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Die Pleißenburg zu Leipzig

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Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Die Pleißenburg zu Leipzig
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 447–448
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[447] Die Pleißenburg zu Leipzig (Zu dem Bilde S. 448.) Das älteste, umfangreichste und durch seine denkwürdigen Erinnerungen bemerkenswertheste Bauwerk der Stadt Leipzig, die Pleißenburg, ist infolge Beschlusses der städtischen Behörde dem Staate abgekauft worden, um modernen Interessen zum Opfer zu fallen und durch Straßen und Häuser ersetzt zu werden. Der Abbruch der fast sieben Jahrhunderte alten Burg wird Leipzig einer weltgeschichtlichen Stätte berauben und der inneren Stadt ein wesentlich verändertes Aussehen geben. Es ist darum, ehe die altehrwürdigen Mauern vom Erdhoden verschwinden, wohl an der Zeit, etwas bei ihrem Bilde und ihrer Geschichte zu verweilen.

Das Schloß Pleißenburg wurde um das Jahr 1215 erbaut von Markgraf Dietrich, den die Geschichte den „Bedrängten“ nennt, während er eigentlich der „Bedränger“ heißen sollte. Die Bürger und der mit ihm verbündete Landadel waren gegen den Markgrafen aufständisch geworden, deshalb legte er an drei Stellen der Stadt Zwingburgen an. Zwei wurden bald nachher wieder geschleift und die Stätten Dominikanern und Franziskanern zur Errichtung von Klöstern überlassen. Die Pleißenburg blieb zum Schutze der Stadt bestehen. Ueber dreihundert Jahre lang war ihr eine friedliche Existenz beschieden denn in den Landeskriegen des 13., 14. und 15. Jahrhunderts blieb sie von Feindesmacht unberührt. Dagegen wurden in dem Schloß viele in ihren Folgen zum Theil berühmte Landtage abgehalten, wichtige Staatsaktionen vollzogen und während der Reformationswirren denkwürdige Versammlungen veranstaltet, darunter die berühmte Disputation zwischen Luther und Eck, die den Wittenberger Mönch zum Schweigen bringen sollte, aber gerade das Gegentheil bewirkte.

Die erste bekannte Belagerung der Pleißenburg erfolgte 1547 durch Kurfürst Johann Friedrich den Großmüthigen im sogenannten „Schmalkaldischen Kriege“. Der Kurfürst mußte unverrichteter Sache abziehen, aber die Pleißenburg war durch seine Kartaunen fast in Trümmer geschossen worden. Es erstand daher in den Jahren von 1549 bis 1558 ein Neubau, und Baumeister war niemand anders als Hieronymus Lotter, der Bürgermeister von Leipzig, ein in der Architektur wohlerfahrener Mann, der fast zu gleicher Zeit auf Befehl des Kurfürsten August das große Jagdschloß Augustusburg bei Chemnitz hat errichten müssen. Als Vorlage für den Bau der Pleißenburg wählte Hieronymus Lotter das damals im neuesten Befestigungssystem errichtete Kastell zu Mailand, mit einer ganzen Bastion nach außen und zwei halben Bastionen nach innen, wie sie der Unterbau noch jetzt zeigt. Auf dem hohen starken Thurme befanden sich fünf Böden mit Geschützen, die Spitze der äußern [448] Bastion verstärkte ein flankierender Thurm, und ein dreifaches Thor, vor dem ein Außenwerk, genannt „die Platte“, lag, führte nach der Stadt. Ringsum schützte ein breiter Wassergraben das Schloß. So galt die Pleißenburg als eine der festesten Citadellen des Landes, ein Ruf, der sich freilich im Dreißigjährigen Kriege wiederholt als zweifelhaft erwies. Im Jahre 1631 wurde sie von Tilly, 1632 von Holke und 1642 von Torstensson erobert, worauf sie bis 1650 im Besitz der Schweden blieb. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts hatten Leipzig und die Pleißenburg thatsächlich aufgehört, Festungen zu sein. Als der nordische Krieg im Jahre 1706 wiederum Schweden nach Sachsen führte, öffneten Stadt und Schloß der aus fünfzig Dragonern bestehenden Vorhut willig die Thore, nachdem man vorher die hier als Staatsgefangene verwahrten Prinzen Konstantin und Jakob Sobieski, Prätendenten auf die polnische Krone, nach der Bergfestung Königstein abgeführt hatte.

 Nach einer alten Zeichnung.
Nach einer Photographie im Verlage von Herm. Vogel in Leipzig.
Die Pleißenburg in Leipzig vor hundert Jahren und heute.

