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Die Hygieine des Mundes und des Rachens

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Autor: Rudolf Haug
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Titel: Die Hygieine des Mundes und des Rachens
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 680, 682–683
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1896
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Hygieine des Mundes und des Rachens.

Von Dr. Rudolf Haug.

Viele glauben, die Nase sei zu nicht viel anderem da, als um uns mit den verschiedenen Düften und Gerüchen bekannt zu machen. Das ist allerdings eine, aber durchaus nicht die wichtigste Aufgabe der Nase. Viel wichtiger sind andere Bestimmungen im Haushalte unseres Körpers, denen sie zu dienen hat. Sie hat vor allem die Atmung zu regulieren. Dies geschieht einerseits dadurch, daß die Luft, die aus der für gewöhnlich weit unter der Temperatur unserer Eigenwärme stehenden Atmosphäre eingeatmet wird, während des Durchstreichens durch die Nasenhöhlengänge auf einen für die Zwecke des Organismus gerade brauchbaren Temperaturgrad erhöht, also vorgewärmt wird. Anderseits fällt der Nase die Aufgabe zu, die eingeatmete Luft von all den ihr anhängenden organischen und unorganischen Verunreinigungen zu säubern; die Nase filtriert die Luft. Außerdem wird in ihr die trockene atmosphärische Luft noch zu gleicher Zeit vollständig mit Wasserdampf gesättigt. Instinktiv paßt sich unsere Atmung der umgebenden Luft an: in freier reiner Bergesluft, im Walde atmen wir möglichst tief; in einer rauchig stinkenden Fabrikatmosphäre halten wir unwillkürlich unseren Atem an; unsere Nase schützt uns vor einer drohenden Erstickungsgefahr.

Nur eine gesunde Nase erfüllt diese für das Wohlbefinden durchaus unerläßlichen Bedingungen; ist sie aber erkrankt, dann ist der Leidende genötigt, durch den Mund zu atmen, und das ist ungemein schädlich, weil die eingeatmete Luft jetzt beinahe ohne Vorwärmung, ohne Filtration und nur mit sehr geringem Feuchtigkeitsgehalt unmittelbar in die Atemwege hineingebracht wird und so teils reizend, teils austrocknend, kurzum dahin wirkt, die Vorbedingungen zur leichten Erkrankung zu schaffen.

Ist aber einmal die Atemführung durch die Nase beeinträchtigt, so muß notwendig all das, was mit der Nase zusammenhängt, ebenfalls eine Einbuße in der Ausübung seiner Funktion erleiden, und hierher gehört in erster Linie das Ohr. Das Ohr, besonders aber die Paukenhöhle, welche die für das Hören so wichtigen drei Gehörknöchelchen, Hammer, Amboß und Steigbügel, enthält und die nach außen, gegen den Gehörgang zu, durch das Trommelfell abgeschlossen ist, steht durch die Eustachische Röhre in direkter Verbindung mit dem Nasenrachenraum; ein normales Funktionieren dieses Abschnittes ist daher für ein gutes Gehör Grundbedingung. Die Funktion dieser Röhre besteht aber in einer von Zeit zu Zeit, während eines der immer unwillkürlich sich wiederholenden Schluckakte, eintretenden Lufterneuerung; durch sie wird das Trommelfell und die Gehörknöchelchenkette in der für das normale Hören notwendigen Stellung und Spannung erhalten.

Es liegt daher auf der Hand, daß bei einem so innigen anatomischen und physiologischen Zusammenhange Störungen des Nasenrachenabschnittes einen üblen Einfluß auf das Ohr nehmen müssen. Vor allem sind es die katarrhalischen Erkrankungen, die das Ohr in Mitleidenschaft ziehen. Schon während des gewöhnlichen heftigen Schnupfens tritt zuweilen eine eigene Benommenheit des Gehörs auf einer oder beiden Seiten ein; es klingt einem die eigene Stimme, als ob sie aus einem Keller käme. Ein oder das andere Mal gesellen sich hierzu dumpfes Ziehen und Stechen gegen das Ohr zu oder im Ohr selbst; insbesondere treten solche schmerzhafte Empfindungen auf nach einem der beim Katarrhe so häufigen gewaltsamen Schneuzversuche. Man will dadurch die verstopfte Nase freimachen, will sich Luft schaffen, aber die Wirkung ist doch nie die erwünschte und kann es auch nie sein, weil sich die dünne salzig-ätzende Absonderung der kranken Nasenschleimhaut sehr rasch wieder ergänzt und durch den heftigen Druck gerade das Gegenteil der gewollten Entlastung eintritt; es muß sich naturgemäß ein vermehrter Blutandrang und als Folge davon eine vermehrte Schwellung der Schleimhaut einstellen, die, da der Schneuzversuch alle Augenblicke wiederholt wird, zu einer noch viel ärgeren Verstopfung, zur gänzlichen Undurchgängigkeit der Nase führen muß. Gewöhnlich ergeben sich dann die Leute, nachdem sie sich von der dauernden Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen überzeugt haben, ermattet und resigniert in ihr Schicksal und damit haben sie das für ihren augenblicklichen Zustand verhältnismäßig Geeignetste gethan.

