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Die Kaisergaukler vom Kyffhäuser

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Textdaten
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Autor: Fedor von Köppen
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Titel: Die Kaisergaukler vom Kyffhäuser
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 334–336
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[334]

Die Kaisergaukler vom Kyffhäuser.

Von Fedor von Köppen.

Die Zeit der Hohenstaufenkaiser Friedrich I und Friedrich II, welche machtvoll des Reiches walteten, die Geringen und Schwachen gegen die Gewaltigen schützten, Recht und Gerechtigkeit übten überall, auch die Künste und Wissenschaften pflegten, galt den Deutschen noch lange nach dem Ausgange des mächtigen Geschlechts für ihr goldenes Zeitalter, nach dem sie sich zurücksehnten. Schon bald nach dem Tode Kaiser Friedrichs II, der im Jahre 1250, dem 56. seines Lebens, im Schlosse Fiorentino in Apulien starb, tauchte in Deutschland das Gerücht auf, der Kaiser sei nicht gestorben, sondern halte sich nur verborgen; er werde aber zu seiner Zeit wiederkommen und dem Reiche eine bessere Verfassung geben. Dieses Gerücht, das in der Sehnsucht des Volkes und in der Leichtgläubigkeit der Menge Nahrung fand, benutzten in der darauf folgenden trüben Zeit einige schlaue Betrüger, um sich für den zurückgekehrten Kaiser Friedrich auszugeben.

Als der erste dieser Art scheint bereits 1262 ein Mann aufgetreten zu sein. Die durch ihn den Fürsten drohende Gefahr führte dazu, daß man ihn – wie Pomarius in seiner sächsischen Chronik berichtet – „heimlich hinwegraffte“. Nicht lange danach [335] (im Jahre 1282) trat in Köln am Rhein ein alter Mann auf mit dem Vorgeben, daß er der Kaiser Friedrich sei; er hätte aus Verdruß den Kaiserthron verlassen und sich dreißig Jahre lang auf dem Kyffhäuserschlosse verborgen gehalten, wolle jedoch jetzt die Regierung wieder übernehmen. Da er in der alten Bischofsstadt wenig Glauben und Vertrauen erweckte, so begab er sich nach Neuß, gründete hier seinen eigenen Hofstaat und spielte seine Rolle weiter und so vortrefflich, daß er wirklich einigen Anhang fand. Er soll nach den Berichten gleichzeitiger Geschichtschreiber dem verstorbenen Kaiser Friedrich II sowohl nach Gestalt und Gesichtsbildung, als selbst nach dem Gange und nach Gebärden bis zur höchsten Täuschung ähnlich gewesen sein. Sein eigentlicher Name war Thilo Kolup oder, nach anderen, Dieterich Holztisch. Da er mehrere Jahre am Hofe Kaiser Friedrichs II gedient und selbst die Person dieses Fürsten als Kämmerling bedient hatte, so hatte er sich eine sehr genaue Bekanntschaft mit der Lebensweise und den Gewohnheiten desselben sowie mit den Sitten am kaiserlichen Hofe angeeignet. Zu seinen Anhängern gehörten nicht allein die Bürger verschiedener Städte, besonders einiger Reichsstädte der Wetterau, sondern auch einige Reichsstände, mehrere Grafen und Fürsten des Reiches. Herzog Heinrich der Wunderliche von Braunschweig-Lüneburg, die Landgrafen von Thüringen, Friedrich mit der gebissenen Wange und Diezmann, und manche andere Reichsfürsten ließen es sich ansehnliche Summen kosten, um den „aus dem Kyffhäuser erstandenen Kaiser“ aufs neue zur Herrschaft zu bringen.

Mit einem zahlreichen Hofstaate siedelte der Pseudokaiser nach der Reichsstadt Wetzlar über, hielt hier ein glänzendes Hoflager und teilte großmütige Spenden aus, wodurch sein Anhang sich mehrte.