Im Kommandanturgebäude, wo 1632 der in der Schlacht bei Lützen tödlich verwundete Pappenheim starb, wurde 1710 in dem Raume, welchen jetzt die Hauptwache einnimmt, eine katholische Kapelle angelegt, die bis 1845 bestand. In Anbetracht der gesunkenen Bedeutung der Pleißenburg als Festung brachte man deren Besatzung, die, außer dem Kommandanten, dem Schloßkapitän und drei Lieutenants, aus drei Feuerwerkern, zwölf Kanonieren, zwei Unterkanonieren einem Feldscherer und hundert Musketieren bestand, in Baracken unter, die längs des Schloßgrabens im Zwinger standen und 1789 abgebrochen wurden. Als Gefängnisse waren die Thürme der Pleißenburg noch immer in Gebrauch. Der Siebenjährige Krieg führte den Berliner Juden Ephraim Levi als königlich preußischen Münzpächter in die Pleißenburg, wo er die berüchtigten minderwerthigen Acht- und Viergroschenstücke prägte, welche unter dem Namen „Ephraimiten“ noch lange in Deutschland grassierten. Um diese Zeit begann die Entfestigung auch des Schlosses, nachdem man mit derjenigen der Stadt bereits weit fortgeschritten war. Die Holzbrücken und Aufzugbrücken über den Schloßgraben wichen 1774 festen Erddämmen, nach der Stadtseite wurde die „Platte“ beseitigt, auf der Bastion der flankierende Thurm abgetragen und mit Rasierung der Brustwehren auf den Wällen begonnen. Der Thurm, dessen Kuppel bei der schwedischen Belagerung von 1642 zerschossen und nachher wiederhergestellt worden war, verlor 1787 seine Haube und wurde mit ebensoviel Geld als Arbeit bis 1790 in eine Sternwarte umgewandelt, was er bis 1864, wo ein neues Observatorium im Johannisthale entstand, geblieben ist. Die Einrichtung des Schloßthurmes zur Sternwarte kostete 11.000 Thaler, ungerechnet die 2000 Thaler, welche der Kurfürst zum Ankaufe der nothwendigen Instrumente, und der 3500 Thaler, die er zum Baue der Wohnungen für die dabei angestellten Personen aus seinen Mitteln hergab. Der 1803 in London gestorbene sächsische Gesandte Graf Brühl schenkte der Sternwarte seine Sammlung astronomischer Instrumente nebst bedeutender Bibliothek, nachdem Landkammerrath Kregel von Sternbach ihr schon 1789 ein Legat von 2000 Thalern angewiesen hatte. Ferner wurde die Pleißenburg für die Proviantverwalterei, die Hauptsalzniederlage und die 1764 gegründete Maler-, Zeichner- und Bauakademie benutzt, auch kamen das chemische Laboratorium und ein Gerichtsamt hinein. Der berühmte Maler Adam Friedrich Oeser lebte hier von 1763 bis zu seinem 1799 erfolgten Tode als Akademiedirektor, und ebenso wohnte und starb als solcher in der Pleißenburg der Maler Veit Hans Schnorr von Carolsfeld, dessen berühmter Sohn Julius hier geboren wurde. Zu erwähnen ist auch, daß 1757 der Dichter „des Frühlings“, Major Ewald von Kleist, mit seinen Truppen in der Pleißenburg einquartiert war, welcher übrigens die Stadtkasse in ebenso kräftiger Weise beanspruchte wie seine nicht poetischen Kameraden. Zur eigentlichen Kaserne richtete man das Schloß erst seit der Volksbewegung von 1830 ein. Das erste Kasernengebäude wurde im Jahre 1839 auf der äußeren Bastion erbaut, das letzte 1874 auf der Front nach der Stadtseite und dabei auch die vielbesprochenen und -beurtheilten gewaltigen Getreidethürme, in welchen viele ängstliche Gemüther ein gegen den Trotz der Leipziger errichtetes „Zwinguri“ zu erkennen vermeinten.

Wann der Akt der Niederlegung beginnen wird, ist noch nicht festgestellt, aber lange wird es wohl nicht mehr anstehen. Wenn aber einmal neue Straßenzüge hinwegführen über den denkwürdigen Platz, darauf einst die Pleißenburg stand, dann werden unsere Bildchen manchem alten Leipziger eine liebe Erinnerung sein an das alte Wahrzeichen seiner Vaterstadt. Otto Moser.