Aber dieses gewaltsame Schneuzen kann noch aus einem andern Grunde schadenbringend, gefährlich werden. Während desselben wird der Mund fest zusammengepreßt und gleichzeitig werden die beiden Nasenöffnungen geschlossen gehalten; infolgedessen wird die im Nasenraume befindliche Luftsäule auf einen abnorm hohen Druck gebracht und muß, da sie nach außen weder durch die Nase noch durch den Mund entweichen kann, durch die vermittelnden Eustachischen Röhren nicht bloß in die Ohren gelangen, sondern geradezu gewaltsam hineingeschleudert werden. Nun kommt noch ein weiterer Umstand dazu. Die Luft allein als solche würde wohl nicht viel Schaden anrichten, aber gleichzeitig mit ihr wird ein Teil der Absonderungsprodukte der kranken Schleimhaut mitgerissen. Dieselben können reizend oder ansteckend auf das Ohr einwirken, und die Folge des heftigen Schneuzens ist alsdann eine Ohrenentzündung.

Selbstverständlich muß nicht jedesmal dieser Ausgang erfolgen, aber Thatsache ist und bleibt es, daß eben auf diesem Wege ein gut Teil aller akuten Ohrenentzündungen zustande kommt. Insbesondere sind es auch die sogenannten Kinderkrankheiten, Masern, Scharlach, Röteln, Diphtherie, die häufig sich auf diese Weise ins Ohr fortpflanzen.

Also Vorsicht beim Schneuzen überhaupt und ganz besonders bei allen Erkrankungen der Nasenhöhle und des Mundes! Am besten und empfehlenswertesten ist das Schneuzen bei möglichst offengehaltenem Munde oder nicht vollständigem Verschluß beider Nasenseiten; wird bloß das eine Nasenloch zugehalten, dann kann keine solche Luftverdichtung sich bilden.

Nicht minder gefährlich als die akuten Nasenkatarrhe sind für das Ohr die chronischen, d. h. die aus akutem Stadium erst hervorgegangenen und durch Vernachlässigung oder infolge einer besonderen Anlage der Befallenen in die Länge gezogenen Erkrankungen des Nasenrachenraumes. Sie erstrecken sich dann in der Dauer immer über viele Monate, ja viele Jahre, und es kommt durch sie leicht zu Funktionsstörungen in den Ohren, besonders zu mehr oder weniger hochgradiger Schwerhörigkeit, die sich bei Nichtachtung langsam, aber sicher, beinahe bis zur Taubheit steigern kann; dabei bestehen sehr häufig die für den Patienten so außerordentlich quälenden Geräusche des Summens, Brummens, Klingens, Läutens, Pfeifens, die, Tag und Nacht oft gleichmäßig fortdauernd, die Nachtruhe zu rauben vermögen. Während wir derartige Erscheinungen zumeist, eben infolge der langen Dauer ihres Bestandes, bei Erwachsenen oder älteren Kindern vorfinden, machen sich bei jüngeren Kindern andere Momente bemerkbar, die hier als ursächlich wirksam für die ins Chronische sich ziehenden Ohrenerkrankungen auf katarrhalischer Grundlage in Betracht kommen.

Fangen wir mit der Nase an, so bildet der sogenannte Stockschnupfen oft den Ausgangspunkt einer Ohrenerkrankung; weniger häufig sind im Vergleich zu den Erwachsenen bei den Kindern echte Polypenbildungen in der Nase Ursache dazu. Dagegen geben einfache Schwellungszustände mit Massenzunahme der Schleimhaut in den vorderen Partien, besonders aber die bei einem sehr großen Bruchteil der Kinder am Boden der Nasenrachenhöhle, also ganz nach innen und oben zu entstandenen weichen Wucherungen, außerordentlich häufig Veranlassung zu Ohrenerkrankungen.

