Vasco da Gama, der Entdecker des Seewegs nach Ostindien

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Autor: Paul Holzhausen
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Titel: Vasco da Gama, der Entdecker des Seewegs nach Ostindien
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 337–338
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Vasco da Gama, der Entdecker des Seewegs nach Ostindien.

Von Paul Holzhausen.

Vielen meiner Leser und Leserinnen dürfte Meyerbeers große romantische Oper „Die Afrikanerin“ bekannt sein. Aus ihr erfährt man, daß der kühne Seeoffizier Vasco da Gama, der mit dem Admiral Bartholomeu Diaz nach dem Kap der Guten Hoffnung gefahren war, eine schöne Negerkönigin, Selika, von den afrikanischen Gestaden als Sklavin mit nach Lissabon gebracht hat, die den jungen Helden leidenschaftlich liebt und ihm schon einmal das Leben gerettet hat. Sie begleitet ihn auf seiner großen Expedition nach Ostindien, rettet ihm an der afrikanischen Küste zum zweitenmal das Leben, und als der Treulose sie um einer jungen Portugiesin willen verläßt, atmet sie, von den Palmen ihrer südlichen Heimat umrauscht, den Duft des giftigen Manzanillobaumes, um sich zu töten.

Die Dichtung spiegelt in romantischer Umrahmung eine große Wirklichkeit wieder, wie sie die Welt nur in wenigen Zeitaltern gesehen hat. Jahrhundertelang war der Handel mit den köstlichen Gewürzen des Morgenlandes in den Händen der Araber gewesen, die sie über Aegypten den Venetianern und Genuesen zugeführt hatten. Jahrhundertelang hatten die reichen Kaufherren am Canale Grande ihre Speicher mit den Früchten Asiens gefüllt, und noch heute zeugen die prächtigen Paläste der „Königin der Adria“ von dem Reichtum, der aus ihrem Handel geflossen. Dagegen hatte das kleine, aber damals mit der Schwungkraft der Jugend begabte Volk der Portugiesen sein Augenmerk auf die nahegelegene Küste Afrikas gerichtet, deren südliche Umseglung – so durfte man hoffen – einen Seeweg nach dem fabelhaften Gold- und Gewürzlande Indien eröffnen werde. Die Azoren, Madeira, die Inseln des Grünen Vorgebirges und Guinea waren entdeckt worden, und im Jahre 1486 wurde der kühne Seefahrer Bartholomeu Diaz nach der Westafrikanischen Küste geschickt, um die öfters versuchte Umschiffung des riesigen Kontinents endlich zu bewerkstelligen. Diaz folgte der Küste bis zu der heutzutage von den Engländern besetzten Walfischbai und steuerte dann in das offene Meer hinaus, bis die Kälte des Wassers und die immer wachsende Größe der Wogenberge des Oceans ihn auf den Gedanken brachten, daß er über die Südspitze des Festlandes hinausgelangt sein müsse. Nun richtete er seinen Kurs nach Osten, und siehe! die Küste blieb bei einer Fahrt von mehreren Tagen immer im Nordwesten! Man hatte Afrika umschifft! Aber die zagende Mannschaft drängte, wie die Gefährten des Kolumbus, zur Heimkehr! Im Dezember 1487 war Bartholemeu Diaz wieder in Lissabon.

Zehn Jahre später segelte eine neue Flotte in die afrikanischen Gewässer. Sie stand unter dem Befehle des Helden, an dessen Namen die Geschichte die Entdeckung des Seewegs nach Indien geknüpft hat. Vasco da Gama war um das Jahr 1469 zu Sines, einem Städtchen in der portugiesischen Provinz Alemtejo, geboren. Er stand also zu jener Zeit in der Blüte der Jahre. Voll Unternehmungsgeist und Wagemut, tapfer und entschlossen, dabei nicht ohne einen Anflug edler Ritterlichkeit, so lebt der große Portugiese im Gedenken der Nachwelt. Die Flottille bestand aus drei Fregatten und einem Lastschiffe. Ihre Mannschaft belief sich auf 148 Mann. In einer feierlichen Versammlung nahm der König von Portugal, Manuel der Große, von Vasco den Huldigungseid entgegen und legte mehrere Schreiben an die Fürsten Indiens, insbesondere an den Herrscher von Calicut, das man schon als eine große Seehandelsstadt kannte, vertrauensvoll in seine Hände. Eine kirchliche Feier gab dem Unternehmen die Weihe, und nachdem Vasco unter dem Andrang einer großen Menschenmenge von seinen Freunden einen rührenden Abschied genommen hatte, gingen die mutigen Seefahrer am 8. Juli 1497 in Lissabon unter Segel.

