Die Organisation der preußischen Armee

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Textdaten
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Autor: R.
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Titel: Die Organisation der preußischen Armee
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 375–376
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[375] Die Organisation der preußischen Armee. Bei den gegenwärtigen Kriegsereignissen dürfte es von Interesse sein, Kenntniß über die Organisation der preußischen Armee zu erhalten.

Die preußische Armee besteht aus dem Gardecorps und acht Armeecorps. Jedes Armeecorps besteht aus zwei Divisionen; eine Division besteht aus einer Brigade Infanterie und einer Brigade Cavallerie; die Brigade aus zwei Regimentern Infanterie oder Cavallerie. Jeder Soldat muß drei Jahre dienen, worauf er zwei Jahre zur Reserve gehört und alsdann zur Landwehr übertritt. Das Gardecorps besteht aus fünf Regimentern Infanterie = vierzehn Bataillonen; zwei Bataillonen Jägern, einem Regiment Garde du Corps, einem Regiment Cuirassiere, einem Regiment Husaren, einem Regiment Dragoner, zwei Regimentern Uhlanen und einem Regiment Artillerie. Zweiunddreißig Regimenter zu drei Bataillonen und acht Regimenter zu zwei Bataillonen bilden die Linieninfanterie. Die Cavallerie besteht aus acht Cuirassier-, acht Uhlanen-, vier Dragoner- und zwölf Husarenregimentern. Zu jedem Armeecorps gehört ein Regiment Artillerie, bestehenden aus zwölf Compagnieen und drei Handwerkscompagnieen. Drei Compagnieen werden in den Festungen verwendet, je nach Umständen mehr, und neun Compagnieen werden zur Bedienung von neun Batterieen verwendet. Durch die Einstellung der Reserven erhält das Bataillon eine Stärke von 1000 Mann. Die gegenwärtige Stärke der Linieninfanterie beträgt demnach von 112 Bataillonen zu 1000 Mann = 112,000 Mann Infanterie und die der Gardeinfanterie von vierzehn Bataillonen = 14,000 Mann Infanterie, also in Summa 126,000 Mann Infanterie.

Sobald die Armee mobil gemacht wird, werden eben so viel Landwehrregimenter als Linieninfanterieregimenter gebildet: die Landwehr ersten Aufgebots (die Landwehr zweiten Aufgebots ist nur für den Dienst innerbalb des Landes bestimmt) würde demnach ebenfalls 126,000 Mann betragen. Jedes Cavallerieregiment besteht aus vier Schwadronen zu 175 Mann. 25 Mann bleiben als Depot zurück, so daß ein Cavallerieregiment in einer Stärke von 600 Mann ausrückt. Zweiunddreißig Regimenter Cavallerie und sechs Regimenter Gardecavallerie – das Regiment Garde du Corps hat acht Schwadronen – betragen 156 Schwadronen mit 23,400 Pferden. Die Landwehrcavallerie würde fast eben so viel betragen. Jäger gibt es außer den zwei Bataillonen Gardejäger noch acht Bataillone zu 1000 Mann, also in Summa 10,000 Jäger. Aus jedem Artillerieregimente werden neun Batterieen zu acht Geschützen formirt = 72 Geschütze, theils sechs- und zwölfpfündige Kanonen, theils sieben- und zehnpfündige Haubitzen. Preußen hat demnach zur Zeit 81 Batterieen mit 648 Geschützen ausgerüstet. Ferner hat Preußen 27 reitende Batterieen zu acht Geschützen mit 216 Kanonen und Haubitzen. –

Die gegenwärtige Stärke der preußischen Armee während der Kriegsbereitschaft beträgt also 126,000 Mann Infanterie, 10,000 Jäger, 23,400 Mann Cavallerie, 81 Fußbatterieen mit 648 Geschützen und 27 reitende Batterieen mit 216 Geschützen, so wie auch neun Abtheilungen Pioniere und Pontoniere. In Folge der Mobilmachung aber beträgt die Stärke der preußischen Armee 252,000 Mann Infanterie, 20,000 Jäger, über 40,00 Mann Cavallerie, 81 Fußbatterieen mit 648 Geschützen und 27 reitende Batterieen mit 216 Geschützen, wozu etwa 8900 Pferde erforderlich sind, sowie 15,000 Pioniere und Pontoniere. Die Büchsen der Jäger, die Gewehre der Infanterie, die Säbel und Pistolen der Cavallerie lassen nichts zu wünschen übrig.

