Die Lotosblume (Die Gartenlaube 1898/15)
[452 d] Die Lotosblume. In der Benennnng der Pflanzen herrschte von je her eine große Verwirrung: das zeigt uns auch der Name Lotos, an den sich so viele Sagen und Mythen knüpfen. Zu verschiedenen Zeiten wurden mit ihm verschiedene Pflanzen bezeichnet. Die Griechen benannten mit ihm einige Gewächse, deren süße Früchte als Nahrung dienten. In Aegypten und Indien bezeichnet dagegen der Name einige prächtige Wasserrosen. Die berühmteste unter ihnen ist die indische Lotosblume (Nelumbium speciosum), die von den Hindus verehrt und förmlich angebetet wird. Auf einem Lotos soll ja der Weltenschöpfer ruhen, und die Blume selbst gilt den Indiern als ein Sinnbild der Erde. Bei uns trifft man die heilige Lotosblume nur in größeren Herrschaftshäusern und botanischen Gärten an, denn sie ist neben der Victoria regia die königlichste unter den Wasserrosen und verlangt viel Raum und große Wärme zum Gedeihen. Während bei Victoria regia Blätter und Blumen auf dem Wasser schwimmen, treibt der Lotos aus einem kriechenden Stamme lange, rohrartige, bis 2 m hohe Blattstiele, auf denen die kreisrunden, in der Mitte vertieften, mit einem wachsartigen blauen Hauch überzogenen Blätter sich befinden. Die Blüten stehen ebenfalls auf mächtigen Stielen, überragen ein wenig die Blätter, sind von wunderbarer Form und Farbenpracht und strömen einen köstlichen Wohlgeruch aus.
Die Früchte des Nelumbium speciosum bilden Samenkörner von der Größe einer Eichel; sie werden von den Eingeborenen als Nahrungsmittel verwendet. Man hat gegenwärtig eine ganze Anzahl herrlicher Varietäten dieser Pflanze gezüchtet, unter welchen namentlich eine Abart, Nelumbium roseum plenum, die in den Gewächshäusern des Neuen Palais in Darmstadt letzten Sommer gezogen wurde, hervorzuheben ist. L. Dittmann.