Als die Friesländer bei dem Pseudokaiser Friedrich eine Beschwerde gegen den Grafen Florenz V von Holland vorbrachten, ließ er diesen vor seinen kaiserlichen Richterstuhl laden. Der Graf aber war nicht willens, sich dem Schiedsspruche des Gauklers zu unterwerfen, sondern sandte ihm einen in lateinischer Sprache verfaßten Brief. Derselbe beginnt mit einem Gruße an das „unerwartete Gespenst, welches sich für den weiland Römischen Kaiser Friedrich II ausgiebt“. Darauf giebt der Graf seinem Verwundern über das erschollene Gerücht und das ruchlose Beginnen des Abenteurers und seinem Erstaunen über die Anmaßung desselben Ausdruck, „nämlich darüber, daß Du, da Du, dem ersten Ansehen nach ein Mensch, ja nur ein kleiner Mensch zu sein scheinst, Dich doch erkühnest, die Person und Würde eines verstorbenen Menschen zu mißbrauchen. Denn ein verstorbener Mensch ist aus natürlichen und philosophischen Gründen kein Mensch mehr, und auf einen Leichnam, aus dem die Seele geschieden ist, kann die Definition vom Menschen nicht mehr angewandt werden. Denn unwidersprechlich gewiß ist’s, daß Friedrich von Hohenstaufen, weiland Römischer Kaiser, von einer schweren Krankheit ergriffen, die Schuld der Natur bezahlt hat, noch vor seinem Ableben aber, der von ihm begangenen Bosheiten und scheußlichen Missethaten halber, welche den Artikeln der rechtgläubigen Lehre schnurgerade zuwider waren, vor den Richterstuhl der Römischen Kirche geladen, hier seiner Vergehungen überwiesen und auf einer allgemeinen Kirchenversammlung von der christlichen Kirche sowohl, als von Christo, ihrem Oberhaupte, wie ein verdorbenes Glied getrennt worden ist. Du also – um hier das Allerwidersprechendste, bei dem kein Mittelweg stattfindet, zu unterstellen – bist entweder dieser Friedrich oder Du bist er nicht. Bist Du dieser Friedrich nicht, so bist Du nichts als ein frevelhafter Lügner. Bist Du aber jener Friedrich, so bist Du schon erwähntermaßen abgelöset von der christlichen Kirche und bist des Reiches nach vorhergegangener reifer Beratung verlustig erklärt. Erwache also aus Deinem Taumel und bitte den Papst um ein gedeihliches Mittel zur Heilung Deines Wahnes! Vor allen Dingen wende Dich an die deutschen Fürsten, welchen die Kaiserwahl nach dem römischen Rechte zusteht, und berate Dich zuvörderst mit denen, die nach Friedrichs Entfernung drei Könige zu Häuptern des Reiches gesetzmäßig erkoren haben, welche auch vom Papste bestätigt worden sind! Jetzt ist sogar schon der vierte Nachfolger am Reiche, der König Rudolf, von eben diesen Fürsten einmütig erkoren und hat die päpstliche, durch seine Tugenden verdiente Bestätigung erhalten. Diesem unserem dermaligen Herrn haben wir uns mit Leib und Leben unterworfen und ihm unter den schuldigen und gewöhnlichen Feierlichkeiten gehuldigt. Deine Befehle sind uns daher nicht bloß gleichgültig, sondern wir verachten sie, und das ist unsere Pflicht“.

Man sieht, daß der Verfasser dieses Schreibens bei allem Bemühen nach einer logischen Widerlegung des Betrügers doch eine gewisse Vorsicht beobachtet, die aus der Befürchtung entspringt, daß der angebliche Kaiser Friedrich ein Gespenst sein könne, eine Befürchtung, die übrigens in den Anschauungen der Zeit wohlbegründet war. Bald aber kam einer, der mit dem Gespenste nicht verhandelte, sondern kräftig zugriff.

König Rudolf, der sich gerade im Lager vor Kolmar befand, als er die ersten Nachrichten von dem Auftreten des falschen Friedrich in Wetzlar erhielt, hatte anfangs darüber gelacht und das Ganze für einen Mummenschanz gehalten. Da empfing er ein Schreiben von jenem Manne, in welchem er ihm befahl, die Krone niederzulegen und ihm zu huldigen oder seine Ahndung zu befürchten. Diese Dreistigkeit reizte des Königs Unwillen. Er zog mit seinem Heer vor Wetzlar und forderte die Stadt auf, ihm die Thore zu öffnen und den Betrüger auszuliefern. Die Wetzlarer weigerten sich anfänglich, Folge zu leisten. Als aber König Rudolf Anstalten traf, die Thore stürmen zu lassen, hielten sie es doch für besser, nachzugeben, und lieferten den falschen Kaiser an den rechten aus. Auf der Folter bekannte der Betrüger nun seinen wahren Namen und daß er veranlaßt worden sei, die Rolle des Kaisers Friedrich zu spielen, weil er bei einem Besuche auf dem Schlosse Kyffhausen für denselben gehalten worden sei.