Drei Monde lang hatten sie an der afrikanischen Westküste mit den Elementen zu kämpfen, die ihnen den Kampfpreis des gewaltigen Unternehmens entreißen zu wollen schienen. Am 7. November erreichte Vasco am Kaplande die St. Helenabucht; am 18. erblickte man die Südspitze Afrikas. Unter hellem Jubel und Trompetenschall wurde das Vorgebirge umsegelt. Am Weihnachtsfeste gelangten die Portugiesen an eine schöne Küste, die sie, dem heiligen Tage zu Ehren, Costa da Natal („Weihnachtsküste“) benannten, ein Name, den sie bis zum heutigen Tage behalten hat. Als man sich dem Festlande näherte, zeigte sich eine große Anzahl Männer und Frauen, alle von schönem schlanken Körperbau. Die Fremden fanden eine gastliche Aufnahme und nannten das Land Agoada da boa Gente, den „Wasserplatz der guten Leute“. Am 23. Januar erreichte Vasco eine der Mündungen des großen Flusses Zambezi. Hier traf er eine schwarze, kraushaarige Bevölkerung an und erfuhr von einem Neger, daß nach Osten hin weiße Menschen leben sollten, die mit Schiffen, ähnlich den seinen, an diese Küste kämen. Er hatte die Schwelle des Morgenlandes überschritten und nannte dankbaren Sinnes den Zambezi den Fluß der guten Vorbedeutung. Ueberall, wo er landete, ließ er, nach der Sitte der Portugiesen, Wappenpfeiler am Meere errichten, um die Herrschaft seines Königs zu verkünden.

Eine fünftägige Fahrt brachte die Seefahrer vor den Hafen von Mozambique. Hier aber änderte sich das Bild. Die Stadt war von Arabern gegründet worden, und sogleich bei dem ersten Zusammentreffen mit den Portugiesen zeigte sich das Mißtrauen und der Haß dieses Volkes gegen die abendländischen Fremdlinge, in denen die Araber instinktmäßig die Feinde ihres ausgedehnten Orienthandels zu wittern schienen. Jahrzehntelang haben die beiden Völker um den Besitz der indischen Gewässer gerungen, und weder List noch Grausamkeit sind auf beiden Seiten in diesem blutigen Ringen gespart worden, bis sich die Schale des Sieges dem höher civilisierten Volke, den Portugiesen, zuneigte. Eine Ladung aus grobem Geschütz belehrte den Scheik von Mozambique über die Kriegsbereitschaft Vascos. Dann fuhr dieser wieder ab und erreichte, nachdem ihn die verräterischen Lotsen der Araber verschiedenemal in die Irre geführt hatten, am 7. April das entfernte Mombas, dessen hellschimmernde Häuser und flache Dächer die Portugiesen an die Städte ihrer fernen Heimat erinnerten. Hier wurden die kühnen Fremdlinge freundlich empfangen; aber einer noch besseren Aufnahme erfreuten sie sich in Malinde, einer großen Stadt mit schönen Straßen, in einer fruchtbaren Ebene, die bei vortrefflichem Trinkwasser und gesunder Luft einen großen Reichtum an Früchten und Lebensmitteln zeigte. Der König dieses Landes war der einzige Maure, der den Portugiesen mit ehrlicher Freundschaft entgegenkam und in richtiger Ahnung des weltumwälzenden Ereignisses, das sich vor seinen Augen hier abspielte, zu dem fernen Westlande in Beziehungen trat. So gewannen die Portugiesen eine wichtige [338] Flottenstation an der Küste Ostafrikas, die ihnen später die größten Dienste leisten sollte.

Auch einen gewandten und zuverlässigen Lotsen hatte ihnen der gastfreundliche König von Malinde für die Ueberfahrt nach Indien mitgegeben. Diese dauerte dreiundzwanzig Tage. Denn erst am 17. Mai 1498 ertönte der Landruf in den Rahen der portugiesischen Schiffe. Am Abend des 20. fiel der Anker vor dem ersehnten Hafen von Calicut, und bald wurde das Geschwader von dem bunten Völkergemisch eines morgenländischen Hafenplatzes umschwärmt, wo die Sprachen des Orients vieltönig durcheinander schwirrten.

