Zum Inhalt springen

Die Komödie des Todes

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Peter Rosegger
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Komödie des Todes
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7–8, S. 209–211, 248–251
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1899
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[209]

Die Komödie des Todes.

Eine Dorfgeschichte aus Steiermark von Peter Rosegger.


1.

Der Ferge Meinhardt kauerte am Ufer des Flusses und lehnte sich an den Block, an welchen der Kahn gebunden war. Er stützte den Ellbogen aufs Knie und den Kopf auf die Hand. Sein gebräuntes noch jugendliches Gesicht hatte einen Zug finsteren Grames. Er schaute hinaus in die abendliche Gegend. Vor ihm der breite Fluß, auf welchem die grauen Wässer des Hochgebirges rasch und lautlos dahinwogten. Diesseits grünes Hügelgelände mit Landhäusern und Obstgärten; jenseits die steilen, schluchtigen Berghänge mit den dunklen Fichtenwäldern. Hinter den Bergen war die Sonne vergangen und hatte einen brennenden Goldgrundhimmel zurückgelassen. Wozu? – Die schöne Natur ist nichts, wenn der Mensch ein banges Herz hat. Der Ferge sah nicht die liebliche Landschaft, er sah nur sein inneres Elend. Unglückliche Liebe – zu seiner Frau! Seit drei Jahren mit der drallen, schneidigen Frau Josefa verheiratet, hatten sie in Zank und Streit alles verwüstet, was einst so taufrisch und heilig aufgewachsen war in ihren Herzen. Die süße, die innige Neigung zu einander war dahin, die Eifersucht war geblieben. Frau Josefa hielt ihm vor, daß er, wenn ein junges Weib auf dem Kahne sei, langsamere Fahrt mache über den Fluß als sonst, was ja gar nicht möglich war, weil das Fahrzeug, das vermittelst Tau und Rädchen an dem querübergespannten Strange lief, vom Wasser selbst getrieben wurde. Da kann der Ferge mit dem Ruder nicht viel dazuthun. Aber sie mußte wohl eine Entschuldigung brauchen für ihre eigene Aufführung! Der Zottel! Dieser Stadtzottel! Der schwarze Kohlenschreiber vom Eisenwerk! – Dort oben ….

Meinhardt lauerte durch das Buschwerk. – Dort auf dem Fußsteig schleicht er ja wieder. Jetzt deckt ihn das lange Korn, so daß nur der Hut sichtbar ist – wie ein Rabe über den Aehren. Meinhardt hatte sein Weib heute wieder zur Rede gestellt, was sie so viel mit dem Kohlenschreiber zu schwatzen habe? Warum sie aus dem Hause trete, so oft er vorüberging? Das hatte er sie gefragt. Und sie gab lachend zur Antwort: „Damit er nicht ins Haus zu treten braucht.“ Sie wolle es sich aber nicht vorschreiben lassen, mit wem sie plaudern dürfe und mit wem nicht! – Es käme darauf an, was geplaudert würde! Darauf seine Gegenrede. Und sie: „Na, streiten thun wir nicht, der Schreiber und ich, das kannst glauben.“ So lockte ein böses Wort das andere hervor, anfangs hämisch, dann zornig, endlich wütend, bis er ihr die wildesten Schimpfworte, die schwersten Flüche ins Gesicht schleuderte und wie rasend davonlief. Da saß er nun in friedlicher Abendstunde am wogenden Wasser und überdachte alles wieder. Tief schmerzten ihn die bissigen Bemerkungen, die sie ihm zugeworfen, noch tiefer aber die kieselharten Worte, die er ihr an den Kopf geschleudert hatte. Als nun der Kohlenschreiber dort oben vorbeigehuscht war, wohl die Richtung her, wo am Raine das Haus des Meinhardt stand, da kam der Ferge neuerdings in Aufruhr. Der Kohlenschreiber Franz Grassing war noch nicht lange in der Gegend, hatte aber schon seinen Ruf. Einen doppelten. Die wunderlichen Kleider waren zuerst aufgefallen, in denen der aus der Stadt zugereiste Beamte umherging. Er trug sich immer schwarz, hatte an den Sonntagen sogar den hohen Seidenhut auf dem Kopf, und wenn er ihn bei höflichem Gruße abzog, sah man, wie fein sein dunkles Haar geölt, wie reizend es gekräuselt war. Sein ebenso sorgfältig gewundenes Schnurrbärtchen soll sehr zart und weich gewesen sein, wußte mehr als ein Weibsbild zu sagen. Uebrigens kannte man sich an dem Kohlenschreiber nicht recht aus. Wenn er nüchtern war, that er überaus ernst und redete mit Männern unheimlich wenig; wenn er Wein getrunken hatte, schwatzte er manchmal arg viel und krauses Zeug. Da legte er gerne aus, wie verliebt er sei und wie unmöglich die Weiber ihm widerstehen könnten. Dann geschah es auch, daß er betrübt und klagend wurde, weil er die eine, die er meine, immer noch nicht herum hätte, und plötzlich wurde er zornig und schrie gewaltig in die Wirtsstube hinein, daß noch ein Unglück geschehen werde! – Die Leute machten sich über den eitlen, überspannten Menschen lustig, aber nicht alle. – Eben heute, mittags, hatten der Meinhardt und sein Weib des Kohlenschreibers wegen gestritten. Von einem solchen Zorn im Wirtshaus war die Rede gewesen, da hatte die Josefa gesagt: „Wenn er ein heißes Herz hat! Gut für den, der eins hat. Der, wenn er die Rechte findet, ist noch auf gleich zu bringen. Die Dummheiten müßte man ihm freilich abgewöhnen!“

„Na, Respekt!“ hatte hierauf ihr Mann bemerkt, „du kannst den Leuten die Dummheit abgewöhnen!“

„Verkehr’ die Red’ nicht!“ hatte sie scharf zurückgeworfen, „ich hab’ nicht gesagt, die Dummheit, ich hab’ gesagt, die Dummheiten. Die Dummheit kann man niemand abgewöhnen. Die Dummheiten hat schon oft einer sein lassen, wenn das rechte Weib dazugekommen ist!“

„Wolltest es nicht du probieren?“ hatte er giftig entgegnet.

„Wenn ich nicht mehr Glück hätte als bei dir!“ darauf sie.

So hatten sie sich wieder einmal hineingeredet in allen wüsten Herzensgrimm. Des Kohlenschreibers wegen!

Und diesem Menschen eilte Frau Josefa aus dem Hause entgegen, wenn er vorüberging! Beim Brunnen standen sie und plauderten, er sehr artig, sie sehr schneidig, aber doch so voller Munterkeit und Gütigkeit, wie sie zu ihm – dem Ehemann – fast nie mehr war. An den Gauch verschwendete sie all ihre Liebenswürdigkeit, so daß für ihn, den Meinhardt, wenn er von seinem harten Tagwerke heimkam, nichts übrig blieb als Zank und Hader.

