Die Riesenelephanten

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Autor: Heinrich Leutemann
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Titel: Die Riesenelephanten
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 411–414
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Menagerie-Bilder.

Nr. 4. Die Riesenelephanten.

Wie es in der Menageriesprache eine Masse von Ausdrücken überhaupt giebt, von denen die Naturgeschichte nichts weiß, so ist dies auch mit dem Wort „Riesenelephant“ der Fall. Der Naturforscher kennt diese Species nicht, desto besser der Menageriebesitzer und dessen Personal. Für sie ist jeder Elephant, welcher zur Menagerie gehört, wenigstens dem Publicum gegenüber, ein Riesenelephant, und fast eben so zahlreich sind die Rieseneisbären, und natürlich auch die Riesenlöwen u. s. w. Das Publicum ist eben gutmüthig genug, dergleichen hinzunehmen, wenn auch wohl bei Manchem der stille Wunsch aufkeimen mag, auch einmal einen ganz gemeinen Elephanten zu sehen.

Es möchte dies immerhin angehen, denn Klappern gehört, nach dem eigenen einst gegen mich gethanen Ausdruck eines berühmten Menageriebesitzers, auch hier zum Handwerk, und im Grunde kann man schon jedem Beschauer zumuthen, sich solche Bezeichnungen richtig zu deuten. Nicht zu billigen ist es aber, wenn, wie dies großentheils noch in den wandernden Menagerien geschieht, die gezeigten Elephanten als afrikanische erklärt werden. Sehr oft weiß allerdings der Erklärende, der „Explicateur“, nicht, was er thut, dann ist es aber Pflicht des Besitzers, ihm reinen Wein einzuschenken, denn dieser weiß recht gut, woran er ist. Aber man will das oft nicht, man weiß wohl, daß die gesehenen Elephanten immer asiatische sind, traut aber dem Publicum die Kenntniß der Unterschiede zwischen beiden Arten nicht zu und will nun mit der Vorführung eines „afrikanischen“ ein besseres Geschäft erzielen. Daß dadurch das Publicum gerade wieder von solchen „afrikanischen“ Elephanten überschwemmt wird, daran denkt man nicht. Eine anerkennenswerthe Ausnahme hat von jeher, in dieser Beziehung überhaupt, ein lange im Ausland gewesener Menageriebesitzer gemacht, nie ist mir in seiner großen Menagerie eine falsche Bezeichnung aufgefallen, obgleich er gerade der Freund vom „Klappern“ war, aber er wandte es eben blos in harmloser Weise, z. B. bei dem „Riesenelephanten“, an.

Kommt man gerade an dem Eröffnungstage einer Menagerie sehr früh in dieselbe, so kann man es wohl treffen, daß der etwa da befindliche Elephant so eben lackirt worden ist oder noch wird. Es war mir dies, als ich zum ersten Mal dazu kam, um so auffallender, als ich zwar immer, wenigstens sprüchwörtlich, von lackirten Affen gehört, aber noch keinen gesehen hatte, und nun einen dergleichen Elephanten sah, ohne davon gehört zu haben. Das Thier sah wenigstens ganz glänzend schwarz aus, fast wie ein gewichster Stiefel. Die Manipulation, welche diese Wirkung hervorbringt, besteht nämlich darin, daß das Thier über und über mit Oel, vielleicht mit einem Zusatz von Ruß oder dergleichen, überstrichen wird, und zwar zu dem doppelten Zweck, die Haut des Thieres geschmeidig zu erhalten und zugleich mit dem Aussehen vor dem Publicum zu paradiren. Zu dem Erstern hat offenbar die Nothwendigkeit geführt, denn die dicke Haut des Thieres würde sonst durch die zunehmende Trockenheit springen und wund werden. Zwar würden häufig Wasserbäder das Oel ersetzen und wären dem Thiere, das ja ein halbes Wasserthier ist, naturgemäßer, aber der Elephant ist immer sehr geneigt, Unfug zu treiben, und so könnte, da ja „Mißverständnisse“ nicht blos in der Politik, sondern auch bei Elephanten vorkommen können, derselbe in Folge eines solchen, statt sich, auch einmal das gerade anwesende Publicum begießen.