Vasco da Gama hatte auf der zehnmonatigen Fahrt einen großen Teil seiner Mannschaft verloren. Namentlich der Skorbut, dieser Schrecken der Seefahrer, hatte viele Leute dahingerafft. Der kühne Portugiese lag jetzt vor einem der größten Hafenplätze der Erde, und es hing alles von der Laune des morgenländischen Herrschers ab, in dessen Reich er gekommen war. An der Küste Malabar, der indischen Westküste, wo Vasco gelandet war, herrschte ein Kaiser, der sich Samudrin Radschah, „Herr des Hügels und der Welle“, nennen ließ. Der Samudrin nahm die Anträge Gamas anfangs freundlich auf. Auf seine Einladung ließ sich letzterer auf einem Tragsessel nach dem Palaste des indischen Königs tragen, der, einige Meilen landeinwärts, in einem Palmenwäldchen gelegen war. Soldaten der Bürgerkaste, schöne Männer von staunenswerter Gewandtheit, schritten, ernsten Antlitzes, neben der Sänfte des Admirals einher. Der Samudrin empfing die Fremden, auf seinem Throne sitzend und von Diamanten strahlend, mit vornehmer Herablassung. Er zeigte sich nicht abgeneigt, ihren Wunsch, in den Bazaren Calicuts indische Waren einzuhandeln, zu gewähren. Aber bald sollten die Fremden auch hier den Neid der Araber verspüren, die von alters her mit Calicut handelten, sich in großer Anzahl dort niedergelassen und ausgedehnte Vorrechte erworben hatten. Der Pöbel begann, auf ihr Anstiften, die Fremden in den Straßen zu beschimpfen, und der Samudrin ließ die portugiesischen Faktoren (Händler) unter nichtigen Vorwänden festnehmen. Gama antwortete mit der Verhaftung vornehmer Inder und dem Donner seiner Schiffskanonen.

Bald verließ er das ungastliche Calicut, in dessen Hafen seine Nachfolger noch manchen harten Strauß bestehen sollten, und stach wieder in See. Dem Küstenorte Andjediva gegenüber stellte sich ein seltsamer Gast an Bord des Admiralschiffes ein. Es war ein spanischer Jude, der durch eine wundersame Verkettung von Umständen nach Indien verschlagen war und in Goa die Stelle eines Hafenkapitäns einnahm. Er war aus der Stadt Goa als Spion abgeschickt, um die Fremden auszukundschaften. Vasco nahm ihn mit List gefangen, und der kluge Mann leistete in der Folgezeit als Lotse die wichtigsten Dienste. Nachdem die Portugiesen noch mit dem Radschah des nördlich von Calicut gelegenen Hafens Cananor einen Handelsvertrag abgeschlossen und ihre Schiffsräume mit köstlichem Gewürz befrachtet hatten, dachten sie an die Rückfahrt.

Aber sie hatten ihre Rechnung ohne die Winde des indischen Meeres gemacht. Wie durch einen Zauber gebannt, lagen die Schiffe auf der spiegelglatten Flut und waren nicht vorwärts zu bringen. Erst nach drei Monaten kam die afrikanische Küste wieder zum Vorschein, und der Skorbut forderte unter den tapfern Seeleuten neue Opfer. Doch fanden sie wieder die freundlichste Aufnahme und Pflege in Malinde. Am 20. März wurde zum zweitenmal das Vorgebirge der Guten Hoffnung umschifft. Noch stand dem edlen Vasco ein herber Schmerz bevor. Auf der Azoreninsel Terceira starb in seinen Armen sein geliebter Bruder Paulo, der die Reise mitgemacht hatte, aber das Vaterland nicht wiedersehen sollte. Am 29. August erblickte der Seeheld wieder den heimatlichen Tejofluß. Sein erster Gang war eine fromme Wallfahrt nach dem Gotteshause Belem, wo er auch vor seiner Abfahrt in stillem Gebete geweilt hatte. Dann erst hielt er seinen feierlichen Einzug in die Hauptstadt. Er ward wie ein römischer Triumphator empfangen. Stiergefechte, Lanzenbrechen und Volksfeste folgten einander in buntem Wechsel; feierliche Prozessionen wallten durch die Straßen der portugiesischen Städte; der König erhob den Entdecker Indiens und seine Brüder in den Adelstand, schmückte sie mit einem stolzen Wappen, ernannte Vasco zum Admiral der indischen Meere mit einem ungeheuern Jahresgehalt und einem besondern Handelsprivilegium und machte ihn später, als sich die indischen Eroberungen zu immer höherem Glanze erhoben, zum Grafen von Vidigueira.

