Die Puppen- und Trachtenausstellung zu Neuwied

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Autor: Moritz Schäfer
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Titel: Die Puppen- und Trachtenausstellung zu Neuwied
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 15, S. 460–462
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Puppen- und Trachtenausstellung zu Neuwied.

Von Moritz Schäfer.
Mit Illustrationen nach Originalaufnahmen des Hofphotographen Karl Schipper-Wiesbaden.

Der Neubau des fürstlichen Schlosses zu Neuwied bot in den Junitagen dieses Jahres den Raum für eine große Puppen- und Trachtenausstellung, die das allgemeinste Interesse erregte. Der Gedanke zu dieser Veranstaltung ging von der kunstsinnigen Fürstin zu Wied aus und wurde von deren Tochter, der Königin Elisabeth von Rumänien, die sich als Dichterin Carmen Sylva nennt, mit Begeisterung aufgegriffen. Dank dem hingebenden Eifer Carmen Sylvas wuchs die wohlthätigen Zwecken dienende Ausstellung zu einem Unternehmen heran, das in künstlerischer, sowie wissenschaftlicher Hinsicht die ernsteste Beachtung verdiente. Denn die hier in lebensvollem Arrangement vereinten Hunderte von Puppen der verschiedensten Größe veranschaulichten in ihrer Bekleidung Moden, Kostüme und Trachten fast aller Völker und Zeiten. Der Zudrang der Besucher aus nah und fern war denn auch überaus stark und der Beifall so allgemein, daß man jetzt in Erwägung gezogen hat, die originelle Ausstellung eine Wanderung durch die großen Städte Deutschlands antreten zu lassen.

Dem Verfasser dieses Berichts wurde das Glück zu teil, daß ihm die Abteilung der Ausstellung, welche die rumänischen Trachten umfaßte und die von der Königin Elisabeth persönlich arrangiert war, von dieser selbst in liebenswürdigster Weise gezeigt wurde. Es lag ein eigenartiger Reiz in den Erklärungen, die Carmen Sylva bei einzelnen Gruppen und Figuren zu geben geneigt war.

„Sie haben hier“ – so etwa erzählte die Königin, indem sie auf eine der Puppen zeigte – „die Fürstin der Moldau, Doamna Chiajena, eine Zeitgenossin der Katharina von Medici. Sie war sehr grausam – nun Katharina war ja auch keine Taube! Die Doamna ist jedoch auch eine heldenmütige Frau gewesen, welche die Mutterliebe zu heroischen Thaten hinriß. So stieg sie kampfgerüstet zu Pferde und verteidigte mit der Streitaxt in der Hand ihren unmündigen Sohn gegen die aufrührerischen Bojaren. Chiajena hat im ganzen Orient eine überaus große Rolle gespielt; ihrem Einfluß konnte sich sogar der türkische Sultan nicht entziehen. Die Puppe zeigt sie in historischer Tracht.“

„Diese andere hier,“ fuhr die Königin fort, „stellt die Fürstin Despina Neagoe vor, die im Jahre 1512 ihren gesamten reichen Schmuck zum Opfer brachte, um die Mittel zum Bau der Kirche von Kurtea de Ardschisch aufzubringen. Diese edle Frau wollte dadurch das Volk von drückender Steuer befreien. Ich habe die Historie und eine sich daran knüpfende Sage in meinem Drama ‚Meister Manole‘ behandelt. König Karl hat den Bau der Kirche vollendet.“

„Hier ist die getreue Nachbildung meiner Baracke aus dem Krieg. Sie sehen darin meine barmherzigen Schwestern und rumänische Nonnen. Dort oben steht Herodes mit den heiligen drei Königen. Es ist bei uns in Rumänien landesüblich, daß diese [461] biblische Gruppe von fahrendem Volke dargestellt wird. Die Leute tragen dabei Dichtungen primitivster Art vor, und ich habe mich bemüht, zum erstenmal diese Volkspoesien in möglichst getreuer und der Urform nahe kommender Weise zu übertragen. Leider ist der Druck nicht rechtzeitig fertig geworden, sonst würde die Broschüre bei der Ausstellung aufgelegt worden sein. Dagegen finden Sie hier mein besonders zum heutigen Zweck herausgegebenes Puppenspiel: ‚Monsieur Hampelmann‘, illustriert von Lecomte de Nouy.“