Wie begierig übrigens diese Thiere auf das Wasser, nicht blos zum Trinken, sind, davon will ich aus eigener Anschauung ein Beispiel erwähnen. Ich war einst gerade in der Kreuzberg’schen Menagerie mit Zeichnen beschäftigt, als ein furchtbares Gewitter losbrach. Der Regen goß in den üblichen „Strömen“, und die meisten der Thiere wurden durch die krachenden Donnerschläge in nicht geringe Aufregung versetzt. Nicht lange, so drang das Wasser von oben und unten in die Bude, von oben durch das Leinwanddach, von unten durch die Lücken in der Breterwand. Leider war der erste Rang nicht gedielt, sondern man wandelte auf Gottes freier Erde. So idyllisch dies sonst bei schönem Wetter war, so wurde es jetzt um so unangenehmer, da sich ganze Ströme bildeten, welche quer über den Raum rauschten und kaum zu überspringen waren. Der Elephant befand sich, angekettet wie immer an dem Hinterfuß, in der Mitte der Bude auf einer 2–3 Fuß hohen Bühne, und vor derselben sammelte sich jetzt das Wasser zu einem recht respectabeln Tümpel, der alsbald, so schmutzig wie er war, die Sehnsucht des Thieres erregte. Da dasselbe aber ziemlich bösartig war, so wurde es stets der Sicherheit des Publicums wegen sehr kurz angekettet, so daß es jetzt das Wasser im Stehen mit seinem Rüssel unmöglich erreichen konnte. Was that der Elephant? Er legte sich der Länge nach auf den Boden, so weit als möglich nach vorn, schob den Rüssel über den vordern Rand der Bühne herunter nach dem Wasser, obgleich er dasselbe seines niedrigen Stand- oder vielmehr Liegepunkts wegen nicht mehr sehen [412] konnte, füllte ihn an, und übergoß sich nun, immer im Liegen, den ganzen Körper fortwährend und mit dem unverkennbar größten Behagen mit der gelben Brühe, so daß sich nun um ihn selbst wieder eine neue Pfütze bildete. Der Anblick war in der That um so interessanter, je weniger schön es in „ästhetischer“ Beziehung war. Denn die Toilette des Elephanten litt natürlich nicht wenig, und als die Wärter sein Treiben bemerkten, so nöthigten sie ihn auch durch Andeutungen, welche kein Mißverständniß zuließen, zum Ausstehen. Kaum hatten aber die Störenfriede den Rücken gewandt, als der Elephant schon wieder auf der Seite lag und die verlorene Zeit durch um so größeren Eifer gut machen zu wollen schicn. Zuletzt, als der Regen nachließ und die Pfütze aufgebracht war, war es fast blos flüssiger Schlamm, den er noch sammelte, und man sah, daß es ihm, wie manchem Trinker, nur noch um etwas „Feuchtes“ zu thun war.

Viel besser sind in dieser Beziehung, wie überhaupt alle Thiere, so auch die Elephanten in zoologischen Gärten daran. Hier können dieselben ein Bassin zum Baden eingerichtet bekommen, und daher das Lackiren entbehren. Ich sage, sie können, denn der Elephant des Berliner zoologischen Gartens, welchen ich dort 1859 sah, hatte damals allerdings noch keins, wohl nur, weil sein einstweiliges Haus nicht an dem durchfließenden Wasser lag. Bei dem neuen Elephantenhaus wird man wohl diesem Mangel abgeholfen haben.

Gerade die Elephanten kann man übrigens nicht umhin zu bedauern, wegen der Langeweile, zu welcher sie gezwungen sind. Denn wenn man überhaupt annimmt, daß ein Thier zu diesem Gefühl fähig ist (und schon aus dem Gähnen läßt sich dies einfach schließen), so muß bei einem Geschöpf von so hoher Intelligenz, wie sie der Elephant besitzt, die Langeweile um so größer sein, wenn es zu dauernder Unthätigkeit und, was die Hauptsache, Bewegungslosigkeit verurtheilt ist. Denn das Letztere ist bei den angeketteten Thieren doch im Ganzen der Fall. Ein Affe in seiner lustigen Albernheit kann sich mit einem Strohhalme lange beschäftigen, wenn es sein muß. Nicht so der Elephant, seine ernste Natur verlangt gewissermaßen bei Allem einen Zweck. Der Berliner Elephant schlug sich auch stundenlang mit seinem großen Lumpen an Bauch und Seiten, immer im Kampfe mit den Stechfliegen; der Kreuzberg’sche Elephant riß, wo es immer ging, die Breter von den Wänden seiner Bühne, und hatte er endlich eins, wo möglich mit den Nägeln daran, losbekommen, so benutzte er es auch. Er packte es fest und begann nun damit ein gewaltiges Schaben am ganzen Körper, und während man es weithin rasseln hörte, schien ihm dies nur ein behagliches Krabbeln zu sein. Daß dem Thier seine Haut jucken muß, ist übrigens sehr begreiflich, denn aus dem fortwährenden Gemisch von Oel und Staub bildet sich auf der ohnehin dicken Haut eine förmliche Kruste, die gewiß nicht wenig beschwerlich ist.