Von Marienthal her klang das Glöcklein zum Ave Maria. Der Ferge zog nicht den Hut vom Haupt, er war zu verbittert, um jetzt beten zu können. Das Gebet wollte er sich nicht vergiften. Aber heimgehen wollte er jetzt und ihr einmal gehörig den Standpunkt klar machen, der ihr dem Gatten, dem Ernährer und Beschützer, dem Wahrer der Ehre des Hauses gegenüber gebührte. Und wenn es Trümmer giebt, heute ist ihm alles eins!

Noch untersuchte er das Seil, ob der Kahn wohl gesichert wäre, da schrillte vom jenseitigen Ufer herüber ein Pfiff. Dort stand ein Mann in fahlfarbiger Kleidung, die sich vom Erdboden kaum abhob. Er legte seine hohlen Hände an den Mund und rief wie durch ein Sprachrohr: „Hol’ über!“

Der Ferge legte die hohle Faust ans Auge, die war sein Fernrohr, durch das er den Blick zu schärfen pflegte. Er erkannte sofort den Mann und schrie hinüber: „Heut’ wird nicht mehr gefahren. Es hat Acht geschlagen!“

„Was es geschlagen hat, wirst du später hören. Hol’ nur über!“ So der andere.

„Bleib’ drüben, alter Lump!“ rief der Ferge.

Und der andere: „Aber schau, Brudersmensch, Lumpen können unmöglich herüben bleiben, da im Wald giebt’s kein Wirtshaus!“

„Kannst so wieder den Fahrgroschen nicht zahlen!“

„Hol’ über!“ rief der andere.

Da dachte der Meinhardt: Was soll der arme Teufel denn machen drüben im Walde! Hakte den Kahn los, der glitt über die Wellen hinaus und das Rädchen rasselte am Eisenstrange dahin.

Und drüben stand er, in seinem zerschlissenen Anzug, auf dem Kopf eine alte Zipfelmütze, die einmal bunt gewesen war. Auf schlankem, strickaderigem Halse ein eingetrocknetes Gesicht, ein bartloses und ein zeitloses, denn man wußte nicht, ob es jung oder alt war. Zwischen den sehr engestehenden listigen Aeuglein ragte eine scharfe, geierschnabelähnliche Nase. So stand er da mit verschränkten Armen und gackerte. Denn so war sein Lachen, als er das Fahrzeug mit dem Fährmann herangleiten sah. Bevor dieser noch gelandet, sprang er vom Ufer flink hinein, dem Meinhardt um den Hals fallend, so daß beide wankten und dem Sturze nahe waren.

„Wie?“ lachte er dann dem Fergen ins Gesicht. „Bist du denn nicht glückselig, daß du deinen Klacherl wieder hast, den alten Busenfreund, für den du immer betest, daß ihn der Teufel holen soll? Mußt ein großer Sünder sein, weil dein Gebet noch nicht erhört worden ist!“

„Willst hinüber? Dann laß das Frozeln.“

Der Klacherl ließ es aber nicht. Als sie mitten auf dem reißenden Flusse waren und bei jedem Wellenstoß das Tau wie eine Saite dröhnte, sagte er dem Meinhardt gar süßlich unters Gesicht hinein: „Wenn der Strick jetzt reißt, holt er – derjenige! – [210] uns allzwei beide miteinand? Und für dich ist er am Ende gar nicht einmal angegangen worden!“

„Mir wär’s schon bald einerlei“, brummte der Ferge und stieß das Ruder so heftig ins Wasser, daß der Kahn einen Ruck that und der Klacherl sich noch mit Mühe am Bord festhalten konnte, um nicht überzukippen.

„Man soll ihn nicht an die Wand malen!“ lachte er gixend.

Als sie am andern Ufer waren, blieb der Klacherl hocken auf seinem Brett.

„Na, wird’s?“ sagte der Ferge und bedeutete seinem Passagier, auszusteigen.

Der andere blieb noch immer sitzen, fuhr mit den dürren Händen in seinen Taschen umher – er hatte sie nicht an Stellen, Wo andere sie haben – und fing an, leise zu singen: „Kleingeld hab’ ich keins im Sack …“

„Das weiß ich. Schau, daß du weiterkommst!“

„Wenn du mir wechseln wolltest?“ sagte der Klacherl und zog aus dem Lappen eine Banknote hervor.

Der Meinhardt erschrak fast. Ein Fünfzigguldenschein war’s. Dann fragte er – und die Stimme gab keinen Klang: „Woher hast du den?“

Nun rückte der Klacherl sich auf dem Brette zurecht, als hätte er die Absicht, noch lange in diesem Nachen sitzen zu bleiben; dann hielt er mit beiden Händen das Papier auf, als sei es ein Bild, das man betrachten müsse.

„Woher hast du es?“ fragte der Ferge schärfer.

„Das da? Den da? Denke dir, schöner Wassermann, diesen kaiser-königlichen Reisepaß – weißt du, den hab’ ich von – von –. Na, alter Freund, ich will dich doch lieber anlügen!“

„Das kann ich mir denken, mit der Wahrheit bist du nie verheiratet gewesen!“

„Das schon. Einmal schon. Hab’ mich aber scheiden lassen. ’s ist halt so, die Wahrheit glaubt man unsereinem nicht – alsdann greift man nach und nach zu ’was anderm. – Den da? Wo ich ihn her hab’? Lachen muß ich. Probieren wir’s einmal. Jetzt schau, Meinhardt, heut’ hast du mich herübergeholt. Diesen Fünfziger aber hat mir einer geschickt, dafür, daß ich dich hinüberholen soll.“

„Geschwätz, dummes!“ knurrte der Ferge.

„Also, das glaubst du mir nicht. Na, so wird mir das Trumm Geld halt wer geschenkt haben!“

„Wahrscheinlich!“ lachte der Meinhardt auf.

„Oder ich hab’s gefunden?“

„Sicherlich! Bevor es einer verloren hat!“

„Also auch das nicht. Nachher weiß ich nicht, was wir machen. Kann’s denn nicht auch einmal etwas ganz Unglaubliches geben? Kann ich mir das Geld nicht verdient haben?“

Der Ferge sprang von seinem Sitze auf vor Entrüstung, daß der Vagabund ihm eine solche Mär zu glauben zumutete. Der Klacherl zog ihn wieder aufs Brett. „Mein lieber Freund,“ sagte er, „der Spaß hat immer einmal eine Kehrsumseite, so wie die kleine Klumserkathel, du kennst sie eh, die schaut von hinten aus wie ein junges Dirndl und von vorn wie ein altes Weib. Du wirst höllisch große Augen machen, Kamerad, vor dem alten Weib, das bei meinem Spaß auf der Kehrsumseite dran ist. Es wird zwar schon finster, aber wir zwei müssen heut’ noch lang’ miteinander reden. Hast Zeit? Versäumst zu Haus?“

„Oh nein,“ antwortete der Ferge zerstreut. Es that fast wohl, daß der Schwätzer ihm die bitteren Empfindungen einlullte.

