Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin

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Autor: August Woldt
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Titel: Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 294–297
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: zum fünfzigjährigen Jubiläum der Gesellschaft erfolgt ein Rückblick auf Entwicklung und wichtige Personen der Gesellschaft
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Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin.
Zu deren Jubiläum am 30. April und 1. Mai.


Wenn in unserer schnell lebenden Zeit das fünfzigjährige Jubiläum einer einzelnen hervorragenden Person schon zu den großen Seltenheiten gehört und mit gebührender Feierlichkeit begangen zu werden pflegt, um wie viel mehr wird man ein solches Fest begehen dürfen, wenn es von einer der größten und bedeutendsten wissenschaftlichen Gesellschaften gefeiert wird, zu deren Entwickelung die einflußreichsten wissenschaftlichen Größen nicht nur des Centralpunktes, sondern des gesammten großen Vaterlandes, ja im weiteren Sinne die Spitzen der internationalen Kräfte durch Generationen beigetragen haben! Deshalb darf denn auch die „Berliner Gesellschaft für Erdkunde,“ deren fünfzigjähriges Bestehen am 30. April und 1. Mai dieses Jahres gefeiert wird, nicht nur als die zweitälteste ihrer Art auf dem Erdenrund, sondern auch wegen der großen Erfolge, die sie während fünf Jahrzehnten errungen hat, sicher sein, daß der in ihrem Kreise gefeierte Triumph der Wissenschaft, welcher einen Sieg des Menschen über die Natur bezeichnet, seinen Wiederhall überall finden wird. Im Herzen der rings über die fünf Welttheile zerstreuten Deutschen, ja bei allen gebildeten Nationen, welche jemals der Erforschung der Oberfläche unseres Planeten sich gewidmet haben, wird das Interesse wach sein für das schöne Fest.

Wo wäre das Land, welches deutsche Geographen nicht bereist haben, wo flösse ein Meer, welches ein deutscher Kiel nicht durchfurcht hat, wo wären Einöden und Wüsten, Felsengebirge und Stromgebiete, zu deren Erforschung deutsche Forschungsreisende nicht ihren redlichen Beitrag im friedlichen Wettkampf der Nationen geliefert haben? So gestaltet sich die Jubelfeier der ältesten deutschen Gesellschaft für Erdkunde mit Recht zu einem deutschen Feste!

Wohl jede größere deutsche Stadt hat in ihren Mauern ein oder das andere Ehren- oder correspondirende Mitglied der Berliner geographischen Gesellschaft. Noch größer ist die Zahl derjenigen ordentlichen Mitglieder, welche als auswärts lebende Deutsche weithin in alle Lande zerstreut sind, und die in treuer Anhänglichkeit an die Gesellschaft sich die gedruckten Verhandlungen und die Zeitschrift des Vereins sogar bis nach Yedo, Yokohama, Tientsin und Peking, Batavia und Calcutta, Lahore und Teheran, nach Kairo, Palma in Westafrika, Rio de Janeiro und Valparaiso, nach Washington, New-York und anderen Orten nachsenden lassen. Und zu alledem kommt dann eine Zahl von gegen siebenthalbhundert ordentlichen, allein in Berlin ansässigen Mitgliedern, welche den bevorzugtesten Berufsclassen angehören. Man begreift auf den ersten Blick kaum, wie die ungeheure Zahl von Männern, allein in einer Stadt, und wäre es auch der Centralpunkt des deutschen Reiches, sich lediglich zu dem Zwecke zusammenfinden kann, um die großen Ziele und Aufgaben der Geographie, jener seit den Tagen eines Humboldt zur vollen Wissenschaft erhobenen Disciplin, fördern und erfüllen zu helfen. Aber wenn man die Mitgliederliste genauer studirt und jeden Einzelnen nach seiner gesellschaftlichen Stellung betrachtet, dann sieht man erst, wie tiefe Wurzeln die Geographie in allen denjenigen Kreisen geschlagen hat, denen es auf ernstes Studium und Belehrung ankommt und welche wirklich das Bestreben haben, stets auf der jeweilig erreichten Höhe zu stehen. In dieser Beziehung gleicht der Geographie keine andere Wissenschaft, selbst nicht einmal die neuerdings zu so ungeahnter Höhe der Entwickelung gelangte Anthropologie und Ethnologie.