König Rudolf hielt strenges Gericht über den Betrüger und ließ ihn darauf mit zweien seiner getreuesten Anhänger nahe der Stadt in einem Thale, welches noch heutigen Tages der „Kaisersgrund“ genannt wird, auf dem Scheiterhaufen öffentlich verbrennen. Die Städte, welche sich für ihn erklärt hatten, wurden mit schweren Geldbußen bestraft. Die Stadt Wetzlar bat den König wegen ihrer Leichtgläubigkeit und ihres Verhaltens um Verzeihung, welche dieser ihr auch gnädig gewährte, indem er urkundlich versprach, daß er wegen der ihm widerfahrenen Beleidigung keinen alten Groll weiter gegen sie hegen wolle. –

Außer diesem Thilo Kolup traten mit der Zeit noch verschiedene andere falsche Friedriche auf. J. Chr. Olearius führt in seinen „Thüringischen Historien und Chroniken“ (Frankfurt und Leipzig 1704) außer den beiden bereits erwähnten noch drei andere Abenteurer auf. Der eine soll die Lübecker betrogen haben und „heimlich hinweg gekommen sein“. Der andere wurde im Jahre 1295 auf Kaiser Adolfs Befehl zu Eßlingen verbrannt. Weiteres wird von diesen beiden nicht berichtet, und auch ihre Namen werden von dem Chronisten nicht gemeldet.

Nur von dem letzten, welcher sich 1546 auf dem Kyffhäuser Berge in dem wüsten Schlosse sehen ließ, haben wir ausführlichere Nachrichten. Wir verweilen daher noch bei diesem insbesondere.

Es war in der durch die Reformationsbewegung, die Wiedertäufer und die Bauernunruhen tief aufgeregten Zeit, als sich im Thüringer Lande das Gerücht von dem Wiedererscheinen des 1250 verstorbenen Kaisers Friedrich II auf dem Kyffhäuser Berge verbreitete. Einige Hirten und Landleute aus der Goldenen Aue sahen eines Abends hinter den Tannen des Kyffhäuser Berges einen dichten Rauch aufsteigen. Da in der Gegend, woher der Rauch kam, kein bewohnter Ort lag, so wunderten sie sich darüber und meinten, das könne wohl nicht mit rechten Dingen zugehen, wie denn vom Kyffhäuser Berge manche wunderbaren und unglaublichen Dinge erzählt wurden, so die Sage von jenem Hirten, der einmal in das Innere des Berges gelockt worden, dort eingeschlafen war und beim Wiedererwachen die Welt um ein Jahrhundert gealtert fand. Die verwegensten von jenen Landleuten gingen nun doch auf die verdächtige Stelle, woher der Rauch kam, zu. Da sahen sie bei der Kapelle der alten Burg einen alten, phantastisch aussehenden Mann am Feuer sitzen, das einen flackernden Schein auf sein fahles Antlitz warf. Sein Haar war grau und weiß und hing in seltsamer Verwirrung über die Stirne herab. Der lange, rötlich weiße Bart reichte bis auf den Schoß herab. Bekleidet war er mit einem faltenreichen, weißen Mantel und mit ledernen Hosen. Neben ihm auf der Erde standen irdene Töpfe, in denen er einen Trank zu brauen schien. [336] Allerhand ungewöhnlich geformte Waffen lehnten an dem Burggemäuer. Der Alte ließ seine Blicke ruhig aber verwundert und mit einem Ausdrucke von Wohlwollen über die erstaunt und furchtsam ihm zuschauenden Leute hingleiten und führte seltsame Reden, die man nicht verstand. Einer von den Zuschauern lief nach dem nahen Sittendorf und holte von dort den Pfarrer herbei. Dieser kam mit Kreuz und Bibel und begann eine Beschwörungsformel herzusagen.

Da richtete der Wunderbare sich majestätisch und stolz auf und sprach: „Ich bin kein Gespenst, keine Erscheinung der Hölle, Ihr verkennt mich. Ich bin Kaiser Friedrich, seines Namens der Zweite, der da Herrscher war über das heilige Römische Reich und über verschiedene andere Reiche dieser Erde. Ich bin nicht in Apulien umgekommen, wie die Leute wähnen, sondern ich habe in diesem Kyffhäuser Berge gewohnt und mich verborgen gehalten, weil ich die Aufgabe nicht erfüllen konnte, die mir von Gott geworden war wider den Papst und die, so ihm anhingen. Jetzt aber ist mir von Gott befohlen, Deutschland zu Hilfe zu eilen, den unseligen Streit zu beenden, der sein Volk spaltet, den Mann zu vernichten, der über Deutschland herrscht und sich Kaiser Carolus den Fünften nennt, und wieder Frieden in der Welt zu stiften; denn die jetzigen Fürsten werden’s nicht fertig bringen.“

Dem Volke gefiel die ruhige Rede und würdige Haltung des Alten. Eine Weile blieb alles still; – dann brachen alle in jubelnden Beifall aus und forderten ihn auf, sogleich mit herabzukommen. Sie wollten ihn schützen und dafür sorgen, daß ihm nicht ein Haar gekrümmt werde.