„Also, Meinhardt,“ fuhr der Klacherl fort, „ich hab’ dich angelogen und du hast nichts geglaubt. Das ist ganz in Ordnung. Fürs erste: ich hab’ mein Lebtag viel probiert, aber verdient hab’ ich mir noch wenig. Beim Wegschuttführen bin ich krank worden, beim Bauarbeiten bin ich durchgegangen, beim Erzgraben hat mich der Aufseher verjagt. Das war mein Glück, sonst hätt’ ich mich noch weiß Gott wie lang’ schinden müssen bei der dummen Arbeit. – Fürs zweite: ich bettle alle Leut’ an, immer einmal giebt’s einen Kreuzer, immer einmal ein Stückel Brot, immer einmal eine Auszeichnung mit dem Stiefelabsatz, aber so ein Pflaster, wie das da, hat mir noch keiner geschenkt. – Fürs dritte: suchen thu’ ich immerfort, hab’ mein Glück schon überall gesucht. Die Straßen sind mit Schotter und Dreck gepflastert, aber nicht mit Banknoten. So ein Pflaster, sagt der Wegmacher, thäten die Handwerksburschen aufreißen!“

Der Kahn war am Pflock befestigt worden und schaukelte leicht die beiden Männer, die drin saßen. Der Meinhardt starrte in die Wellen, an denen das Abendrot in allerlei Gestalten zuckte, in Schlangen, in Blitzen und Zacken, in lodernden Herzen und Blutlachen …

Da zog der Klacherl seine Mütze über die Ohren nieder und klapperte mit den ausgedörrten Stiefeln auf den Dielen des Kahnes. Dann that er einen liefen Atemzug und sagte: „Ja, mein lieber Kapitän, so geht’s! – Daß du mich heut’ herübergeholt hast, ist doch gut gewesen. Sonst könnten wir jetzt nicht so gemütlich beisammensitzen. Du magst mich zwar nicht, obschon wir auf der Schulbank gut Freund gewesen sind. Da könnt’ der Kösten-Klacherl freilich lang’ laufen, bis er einen einholen thät, der ihn mag! – Aber schau, Meinhardt, ich wollte dir ja was sagen. Du hast mir die Lügen nicht geglaubt, jetzt die Wahrheit wirst du mir noch viel weniger glauben wollen. Wie ich zum Geld gekommen bin? Soll ich dir was erzählen? Versäumst zu Haus?“

Diese Frage zum zweitenmal schien dem Fergen nicht ganz unabsichtlich zu sein. Nun dachte er: Jetzt ist sie sicherlich allein im Hause. Sie soll nur warten auf mich. Vielleicht fällt’s ihr ein, daß einem Ueberführer beim Wasser auch einmal was geschehen könnte. Ein bissel Angst mag ihr nicht schaden.

„Na also, Admiral, soll ich?“

Da fuhr er ihn an: „Weißt was, so red’ nicht lang’ um und sag’s!“

Sie blieben sitzen im schaukelnden Kahn. Am Himmel blinkten schon Sterne und der Fluß, der am Tage so still dahinzuwogen schien, rauschte jetzt. Aber ganz dumpf, so daß man den Klacherl wohl verstehen konnte, so leise er auch sprach.

„Du weißt, wo ich jetzt logier’,“ so hub er an. „Unter der Moosbachwand im Rehhüttel. Gewiß auch noch, wo der Jäger im Winter das Heu hat zum Rehfüttern. Jetzt im Sommer ist die Wohnung frei, so bin ich eingezogen. Daß ich einen Platz hab’ für meinen Buckelkorb; alleweil kann ihn der Mensch nicht auf dem Buckel tragen, sonst möcht’ er am End’ anwachsen. Und denk dir, gestern abends, wie ich heimkomm’ vom Tagwerk – auf der Schwaigeralm bin ich gewesen betteln, weil dort die Weiberleut’ noch Religion und Buttermilch haben – wie ich also heimkomm’, find’ ich was in meinem Korb. So ein kleines Pakel, in ein rotes Schnupftüchel gewickelt. Deuxel, denk ich mir anfangs, wer schenkt denn mir eine Tabakspfeife! Es ist aber was anderes gewesen. Rate einmal, Schiffskapitän, was es gewesen ist! Willst nicht? Nachher sag’ ich dir’s auch so. Ein Revolverl ist’s gewesen, ein sechsläufiges! Bumfest geladen alle sechs, und extra noch ein Dutzend Patronen in der Schachtel. Hau, denk ich, soll das eine Anspielung sein? – Wenn du nicht glaubst, Ferge, so greif’! Da drinnen hab’ ich das Instrumentel!“ – Er schlug die Jacke auseinander, so daß durch das zerrissene Unterfutter der lose niederhängende Sack hervortrat, in welchem ein schweres Ding pendelte.

„Jetzt, mein lieber Meinhardt, sitzen wir noch ganz gemütlich beisammen,“ fuhr der Vagabund in zärtlich singendem Tone fort, „wenn’s nur anhält! Du bist als gebildeter Mensch sicherlich nervös. Nachher wird’s bald ein Wetter geben!“

„Geh, geh, Klacherl, thu’ dich nicht so auseinander!“ sagte der Ferge lachend. „Daß man sich etwa fürchten soll vor dir! Deine Kurasch’ kenne ich von der Schulzeit her!“

„Du, wer weiß!“ spitzte der andere auf. „Von hinten! Und wenn einer dafür gezahlt wird! Du mußt mich ausreden lassen. Wie ich die Patronenschachtel untersuch’, ob nicht doch etwan auch was Brauchbares drinnen wär’, ist ein Briefel vorhanden, ein gut zusammengelegtes, und ist die Banknote da! – Erschrocken bin ich dir nicht schlecht. Im Eisenwerk beim Zahlmeister hab’ ich einmal so einen gesehen, danach hab’ ich ihn erkannt, den gnädigen Herrn Fünfziger. Und jetzt die Schenkungsurkunde. Bin neugierig gewesen, was auf dem Briefel steht. Bist du’s nicht auch? Nicht? Sollst aber doch. Steht auch von dir was drin. Schau, ich bin ein ordentlicher Mensch und hab’s bei mir!“

Er suchte eine Weile in seinen Taschen, und schon glaubte er, sein Eigenlob zurücknehmen zu müssen, da hatte er’s. – „Licht, wenn du hättest. Ein Ferge soll immer die Latern’ mithaben, weil man nie wissen kann, ob nicht bei der Nacht ein wichtiger Brief zu lesen ist.“

[211] Halb willenlos, fast im Banne des Schwätzers, hatte der Meinhardt sein Streichholzbüchschen hervorgethan. Bald staken im roten Licht die beiden Köpfe beisammen und lasen den Brief. Der war ganz schlecht und spießig mit Bleistift geschrieben, und so stand’s zu lesen:

 „Lieber Johann Klacherl!

Ich kenne Dich, Du mich nicht, und wirst Dich wundern über den Glücksfall. Da hast fünfzig Gulden, die gehören Dein, wenn Du binnen acht Tagen den Fergen Sebastian Meinhardt –“ Das Streichhölzchen brannte dem Genannten an den Fingern, er mußte es wegwerfen und ein neues anzünden. Dann lasen sie weiter: „– den Fergen Sebastian Meinhardt totmachest, so bekommst Du auf demselben Weg das Doppelte. Ich weiß, wir können uns aufeinander verlassen. Ein schwer leidender Freund.“     

Und das stand auf diesem Papier!

