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Die Mühle bei Scheeßel

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Callenius
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Titel: Die Mühle bei Scheeßel
Untertitel:
aus: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden: Noch lebende Volkssagen und Legenden, S. 244–246
Herausgeber: Friedrich Köster
Auflage: 2. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: In Commision bei A. Pockwitz
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Erscheinungsort: Stade
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Originalherkunft:
Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[244]
g. Die Mühle bei Scheeßel.
(Vom Herrn Pastor Callenius zu Scheeßel.)

In nordwestlicher Richtung von der jetzigen Kirche zu Scheeßel, etwa 100 Schritt von derselben entfernt, – da, wo man an der östlichen Seite des neuangelegten Kirchhofes auf einem holperigen Fußwege nach dem benachbarten Jeersdorf hinabsteigt – fließt unten in der Tiefe des Thales ein kleiner, unansehnlicher Bach, über welchen ein einfacher Steg führt. Der Bach entspringt in dem s. g. „Scheeßeler Vieh“ in der Richtung nach Vahlde zu, etwa anderthalb Stunden von dem Kirchdorfe, durchschneidet kurz vor demselben die große Chaussee, welche von Bremen nach Hamburg führt, und fließt dann munter hinter dem Pfarrgarten [245] vorüber, bis er nach kurzem Verlaufe sich in die Wümme ergießt. Seine Hauptzuflüsse bekommt er aus den benachbarten großen Mooren der Dorfschaften Lauenbrück und Ostervesede und in der Herbst- und Frühjahrszeit schwillt er, durch starke Regengüsse vergrößert, oft mächtig an; dagegen erscheint er bei anhaltender Sommerdürre nur winzig und fast dem Austrocknen nahe. Man würde nicht glauben, wenn man ihn so sieht, daß er in alten Zeiten eine Mühle getrieben habe, welche die einzige in der Umgegend von Scheeßel gewesen sein muß. Genug, noch vor 20 Jahren hat man unzweifelhafte Spuren einer Mühle aufgefunden, bedeutende Bruchstücke eines Rades, so wie anderer dazu gehöriger Hölzer, und überdieß lebt auch jetzt noch die Geschichte ihres plötzlichen Unterganges allgemein bekannt in dem Munde älterer Leute. Sie hat da gestanden, wo jener Steg über den Bach führt und wo man auch bei näherer Betrachtung noch gar wohl den Umfang des Teiches erkennt, welcher rings durch einen Erddamm eingeschlossen war. Ihre Geschichte reicht hinauf bis kurz vor das Jahr 1503, in welchem Jahre nämlich die jetzige herrschaftliche Mühle da neu wieder aufgebaut ist, wo sie gegenwärtig noch steht, und als sehr wahrscheinlich stellt sich heraus, daß schon damals eine Familie Müller – Vorfahren des jetzigen herrschaftlichen Pächters – im Besitze derselben gewesen ist. Friedrich, erwählter Erzbischof der Stifter Bremen und Verden, Coadjutor zu Halberstadt, Erbe zu Norwegen, Herzog zu Schleswig-Holstein, Stormarn und den Dithmarschen, Graf zu Oldenburg und Delmenhorst etc., schreibt unter dem 24. December 1624 an den damaligen Pächter, der von den Drangsalen des 30jährigen Krieges viel zu leiden hatte und dem er überhaupt wohl gewogen war: „Alldieweil und dergestallt unser Müller Tönjes Müller zur Scheeßeler Mühle und dessen Vorfahren schon seit unvordenklichen Zeiten im Besitz unserer herrschaftlichen Mühle alldort gewesen sind, so sollen sie auch hinführo von Uns hierin geschützet und mainteniret werden.“ – Genug, der jüngere von zwei unverheiratheten Brüdern, welche zusammen in der Mühle lebten, war ein übermüthiger, zänkischer und gottloser [246] Mann, der auch vielfach in Unfrieden mit dem dermaligen Prediger zu Scheeßel stand. Sein frevelhafter Uebermuth ging so weit, daß er um jene Zeit – das Jahr ist nicht mehr genau anzugeben, doch soll es am heil. ersten Oster-Morgen gewesen sein – absichtlich das Wasser des Baches hoch aufstauete, um, wie er sich spottend ausdrückte, „dem St. Lux“ (Lucas, welchem die Kirche geweiht ist) oder, nach der Erzählung Anderer, „dem Pastor vor dem Altar die Füße naß zu machen“. Ein solches Vorhaben erklärt sich leichter, da die damalige Kirche tiefer und dem Bache näher stand; allein den Uebermüthigen ereilte die gerechte Strafe. Das Wasser schwoll zu einer solchen Höhe an, daß er selbst ihm keinen Einhalt mehr thun konnte; schon berührte es die Mauern der Kirche, – da durchbrach es mit Gewalt den schwachen Erddamm des Teiches und in wenigen Minuten wurde die ganze Mühle hinweggerissen, daß keine Spur mehr von ihr zu sehen war. Die Kirche aber blieb trocken und unversehrt. – So endigte diese Mühle; und von Einigen wird noch hinzugesetzt: als der ältere der beiden unverheiratheten Brüder die grausige Verwüstung gesehen, da habe er in seinem Ingrimme den jüngeren Bruder jählings in die Tiefe des Wassers hinabgestürzt und derselbe sei dort ertrunken.