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Die Puste-Post

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Textdaten
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Titel: Die Puste-Post
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 1, S. 16
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[16] Die Puste-Post. Es bildet sich noch ein neues Ader- und Verkehrssystem durch das „unterirdische London“ hin. Eben werden Röhren vom General-Postamte Londons in der Mitte der City nach einem Punkte des Westendes gelegt, um Packete hindurch zu pusten, Röhren für „pneumatische Beförderung“, wie man gelehrt sagen muß, denn es ist Unternehmen einer „Pneumatic Despatch Company", d. h. einer Gesellschaft, die nicht mit Pferden, Schiffen oder Dampf, sondern mit Luft fährt und fördert. Die Packete sollen einfach durch Röhren von einem Orte zum andern geblasen werden. Das geht sehr gut, billig, sicher und schnell - 40 englische oder etwa 9 deutsche Meilen in der Stunde. Ich hab’s an einem Modell im Kleinen gesehen, einer Glasröhre, mit einem hohlen Cylinder an irgend einer Stelle derselben. Setzt man die Röhre senkrecht auf einen hineinpassenden Körper (man operirte mit Bleikugeln) und bläst in dieselbe durch die von der Seite eingefügte Röhre, so wird die Kugel von unten durch die Röhre in die Höhe getrieben und kann durch Anhalten des Athems an jeder Stelle beliebig sofort aufgehalten werden. Das ist der Mechanismus für pneumatische Beförderung von Sachen und – Personen.

Das aerodynamische Gesetz dieser sonderbar aussehenden Erscheinung – daß die Kugel durch Einblasen über ihr in die Höhe gezogen oder getrieben wird – versteh’ ich noch nicht, die Engländer, die mir die Sache zeigten, verstanden’s auch nicht, aber sie sind praktisch und gehen darauf los mit massenhaftem compagniertem Capital und werden auch noch pneumatische Eisenbahnen unter der Erde hin legen, um Personen tausendweise sicher, billig und schnell in wenigen Stunden Hunderte von Meilen weit hin und her zu pusten. Der ursprüngliche Erfinder oder Entdecker des Modells für solche pneumatische Beförderung unter der Erde hin (weil man die Bodenoberfläche dazu nicht benutzt und viel besser mit Korn und Kartoffeln und Viehfutter bewirthschaften kann) ist ein Deutsch-Däne, der mir sein Modell zeigte, als er sonst weiter nichts mehr hatte und halb verhungert war. Welcher Erfinder und Schöpfer von neuen Cultur-Capitalien hat nicht Aehnliches erlebt oder – erstorben?

Ein andermal mehr über diesen neuen Luftgeist des beflügelten Fortschritts. Jetzt noch ein kräftiger Schluß aus Ruge’s Schillerbuche über die Faulheit, Bosheit und Bornirtheit der Menschen gegen Wohlthaten, die ihnen durch neue Ideen und Erfindungen geboten werden:

„Gegen nichts sträubt sich die Menschheit hartnäckiger, als gegen Ersteigung einer neuen Stufe in ihrer eigenen Selbstschätzung. Ihre (wir wollen’s auf die Philister und „Bestehens“-Wütheriche beschränken) Bescheidenheit wird zur Wuth, ihre Niederträchtigkeit wird ihr zum Dogma, wenn es gilt, ihr neue Ehren und Vorzüge zu schenken. Der Weltverbesserer, und sollte er auch nur Kartoffeln einführen oder den Dampfwagen bauen wollen, erhält immer die Antwort: Wir glauben nicht an Deine Wohlthat und nicht an unsere Fähigkeit, sie zu genießen. Darum braucht die Entwickelung Jahrhunderte zur Durchsetzung einer Idee, wie die der Reformation und vollends die der Freiheit aller Staatsbürger, der Herrschaft des Gedankens, des Gesetzes und der unbehinderten Erörterung.“

Dies scheint nicht in eine Notiz über die neue Puste-Post zu passen, aber sie fordert gerade am meisten das Hohngelächter der Philister und Gewohnheitsmenschen heraus. Und doch giebt es nichts Gescheidteres, Schöneres, Praktischeres für Verkehr, als statt donnernder Wagen, schwitzender Pferde, platzender Dampfkessel und übereinanderstürzender Wagen die stille, weiche, überall umsonst zu habende, sichere, schneller beflügelte Luft anzuwenden.

B.