Der Meinhardt war nicht aufgesprungen, er saß gelassen da und sagte: „Mir scheint, man spielt mit mir eine Komödie!“

„Glaubst du, daß es eine Fopperei ist?“ fragte der andere. „Freund, ich laß mich foppen!“ Den Geldschein hob er in die Lüfte: „Diesen Aufsitzer laß ich mir gefallen, allemal!“

Nachdenklich sagte der Meinhardt: „Johann! Ein Haderlump bist du, das weiß jeder in ganz Marienthal. Aber daß du schlecht sein solltest! So schlecht, daß dir jemand im Ernst so etwas zutrauen sollte können!“

Der Klacherl langte so ein wenig in die Gegend des Sackes, in dem er den Revolver hatte, und sagte in seiner singenden Weise: „Scharf geladen – alle sechs. Das Doppelte, schreibt er! – Meiner Seel’, Schiffskapitän, heut’ wär’ ein Abend zum Geldverdienen!“

Der Meinhardt lachte. „Das macht mir keine Sorge!“ Nach diesen Worten war der Klacherl ganz still, ganz bewegungslos. Dann tastete er tölpisch nach der Hand des Fergen und holperte die Worte hervor: „Dank dir’s Gott, Schulkamerad!“

Der Meinhardt verstand ihn wohl, diesen Dank des Verkommenen, Verachteten, den Dank dafür, daß es noch einen Menschen gab, der ihm das Schlimmste nicht zumutete.

„Aber was anderes, mein Lieber!“ setzte sich der Meinhardt fort. „Sei so gut und zeig’ ihn her noch einmal.“

Bei dem Brande eines weiteren Streichholzes betrachtete er den Brief. Die Schrift war absichtlich entstellt, das mußte jeder sehen. Eine Frauenschrift konnte es nicht sein, nein, nein. Zwar heißt es, daß eine Schrift, die mit dem Daumen und dem kleinen Finger der linken Hand geschrieben wird, nicht zu erkennen sei. Und die Weiber sind findig. Falsch sind sie alle. Besonders, wenn das Plangen nach einem schlechten Mannsbild dazukommt. – Aber das ist ja abscheulich, wie ich von meinem Weib denke! so weckte er sich selbst auf. – Doch er – der andere!

„Hast du ein Lichtl, wer dir die Sachen zugeschickt hat?“ fragte er den Klacherl.

Dieser zuckte die Achseln und antwortete: „Ganz finster.“

„Hast du nichts gehört, daß wer eine Feindschaft gegen mich hätte?“

Wieder ein Achselzucken. Dann: „Wer hätte denn keinen Feind? In solchem Besitz ist sogar der arme Klacherl, der sein Lebtag niemand was Gutes gethan hat!“

„Du meinst, niemand was Böses!“

„Freund, merk’ dir das: die meisten Feinde schafft man sich durch Gutheit!“

Auf den Kopf gefallen ist er nicht, der Klacherl. Und ganz schlecht? Halt auch ein Mensch, wie die meisten anderen.

Dem Meinhardt war nun aber das wehe Herz überquellend geworden. „Johann,“ sagte er, „ich hab’ einen Verdacht. – Kennst du den Kohlenschreiber Grassing?“

„Den Halbteppen?“

„Du, pass’ auf, ob der nicht abgefeimter ist als wir allmiteinander! Kennst du ihn?“

„Natürlich, den Herrn Grassing! Hat mir erst am vorigen Sonntag beim Fasselwirt vorgeweint wie ein kleines Kind!“

„Geweint hat er? Warum denn lauter?“

„Das hat er wahrscheinlich selber nicht gewußt. Wegen der Lieb’, hat er gesagt. Dummheiten! Einen Rausch hat er gehabt. Ein Unglück thät geschehen, hat er geschrien und mit der Faust auf den Tisch geschlagen, daß alle gelacht haben.“

„Johann,“ sagte der Ferge, „der Grassing hat dir den Revolver geschickt!“ Der Vagabund klatschte die Hände zusammen.

„Das wär’ noch schöner!“

„Der will mich totmachen lassen, damit er mein Weib heiraten kann.“

„Dein Weib möcht’ er haben? Und da soll ich ein bissel kuppeln? Mit dem Revolverl da? Schau, du? – Aber zahlen könnt’ er. Brauchet mich mit dem Doppelten auch nicht zufrieden zu geben. Müßt’ nachher schwitzen, so viel ich verlanget. Und wenn er dein Weiberl schon einmal gar so gern hat, da muß man doch Mittel machen, mein Mensch! – Und meinst, daß auch sie gern eine Veränderung hätt’?“

„Weiß nicht, ob sie nicht dahintersteckt!“

„So!“ sagte der Klacherl. „Verdacht hast. So, so.“

„Das will ich nicht sagen!“ rief der Meinhardt und sprang ans Ufer. „Aber wissen möcht’ ich’s! Das möcht’ ich doch wissen, wer mich umbringen lassen will!“

„Natürlich, das weiß der Mensch allemal gern,“ sagte der Klacherl, stieg ihm nach, faßte mit beiden Händen seinen Arm und zischelte ihm zu: „Du, hörst, jetzt ist dem schlechten Haderlumpen was eingefallen. Wenn du dir raten läßt von deinem alten Kameraden, so sei morgen früh tot. Mausetot, gewiß auch noch! Es ist das Allerbeste!“

Der Ferge riß sich los.

„Du hast mich nicht verstanden, Kapitän!“ setzte der Vagabund bei. „Hast denn gar nicht ein bissel Geist? Siehst du, und mit dem erscheinst du ihnen nachher, wie sie beisammen sind. Dann kannst sie beim Schopf fassen. He!“

Absonderlich, wie es jetzt aufblitzte im Kopfe des Fergen. Der Gram war nur so hingepurzelt und die übermütige Abenteuerlust reckte keck ihr Haupt auf. War er denn nicht auch einmal ein verfluchter Kerl gewesen? Wie tolllustig in den Knabenjahren, wenn er auf Baumwipfeln von einem zum andern sprang wie eine Wildkatze, oder wenn er im Wettersturm auf halbgeborstenem Kahn über den See fuhr! Vor Jahren war’s gewesen, als der Erzherzog über Land reiste, daß die Marienthaler ihm zu Ehren das Ritterschauspiel von der Pfalzgräfin Genoveva veranstaltet hatten. Da erkrankte am vorletzten Tage der Mann, der die Rolle des Siegfried geben sollte. Der junge Meinhardt wagte es, sprang ein und spielte den Siegfried mit glänzendem Erfolg. So verwegen wie damals kam er sich auch jetzt vor. Es war ihm, als ob er kühn und trotzig seine Seele ins Spiel werfen sollte, um sie zu gewinnen oder zu verlieren. Aber bevor er das, was plötzlich in ihm wirbelte, zum Ausdruck bringen konnte, streckte der Klacherl seinen Arm in die Luft – ein Doppelblitz und ein Doppelknall – der hier blendend und schmetternd an die Sinne und dort drüben an die finsteren Berge schlug.