König Manuel hatte Grund, den Helden Vasco zu ehren. Er hatte in der Welt des Ostens gethan, was sechs Jahre vor ihm der große Genuese Christobal Colon im Westen vollbracht hatte. In den nächsten Jahren errangen die Portugiesen immer größere Erfolge. Alvarez Cabral führte eine neue Flotte nach Indien. Auf der Ueberfahrt westwärts getrieben, entdeckte er ein großes Land mit kupferfarbigen Menschen – Brasilien, das jahrhundertelang seine Schätze an den Tejo senden sollte. Endlich in Indien angekommen, schloß Cabral mit dem Sultan von Cochin, einem Vasallen des feindlichen Samudrin von Calicut, einen wichtigen Handelsvertrag. Doch, so groß Cabrals Verdienste auch sein mochten, es war wiederum Vasco da Gama vorbehalten, in dem schwierigen Lande festen Fuß zu fassen.

Im Frühling des Jahres 1502 lief er von neuem, diesmal mit einem stattlichen Geschwader, aus der Bai von Lissabon. Nach neuen Thaten in Ostafrika nahm er an dem Samudrin blutige Rache. Er zerstörte ihm zwei Flotten, befestigte das Ansehen seiner Landsleute bei den Vasallen des Sultans und kehrte am 1. September 1503 mit einer kostbaren Ladung nach Lissabon zurück.

Das waren herrliche Erfolge, ausreichend, ein Menschenleben auszufüllen und es zu einem der merkwürdigsten aller Zeiten zu gestalten. Aber noch eine andere große Aufgabe war dem Entdecker des Seewegs nach Indien vorbehalten. Fürs erste blieb er freilich in Portugal, und das war zur Wiederherstellung seiner von so gewaltigen Anstrengungen tief erschöpften Gesundheit dringend nötig. Inzwischen dehnten die Portugiesen ihre Besitzungen in Asien weiter und weiter aus. Sie vernichteten den arabischen und ägyptischen Handel und eroberten unter dem kühnen Albuquerque, dem genialsten der Nachfolger Gamas, einen Teil Hinterindiens. Aber schon bald zeigten sich die ersten Spuren des Verfalls. Von Osten her drangen die Spanier vor, und in Goa, dem Hauptorte der portugiesischen Verwaltung, begannen Zuchtlosigkeit, Beamtenbestechung und eine rohe Mißhandlung der Eingeborenen böse Früchte zu tragen.

Da sandte König Johann III, Manuels Nachfolger, noch einmal im Jahre 1524 den großen Vasco über die Wasser des Oceans. Er war im harten Seedienste frühzeitig gealtert, aber die Spannkraft der Jugend hatte er nicht verloren. Noch einmal bewährte sich der Zauber seines Namens. Sein erster Schritt war die Absetzung des unredlichen Kommandanten von Goa, der in seiner Pflichtvergessenheit so weit gegangen war, selbst die Kanonen an die Feinde zu verkaufen! Mit einem Schlage ward alles anders: die unrechtmäßige Besetzung der Aemter hörte auf; Handel und Wandel wurden geregelt; von neuem erblühte Goa. Aber der Anstrengungen und Aufregungen waren für den alten Vasco zu viele. Am Weihnachtstage 1524, dem sechsundzwanzigsten Jahrestage seiner Entdeckung des Natallandes, starb der große Mann in Cochin.

Von seinen Schöpfungen ist wenig mehr erhalten. Aus dem üppigen Grün der Palmengärten schauen in Goa, der verkommenen und fast verlassenen Stadt, die Ruinen der einst stolzen Paläste.

Vascos Sohn Christoph fand, etwa dreißig Jahre nach seines Vaters Tode, als Gefangner eines afrikanischen Königs ein schauerliches Ende. Des Entdeckers Gebeine waren 1538 nach Portugal geschafft und in der Kirche des Karmeliterklosters zu Vidigueira beigesetzt worden. Am 10. Juni 1880 wurden sie in prächtigem Aufzuge nach Lissabon gebracht und dort unter königlichen Ehren in der Gruft der Herrscher Portugals bestattet.

Es hat sich damals ein Streit erhoben über die Frage, ob jene Gebeine die echten gewesen seien. Aber nicht an diesem Staube hängt der Ruhm von Vascos Namen. Aus den Rahen der Schiffe, die den Ocean Indiens befahren, klingt er wieder, und Portugals größter Dichter, Luis de Camoens, hat ihm in seinen „Lusiaden“ ein für alle Zeiten unvergängliches Lied gesungen.