Diese Wucherungen rufen nicht nur Ohrenleiden hervor, sondern haben noch einen weiteren, viel schwerer wiegenden, verderblichen Einfluß auf die gesamte körperliche und geistige Entwicklung, wie ja das durch nun tausendfache Beispiele von allen Seiten und aus beinahe allen Ländern erhärtet ist.

Kinder, die mit ihnen behaftet sind, können, infolge der Verlegung der Nasenwege von hinten her, keine Luft mehr durch die Nase bekommen, atmen also immer bei geöffnetem Munde. Bei Nacht fallen derartige Patienten, die gewöhnlich im Lebensalter von 5 bis 15 Jahren stehen, ihren Geschwistern und Eltern zur Last durch ihr unaufhörliches furchtbar rasselndes Schnarchen. Besteht die Erkrankung einige Zeit, so macht sie sich bald an der Stimme bemerkbar: dieselbe wird völlig klanglos, matt und dann näselnd; derlei Kinder sprechen alles näselnd, besonders die Worte, in denen der Buchstabe N öfters enthalten ist. Sie können nicht schneuzen, nicht singen, das Gesicht bekommt durch den immer geöffneten Mund, durch die unendlich gelangweilten, frühmüden, schlaffen Gesichtszüge und die matten glanzlosen Augen, durch die [682] immer trockenen, spröden, rissigen, oft aufgeworfenen Lippen einen blöden, zuweilen sogar unsäglich dummen Ausdruck. Schließlich, bei längerer Dauer, wird auch der Knochenbau des Gesichtsschädels stark verändert, was sich durch eine eigenartige Verbilduug des Oberkiefers (er weist eine Spitzbogenform auf) nebst falscher Stellung der Zähne offenbart. In der Schule können diese Kinder dem Unterrichte nur schwer folgen, sie werden hier wie zu Hause für unaufmerksam, faul und dumm gehalten, werden gescholten und gestraft, und doch können sie nichts, gar nichts dafür; sie sind krank und können einfach nicht folgen, weil sie nicht gut hören, weil zudem der jugendlich frische Geist gewaltsam darniedergedrückt ist.

Und ähnlich, wie sich am Gesichte die Erkrankung ausprägt, ist ihre Wirkung auf die Entwicklung des Körpers selbst erkenntlich; er wird in seinem natürlichen Wachstume in gewisser Beziehung gehemmt; statt daß die Brust, wie es um diese Zeit der Fall sein sollte, an Umfang zunimmt, zumal im Tiefendurchmesser, flacht sich der Brustkorb ab, er wird schmal, enge; gar manches engbrüstige Kind verdankt seine für die Zukunft so folgenschwere körperliche Verbildung neben der geistigen Minderwertigkeit gerade den Wucherungen in den Nasenschleimhäuten, der Ausschaltung der normalen Nasenatmung. Wer diese der Natur entnommene Schilderung auch nur für etwas übertrieben halten sollte, der möge die armen Kleinen vor der Behandlung und nach einer richtig durchgeführten Heilung ansehen: sie sind nachher einfach nicht mehr zu erkennen; aus dem totenblassen, schmächtigen, trägen und scheinbar dummen Knaben ist ein prächtiger, lebhafter, frischer Junge geworden. In ähnlicher Weise, wenn auch nicht in so hohem Grade wie diese Wucherungen am Nasenrachendache, üben die entweder gleichzeitig mit diesen oder auch allein für sich vorhandenen vergrößerten Mandeln einen ungünstigen Einfluß auf die Atmung, die Sprache und das Gehör. Ebenso dürfen wir nicht außer acht lassen, daß alle Personen, die mit zu großen, geschwollenen Mandeln behaftet sind, eine große Neigung für alle möglichen Halsentzündungen, von dem einfachen leichten Schluckhalsweh bis zur schweren Diphtherie, aufweisen.

Kann man nun auch diesen bedenklichen Erkrankungen erfolgreich zu Leibe gehen, so wäre es doch viel besser, man trachtete danach, sie überhaupt nicht zum Entstehen kommen zu lassen.

Vom Munde und Nasenrachenraume gehen die Folgeerkrankungen aus; es muß also vor allem danach gestrebt werden, ihn vollkommen gesund und widerstandsfähig zu machen und ihn dann so zu erhalten. In erster Linie steht hier also die Hygieine des Mundes und Rachens.