„So, mein lieber Meinhardt, jetzt bist du hin!“ sagte der Vagabund, und der Ferge verstand ihn. Die Entschlossenheit der Willensschwachen kam über Meinhardt, er war entschlossen, mit sich thun zu lassen, was der andere wollte. Dann standen sie beisammen bei den Erlbüschen und redeten leise miteinander. Nur einmal rief der Meinhardt lebhafter: „Du bist doch ein durchtriebenes Band!“

„Auf mich verlaß dich! Gieb nur acht, daß du dich nicht vergackelst!“

„Aber ein Frevel ist’s! Ein abscheulicher Frevel!“

„Wieso denn? Wir thun doch nichts. Sie machen ja alles selber, wirst es sehen,“ sagte der Klacherl. „Jetzt wollen wir halt übers Wasser fahren allzwei, denn daherüben auf der Marienthalerseiten ist für Tote kein gesunder Aufenthalt. Du sollst derweil mein Gast sein im Rehhüttel oben. Mach’ die Nußschale flott, ich bin bald wieder da!“ Und dann huschte der Schelm durch das Gebüsch hinauf und die Straße dahin bis zum Wirtshaus, um Brot und Rauchfleisch zu kaufen. Sie wunderten sich, daß er Geld hatte; er antwortete, es wäre ein Glücksfall eingetreten. Endlich kam er wieder zurück zur Furt. Schweigend und eilig setzten sie sich in den Kahn und fuhren ans andere Ufer. Der Strang schrillte unheimlich laut. Das soll er ja nicht! Den Fergen schauerte. Als sie drüben ausgestiegen waren, stieß der Klacherl mit einem Fußtritt den Kahn los, dieser glitt hinaus bis in die Mitte des Flußes, dort blieb er hängen und schaukelte hin und her auf dem wogenden Wasser. Ueber den Hügeln der Marienthaler Seite alles dunkel. Nur in einem einzigen Fensterlein glomm eine trübrote Glut …

[248]
2.

Am nächsten Tage war die ganze Gegend in Aufruhr. Hundert Beine liefen, um die Neuigkeit zu verbreiten, und weil die Leute nicht glauben konnten, so eilten sie herbei, um zu sehen. Der Ferge Meinhardt war erschossen worden. Der Kahn schaukelte, am Strange hängend, mitten im Flusse. Soviel man von den Ufern aus sah, war er leer. Man konnte lange nicht zu ihm, es wurde ein Notfloß gezimmert, doch bei dem hohen Wassergang wagte sich niemand dran. Endlich war der Wehrhauptmann von Ottenstein da, der konnte schwimmen und brachte den Kahn ans Land. Ein blaues Sacktuch lag unter dem Sitzbrett und mehrere angebrannte Streichhölzer. Der Ferge mußte spät abends noch eine nötige Ueberfahrt gehabt haben. Dann war er getroffen ins Wasser gestürzt und davongetragen worden. Mehrere Leute wollten abends zuvor vom Flusse her einen Schuß gehört haben.

Meinhardts Weib, Frau Josefa, eilte ganz verstört am Ufer auf und ab, durch Stauden und Gestrüpp dahin. Manchmal blieb sie stehen und rief den Namen ihres Mannes. Dumpf und fremd klang ihre Stimme – unheimlich. Man wollte sie anhalten und zu beruhigen suchen, sie riß sich los, lief dahin und schrie nach ihrem Manne. Die ganze vorhergehende Nacht hatte sie kein Auge geschlossen. In der ersten Hälfte, wie sie angab, aus Zorn, daß er so lange ausbleibe, in der zweiten aus Angst, daß ihm etwas geschehen sein könnte. Als der Morgenstern kam, sei sie zum Fluß hinabgegangen, und wie sie mitten auf dem Wasser den Kahn gesehen, habe sie’s gleich geahnt. – Die den Schuß gehört, mußten immer wieder davon erzählen, man wollte wissen, es seien zwei oder drei Schüsse gewesen, knapp nacheinander, sie hätten auch den Feuerschein gesehen. Es wäre wahrscheinlich so gewesen: der Meinhardt hätte verspätete Holzleute hinüberzuführen gehabt. Auf der Rückfahrt habe er aus irgend einem Grund Licht gemacht, und bei diesem Scheine sei vom Ufer aus auf ihn angelegt worden. Die wilde, heiße Frage aller war: Wer hat’s gethan? – Frau Josefa wurde endlich von ihren einsamen Streifungen durch die Au zurückgeholt und befragt, ob sie irgend eine Ahnung, einen Verdacht habe. – „Mein Gott, nein! Er hat ja keinen Feind gehabt!“ Aber als sie das letzte Wort sprach, war’s, als zuckte sie leicht zusammen. – Sollte es ein Raubmord gewesen sein? Da trat der Straßenwirt vor. Mit den Ellbogen grub er sich eine Gasse durch den Menschenknäuel, bis mitten hinein. Und als er drinnen war, schwenkte er den Hut und rief: „Aufgepaßt! Ich weiß was! Der Vagabund hat’s gethan, der Klacherl! Der ist gestern spät abends in meinem Haus gewesen. Ganz aufgeregt, eilig hat er’s gehabt. Nichts getrunken, ein Stück Brot, ein Trumm Fleisch und fort damit. Auch Geld hat er gehabt, viel Geld. Der Klacherl hat ihn umgebracht.“

Zur selben Zeit, als in Marienthal dieses Wort fiel, war es auch drüben im Eisenwerk lebendig geworden, und bald durchflog es kreuz und krumm die Gegend, vom Flußufer an bis hinauf zu den Bergspitzen. Landwächter strichen umher und spähten nach den Spuren des Mörders, während im unteren Gelände an den Flußufern nach der Leiche gefahndet wurde.

Hinten im Gebirgsgraben, an der Moosbachwand, war schon am frühen Morgen ein Mann laufend geworden, den es im Rehhüttel nicht länger bleiben ließ. Der Klacherl jedoch lag auf seinem Moosheu bis lange in den Tag hinein. Dann stand er etwas schwerfällig auf, rieb sich mit taufeuchten Kräutern, die unter der schattigen Wand wucherten, Gesicht und Hände, weil Wasser nicht vorhanden war. Er fand, daß dieses Waschen mit wohlriechenden Gewächsen ganz köstlich sei und daß er überhaupt ein beneidenswertes Leben führe. In dieser Wohlstimmung verzehrte er den Rest des gestrigen Abendmahles, dann ging er in die Schlucht hinauf und aß Sauerklee. Der ist gegen den Durst. Und hernach begann er auf den Höhen so herumzustreichen und darüber nachzudenken, ob sein guter Revolver sich nicht auch für Jagdzwecke eignen sollte. Als er nachher über den Schlag ging, wo Holzknechte arbeiteten, hörte er plötzlich rufen: „Da ist er! Festhalten, den Galgenstrick!“