Die Königin zeigt uns ferner das Modell ihres Krönungswagens. Ihre Augen leuchten, als sie uns erzählt: „Genau so ist es gewesen. Sie sehen in dem mit acht Rappen bespannten Wagen mich an der Seite der grande maîtresse de la cour; gegenüber sitzt eine Hofdame. Die Prachtgruppe verdanken wir der Generalin Poenaru, welche selbst meine Robe nach dem Original gestickt hat.“ Dieses Kleid ist ein kleines Wunderwerk aus weißer Seide und Spitzen mit breitem Pelzbesatz. Echte Perlen und echte Steine vervollständigen die königliche Toilette, während der Achterzug echte Silberbeschläge trägt.

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Bojarenpaar, dahinter Sekretär mit Frau.
Altrumänische Musiker.

Als Pendant – der Bedeutung nach – mag wohl die prächtige „Hohenzollernhochzeit“ mit ihren Hoftrachten gelten, auf welche uns jetzt die Königin aufmerksam macht. Diese Gruppe ist eine Schenkung der Generalin Falcoiano.

„Hier wird uns die Arbeit der Sträflinge in den Salinen veranschaulicht,“ erklärt die Königin. „Die schweren Verbrecher werden hierzu verurteilt. Die Todesstrafe besteht bei uns nicht.“

Im Vorübergehen weist unsere freundliche Geleiterin auf Knaben, welche mit dem „Stern von Bethlehem“ umherziehen, und dann führt sie uns zu dem Hauptstück der Ausstellung: zu dem großen Prospekte von Sinaia. Diese lebensvolle und in Komposition und harmonischem Farbenspiel ungemein wirkungsvolle Gruppe zeigt eine rumänische Bauernhochzeit. Links schließt die von Eugen Kampf gemalte Landschaft ein altrumänisches Herrenhaus ab, das bis in alle Einzelheiten im Aeußern und Innern prächtig modelliert ist. Rechts steht ein altrumänisches Bauernhaus, und zwischen beiden zieht sich der charakteristische Brautzug hin.

Jetzt sind wir bei zwei Figuren angelangt, deren eine Carmen Sylva in ihrem heutigen Alter darstellt, während die andere in der Tracht des Reifrocks und des Chignons eine Siebzehnjährige zeigt: die spätere Königin Elisabeth im Lenz ihres Lebens.

„Die Köpfe sind nicht Porträts,“ lautet die Erklärung; „aber die Kleidung ist durchaus der Wirklichkeit entsprechend. Genau so kleide ich mich. Dieses Taubengrau ist meine Lieblingsfarbe, und der Schleier, der den Kopf der Fünfzigjährigen umhüllt, wird von mir selbst getragen.“ Und ganz besonders lebhaft fährt die Königin fort: „Nun sehen Sie noch hier diese entzückende Gruppe: ein rumänisches Bojarenpaar, hinter ihnen der Sekretär und dessen Frau und davor rumänische Musikanten.“ (Vgl. die nebenstehende Abbildung.) „Diese vom Direktor des Konservatoriums in Bukarest geschenkten Musiker sind echt: sie haben echte Kleider und echte Instrumente, sie haben echte geschriebene Noten aus dem 18. Jahrhundert und tragen sogar – echtes Geld in der Tasche. Aber nun kommen Sie an die historischen Kostüme und Trachten, und da muß ich die Führung an unsere verdienstvolle Freiin von Cotzhausen abgeben. Sie wünschen Ihren Artikel durch ein Bild von mir vervollständigt? Ja, ich würde Ihnen gerne eine Aufnahme gewähren, aber ich habe kein festlich’ Gewand an. Das schadet nichts? Nun, wenn Sie durchaus wollen ….“ Und die Königin, die bereits Stunden der Ausstellung gewidmet hat, folgt uns in den Schloßgarten, wo mein Begleiter die neueste Aufnahme der gekrönten Dichterin machen darf. Das interessante Bild schmückt die erste Seite dieses Halbhefts.

