Die Nonnen singen nicht mehr

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Textdaten
<<< >>>
Autor: Unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Nonnen singen nicht mehr
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 128–129
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[128]
Die Nonnen singen nicht mehr.

Wo der Wildsee liegt, da stand ehemals ein Nonnenkloster, das ist aber längst versunken und vom Wasser bedeckt. Man sieht noch den Fahrweg und das Geleis in den Felsen; der Pfad führt gerade auf den See und nicht weiter; denn es war der einzige Weg zum Kloster. Die Nonnen saßen noch oft am See, nachdem ihr Kloster untergegangen war und sangen Lieder; kam aber Jemand in die Nähe, so sprangen sie alle ins Wasser. Es waren allezeit ihrer zwölfe. Sie tanzten sehr gern und kamen oft zu den Leuten in die benachbarten Thäler, aber stets nur Eine allein; und nie hat man gesehen, daß Eine Speis’ oder Trank angenommen hätte. Sie nahmen zwar von ihrem Tänzer das Glas an, als wenn sie Bescheid trinken wollten, berührten aber den Rand nur mit den Lippen, ohne zu trinken. Daher sagt man auch, wenn man einen Trunk einer Jungfer zubringt und sie vom Weine bloß ein Bischen nippt: „Sie trinkt wie eine Nonne, die an dem See ihr Liedlein singt.“

Diese Nonnen trugen weiße Kleider, waren fröhlich und guter Dinge, gaben aber keine Antwort, wenn man sie nach ihrem geheimnißvollen See fragte. Einen Tänzer, der solch eine Frage an sie stellte, verließen sie augenblicklich und waren nie wieder an diesem Orte zu sehen. Das Volk hatte sie sehr gerne als Gäste bei Hochzeiten, denn sie brachten der Braut Heil und Segen; daher gingen die Hochzeiterinnen drei Tage [129] vor der Trauung an den See und luden sie ein mit dem lauten Ruf: „Ich habe Hochzeit, kommt zum Tanze!“ Wollte nun eine Nonne der Einladung folgen, so merkte man es an einem Geplätscher im Wasser. Das Brautpaar mußte aber jeder Nonne, wenn sie beim Fest erschien, feierlich versprechen, ihr es sogleich zu sagen, wenn die Glocke Nachts zwölf schlug. Sie segnete dann das Brautpaar ein, ließ sich von ihm bis an die Hausthüre begleiten, von den Leutchen die Hand zum Abschied küssen und verschwand dann auf der Stelle.

Diese Nonnen hatten eine eigene, sittsame Art zu tanzen; nicht so wild und roh, wie jetzt die Leute zu thun pflegen, sondern sie schwebten nur in zierlichen Kreisen und mit leisen Schritten über den Tanzboden hin.

Einmal geschah es, daß ein Brautpaar die Mitternachtstunde vergaß, und als die Nonne fragte, welche Zeit es sey, da war es schon Ein Uhr. Da sank sie mit einem Schrei zusammen und bat den Bräutigam, sie nach ihrem Wohnsitz zu begleiten. Als sie an den See kamen, blieb der junge Mann stehen, denn sie hatte ihm ihr Schicksal vorausgesagt und ihn gebeten, daß er es mit ansehen solle. „Der Mond scheint hell;“ – sagte sie – „wird der See weiß wie Milch, wenn ich in die Fluth hinabsinke, so ist es ein gutes Zeichen; wird er aber roth wie Blut, so ist es um mich geschehen!“ – Sie sprang hinein in das Wasser, aber sogleich schoß ihr Blut heraus und färbte die ganze Fläche dunkelroth. Der Bräutigam ging traurig nach Forbach heim und seitdem singen die Nonnen nicht mehr am See, wo sie sonst im Frühjahr an der Sonne sich wärmten.

(Aus den in Mone’s „Anzeiger“ etc. Jahrg. 1834 auszugsweise mitgetheilten Sagen aus der handschriftlichen Sammlung des Oberst Medicus.)