Da auch das Wort Mörder fiel, ahnte der Klacherl, was das bedeutete, und hub an zu laufen. Ueber Stock und Strupp hin, über gefällte Bäume, dort und da mit seinem zerfetzten Rock hängend, sich losreißend, weiter, weiter. Wo er fiel, da nahm er sich nicht Zeit zum Aufstehen, kugelte auf dem Boden weiter, bis er doch wieder an Blöcke stieß, über die gehüpft werden mußte. Hinter ihm drein die Holzknechte, auch nicht ungeschickt im Laufen; immer näher kamen ihm ihre krachenden Sprünge. – Wenn sie dich erwischen, Klacherl, eh’ der andere von den Toten aufersteht, so erschlagen sie dich. Das konnte er sich noch vorhalten, dann – mitten im abgeschlagenen Astwerk – stürzt er wieder zu Boden, tief ins Reisig. Dort blieb er liegen, ganz unbeweglich, und die Verfolger, die ihn aus den Augen verloren hatten, über ihn hin und davon. Erst nach längerer Zeit wagte es der Klacherl, vorsichtig zuerst sein Haupt, allmählich den ganzen Kerl zu erheben. Und als er merkte, die Luft sei rein, huschte er nach der andern Seite in den finsterbewaldeten Graben hinab. – Es ist ein rechtes Hochgefühl, einen Menschen gerettet zu haben, besonders, wenn man dieser Mensch selber ist.

Nach Verabredung galt es, erst am zweitnächsten Tag ins Thal hinaus zu gehen. So mußte er sich jetzt in der Wildnis die Zeit vertreiben. Da gab es jählings eine ganz unerwartete Unterhaltung. Als der Klacherl über den Fußsteig eilen wollte, dessen knorriges Baumwurzelgeflecht treppenartig den Berg anstieg und der in die hinteren Waldeinsamkeiten leitete, nur von Wurzelgräbern, Ameisbeutern und Jägern begangen, sah er zuerst im Heidekraut die „schwarze Butten“ liegen, den Seidenhut. Gleich daneben kauerte über einer Wurzel, wie hingestolpert, der Kohlenschreiber aus dem Eisenwerk. Der Klacherl erkannte ihn sofort und dachte: Wenn es so ist, wie der Ferge meint, so brauch’ ich mich vor diesem Herrn nicht zu fürchten. Der Kohlenschreiber jedoch schien in Nöten zu sein. Er war fast betäubt, wollte sich aufrichten, aber sein Oberkörper fand das Gleichgewicht nicht und sein Haupt baumelte auf die Brust nieder. Sein Gesicht war bleich wie Lehm, an der Stirn hingen Tropfen. In diesen Dingen hatte der Klacherl einen guten Scharfblick: das waren die Nachwehen des Wirtshauses. – Der hat sein Gewissen ersäufen wollen, dachte er, will just einmal versuchen, ob’s schon hin ist.

Der Vagabund setzte sich auf die braunen Baumwurzeln, ganz nahe zum Kohlenschreiber, hing seinen Arm in dessen Ellbogen und sagte sehr teilnehmend: „Ist Ihnen übel, Herr Grassing?“

Zuerst zuckte er ein, der Schreiber, und wollte aufspringen, als er sich in der engsten Nachbarschaft dieses Gesellen sah. Dagegen aber wirkten zwei Gründe, erstens der Schwindel in seinem Kopf, zweitens der Arm im Ellbogen.

„Hol’ dich der –“. Das war alles, was der Schreiber sagte.

„Ich kann Ihnen den Weg ersparen, Herr Grassing,“ sagte der Klacherl freundlich, denn freundlich war der immer. „Sie wollten gewiß zu mir hinauf in die Rehhütte. Das ist ein verdammter Berg; ohne Umstände, Sie können mich gleich jetzt entlohnen. Es ist alles nach Wunsch geschehen.“

Da fuhr der andere wild auf: „Wer sagt das? Wer weiß mir was Schlechtes?“

Aha, dachte der Vagabund, wir sind schon beim Richtigen. Er wollte gleich schärfer anpacken, da bekam der Kohlenschreiber einen Krampfanfall. Er stand ihm bei, trocknete ihm mit zerfasertem Aermling die Stirn, und als es vorüber war, sagte er: „Ich kenn’s, ich kenn’s, das ist ein Giftmischer, dieser Fasselwirt. Den sollt’ man aufhenken. Richtig, weil wir schon davon reden, was ich sagen wollt’: das Doppelte bekomme ich. Sie wissen schon.“

„Weiß von nichts!“ stöhnte der andere, „nichts, hab’ Ihnen nichts geschickt, nichts, nichts!“

„Na, weil Sie sich nur daran erinnern,“ versetzte der Klacherl gemütlich, „ich hab’s ja gewußt, daß man sich verlassen kann auf den Herrn Grassing.“

„Los laß mich, Teufel!“ knirschte der Schreiber und wollte sich entwinden. Der Vagabund hielt ihn krampfig fest, und mit einer ganz andern Stimme, als vorhin, flüsterte er: „Es nützt dir nichts, mein Lieber! Ich weiß, wo du den Revolver her [250] hast, wo du die Patronen gekauft hast, und deine Schrift kennt man an jedem Strich. Mach’ was du willst, mir kommst nimmer aus. Das Gescheiteste ist, du lohnst mich ab und nachher soll von mir aus kein Mensch was erfahren, mein Ehrenwort drauf!“

„Sein Ehrenwort!“ stöhnte der Schreiber unter einem grellen Auflachen. Dann fuhr er mit unsicherer Hand in seinen Rocksack, zog eine Brieftasche hervor: „Es ist alles, was ich hab’! Es ist gebüßt genug, und jetzt laß mich in Frieden!“

Der Vagabund erfaßte die Brieftasche, riß sich los und lief eiligst davon. Er lief in das Dunkel des Waldes hinein, und dort, wo es am dunkelsten war, im Dickicht, das mit seinem Gezweige ihm die Fetzen noch lockerer riß und das Gesicht zerkratzte, blieb er stehen, öffnete das Ledertäschchen und fand fünfunddreißig Gulden Geld drin.

Es ist alles, was er hat! –

Für den einen der Buße zu wenig, für den andern des Lohnes zu viel – wie? War das dem Klacherl eingefallen?

Nun war’s aber Zeit fürs Mittagsmahl. Die Sonne war schon auf ihr nachmittägiges Feld gerückt, wo sie sich jetzt in eine bleigraue Dunstschicht vergrub. Hohe Herren mahlzeiten spät, und der Klacherl ist jetzt einer. Morgen, wenn der Ferge herfürgegangen ist, kann er im Wirtshaus sitzen, im Extrastübel. Der Meinhardt könnte wohl heut’ schon auferstehen, denn der Zweck ist erreicht. Der Mordanstifter ist entdeckt und über das Ehrenwort wird auch noch hinwegzukommen sein. Nun, jetzt einmal zur Tafel! Dort drüben am baumlosen Bergabhang gab es Heidelbeeren und zum Nachtisch Erdbeeren. Als der Klacherl sich also geatzt hatte, ging er hinab zum Pfränger, wo ein Heuschober stand. Er hob ein Brett aus, kroch hinein und legte sich aufs Heu. „Aah!“ sagte er und streckte sich behaglich aus, „’s ist doch eine prächtige Welt, wenn der Mensch ein gutes Gewissen und einen Sack voll Geld hat!“