Es giebt deshalb auch keine wissenschaftliche Gesellschaft, weder in Berlin, noch in ganz Deutschland, in welcher sich die Vertreter fast aller hervorragenden Kreise zu einem so glücklichen Ganzen vereinigt haben, wie in dieser. Die eine Hälfte der Gesellschaft wird vollständig vom Gelehrten- und höheren Beamtenstande eingenommen, welche beide sich ungefähr an Zahl das Gleichgewicht halten. Gehören zu den Gelehrten nicht nur viele Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, zahlreiche Universitätsprofessoren, Vertreter von Specialfächern, wie Astronomen, Botaniker, Geographen, Kartographen, Reisende und Privatgelehrte, Vorstände von Museen und Sammlungen, sondern auch zahlreiche eigentliche Lehrer von Gymnasien und Realschulen, so umfaßt der zweitgenannte Stand das hohe Beamtenthum durch alle Kategorien von der Excellenz abwärts, die vortragenden und Geheimräthe, Räthe jeder Art, namentlich viele Juristen, ferner Gesandte, Diplomaten, Politiker, Directoren, Consuln u. A. m. Diesen beiden Hauptsäulen der Gesellschaft, deren jede etwa hundertsiebenzig bis hundertachtzig Mitglieder umfaßt, schließen sich drei unter sich fast ganz gleich große Kategorien von je siebenzig bis achtzig Vertretern an, die Militärs nebst Mitgliedern der Marine, die Aerzte und die Kaufleute. Dann kommen die Verlagshändler, die Künstler und die besitzende Classe mit je etwa zwanzig Mitgliedern, und zuletzt – drei Schriftsteller – leider nur drei! Es giebt mehr als ein Beispiel, daß Mitglieder des Vereins demselben viele Jahre hindurch, während der Entwickelung ihrer ganzen gesellschaftlichen Stellung, treu geblieben sind.

So stand vor fünfzig Jahren der Hauptmann Baeyer an der Wiege der Gesellschaft und jetzt ist dieser einzig noch lebende Mitstifter der Präsident des königlich preußischen geodätischen Instituts und des Centralbureaus der europäischen Gradmessung, Generallieutenant z. D.; so wurden an einem und demselben Tage des Jahres 1830 Dr. Dove und Lieutenant von Roon zu Mitgliedern erwählt; heute ist der Erstere Ehrenpräsident, oder, wie der Titel eigentlich lautet, „Ehrendirector“ der Gesellschaft, Regierungsrath, Universitätsprofessor, Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Vicekanzler des Ordens pour le mérite, Letzterer dagegen Ehrenmitglied der Gesellschaft und General-Feldmarschall. Derartige Beispiele ließen sich noch mehrere anführen.

Die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin ist aber nicht, wie Pallas Athene aus dem Haupte des Jupiter, fertig in die Welt getreten; es meldet uns vielmehr ein Trinkspruch von Dove bei Gelegenheit der fünfundzwanzigjährigen Feier im Jahre 1853

[295]
Lichtenstein. Bastian.
Barth. Ehrenberg. Richthofen.
Ritter. Baeyer. Dove.
Die bisherigen Präsidenten der „Berliner Gesellschaft für Erdkunde“.
Nach Photographien auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