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Französische Hochzeit unter dem „Direktorium“.

Folgen wir nunmehr unserer neuen, nicht minder liebenswürdigen Führerin, der Freiin Natalie von Cotzhausen, welche mit Herrn und Frau Fabrikant Carl Reichard sich um das gelungene Arrangement der Gesamtausstelluug verdient gemacht hat, durch die historische Abteilung. Da waren zunächst die Trachten der vorchristlichen Zeit dargestellt: Figuren von Aegyptern, Persern; Germanen am Opfersteine; Terrakotten von Tanagra vertraten Griechenland; Rom mit Senatoren, Byzanz schlossen sich an. Es folgten burgunder Trachten des 12. Jahrhunderts, darunter als charakteristische Repräsentantin Jeanne de Bourgogne, ferner deutsche Edelleute [462] des 14. Jahrhunderts und als hochinteressante Figur ein Gigerl der damaligen Zeit mit Gugel und Schecke. Als ein weibliches Gigerl darf die Dame in Schellentracht gelten; auch das beliebte rote Zaddelkostüm war ein Auswuchs der Mode. Diese Trachten sind auf unsrer nebenstehenden Abbildung wiedergegeben. Alle Hof- und Bürgertrachten aus dem 15. Jahrhundert waren zu sehen; das 16. Jahrhundert war gekennzeichnet durch deutsche Patrizier und Landsknechte in Pluderhosen sowie durch französische Hoftrachten. Das 17. Jahrhundert vereinigte niederländische und spanische Hoftracht, Edelfrau und Magd zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges und die Hoftracht der Königin Elisabeth von England.

Deutsche Trachten.
Mann mit Gugel und Schecke.     Schellentracht.   Zaddeltracht. 

Ferner waren vorhanden Johann v. Werth, ungarische Magnaten aus der Mitte und Herrenkostüme vom Ende des Jahrhunderts, Herr und Dame aus den Zeiten Ludwigs XIV und Gustav Adolf von Schweden. Aus dem 18. Jahrhundert traten uns schwedische Offiziere König Karls XII in russischer Bojarentracht entgegen, französische Hofherren standen in steifer Grandezza neben Grenadieren Friedrichs des Großen; Seydlitz-Dragoner hielten Wache zur Seite Charlotte Cordays, und wir sahen die reizende Gruppe, welche eine französische Hochzeit unter dem „Direktorium“ darstellt und die wir gleichfalls im Bild (S. 461) wiedergeben. Ganz hervorragend sind die Figuren, welche die Auswüchse der Mode im Seinebabel vor hundert Jahren illustrieren. Die Kostüme Incroyable und Merveilleuse dürften an Extravaganz wohl unerreicht dastehen. Marie Antoinette und Ludwig XVI waren in Trianontracht dargestellt. Aus dem 19. Jahrhundert interessierten besonders die Trachten von 1830, darunter der „Mann aus dem Konsulat“ sowie die hervorragend schön zur Geltung gebrachte Dame von 1860. Eine Radfahrerin von 1898 beschloß die Abteilung der historischen Trachten. – Die Abteilung der Volkstrachten, deren rumänische Gruppen wir oben geschildert haben, war auch im übrigen äußerst anziehend und lehrreich. Aus nah und fern hatte man sie beschickt; ja es kamen aus Nicaragua und Surinam, aus Siam und Marokko, aus Japan und China Puppen, welche die dortigen Landestrachten treu veranschaulichten und von Eingebornen angefertigt waren.