Die süße Ruhe wurde unliebsam gestört. Zwei Landwächter mit Büchsen und Säbel waren da, packten den Vagabunden bei den Beinen und zerrten ihn durchs Bretterloch hinaus ins Freie. Der Klacherl versicherte seine Unschuld, da fanden sie bei ihm die Geldtasche und den Revolver. Er beteuerte, den Fergen nicht erschossen zu haben, und wollte zum Beweise dessen ihn lebendig und gesund zum Vorschein bringen, sie sollten ihm nur ein bissel Zeit lassen. Aber die Landwächter waren hart wie Kieselsteine, sie banden ihm die Hände kreuzweis, sie führten ihn zu Thal und dem Wasser entlang bis zur Brücke, die ein paar Kilometer unterhalb der Kahnfurt hinüberleitete nach dem Dorfe Marienthal. Auf der Brücke begegneten ihnen Leute, die lustig ausriefen: „Habt ihr ihn? Gut. Wir haben ihn auch, den Meinhardt. Wir können nur noch nicht dazu, unten bei der Rieselwehr ist er angeschwemmt, mitten im Wasser eingeklemmt zwischen Weidenwurzeln.“

Jetzt wurde dem Klacherl aber wirklich übel! – Wenn der mir das angethan hätt’, der Lump, daß er ins Wasser ’gangen wär’! Weiß der Narr nicht, daß ich dann gehenkt werde? … Mehr konnte der Klacherl nicht denken, er purzelte schon zusammen. Als die Ohnmacht vorüber war, fand er sich auf dem Stroh im Kotter.


3.

Es ist schon gesagt worden, daß in der Morgenfrühe desselben Tages der Ferge Meinhardt die Rehhütte unter der Felswand verlassen hatte. Dann irrte er im Gebirge umher und wußte nicht, was er thun sollte. Die gestrige Absicht, sein Weib glauben zu machen, daß er verunglückt oder ermordet worden wäre, kam ihm jetzt unbegreiflich dumm vor. Wo soll’s denn jetzt hinaus? Wie sollte er sich denn rechtfertigen, über die Nacht ausgeblieben zu sein? Da hatte er auf jeden Fall gerade das Unsinnigste erreicht. Wenn sie ihn liebte, dann litt sie über sein Ausbleiben, wenn sie ihm untreu war, dann freute sie sich desselben.

Als er durch die Schlucht thalwärts ging auf dem ausgetrockneten steinigen Bachbett, das um diese Zeit als Fußweg benutzt wurde, begegnete ihm ein Knabe, der in einem Rückenkorb Mehl und Salz zu den Almhütten hinauftrug. Der rief ihm statt des Grußes zu: „Wißt Ihr’s schon? Den Fergen Meinhardt haben sie erschossen.“

Also doch! Es hatte doch gezündet. Aber die Nachricht hatte ihn selbst so erschreckt, daß seine Knie zu zittern begannen. Sein Weib! Wie wird ihr sein! Kann einer seinem Weib mit Bedacht diesen Schrecken, diesen Schmerz anthun? Kann ein Mensch so schlecht sein? Und der Hund verlangt, daß sie ihn lieben soll? – Eilends nach Hause und vor ihr auf die Knie! –

Als er hinaus ins Thal kam und schon den Fluß sah, mußte er sich hinter einer Fichte verbergen. Der Kahn war freilich jetzt auf dieser Seite herüben, aber Leute standen dabei, beschauten die Stelle, besprachen den Mord und ergingen sich in allerhand Mutmaßungen. Wie konnte der Meinhardt da vortreten? Was konnte er sagen? Seine Erfindungsgabe hatte ihn ganz und gar verlassen, nicht die geringste Ausrede oder Beschönigung fiel ihm ein – er hätte rundweg gestehen müssen: Ihr Leute, es war eine erbärmliche Komödie!

Er zog sich zurück in den Wald und stieg auf eine kleine Felswand, die wie eine Schloßruine über den Bäumen aufragte. Hier ward er nicht gesehen und konnte in die Gegend hinausblicken, die mit dem schönen Flusse, mit ihren Hügeln und Höfen so freundlich dalag. Dort drüben am langen Rain, der sich auf halber Höhe eines Hügels mit Obstbäumen und einzelnen Höfen bestanden hinzog – in Luftlinie kaum zwei Kilometer vom Beschauer entfernt – stand sein kleines Haus. So heimlich und friedsam stand es unter dem Lindenbaum, daß man meinte, es könne nichts drin wohnen als Liebe und Glück. Er strengte sein Auge an, ob er niemand sehe.

Linkerhand in der Niederung lag das Dorf mit dem schlanken Kirchturm. Und auf einmal begann es von diesem Kirchturm her zu klingen. Zarte, getragene Töne, wie ein Saitenspiel in der Luft. Es läuteten alle Glocken, und nun hat es der Ferge erfahren, wie das ist, wenn man sein eigenes Totengeläute hört. – Mein Weib, mein Weib! fortwährend schrie es so in ihm und er hatte mit ihr ein so großes Mitleid, als ob ihr einziger lieber Mensch auf der Welt wirklich gestorben wäre.

Allmählich wurde es Abend. Der Himmel hatte sich matt umzogen, die Luft war schwül zum Ersticken. Als die Dunkelheit eingetreten war, stieg er hinab zum Flusse, band den Kahn los und fuhr hinüber. Zwischen den Erlen stand er eine Weile und lauerte, ob oben auf der Straße niemand ging. Er konnte keinem Menschen begegnen. Was sollte er jetzt bei seinem Hause? Es war doch ganz undenkbar, daß er so in der Nacht plötzlich eintreten konnte. Er wollte nur in ihrer Nähe sein, vielleicht im Kuhstall, oder auf dem Strohboden die Nacht zubringen. Morgen dann –. Nein, er wußte noch nicht, was morgen sein werde.

Am Wiesenrande schlich er hinan. Es war so finster, daß er an die Zaunpfähle stieß. Manchmal glomm ein mattes Wetterleuchten. Und bei einem solchen war’s, als huschte dort am Rain der Kohlenschreiber. Augenblicklich weckte dieses Gesicht – so verschwommen es auch gewesen – in dem Fergen die böse Seele. Er hastete seinem Hause zu, dort wollte er lauern. In der Stube ist Lichtschein. Sie schläft nicht. Auf wen wartet sie, wenn der Gatte tot ist? Außen an der hinteren Wand stand eine Obstpresse. Auf diese sprang er behendig, lautlos wie eine Katze. Jetzt kauerte er beim offenen Fenster, dessen roter Vorhang nur zum Teile zugezogen war, und lugte hinein. – Auf dem Schubschranke stand das kleine messingene Kruzifix, welches sonst nur zu den heiligen Tagen aus dem Kasten genommen wurde. Daneben brannte ein roter Wachsstock, der schon früher einmal beim Tode ihrer Mutter angezündet worden war. Und davor saß die Frau Josefa, stützte das Haupt auf die Hand und war unbeweglich. Vor ihr auf dem Schranke lag ein Bildchen. An ihrem Hochzeitstage hatten sie sich photographieren lassen. Sie klammerte die Finger der beiden Hände aneinander, legte ihre Stirn daran und schüttelte den Kopf, als wollte sie sagen: Es ist nicht möglich, es ist nicht möglich! – In dieser Stellung blieb sie lange und er sah ihr zu. Endlich hub sie an leise zu weinen. Im Vorhause knarrte die Thür, Josefa sprang auf und sagte zweimal laut aber ruhig: „Er ist es!“ Bald darauf trat die alte Magd in die Stube, in ihrer mit der Schürze bedeckten Hand ein Papier haltend. Sie berichtete, daß noch so spät der Gemeindediener da gewesen sei und den Steuerbogen gebracht habe. Dann hätte der Bote auch gesagt, daß er aufgefunden worden wäre.

