Die Jüdin (Erk, Variante 1)
Sehr mäßig. | Aus Gramzow in der Ukermark u. der Gegend v. Bernau. |
Sehr mäßig. | Aus Schlesien. |
ein wunderschdnes Weib;
die hatt eine schöne Tochter,
ihr Haar war glatt geflochten,
zum Tanz war sie bereit.
mein Kopf thut mir so weh;
laß mich eine kleine Weile
spazieren auf grüner Heide,
bis daß es mir vergeht!“
das kann und darf nicht sein;
wenn Juden auf der Straße gehn
und sehn dich unter den Bäumen stehn,
wie wird es dir ergehn!‘‘‘
die Tochter nahm ein Sprung;
sie sprang wol in die Straßen,
wo Herrn und Schreiber saßen:
dem Schreiber sprang sie zu.
mein Herz thut mir so weh:
laß mich eine kleine Weile
nur schlafen an deiner Seite,
bis daß es mir vergeht!“
das kann und darf nicht sein;
willst du dich lassen täufen,
Maria Magdalene sollst du heißen,
mein Weibchen sollst du sein!““
das kann und darf nicht sein;
eh ich mich lasse täufen,
viel lieber will ich mich ersäufen
wol in dem tiefsten See!“
und dreht sich nach dem See:
„Ade, mein Vater und Mutter,
ade, du stolzer Bruder,
wir sehn uns nimmermeh!“
1, 1. Es war einmal eine Jüdin. – 1, 3. die hatt eine einzge Tochter. – 2, 1. Ach Tochter, Herzenstochter. – 2, 3. laß mich eine kleine Weile, ein Stündlein zwei oder dreie auf der Straße spazieren gehn! – 3. Ach Tochter, Herzenstochter, das kann und muß (darf) nicht sein: was werden die Leute wol denken, wenn so ein jüdisches Mädchen auf der Straße spazieren geht. – 3, 3. was soll uns das bedeuten? was werden sagen die Leute? laß dein Spazieren sein! – 4, 2. Die Tochter nahm die Flucht – gieng ihren Gang. – 4, 3. sie sprang wol in die Gasse. – 4, 5. dem Schreiber in den Arm (Schooß). – 5, 3. Ach thu dich mein erbarmen, nimm mich in deine Arme, auf das mir besser wird! – 5, 4. nur ruhen an deiner Seite. – 6, 3. Was werden die Leute wol denken, wenn so ein jüdisches Mädchen in meinen Armen ruht! – 6, 4. Mariane (Susanna) sollst du heißen, eine Christin mußt du sein! – mein Ehweib (mein eigen) sollst du (müßtest) sein! – 7, 5. wol in dem tiefsten Meer! – wos Meer am tiefsten ist! – 8. Die Tochter schwang den Mantel (umschwang sie ihren Mantel) und gieng wol hin und her: „Gut Nacht, Herzvater, Herzmutter! gut Nacht, du stolzer Schreiber (Bruder), ich seh euch nimmermehr! (ihr seht mich nimmermehr!)“