[296] darüber Folgendes: „Bei der Feier der fünfzigjährigen Dienstzeit des durch seine große Karte von Deutschland bekannten Hauptmann Reymann sprach sich in der Gesellschaft, welche das Jubelfest beging, der Wunsch aus, zum Andenken an diesen Tag einen Verein von Freunden der Erdkunde in Berlin zu stiften. Zum vorbereitenden Ordner eines solchen Vereins wurde Prof. Wohlers gewählt, und es erschienen zwei Tage darauf, am 20. April 1828, in der Behausung desselben Major v. Rau, Director Klöden, Major v. Etzel, Prof. Zeune, Prof. Berghaus und Hauptmann Baeyer. In dieser vorbereitenden Sitzung einigte man sich über folgende Punkte: Der Zweck der Gesellschaft ist Beförderung der Erdkunde im weitesten Sinne des Worts durch mündliche oder schriftliche Mittheilung. Diesen Zweck können befördern helfen alle Einwohner Berlins, von denen bekannt ist, daß sie die ganze Erdkunde oder einen Zweig derselben zu ihrem wissenschaftlichen Studium gemacht haben, Künstler, die durch ihre rühmlichst bekannte Geschicklichkeit das Studium der Erdkunde erleichtern und fördern, alle welche durch Mittheilung von Materialien der Gesellschaft nützlich werden können. Die Gesellschaft vereinigt sich monatlich einmal, und zwar am ersten Sonnabend des Monats, Abends um 7 Uhr.“ Die erste wirkliche Sitzung erfolgte am 7. Juni. In ihr waren außer den bereits Genannten noch zwanzig andere Professoren anwesend, darunter v. Dechen, v. Ledebur, Ritter, Adalbert v. Chamisso, v. Falkenstein und Mädler. Zum „Director“ wurde Karl Ritter gewählt (sein Stellvertreter war v. Etzel), zu Secretären Prof. Stein und Director Klöden; Hauptmann Reymann wurde Ehrenmitglied der Gesellschaft.

Gerade zu jener Zeit hatte Alexander von Humboldt seine berühmten beiden Cyclen von öffentlichen Vorträgen in Berlin beendigt und in ihnen das in fast erdrückender Menge herbeigeströmte Publicum zu hellem Enthusiasmus hingerissen. Die Wogen der Begeisterung gingen damals so hoch, daß wir die Begründung der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin gradezu als ihren Ausfluß betrachten dürfen. Deshalb wohnte dem jungen Vereine von vorn herein eine so eminente Lebensfähigkeit bei, daß er es sogar wagen durfte, am 25. September 1828 die ein Jahr vorher gegründete Versammlung deutscher Naturforscher zu einer außerordentlichen Sitzung bei sich zu empfangen. Von Jahr zu Jahr wuchs die Zahl der Mitglieder, und schon im Mai 1839 wurden der Gesellschaft durch Cabinetsordre die Rechte einer juristischen Person ertheilt. In demselben Maßstabe, wie dieses Wachsthum vor sich ging und die Bedeutung stieg, konnte sie es auch wagen, ihre Ehrenmitgliedschaft Männern wie Humboldt, Bessel, Leopold v. Buch, Richardson, Sabine, Murchison, Rawlinson u. A. m. anzubieten; sie darf heute noch mit Stolz einen Samuel Baker, Bancroft, Cameron, Charles Darwin, Desor, Hayes, M’Clintock, Przewalski, Renan, de la Roncière, de Noury, Tyndall u. A. von den auswärtigen Gelehrten dazu rechnen, ja während ihr als ordentliche Mitglieder auch eine Anzahl von fürstlichen Personen angehörten und angehören, darunter die Prinzen Waldemar und Adalbert von Preußen, der Erbprinz von Sachsen-Meiningen, der Prinz Heinrich zu Schönaich-Carolath, hatte sie auch die Freude, daß der um die Wissenschaft hochverdiente König der Belgier, Leopold II., der die internationale Association zur Erforschung von Afrika in’s Leben gerufen hatte, 1876 ihre Ehrenmitgliedschaft annahm, ebenso wie dies der Erzherzog Ludwig Salvator von Toscana 1874 gethan hatte.

