Die Inseln Cerralbo und Espiritu Santo

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Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Die Inseln Cerralbo und Espiritu Santo
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 139
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[139] Die Inseln Cerralbo und Espiritu Santo sind zu jeder Zeit in dem Meerbusen von Californien durch ihre Perlenmuschelbänke und die große Anzahl jener Schildkröten berühmt gewesen, die das Schildkrot liefern. Ferry theilt über diese Perlenfischerei, die Art ihrer Ausübung und die furchtbaren Gefahren, die durch die in jenen Gewässern heimischen Haifische mit dieser Industrie verbunden sind, die interessantesten Einzelheiten mit. Alljährlich lassen Pächter diese Perlenmuschellager in den Monaten Juni und Juli ausbeuten, und dieselben Förmlichkeiten wie bei der Auffindung eines Goldlagers finden bei der Entdeckung solcher Bänder statt, zu deren Ausbeutung die Regierung die Erlaubniß zu geben hat. Die Eigenthümer der Perlenmuschelbänke erhalten ihre Buzos (Taucher) von den Indianerstämmen an der Küste Californiens und Sonoras, die durch einen gewissen Antheil von dem Ertrage der Fischerei abgefunden werden. Bei der Leichtigkeit, eine Perle von großem Werthe zu unterschlagen, werden sie unablässig streng beaufsichtigt und dieses Amt liegt dem Capataz ob, in der Regel Männer, deren moralische oder körperliche Kraft den Tauchern Achtung oder Furcht abnöthigt. Die Taucher werden außer ihren Familien noch von Zauberinnen der verschiedenen Stämme begleitet, denen der Aberglaube der Indianer die Macht zuspricht, den gefährlichsten Feind der Taucher, den Haifisch, unschädlich zu machen. Da die Zeit der Perlenfischerei auch die des Schildkrötenfangs ist, der zahlreiche Flottillen nach Cerralbo und Espiritu Santo lockt, so sammelt sich hier auf diesen sonst öden Inseln eine nomadische Bevölkerung von einigen hundert Köpfen. Die Böte, welche für die Fischerei eingerichtet sind, enthalten Ruderer und Taucher. Die letzteren stürzen sich abwechselnd in das Wasser, und ein Strick mit einem großen Steine beschwert, erleichtert ihnen das Tauchen, während das andere, im Boote befestigte Ende ihr Emporkommen unterstützt, wenn ihre Schwere durch die Last der Muscheln verdoppelt ist, die sie in einer Tiefe von 10–12 Klaftern von den Felsen losgebrochen haben. Ein Netz ist zur Aufnahme der Muscheln bestimmt, das sie wie eine Schürze vor sich tragen. Man sieht den Taucher oft drei bis vier Minuten unter dem Wasser bleiben, worauf sie ermattet emporkommen, was sie indeß nicht hindert, an einem Morgen vierzig bis fünfzig Mal zu tauchen.

Jeden Abend schüttet man die Muscheln, die von den Felsen gebrochen worden sind, am Ufer auf und läßt sie durch die Fäulniß öffnen, die die Sonne bald entwickelt. Ist sie vollständig, so schreitet man zum Waschen, das wie die Goldwäscherei in großen hölzernen Trögen geschieht. Man wühlt gierig in der abscheulichen fauligen Masse umher, die giftige Dünste verbreitet, und die Suchenden erheben ein Jubelgeschrei, sobald sie eine an Größe und Schönheit ausgezeichnete Perle finden.

Die besten Taucher sind die Hiaquis, Indianer, welche an den Ufern des gleichnamigen Flusses bei Guyamas heimisch sind. Obgleich die Haifische sich in großer Anzahl an diesen Muschelbänken einfinden, tauchen die Hiaquis doch in dieser furchtbaren Nachbarschaft mit einer Kühnheit, die haarsträubend ist, namentlich, wenn man die einzige Waffe kennt, die sie zu ihrem Schutze bei sich führen. Es ist dies ein Holzstück, dessen beide Enden zugespitzt und im Feuer gehärtet sind. Diese plumpe Waffe, die sie im Gürtel ihrer kurzen ledernen Beinkleider tragen, heißt Estaca. Bekanntlich muß sich der Haifisch wegen der Form seines Unterkiefers umdrehen, wenn er eine Beute fassen will, und diesen Augenblick benutzen die Taucher, um den Pfahl in den Rachen ihres Feindes zu stoßen, der dann die Kinnladen nicht wieder schließen kann. Eine einzige Art der Haifische, die Tintorera, trotzt dem Muthe der Hiaquis, und diese allein fürchten sie.

