Die Jungfrau Lorenz

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Autor: Jodocus Donatus Hubertus Temme
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Titel: Die Jungfrau Lorenz
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aus: Die Volkssagen der Altmark
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1839
Verlag: Nicolaische Buchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google und Scans auf Commons
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18. Die Jungfrau Lorenz.

In der Nicolaikirche zu Tangermünde ist auf einem Hirschgeweihe ein hölzernes Bild aufgerichtet, welches eine Jungfrau vorstellt. Von diesem Bilde erzählt man Folgendes: Die ganze Gegend zwischen der Stadt Tangermünde und den Dörfern Grobleben und Böhlsdorf war früher ein großer Wald und gehörte einer Jungfrau in Tangermünde, Namens Lorenz. Die Gegend, die jetzt ohne Holz ist, heißt noch immer das Lorenzfeld. Diese Jungfrau Lorenz ging eines Tages in ihrem Walde spatzieren, verirrte sich aber in demselben so, daß sie drei Tage lang vergeblich einen Ausweg suchte. Sie glaubte sich schon verloren, und [19] fürchtete, nimmer wieder aus der Wildniß heraus und zu Menschen zu gelangen. Da erschien ihr auf einmal ein Hirsch mit einem mächtig großen Geweihe. Der nahete sich der ermüdeten Jungfrau, hob sie mit seinem Geweihe auf seinen Rücken und trug sie so ohne Schaden zum Walde heraus, bis sie die Thürme von Tangermünde vor sich sah. Aus Dankbarkeit für diese wunderbare Errettung schenkte sie einen großen Theil ihrer Grundstücke der Nicolaikirche zu Tangermünde, und ließ auch in derselben ihr Bildniß von Holz und auf einem Hirschgeweihe aufstellen, wie es noch allda zu sehen ist. Sie verordnete zugleich, ihr Bildniß solle hier bleiben, so lange noch Ein Stein der Kirche auf dem anderen stehe.

Hierüber wacht sie denn auch mit besonderer Sorgfalt. Die Kirche wird schon längst als Lazareth benutzt, und es sind die Bilder und Zierrathen darin zerstört; aber das Bild der Jungfrau Lorenz hat noch kein Mensch von der Stelle zu rücken gewagt, und die Lazarethwächter hören oft einen gewaltigen Lärm, der durch das ganze Gebäude zieht, wenn es Einer einmal gewagt hat, auch nur an die Zacken des Hirschgeweihes zu fassen, oder nur etwas daran aufzuhängen. Selbst die frevelhaften Franzosen, als sie im Jahre 1806 in Tangermünde einfielen, mußten das Bild unangetastet lassen, und haben es nicht von seinem Orte bringen können.

Gesch. der Stadt Tangermünde v. Pohlmann u. Stöpel. S. 6. 7.