Es konnte natürlich nicht fehlen, daß während der Entwickelung der Gesellschaft, zu der im Laufe der Jahrzehnte so ziemlich Alles, was auf wissenschaftliche Stellung in einer der Zweigwissenschaften der Geographie sowie auf hohen gesellschaftlichen Rang Ansprüche machen konnte, beitrat, die Oberleitung Männern in die Hände gelegt wurde, welche nicht nur selbst eine hervorragende Stelle als Gelehrte, Forscher oder Reisende einnahmen, sondern die auch nach jeder andern Richtung hin diesen großen Kreis würdig zu repräsentiren verstanden. So haben viele Jahre hindurch, Mancher längere, Mancher kürzere Zeit, je nachdem dazwischentretende Reisen oder die Bestimmungen der Statuten das Amt unterbrachen, diejenigen Männer, deren Abbildungen wir auf dem nebenstehenden Tableau bringen, die Direction der Gesellschaft gehabt: Karl Ritter, Dove, Ehrenberg, Lichtenstein, Barth, der Baron von Richthofen und endlich Bastian, der rastlose Reisende, der alle Continente mit eigenen Augen geschaut und mehr als ein anderer Gelehrter „vieler Sterblichen Städte gesehen und Sinnesart erkundet hat.“ Die beiden letztgenannten ausgezeichneten Gelehrten, welche einen Weltruf besitzen, stehen noch heute an der Spitze der Gesellschaft und zwar in diesem Jahre von Richthofen als erster und Bastian als zweiter „Director“; der greise Nestor unserer Meteorologie, Dove, ist, wie schon gesagt, Ehrenpräsident. Das achte Portrait ist dasjenige des ältesten Mitgliedes, des hochverdienten General Baeyer, der mit der Gesellschaft zusammen sein fünfzigjähriges Jubiläum feiert. Leider gestattet es der uns knapp zugemessene Raum nicht, hier näher auf die persönlichen Verdienste der Genannten einzugehen.

Hand in Hand mit dem Wachsthume der „Gesellschaft für Erdkunde“ nach außen hin nahm auch ihr Besitzthum zu, welches in zwei Kategorien zerfiel, nämlich in baares Geld und in literarische Schätze. Die Vermehrung des klingenden Vermögens verdankt sie einer eigenthümlichen Einrichtung, dem gemeinschaftlichen Abendessen der Mitglieder nach jeder Sitzung. Durch den jährlichen Beitrag, welchen Jeder zahlt, wird gleichzeitig die Berechtigung zur Theilnahme an den üblichen Soupers erworben; für jedes am Essen nicht theilnehmende Mitglied aber zahlt die Gesellschaft den Betrag für das Couvert nicht an den Wirth, sondern sie wendet ihn ihrer Casse zu. Durch dieses „Abhungern und Abdarben“, wie sich Dove einmal scherzend ausgedrückt, hat sich die Gesellschaft nach und nach so viel Mittel erworben, daß sie nicht nur zu wiederholten Malen Reisende unterstützt, sondern auch in neuerer Zeit ihre durch Geschenke stark angewachsene Bibliothek so sehr completiren konnte, daß dieselbe gegenwärtig circa dreitausend Druckwerke und über zehntausend, meist aus älterer Zeit stammende Karten und Atlanten besitzt.

Seit fünfundzwanzig Jahren ist der treue Verwalter dieser Schätze Professor Koner, der bekannte Bibliothekar der Berliner Universitätsbibliothek. Derselbe gewissenhafte Beamte ist auch langjähriger Redacteur der „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“, welche gleichfalls in diesem Jahre und zwar am 1. Juli ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum feiern wird, da ihr erster Band im Jahre 1858 unter dem Titel „Zeitschrift für allgemeine Erdkunde“ in wesentlicher Erweiterung der bis dahin herausgegebenen Monatshefte erschien. Diese Zeitschrift bringt Jahr für Jahr eine tausende von Nummern umfassende Uebersicht über die auf dem Gebiete der Geographie neu erschienenen Werke, Aufsätze, Karten und Pläne, die gleichfalls von W. Koner, der auch Archivar der Gesellschaft ist, aufgestellt wird. Von anderen Mitgliedern des gegenwärtigen Vorstandes bleiben noch aufzuführen Professor Hartmann als zweiter stellvertretender Vorsitzender, von Boguslawski, Marthe und Kersten als Schriftführer und Bütow als Schatzmeister. Als wissenschaftlicher Beirath fungiren die Herren: Geheimer Bergrath Beyrich, Kammergerichtsrath Deegen, General von Etzel, der Director der Berliner Sternwarte, Professor Förster, der Afrikareisende G. Fritsch, Geheimerath Göring, der verdienstvolle und beliebte Ministerialdirector Greiff, der Director der Bergakademie und geologischen Landesanstalt Hauchecorne, Professor H. Kiepert, der allen Lesern der „Gartenlaube“ bekannte Vorstand der Plankammer des königlich preußischen statistischen Bureaus, Dr. Henry Lange, Geheimrath Professor Dr. Meitzen, der Präsident der Afrikanischen Gesellschaft Dr. Nachtigal, der Verlagsbuchhändler O. Reimer, der Führer der „Gazelle“ auf ihrer wissenschaftlichen Erdumsegelung, Capitain zur See Freiherr von Schleinitz, und der Präsident des Kammergerichts von Strampff. Seit fünf Jahren werden jetzt auch wieder die Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde herausgegeben und zeichnen dafür im Auftrage des Vorstandes von Boguslawski und der berühmte Reisende Dr. W. Reiß.

