sollte?

Gleichviel, wie er dahin kam – der Stein gehört nicht dahin, so denkt sich das brave Mädchen; mit ruhiger Entschlossenheit setzt sie den eisenbeschlagenen schweren Bergstock an, um mit seiner Hebelkraft den Felsblock vom Geleise zu rücken. Sie strengt sich noch nicht an; aber in der nächsten Sekunde schon wird sie das Dröhnen des Postzuges vernehmen, der unfern aus der dunklen Mündung des Tunnels hervor kommt. Und dann – dann faßt sie mit beiden Händen den Stein; die Muskeln ihrer Arme spannen sich an, als wollten sie zerspringen; – eine riesenhafte Anstrengung – aber im nächsten Augenblick rollt der Fels über den Damm hinaus, um in mächtigen Sätzen den Steilhang hinunterzukollern, bis er mit einem letzten Sprung in den Gletscherbach unten stürzt, dessen Wellen über ihm zusammenschlagen.

Die wackere Sennerin aber hat gerade noch ein paar Sekunden Zeit, um ihren Stock wieder zu ergreifen und mit einem Satze vom Bahndamm wegzuspringen – fast, daß ihr wehendes Gewand noch von den Puffern der herantosenden Lokomotive berührt wird. Dann aber läßt sie lächelnd den Zug an sich vorüber donnern; wie Märchengestalten erscheinen ihr die schwarzen Männer auf der Lokomotive, die Köpfe der Reisenden an den Fenstern. Keiner von denen, die da herausschauen, ahnt es wohl, daß die schlichte Magd im Bauernkittel, die da, auf ihren Bergstock gelehnt, nach der Wagenreihe hinaufblickt, wenige Sekunden vorher als Schutzgeist eine That vollbrachte, die ein grauenhaftes Unglück verhütet hat.

Und der Lärm des Zuges verhallt hinter dem nächsten Felsvorsprung. Die Sennerin aber klettert ihren steilen schmalen Weg weiter empor zwischen Fels und Krummholz. Erst eine Viertelstunde später, wie sie ein sonniges Rasenfleckchen erreicht hat und in schwindelnder Tiefe unter sich den Bahnzug noch einmal sieht, der unterdessen in meilenlanger Schlangenwindung ganz ins Thal hinabgekommen ist und langsamer nun der Station zufährt: erst da hält sie still. Auf ihren Bergstock gelehnt, läßt sie die braunen Augen hinunterschweifen ins Thal und hinüber nach Ost und West, wo sie ferne Schneehäupter flimmern sieht. Und dem hohl klagenden Pfiff, den das Eisenungethüm unten am Bahnhof ausstößt, antwortet hoch auf luftigem Bergvorsprung ein heller freudiger Jauchzer, den aber niemand vernimmt, als der harzduftende Bergwald und das sonnenbeglänzte Gestein. M. H.

Ein Thierkoloß. (Mit Abbildung.) Eine seltsame Last hatte der Riesenkrahn am Krahnhöft zu Hamburg kürzlich in die Höhe zu winden: es war ein gewaltiges Exemplar von einem Finnwal, welcher, von der tödlichen Harpune an der norwegischen Küste ereilt, vom Dampfer „Neptun“ bis in die Fluthen der Elbe geschleift worden war, um dort den Hamburgern als Sehenswürdigkeit gezeigt zu werden. Man hatte ihn „am Schwanz aufgezäumt“, d. h. ihn mit dem Schwanzende an dem Flaschenzug befestigt, und langsam stieg der über zwanzig Meter lange und 80 000 Kilogramm schwere Fischleib in die Höhe. Als er aber fast ganz aus dem Wasser war und dieses nicht mehr an dem Gewichte des Meerriesen tragen half, da wurde dem armen Schwanz die Last zu schwer und er riß ab – den verstümmelten Körper seinem feuchten Element zurückgebend. Man hatte nicht bedacht, daß man wohl einen frisch harpunirten Wal am Schwanze aufhängen kann, daß dies aber nicht mehr geht, wenn, wie in diesem Fall, bereits Wochen seit dem Fange des Thieres vorüber sind. Es blieb nichts übrig, als den Koloß nach dem Steinwärder zu bugsiren und ihn mit Benutzung der Fluth möglichst hoch an Land zu bringen. Dort konnte man zur Zeit der Ebbe die gewaltigen Massen des todten Riesen bestaunen.

Der Finnwal am Riesenkrahn in Hamburg.
Nach einer Momentphotograbhie von Pet. Nissen in Hamburg-St. Pauli.


Kleiner Briefkasten.

W. B. in Bremen. In der Anrede und auf der Adresse ist die Bezeichnung „Königliches Kommando“ bei allen Regimentern Vorschrift.

M. St. in Verden. Wenden Sie sich an die Vorsteherin des Viktoriahauses für Krankenpflege in Berlin!

C. R., Lehrer in K. (Württemberg). Sie haben in Ihrem Schreiben übersehen, Ihren Wohnort anzugeben. Theilen Sie uns denselben mit, damit wir Ihnen bezüglich des Liedes „Stille Nacht, heilige Nacht“ die nöthige Aufklärung geben können.


Inhalt: Lea und Rahel. Roman von Ida Boy-Ed. (3. Fortsetzung). S. 325. – Die neue Pfeife. Bild. S. 325. – Unschuldig verurtheilt. Beiträge zur Geschichte des menschlichen Irrthums. Neue Folge. III. Von Fr. Helbig. S. 328. – Verhängnißvoller Augenblick. Bild. S. 329. – Aus Thüringer Erde. Die Töpfereien zu Bürgel. Von Hermann Ferschke. S. 331. Mit Abbildungen S. 331, 332 und 333. – Eine unbedeutende Frau. Roman von W. Heimburg (19. Fortsetzung). S. 334. – Der Prior kommt. Bild. S. 336 und 337. – Blätter und Blüthen: Das Buch von der gesunden und praktischen Wohnung. S. 339. – Eine Krone als Pfand. S. 340. – Verhängnißvoller Augenblick. S. 340. (Zu dem Bilde S. 329.) – Ein Thierkoloß. Mit Abbildung. S. 340. – Kleiner Briefkasten. S. 340.


manicula 0 Hierzu Kunstbeilage VI: 0 „Zur Maienzeit“.0 Von E. Keyser.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

  1. Der erst zum Tode verurtheilte und später freigesprochene Loth lebt jetzt als Wirthschaftsinspektor auf einem Gute bei Leipzig, hat eine Familie gegründet und genießt des besten Leumunds. Alljährlich am Tage seiner Freisprechung erstattet er seinem Retter, dem Dr. Koch in Gera, brieflich seinen Dank.