Der Alte aber stand ernst und still aufrecht mit untergeschlagenen Armen. Nicht um einen augenblicklichen Triumph für sich selber sei es ihm zu thun, meinte er, sondern darum, daß er dem unglücklichen Volke wahrhafte Hilfe bringe gegen die ungerechten Fürsten und die Pfaffen. Deshalb wolle er noch eine Zeit lang in der Verborgenheit bleiben und die Antworten von mehreren Fürsten abwarten, an die er sich gewandt habe. Erst wenn er einen hinreichenden Anhang um sich gesammelt habe, dann wolle er herabsteigen vom Berge und mit ihm gegen Kaiser Karl V ziehen. Das leuchtete den Leuten ein; sie verließen den Berg, um jedoch am folgenden Tage in noch größerer Menge zurückzukehren. Sie brachten Körbe mit Eiern, Schinken, Speck, Braten, Milch, Butter, Käse, Brot und Kuchen, auf daß der Kaiser keine Not zu leiden brauche, und gelobten, Gut und Leben für ihn zu lassen. Der Kaiser kam jedoch nur selten zum Vorschein, ließ sich vielmehr nur wie ein Geist, der plötzlich erscheint und plötzlich verschwindet, auf Augenblicke sehen.

Das Gerücht von dem zurückgekehrten Kaiser verbreitete sich unterdessen in immer weiteren Kreisen, und das Volk nahm dasselbe in gutem Glauben auf, ohne viel zu prüfen, ob es möglich sei, daß ein seit dreihundert Jahren zu den Toten gezählter Kaiser in die Welt zurückkehren und handelnd eingreifen könne. Es lag dies eben in der naiven Anschauungsweise jener Zeit, und wir dürfen uns darüber nicht wundern; soll doch selbst Luther, um seine Meinung befragt, die diplomatische Antwort gegeben haben: „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, der Teufel hat vordem mehr den Leuten eine Nase gemacht.“ Der gelehrte Olearius in den bereits erwähnten „Thüringischen Historien und Chroniken“ räumt ferner ein: „Wohl kann’s sein, daß der böse Geist zur Stärkung des Aberglaubens in Kaiser Friedrichs Gestalt sich sehen lasse, wie einst in des verstorbenen Propheten Samuel Gestalt.“ – Ein anderer Chronist, Melistantes, sagt in seiner „Kuriosen Beschreibung verwüsteter Bergschlösser“ (Frankfurt und Leipzig 1721), nachdem er die Annahme widerlegt hat, daß jener Abenteurer wirklich der gewesen, für den er sich ausgegeben: „Ich glaube aber, daß es der Teufel sei, welcher die einfältigen Leute zu äffen und zu betrügen sucht, wie er sein Spiel auch sonst auf dem schlesischen Riesengebirge mit dem sogenannten Rübezahl, in Thüringen vor Zeiten auf dem Hörsel- oder Siegerberge, bald mit dem wütenden Heer und anderen Gespenstern gehabt.“

Nun kam aber noch hinzu, daß gerade zu jener Zeit (1546) viele Leute und selbst Fürsten es nicht ungern sehen mochten, wenn dem immer noch zum Papste und zur römischen Kirche haltenden Kaiser Karl V durch den Pseudokaiser Friedrich in Deutschland Verlegenheiten bereitet würden. Die Knechte, welche zu dem Heere der Fürsten des Schmalkaldener Bundes gingen, rühmten sich, sie seien von dem Kaiser Friedrich II eingeladen worden, ihm gegen Karl V zu helfen. So nahm das Abenteuer eine immer drohendere Gestalt an.