Da haben wir zunächst das Gurgeln und die Reinigung der Zähne, des Mundes in Betracht zu ziehen. In den meisten Kulturländern wird ja gegurgelt, aber lange nicht in dem Maße, wie es geschehen sollte, ja es giebt trotz aller Verfeinerung der Sitten noch Leute genug, die bloß dann zum Gurgeln die Zuflucht nehmen, wenn sie Halsweh haben oder wenn es ihnen der Arzt verordnet.

Was zum Gurgeln genommen wird, ist eigentlich im großen und ganzen ziemlich gleichgültig: frisches kaltes Wasser, dem man unter Umständen eine kleine Portion Kochsalz oder doppeltkohlensaures Natron oder auch eine kleine Menge einer antiseptisch wirkenden Flüssigkeit zusetzt, genügt völlig bei gesundem Nasenrachenraume. Aber in Betreff der Zeit, wann zu gurgeln ist, wird viel gesündigt. Zunächst und allgemein muß das Gurgeln nicht nur zur Zeit eines Krankseins, sondern tagtäglich gehandhabt werden. Und hier genügt es wiederum nicht, sich einmal am Tage den Mund zu reinigen, es muß als Grundsatz für die Pflege des Halses und Mundes gelten, daß die Reinigung nicht bloß morgens nach dem Aufstehen, sondern auch mittags nach der Mahlzeit und insbesondere, das ist das hauptsächlichste, abends vorm Zubettgehen erfolge. Also mindestens dreimal während des Tages! Das muß in Fleisch und Blut übergehen, zur unentbehrlichen Gewohnheit werden und das kann es, wird es auch werden, weil der Erfolg nicht auf sich warten läßt; das Resultat ist ein gesunder, gegen Erkältungs- und Ansteckungseinflüsse jeder Art außerordentlich widerstandsfähiger Mundraum.

Ich habe eben gesagt, die tägliche Generalreinigung durch Zahnputzen, Mundspülen und Gurgeln solle abends erfolgen; das steht im Widerspruche mit den Gepflogenheiten der meisten. Trotzdem beharre ich darauf, und zwar, wie ich glaube, nicht mit Unrecht. Denn man wird mir wohl bei einfach nüchterner Betrachtung zugeben müssen, daß es geradezu unvernünftig, unsinnig ist, an den Organismus die Zumutung zu stellen, er solle all die Keime, die organischen und unorganischen Verunreinigungen, die sich tagsüber naturnotwendig während der wiederholten Arbeit des Kauens, Trinkens, Atmens im Rachenraume angesiedelt haben, unbeschadet konservieren, ihnen noch während der ganzen Dauer der Nachtruhe Gelegenheit zu geben, recht üppig zu wachsen und üble Folgen zu erzielen. Wie unsinnig das ist, diese giftigen Spaltpilze so wirken zu lassen, kann jeder leicht daran erkennen, daß er, wenn er sich frühmorgens erhebt, gewöhnlich einen abscheulich unangenehmen Geschmack im Munde fühlt. Doppelt notwendig ist diese abendliche Reinigung bei Personen, die unter tags viel geraucht oder abends Spirituosen in den verschiedensten Formen zu sich genommen haben.

Es wäre nun aber gründlich falsch, annehmen zu wollen, es brauche zu anderen Tageszeiten nichts mehr zu geschehen: frühmorgens muß die Reinigung, wenn auch vielleicht nicht so energisch bezüglich des Zahnputzens, wiederholt werden, da sich während des Schlafes wieder gar mancherlei angesiedelt und zersetzt hat, und ebenso sollte es zur Regel gemacht werden, nach der Mittagsmahlzeit den Mund wenigstens mit Wasser ein paarmal gut auszuspülen.

Wer diese Maßregeln befolgt, wird den günstigen Einfluß gar bald an sich beobachten können; der fade, pappige Geschmack, der sonst erst nach dem Frühstück verging, kommt überhaupt nicht mehr; die Speisen schmecken viel besser, und infolge hiervon wird auch die Ernährung zuweilen in einer sehr günstigen Weise beeinflußt; die Zahnschmerzen werden immer seltener; die häufigen Halsentzündungen treten immer weniger auf und verschwinden ganz: kurz es macht sich allmählich eine große Aenderung im günstigen Sinne allgemein bemerkbar.

Wenn ich mich bisher über die Zeit der lokalen Reinigung ausgesprochen habe, so dürfen wir darüber nicht vergessen, daß es durchaus nicht gleichgültig ist, wie man gurgelt.