„Wer ist aufgefunden worden?“ fragte Frau Josefa.

„Nun halt – hat er gesagt, der Diener, unten bei der Rieselwehr – unserer – der Herr – –“

[251] So stotterte die Magd, aber Frau Josefa unterbrach sie: „Das ist nicht wahr!“

„Und läßt der Gemeindevorstand fragen – wann das Begräbnis sein soll?“

„Laßt mich in Frieden, es ist ja nicht wahr, es kann doch nicht wahr sein, mein Gott!“ Damit brach sie wieder in Weinen aus. Die Magd zog sich zurück in die Küche, das Weib ging mit gerungenen Händen in der Stube auf und ab und schluchzte und schluchzte.

Der Meinhardt auf dem Preßschragen konnte es kaum mehr aushalten. Er sann nur nach, wie es anzufangen sei, daß der plötzliche Schreck ob seiner Erscheinung ihr nicht schade. Da wurde im Vorhause wieder etwas gehört. Ganz sachte ging die Thür auf und – der Kohlenschreiber war da. Er blieb an der Thür stehen und sah aus wie ein Gespenst, so totenblaß, so unheimlich verstört. „Ihr seid,“ flüsterte er, „an diesem Tag allein!“

„Und will es bleiben,“ gab sie derb zurück.

„Ich komme nur,“ stotterte er, „weil ich mir nimmer zu helfen weiß, nimmer anders. Hab’s ja schon gesagt, Frau Josefa, wie ergeben ich Euch bin ….“

„Und ich hab’ Ihm gesagt, daß Er mich in Ruh’ lassen soll!“

„Gewiß, ich hab’s respektiert. Solang’ er lebt, habt Ihr gesagt, keinen andern. Und das ist die Ursache gewesen ….“

„Sali!“ diesen grellen Schrei stieß das Weib nach der Magd aus.

Die herbeieilende Magd hielt gerade den Besen, mit dem sie zum Abend die Küche zu scheuern pflegte. Diesen riß ihr Frau Josefa aus der Hand und hieb ihn dem Schreiber um den Kopf. Der Geschlagene lief nicht davon, sondern fiel zu Boden. Mit beiden Händen umklammerte er ihren Fuß, wimmerte und stöhnte: „Ihr versteht mich nicht, Frau! Habt doch nur einen Augenblick lang Barmherzigkeit mit dem Elenden! Ich will ja nichts, als daß Ihr ein langes Messer nehmt und mir’s in den Hals steckt! Wißt Ihr’s denn nicht, daß ich schuld bin? Wahnsinnig um Eure Lieb’! Im Rausch einen Brief geschrieben – einen Mörder gedungen! Ich! Ja, ich! Diese Bestie da! Diese da!“ Gleich einem getretenen Hund winselte er es schrill heraus, und wie er vorher ihren Fuß umklammert hatte, so umklammerte er jetzt seinen Hals, um sich zu erwürgen.

In diesem Augenblick schon waren einige Leute da vom Nachbarhaus, die in Verwirrung umherrannten und nicht begriffen, was vorging. Vor der Hausthür stand die Magd und zeterte immer noch mehr Leute zusammen; mehrere kamen von den Häusern im Nachtgewand daher und alle drängten zur niedrigen Stubenthür hinein, wo Frau Josefa ratlos dastand und der Kohlenschreiber sich in wilden Krämpfen auf dem Platz wälzte.

Der rief jetzt flehend aus: „Betet für mich, ihr guten Leut’! Der Teufel ist schon da um mich!“

Sie schauten sich gegenseitig an und sagten untereinander: „Verrückt war er immer, endlich ist der volle Wahnsinn ausgebrochen!“ Der Schreiber aber rief in einem fort, er habe den Fergen umbringen lassen, und plötzlich hub er ein dumpfes Lachen an, stöhnte mit einer Stimme, die der Schreck gebrochen hatte: „Hab’ mir’s ja gedacht! Hab’ mir’s gedacht, daß er sich anmelden wird. Er will mich ja fragen, warum? Alle guten Geister, Meinhardt, frag’ mich doch! Ist’s dann gut, wenn man gehenkt ist? Sag’ mir’s, Meinhardt, ist’s dann gebüßt?“

Als er so schrie und wimmerte, wies er gegen die offene Thür, und als die Leute mit den Augen unwillkürlich dieser Richtung folgten, stöhnten sie auf vor Schreck. Denn was der Wahnsinnige sah, das sahen auch sie. In der halbdunklen Thür stand der Ferge Meinhardt. – Ein klingender Schrei und die Frau Josefa sprang an die Gestalt, die nicht wankte und nicht verschwand.




Am nächsten Morgen war unten bei der Rieselwehr ein großes Halloh! Einen alten Hut hatten sie aus dem Wasser gezogen und ein verknorpeltes Baumgewurzel, das wohl aus den oberen Waldgegenden herabgeschwemmt worden sein mochte. Und das war der tote Ferge gewesen. Der Totengräber beklagte sich sehr, daß er in der vergangenen Nacht ein hartes Tagewerk gethan habe und wer ihn dafür bezahlen würde?

Der Klacherl vergütete es. Der war nach dem Bekanntwerden der Rückkehr Meinhardts sofort freigelassen worden. Er nahm den Totengräber unter den Arm und wollte das Ereignis im Wirtshause feiern. Da kam ein Landwächter und nahm ihn neuerdings mit sich. Das Gericht, sagte der, hätte mit ihm, dem Klacherl, noch eine kleine Angelegenheit zu ordnen. Während der Vagabund unter sicherer Begleitung seinen Weg in die Kreisstadt zu Fuß machte, eine recht verdrießliche Wanderung! fuhr die Straße entlang auch ein Wagen. Darin saßen zwei handfeste Männer, die zwischen sich den Kohlenschreiber hatten. Was Liebestollheit und Wein an dem angerichtet, das sollte nun das Irrenhaus schlichten …

Der Ferge Meinhardt hatte schon in der Nacht seiner Frau Josefa ein umfassendes Bekenntnis abgelegt, worauf sie ihm in heftigem Zorn seine Dummheit und Erbärmlichkeit vorhielt. – Wie wohl that ihm jetzt die Herbheit seiner Frau, sie entzückte ihn. Ihre Untugenden trägt er fürder mit Geduld, denn er weiß, was jeder Ehemann wissen muß, um im Gleichgewichte zu bleiben.