Die hohe Mitgliederzahl, welche die Gesellschaft gegenwärtig besitzt, ist dennoch zu zwei Drittheilen erst seit dem Beginn dieses Jahrzehnts eingetreten; ihr Procentsatz würde nicht so hoch sein, wenn nicht der Nekrolog fast allmonatlich die Nachricht von dem Dahinscheiden eines oder mehrerer der alten Mitglieder brächte. Noch halten sich indessen Viele von denen, die in den dreißiger bis fünfziger Jahren eingetreten sind, tapfer. Außer den bereits Genannten sind hier von Klöden, der 1838 eintrat, Professor Peters, der Director des Berliner zoologischen Museums, der seit 1843 Mitglied ist, dann Quincke, Herrig, [297] Jagor, Liebenow, Siemens und Andere mehr zu nennen. Die Gesellschaft ist nach außen hin beim Publicum sehr beliebt und populär, wozu nicht wenig die in den öffentlichen Blättern erscheinenden Berichte beitragen, namentlich aber diejenigen der „Vossischen Zeitung“, deren einer Besitzer, Stadtgerichtsrath Lessing, seit achtzehn Jahren treues Mitglied der Gesellschaft ist. Aus dem Schooße der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin ist die „Carl-Ritter-Stiftung“ zur Unterstützung von Reisenden, und durch die unermüdliche Thätigkeit des für alle geographischen und ethnographischen Forschungen begeisterten Bastian die „Afrikanische Gesellschaft“ hervorgegangen.

Nicht unwesentlich zur Ausdehnung der Gesellschaft hat die auf den ersten Blick unbedeutend und einflußlos erscheinende Sitte, pietätvoll durch volle fünfzig Jahre an dem ersten Sonnabend jeden Monats als Sitzungstag festzuhalten, beigetragen. Dieser Abend war und ist der feststehende Punkt, nach dem sich Jeder bis auf den heutigen Tag noch richtet. Man weiß, wo man am ersten Sonnabend im Monat seine Freunde trifft, und richtet sich darnach ein. Werthvolle Beziehungen werden an solchem Abende in der die Dauer der eigentlichen Sitzung oft um das Doppelte übertreffenden Nachsitzung der „kleinen Geographie“ angeknüpft und vieljährige liebe Bekanntschaften oft einzig und allein in diesen Sitzungen unterhalten und gefördert.