Da entschloß sich der Graf Günther zu Schwarzburg-Rudolstadt und Sondershausen, dem Gespenst ernsthaft auf den Leib zu rücken. Er sandte seinen Landvogt v. Brüneck spät abends – weil man die aufgeregte Menge fürchtete – nach dem Kyffhäuser. Dieser legte dem Pseudokaiser mehrere Fragen vor, welche dieser auffallend sicher und würdevoll beantwortete. Auf die Frage des Landvogtes, ob er mehr als eine Sprache verstände, erwiderte er, daß man ihn in einer beliebigen der 72 Sprachen fragen könne, welche Gott gegeben habe. Darauf forderte ihn der Landvogt auf, ihm nach Frankenhausen zu folgen. Der Alte erklärte sich bereit dazu. Als man ihm aber die Hände binden wollte, rief er zornig, man möge ihn anständig behandeln, wie es einem „Kaiser“ gezieme, nicht wie man mit einem Schalke verfahre.

In Frankenhausen ließ ihn Graf Günther von Schwarzburg festnehmen und heimlich nach Sondershausen in festen Gewahrsam bringen. Hier ward er einer gestrengen Untersuchung unterworfen. In derselben entpuppte sich der angebliche Kaiser als ein Schneider aus Langensalza, Namens Johannes Leupold.

Der unglückliche, halb wahnsinnige Schneider ward nun zu Sondershausen in ein finsteres und feuchtes Kellerloch geworfen, wo er elendiglich verkommen und verkümmert sein soll. „Ja, Etliche verkünden sogar“ – heißt es in einer alten Chronik von Langensalza – „daß er von den Ratten und Mäusen sei bei lebendigem Leibe aufgefressen worden, und noch heutzutage zeigt man daselbst ein in Ketten geschmiedetes, klapperndes, langes Gerippe zum Wahrzeichen, daß es also geschehen.“

Als das Volk am Morgen nach der Verhaftung des Schneider-Kaisers wieder nach dem Kyffhäuser strömte und seinen „Kaiser Friedrich“ nicht fand, da war große Not und Klage. Man rief, man durchsuchte die Schluchten und Höhlen – alles vergeblich! Die schwarzburgischen Behörden, die allein wußten, wo er sich aufhielt, beobachteten Stillschweigen. Da beruhigten sich die Menschen endlich mit der Vermutung, der Kaiser werde sich wohl in das Innere des Berges verbannt haben und dort auf bessere Zeiten warten, und das Volk wartete seitdem auf die Wiederkehr des Kaisers und die besseren Zeiten.

Auch der Chronist von Langensalza schreibt: „Dessenungeachtet verblieb viel Volkes in dem Glauben, daß es wirklich gewesen sei Se. Kaiserliche Majestät Friedrich von Hohenstaufen. Auch sind nicht Wenige, welche noch heutzutage männiglich daran festhalten, es habe sich der Kaiser versteckt vor Günther, seinem Widersacher, in einer anderen Höhle auf der Ostseite des Berges, von wannen er wieder hervorkommen werde, alsobald das teutsche Reich werde frei sein von des Papstes als des Antichrists Gewalt und bis es sei worden ein großes, herrliches und einiges Volk, das seines Gleichen nicht unter dem Himmel habe. – – – Aber,“ fügt der Chronist hinzu, „bis diesen Tag, so ich, Luitbertus, weiland Mönch, itzo oberster Stadtschreiber zu Langensalza, dies schreibe, ist Se. Majestät noch nicht wieder hervorgekommen und darumb wallfahrtet noch immer das Volk, besonders an sonnenhellen Tagen und Sonntagen in hellen Haufen nach dem uralten Berge und vermeint, den Kaiser unten sitzen zu sehen in einem Spalte des Berges, an einem marmelsteinernen Tische, woselbsten sein langer Bart durch den Tisch sei gewachsen und ungeheure Schätze von Gold und Edelsteinen seien um ihn hergehäuft. Auch spiele sein Töchterlein gar lieblich ihm vor auf einer silbernen Laute, also daß der Kaiser gar wohlgefällig winke und lächle im Schlafe. Geschr. zu Langensalza im J.d.H. 1667.“ –

Die alten Kyffhäusersagen werden nun bald verklungen sein. Wir hören dieselben heute nur noch mit dem Behagen an, wie man sich als Mann etwa die Märchen ins Gedächtnis ruft, an denen man sich einst in der Kinderzeit erfreut hat. Aber schöner als diese Sagen und wärmer als die Berichte über jene Kaisergaukler vom Kyffhäuser mutet uns heutzutage die Thatsache an von dem vor nahezu dreißig Jahren neu gegründeten Deutschen Reiche und dem wiederaufgerichteten deutschen Kaisertume.