Eine wichtige Einrichtung der preußischen Armee sind die „Telegraphen-Compagnieen“. Eine solche bestand früher aus einem Obertelegraphisten und zehn Artilleristen; gegenwärtig aber hat man für Artilleristen Pioniere genommen, und Pionier-Unterofficiere werden aus den verschiedenen Staats-Telegraphenstationen zu Telegraphisten ausgebildet, um in vorkommenden Fällen verwendet zu werden. Zu einer Telegraphen-Compagnie gehört ein Wagen, auf welchem sich ein festgemachter Tisch befindet, welcher den Telegraphen-Apparat trägt, der aus dem Schreibeapparate, dem Relay, dem Taster, dem Galvanoskop, dem Umschalter, der Telegraphie- oder Linien-Batterie und der Local-Batterie besteht; hinten und vorn auf dem Wagen befinden sich die hölzernen Tragsäulen mit den Isolatoren aus Porzellan und dem Leitungsdrahte aus Eisen oder aus Kupfer. Auf diese Weise kann man in ganz kurzer Zeit eine provisorische Telegraphenlinie bis zu mehreren Stunden Länge und unter Umständen noch länger errichten, oder auch von irgend einem Punkte aus eine solche mit einer bereits bestehenden Telegraphenlinie in Verbindung bringen. Dies geschieht, indem man den Leitungsdraht der bereits bestehenden Telegraphenlinie durchschneidet und das eine Ende desselben durch Löthen mit dem Leitungsdrahte der provisorisch angelegten verbindet, indem sich sonst der elektrische Strom nach beiden Seiten hin verbreiten würde. Der Vortheil einer solchen beliebig aufzustellenden Telegraphenlinie ist namentlich während eines Krieges augenscheinlich. Befindet sich z. B. eine Armee für eine gewisse Zeit in einer ausgedehnten, durch einen Fluß oder auf andere Weise geschützten Stellung, und hat sie hinter sich in ihrer ganzen Ausdehnung eine solche provisorisch angelegte [376] Telegraphenlinie, so kann der General en chef, in dessen unmittelbarer Nähe der Telegraphenapparat sich befindet, in Folge eingetretener Ereignisse auf telegraphischem Wege schnell entweder eine andere Frontstellung oder eine Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung oder eine Concentrirung der Armee nach irgend einem Punkte anordnen, und da eine provisorische Telegraphenlinie meistentheils auch mit einer bereits bestehenden Telegraphenlinie in Verbindung steht, so kann er auch auf telegraphischem Wege über Gefechte und Schlachten, über die Stellung, über die Stärke und den Marsch des Feindes Bericht erstatten und auch entfernteren Armeecorps Verhaltungsbefehle ertheilen, oder denselben Mittheilungen machen, oder diese herbeiziehen. Von großer Wichtigkeit ist auch der Umstand, daß sowohl der General en chef, als auch die anderen Corpscommandanten auf telegraphischem Wege Waffen, Geschützmunition, Pferde, Fourage und Lebensmittel schnell requiren, sowie auch den bereits auf dem Marsche befindlichen Truppen gemessene Befehle zukommen lassen können. Selbst während einer Schlacht, vorausgesetzt, daß man vorher Zeit gehabt, solche provisorische Telegraphenlinien zu errichten, ist es für den General en chef von großer Wichtigkeit, von den verschiedenen Truppencommandanten schnell Kenntniß über den Verlauf derselben zu erhalten und demgemäß Anordnungen zu treffen und Befehle zu ertheilen; ebenso auch, wenn z. B. eine Armee sich in einer defensiven Stellung befindet und plötzlich auf irgend einer Seite angegriffen wird, ist es von nicht weniger großer Wichtigkeit, daß der General en chef hiervon schleunigst Kenntniß erhalte und eben so schnell die übrigen Truppencommandanten davon in Kenntniß setzen und seine Dispositionen treffen kann. –

Welchen Einfluß überhaupt die Telegraphenlinien und auch Eisenbahnnen auf die Kriegsoperationen ausüben, hat sich bereits recht klar bei der Belagerung von Sebastopol gezeigt, indem es den Franzosen und Engländern wegen des Terrains fast unmöglich gewesen wäre, ohne eine Eisenbahn ihre schweren Belagerungsgeschütze, die Munition, den Lebensbedarf etc. an Ort und Stelle zu schaffen, sowie auch in dem gegenwärtigen Kriege zwischen Frankreich mit Sardinien und Oesterreich. Die Telegraphenlinien und Eisenbahnen durchziehen Frankreich in einer Weise, wie es fast bei keinem Lande des Continents der Fall ist, und daher konnten die Franzosen in ganz kurzer Zeit eine Armee von 130,000 Mann nach Sardinien überführen. Während es früher unendlich viel Zeit erforderte, entferntern Truppenmassen Befehle zu ertheilen, oder in Uebereinstimmung mit denselben zu operiren, oder Nachricht von ihnen zu erhalten, bedarf es gegenwärtig mittelst des Telegraphen hierzu nur einiger Minuten, und es können sogar in einer großen Entfernung operirende Armeen nicht allein durch den Telegraphen in fortwährender Uebereinstimmung ihre Kriegszwecke verfolgen, sondern auch ebenso plötzlich, in Folge von Ereignissen, ihre Märsche und ihre Dispositionen ändern, was in früheren Zeiten nicht der Fall sein konnte. Während man früher durch die Richtung der Truppenmärsche auf einen Angriff vorbereitet sein konnte, kann der Feind mit Hülfe der Eisenbahnen seinen Gegner vollkommen täuschen, indem er in einer verhältnißmäßig kurzen Zeit auf diesen große Truppenmassen nach einem dem Gegner unbekannten Orte führen, und alsdann auf telegraphischem Wege den concentrirten Truppen eine andere Marschdirection und einen andern Angriffspunkt geben kann. Zur Bewahrung des Geheimnisses solcher Ordres stehen den Behörden hinreichende Mittel und Wege zu Gebote, und hieraus ersieht man, daß Eisenbahnen und Telegraphenlinien für Kriegszwecke in enger Beziehung zu einander stehen, und das ganze frühere System des Kriegführens eine Veränderung erleiden muß. Die russischen Eisenbahnen sind sämmtlich zum Transport von Militair jeder Gattung in großem Maßstabe eingerichtet und es wäre wünschenswerth, wenn dies auch bei den in Deutschland befindlichen der Fall wäre. Auch in Frankreich hat man diesen Umstand stets im Auge behalten und die Transportmittel der Eisenbahnen zu diesem Zwecke so eingerichtet. In Oesterreich ist man mit dem Bau der Eisenbahnen noch weit zurück, und dieser Umstand erschwert ungemein das schnelle Befördern von Militair in diesem großen Reiche, welches ihm im gegenwärtigen Kriege sehr zu Statten kommen würde.R.