Es giebt kaum ein wechselvolleres Bild, als eine solche Gesammtsitzung, die Abends um sieben Uhr gegenwärtig im großen Saale des Architektenhauses zu Berlin beginnt. Während die vordere Reihe der Stühle und die Mitte des Saales sich mit den zuerst erscheinenden Mitgliedern füllen, stehen andere Angekommene gruppenweise in den Seitengängen oder vorn, wo die gewöhnlich zeitig erscheinenden Herren des Vorstandes sich befinden. Begrüßungen, Vorstellungen, Verabredungen, Bestellungen, Abmachungen vereinigen sich zu lebhaftem Tone der Unterhaltung; man bestellt sich Plätze für den Abendtisch beim Castellan, und der Saal füllt sich allmählich vollständig, bis die Glocke des Präsidenten das Zeichen zum Beginn der Sitzung giebt. Nach geschäftlichen Mittheilungen folgen die Vorträge, oft einer, oft zwei und drei im Laufe des Abends; spätestens um halb zehn wird die Sitzung als solche geschlossen. Die Redner haben es nicht leicht, denn es ist ihre Aufgabe, von einem nicht zu hohen Katheder herab sich dieser sehr zahlreichen Versammlung verständlich zu machen. Nach Schluß der Sitzung erhebt sich Alles von den Plätzen, während die bereitstehende Bedienung einen Theil der Stühle hinausschafft und die Speisetafeln aufschlägt. Es ist ein buntes Gewirr, das dann etwa eine Viertelstunde lang dauert, bis sich endlich die Gruppen und kleineren Gesellschaften vereinigen und ihre Plätze einnehmen. An der Vorstandstafel bemerkt man neben Richthofen gewöhnlich einen ausgezeichneten Gast des Abends, während vielleicht Bastian, der vielerfahrene, in allen Welttheilen heimische Reisende, einem anderen Gaste benachbart sitzt. Die übrigen Vorstandsmitglieder, mit Gästen, Freunden und hervorragenden Mitgliedern, wie Virchow, Förster, Jagor, Reiß und Andern, vereint, sitzen gleichfalls am „Vorstandstische“. Die sonstigen Tafeln enthalten meist einzelne Gruppen; so schaart des Astronomen Tietjens kräftig untersetzte Gestalt mit dem freundlich-wohlwollenden Antlitze um sich eine Anzahl von Solchen, die aus Beruf oder Neigung ein ähnliches Streben haben; des blondhaarigen Botanikers und Afrikareisenden Prof. Ascherson Fraction umfaßt die zur Göttin Flora Schwörenden; daneben findet man besondere medicinische Kreise, kleine Cirkel der Verlagshändler, hervorragender Militärs, der Marine-Officiere, Afrikareisender, wie Güßfeldt, Falkenstein, Hildebrandt, Fritsch, Gruppen von Directoren, Lehrern etc. Die gemeinsame, bescheidene Tafel dauert etwa eine Stunde, nur bei besonderen Gelegenheiten durch einen Toast unterbrochen.

Nachher begiebt sich ein großer Theil der Anwesenden noch in das zur ebenen Erde gelegene Restaurant des Architektenhauses und nimmt hier beim Glase Bier zur Nachsitzung Platz. Hier findet nun der weitere geistige Austausch statt; in lebhaftem Gespräch wird die Unterhaltung der Tafel bei Einzelnen fortgesetzt oder eine neue angeknüpft. Da man sicherlich darauf rechnen kann, daß man hier selbst um Mitternacht noch einen Kreis von Männern antrifft, die bei der Fülle dessen, was unsere wissenschaftlichen Beziehungen der Gegenwart mit sich bringen, immer noch in angenehmster Unterhaltung begriffen sind, so kommt nicht selten noch in spätester Abendstunde ein Nachschub von Freunden und Mitgliedern an, sei es aus Privatgesellschaften, sei es selbst aus der Soirée des Reichskanzlers. Aber schließlich endet denn auch diese Sitzung der „kleinen Geographie“ und mit ihr der wechselvolle Abend, welcher fast fünf Stunden lang dieses interessante Zusammensein andauern sieht. Wäre es möglich, alle die Erzählungen und Mittheilungen des einen Abends wiederzugeben, man würde Bände voll des kostbarsten Materials aus allen fünf Welttheilen und oft erst ein richtiges Bild von Land und Volk in ferner Gegend erhalten. Ein großer Theil dieser Männer, namentlich aber alle Reisende der Gesellschaft haben kaum eine Region der Erdoberfläche unbesucht gelassen. Sind dann liebe Gäste aus nah und fern in dem Kreise, aus Mittel-, Süd- oder Norddeutschland oder aus weit entlegenen Erdttheilen, so werden sie mit einer Feinheit und Liebenswürdigkeit empfangen, welche ein ausschließliches Eigenthum der guten Gesellschaft sind. Von den heimischen Mitgliedern aber rechnet der größte Theil die Sitzungen der „Geographischen Gesellschaft“ zu den liebsten Abendgenüssen.

Schon darum ist denn auch der Kreis Derjenigen, welche unmittelbar aus vollster Seele und Anhänglichkeit das fünfzigjährige Jubiläum der Gesellschaft begehen, ein sehr großer, er wird aber sicherlich bald wesentlich wachsen und zunehmen wegen der unbedingten Sympathien, die ihm nicht nur in der Hauptstadt selbst, sondern aus allen Theilen Deutschlands, aus allen Ländern Europas, ja aus allen Weltteilen entgegengetragen werden.

A. Woldt.