Die allgemein bisher beliebte Art des Gurgelns ist grundfalsch: es ist zur Uebung geworden, sich zu gurgeln, indem man den Kopf, nachdem der Mund mit der betreffenden Flüssigkeit mehr oder weniger stark gefüllt ist, möglichst weit nach rückwärts neigt und nun das bekannte Gurgelgeräusch erschallen läßt. Das hat aber keine Bespülung der tieferen Halspartien, die eben gerade getroffen werden sollen, zur Folge, sondern wirkt, da hierbei die Flüssigkeit nur bis an den Gaumen gelangt, höchstens als Mundspülung. Also ausreichend ist diese übliche Art auf keinen Fall.

Vor allem merke man sich, daß das Gurgelgeräusch, das manche für die Hauptsache ansehen, vollständig unnötig ist; man braucht gar nichts zu hören. Zweitens nehme man einen kleinen, keinen großen Schluck der Gurgelflüssigkeit, lege den Kopf blos halbweit, nicht ganz, zurück und lasse nun die Flüssigkeit langsam, ohne jedes weitere Zuthun von selbst sich nach abwärts senken; so sinkt sie dann in den Hohlraum hinunter und wird nun, da sich jetzt die Muskeln des Schlundes unwillkürlich anfangen zusammenzuziehen, während einer leichten Vorwärtsneigung des Kopfes mit ziemlicher Gewalt nach oben gepreßt, also zum Munde, teils wohl auch einmal zur Nase herausgeschleudert. Auf diese Weise wird das ganze Schlundrohr gewissermaßen ausgequetscht und es werden zugleich der anhängende zähe Schleim, die abgestorbenen Schleimhautpartien, die aus den Zähnen gespülten Speisereste, kurz alle Verunreinigungen, energisch mitgerissen; bei dieser Art Gurgelung werden auch die Mandeln gehörig in den Bereich einer wirklichen Reinigung gezogen.

Das zur Spülung verwendete Wasser sollte womöglich immer von frisch kühler Temperatur sein. Bei der Mundspülung allein, wie sie nach dem Zahnputzen zu erfolgen hat, muß das Wasser kräftig etlichemal zwischen den Zähnen durchgepreßt und wieder zurückgezogen werden, was durch die Bewegung der Wangenmuskeln sehr leicht zu erreichen ist. –

Damit ist aber die Hygieine des Nasenrachenraumes noch nicht erschöpft. Unter den Mitteln, die geeignet sind, Erkrankungen vorzubeugen, ist noch in erster Linie die Lungengymnastik zu nennen. Sie ist ebenso einfach wie die vorher geschilderten Reinigungsarten, wird aber noch viel weniger geübt als die ersteren, hauptsächlich wohl wegen Unkenntnis: man weiß in Laienkreisen sehr wenig davon. Es ist selbstverständlich, daß [683] z. B. Turnübungen wie Dauerlauf einen außerordentlich günstigen Einfluß auf die Entwicklung der Brustmuskulatur, das Atmen und die Herzthätigkeit haben, allein sie habe ich nicht im Auge. Noch um eine viel einfachere, viel weniger anstrengende Maßregel, die von jedem, auch dem schwächlichsten Kinde sofort ausgeübt werden kann, handelt es sich hier. Man sollte Kinder, die von Hause aus schon an einer mehr oder weniger ausgesprochenen Eng- oder Flachbrüstigkeit leiden oder bei denen sich diese erst als Folge einer Erkrankung des Nasenrachenraumes herausgebildet hat oder herauszubilden droht, möglichst frühzeitig daran gewöhnen, ihren ganzen Luftvorrat nur durch den Nasenweg bei streng geschlossenem Munde sich zu holen, und zwar mehreremal des Tags über, d. h. sie sollen unter tags in aufrechter Stellung bei festgeschlossenem Munde ganz langsam so tief, als sie es nur zu Wege bringen, einatmen und dann die Ausatmung in demselben langsamen Tempo folgen lassen. Am zweckmäßigsten werden diese Atemholübungen abends nach Sonnenuntergang, nach einem Gewitterregen, kurz wenn die Luft verhältnismäßig wenig staubhaltig, rein ist, durchgeführt; auf dem Lande, im Walde, an der See ist es natürlich infolge der besseren Luftbeschaffenheit ziemlich gleichgültig, wann das geschieht. Von außerordentlich mächtigem Einfluß ist die Uebung aber besonders abends unmittelbar vor dem Schlafen: es soll hier in der Rückenlage möglichst tief und langsam ein- und ausgeatmet werden; der Brustkorb muß durch einfaches Selbstzusammensinken die Luft bei der Ausatmung heraustreiben. Das sollte etwa 6–10 mal hintereinander, nicht öfters, und aber auch wieder Tag für Tag, jeden Abend wiederholt werden. Der Erfolg dieser gewiß einfachen, absolut kostenlosen und gar nichts als einen guten Willen und etwas Ausdauer erfordernden Maßregel ist geradezu wunderbar. Er beruht auf der Thatsache, daß wir Kulturmenschen im allgemeinen durchschnittlich in unserer Atmung viel zu faul sind; wir benutzen unsere Lungen nicht, wie sich’s gehört; wir nutzen bloß einen verhältnismäßig sehr geringen Bruchteil unseres großen ausdehnungsfähigen Lungengebiets bei der gewöhnlichen Atmung aus, und infolgedessen muß, wie dies bei jedem nicht genügend zur Arbeit herangezogenen Organe der Fall ist, eine Entartung der Lunge eintreten.