Unter den Mexikanern, die sich dort an der Perlenfischerei betheiligen, zeichnete sich vor Jahren besonders einer an Tollkühnheit und meisterhafter Geschicklichkeit vor allen anderen aus. Kein Sturm, kein Haifisch, selbst kein Tintorera, der schrecklichste Hüter jener Perlen, vermochte ihn vom Tauchen abzuhalten und seine öfteren mit Haifischen bestandenen Kämpfe hatten ihm in den Augen jener nomadenhaften Bevölkerung den Nimbus der Unverletzlichkeit verliehen. Oft hatte man solche Ungeheuer ihn umkreisen oder verfolgen sehen, die Zuschauer hatten mit lautem Geschrei den Unglücklichen zu warnen und das Ungethüm zugleich dadurch zu verscheuchen gesucht, ohne daß er selbst die Größe der Gefahr anerkannt hatte; oft war der kühne Taucher wie ein Pfeil aus dem Wasser emporgeschossen und hatte sich an dem Seil in’s Boot geschwungen und fast in demselben Augenblicke war dasselbe von den Zähnen seines Verfolgers wie ein Faden zerbissen worden. Einen Kampf mit einem Tintorera, den der junge Mexikaner ebenso siegreich bestand, erzählte derselbe selbst.

In einer Gewitternacht war ein Taucher einem solchen Tintorera zum Opfer gefallen. Das Ungethüm hatte dadurch die Ehre der Korporation der Taucher verletzt und ich, einer ihrer Capataz, beschloß als Augenzeuge des Unglücks augenblicklich dieselbe zu rächen. Der Hai hatte einmal Menschenfleisch gekostet und nichts reizt die Gefräßigkeit der Tintorera’s so sehr als eine Gewitternacht. Es verbreitet sich da ein klebriger Stoff über ihre ganze Haut und macht sie leuchten wie Feuer. An diesem Leuchten erkennt man sie, sie sehen nicht scharf und ein gewandter Schwimmer hat den Vorzug des Gesichts vor diesen Ungeheuern voraus. Dazu rechne man, daß sie uns nicht anders fassen können, als indem sie sich auf den Rücken legen, und man wird finden daß ein entschlossener Mann und tüchtiger Schwimmer einige Aussicht hat, sie zu besiegen. – Ich tauchte nicht sehr tief, um den Athem nicht zu verlieren und auch um über und unter mich sehen zu können. Die Wogen donnerten über mir wie der Donner am Himmel, feurige Spitzen trieben umher wie der Staub im Sturmwinde, aber unter mir war Alles ruhig. Plötzlich bemerkte ich einen Feuerstreifen, der sich mehr und mehr vergrößerte. Es war der Tintorera, mit dem ich mich in gleicher Tiefe befand, aber er stieg allmälig höher. Mir fing der Athem an auszugehen und ich wollte dem Hai den Vortheil nicht lassen, über mir zu sein, da er sich in diesem Falle nicht umzudrehen brauchte, um mich zu fassen. Ich berechnete, um meine Wendung auszuführen, nur die Zeit, die er zum Umdrehen brauchte. Der Hai schwamm so schnell auf mich zu, daß ich einen Augenblick so nahe an ihm war, um in dem Phosphorglanze seines Körpers die Haut zu erkennen, welche seine Augen halb bedeckt, und seine bräunlichen Flossen an meinem Körper zu fühlen. Noch hingen Fleichstücken an seinem Rachen. Der Hai warf mir einen matten Blick zu, sein Kopf befand sich jetzt in gleicher Höhe mit mir. Ich athmete hastig ein, hob mich über den Hai empor und drehte mich um; es war die höchste Zeit. Der silberglänzende Bauch des Tintorera blitzte einen Augenblick und zugleich öffnete er den Rachen, der von furchtbaren dicht aneinander stehenden Zähnen starrte. Ich stieß jetzt mein Messer in seinen Leib und riß, so weit mein Arm reichen konnte, eine tiefe blutige Furche. Der Hai machte einen furchtbaren Satz und schlug zweimal mit dem Schwanze auf das Wasser, doch ich wurde davon nicht getroffen. Nur mußte ich mich eine Minute schütteln, denn es blendete mich ein Regen blutigen Schaums, der mir in das Gesicht spritzte. Als ich auftauchte, sah ich meinen Feind todt auf dem Wasser schwimmen.