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Die Ideale des deutschen Volkes

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Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
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Titel: Die Ideale des deutschen Volkes
Untertitel:
aus: Der Wahre Jacob
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: J. H. W. Dietz
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Erscheinungsort: Stuttgart
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Quelle: Scan
Kurzbeschreibung:
Der Wahre Jacob, Nr. 191, Seite 1590
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[1590]

Die Ideale des deutschen Volkes.

Was alle andern Völker von dir scheidet,
Was sie im Wesen alle von dir trennt,
Um was der Eine schmerzlich dich beneidet,
Indeß der Andre räthselhaft es nennt,

5
Was jene rührend, diese komisch fanden,

Unheimlich selbst, weil unberechenbar,
Und was sie sammt und sonders nicht verstanden ―
Weißt du, o Volk der Eichen, was es war?

Was deine Schwäche allezeit gewesen

10
Und dennoch das Geheimniß deiner Kraft,

Wodurch von jeder Stunde du genesen
Und siegreich dich entwunden jeder Haft,
Was deinen Fuß verstrickt in plumpe Schlingen
Und doch im Kampfe wider Macht und List

15
Dich still geführt zu herrlichem Gelingen ―

Weißt du, o Volk der Träumer, was es ist?

War oder ist? Ging, der dir angeboren,
Ging dir der starke, ideale Zug
Im Rausch des Glückes und der Macht verloren

20
Und der Gedanken eigensinn’ger Flug,

Dann, armes Volk, bereite dich zu sterben,
Denn deine Seele ist dir dann entflohn ―
Und ungeduldig stehen deine Erben,
Die lauernden, vor deiner Thüre schon.

25
War oder ist? Da, wo in ernsten Stunden

Man für der Geister stolzes Aufgebot
Die Führer einst zu Hunderten gefunden,
Da ist zur Stunde Alles kalt und todt,
Ja, Vorwurf wär’s nach ihrem Sinn und Schande,

30
Wär' nicht verwischt die letzte schwache Spur ―

Wer Deutschland liebt, der hat für diese Bande
Das bittre Lächeln der Verachtung nur.

Bedeckt ist längst die wunderbare Blüthe
Des Ideals im öden Wüstensand!

35
Sie sind verarmt im innersten Gemüthe

Und kennen nur Berechnung und Verstand.
Versumpft der Weg zur hohen Tempelpforte!
Sie würden auch die Predigt nicht verstehn
Und hörten nichts als sinnlos-leere Worte…

40
Und also müßte Deutschland untergehn?


Ja, dreimal ja, wenn’s ab von ihnen hinge,
Da Holz die Köpfe und die Herzen Stein
Und längst entfiedert und geknickt die Schwinge
Des Innersten… und dennoch sag ich: „Nein!“

45
Sie sind nur Spreu, ein Spiel dem Wind der Gasse

Und flücht’ge Nahrung für der Flamme Zorn,
Das arme Volk jedoch, die dunkle Masse
Der mühsam Schaffenden, das heil’ge Korn.

Hier baut man jetzt dem reinen Menschenthume

50
Mit treuer Hand den ragenden Altar,

Hier duftet jetzt die wunderbare Blume,
Die Deutschlands Stolz und seine Stärke war;
Hier lebt der Geist, den keine Schranke bindet,
Der finden wird, weil er beständig strebt,

55
Der hoffend jedes Schreckniß überwindet

Und eine Welt aus ihren Angeln hebt.

So steht, zum Trotz den nüchternen Hallunken,
Zu großer That mein deutsches Volk bereit
Und hegt und schürt den idealen Funken

60
Als Bannerträger einer neuen Zeit.

Den großen Streit, es kämpft ihn treu zu Ende,
Mit starker Hand reißt es zu sich empor
Die Zagenden, und eine Weltenwende
Bereitet es in seinem Schooße vor.
                                                                      R.L.