Also in Bezug auf Lungenübung, und das bedeutet in gewissem Sinne auch gleichzeitige Kräftigung des Herzmuskels, wird viel zu wenig geleistet und man sollte im Interesse seiner eigenen Gesundheit den obengenannten so leicht auszuführenden und wirklich nur wohlgemeinten Rat – das kann für alle gleichmäßig gelten, für groß und klein, jung und alt, fett und mager, – nicht so leicht im Winde verflattern lassen.

Anfangs, wenn die Brust sich noch nicht recht gewöhnt hat, werden die Atemzüge natürlich noch nicht so ausgiebig sein können; gar bald aber steigt die Tiefe der Atemzüge und mit ihr die Atemgröße und wir fühlen ganz deutlich selbst an uns, wie die Luft bis in die äußersten obersten Partien, die Lungenspitzen, eindringt, sie auswölbend; der ganze Brustkorb dehnt sich, unseren Sinnen deutlich wahrnehmbar, mächtig aus. Man kann auch thatsächlich mit geeigneten Apparaten das langsame Aufsteigen der Atemgröße bei jedem einzelnen nachweisen.

Ich habe oben gesagt, es sollen die langsamen tiefen Ein- und Ausatmungen auch besonders abends unmittelbar vor dem Schlafe in der Horizontallage ausgeführt werden; auch das hat nicht bloß für Kinder Geltung. Die Vornahme der Uebungen gerade zu dieser Zeit – natürlich vorausgesetzt, daß das Schlafgemach gut gelüftet, frisch und kühl ist – ist nämlich auch in andrer Beziehung von sehr günstiger Wirkung; sie beruht darauf, daß das ganze Gefäßsystem möglichst viel frisches sauerstoffreiches Blut zugeführt erhält, und gerade hierdurch werden die Vorbedingungen für einen tiefen, erquickenden Schlaf gegeben. Es ist dies das beste und einfachste Schlafmittel, das ich kenne; insbesondere wirkt es sehr oft prompt und zuverlässig bei aufgeregten, nervösen Personen; ich habe solche, Kinder und Erwachsene, daraufhin des süßesten Schlafes sich erfreuen sehen, nachdem sie vorher ihren Organismus schon durch eine Reihe der giftigen Schlafmittel beinahe zerrüttet hatten. Nicht gering ist der Einfluß dieser Atemholübungen auf das Allgemeinbefinden überhaupt anzuschlagen: die Ernährung wird besser, die Muskulatur kräftiger. Im Verein mit anderen Verhaltungsmaßregeln können diese Atemübungen sogar ein treffliches Vorbeugungsmittel gegen Tuberkulose bilden, der Entwicklung dieser heimtückischen Krankheit geradezu entgegenarbeiten.

Es ist zwar selbstverständlich, daß Hand in Hand mit diesen einfachen Heilmitteln noch eine Reihe anderer allgemein wirkender gehen soll: ordentliche körperliche Bewegung (Turnen, Schwimmen, Reiten, Spielen), gute zweckmäßige Ernährung; auch die Anwendung des kalten Wassers in der verschiedensten aber nicht übertriebenen Weise ist sehr anzuraten.

Werden diese einfachen Ratschläge pünktlich durchgeführt, so wird gar manches junge Menschenleben sich ganz anders entwickeln als es erst den Anschein hatte, und wird gar mancher Erwachsene sich seines Lebens in voller Rüstigkeit erfreuen können.

Luft! Mehr Luft!