Das gleichförmige Hin- und Herwiegen des Kopfes, oft auch des Vordertheils, welches man gewöhnlich bei den Elephanten in Menagerien beobachtet, scheint auch in Folge der Langeweile zu geschehen. Gleichwohl wollen mehrere Reisende dies auch bei den wilden Elephanten im freien Zustande beobachtet haben. Wenn dies der Fall, was dann eine Art Liebhaberei wäre, vielleicht aber auch wegen der Insecten geschieht, so macht es dort jedenfalls nicht den monotonen Eindruck, welchen diese Bewegung bei gefangenen Elephanten erregt, und die fast etwas Schwindelerregendes hat.

Bekanntlich kann man sich in Folge des altherkömmlichen Unterrichts als Kind einen Elephanten nur als den Inhaber sehr bedeutender Stoßzähne denken, um den Tiger, nachdem er denselben, wie billig, in die Luft geschleudert, damit durchbohren zu können. Fast immer aber wird man dann beim Anblick des ersten lebenden Elephanten gewaltig enttäuscht, denn statt der geträumten elfenbeinernen Hauer sieht man gewöhnlich kaum ein Paar kleine, nichts weniger als weiße Stifte zu beiden Seiten des Rüssels hervorragen, die zwar vom Erklärer als noch im Wachsen begriffen bezeichnet werden, da „das Thier noch jung sei“, die aber im Leben nicht größer werden. Denn die gezeigten Thiere sind fast ohne Ausnahme weibliche Elephanten, bei denen, d. h. den asiatischen, die Stoßzähne nur zu ganz geringer Entwicklung gelangen. Ja, selbst bei dem männlichen Elephanten kommt dies, wohl in Folge eines krankhaften Zustandes, nicht selten vor. Deshalb machte auch auf mich der endliche Anblick eines Elephanten mit vollständig entwickelten Stoßzähnen den Eindruck eines ganz neuen Thieres, oder wenigstens erst des fertigen. Es war dies der im Renz’schen Circus, und derselbe wurde später auch einzeln herumgeführt und gezeigt. Er gehorchte immer noch nur demselben Führer, einem Engländer; derselbe hatte aber in der Zwischenzeit, ehe ich den Elephanten zum zweiten Male sah, in Folge eines Sturzes sich ein Bein abnehmen lassen müssen und konnte sein Thier daher nicht mehr besteigen. Unglücklicherweise war dies gerade in der Zeit der Wuthperiode des Thieres geschehen, welcher bekanntlich die männlichen Elephanten alljährlich unterworfen sind, und während das wüthende Thier tobte und seine Fesseln zu sprengen drohte, schwebte sein Führer auf dem Schmerzenslager zwischen Tod und Leben. Einen eigenthümlich unheimlichen Eindruck machte es auf mich, als mir der Mann bei dieser Erzählung in einem Glaskasten die zersplitterten Knochen seines Beines zeigte, welche er sorgfältig aufgehoben hatte und mit sich herum führte.

Einen prächtigen Anblick bot übrigens dieser Elephant, als er noch zum Circus gehörte, wenn er, seinen Führer auf dem Nacken, mit leichtem Schritte in die Arena hereingerannt kam. Fast elastisch konnte man seinen Gang nennen, und es zeigte sich bei dieser Gelegenheit wieder, welcher Unterschied zwischen dem frei im Raume sich bewegenden und dem eingeschlossenen Thiere ist.

Natürlich muß bei einem so massigen Thiere der Transport immer große Schwierigkeit haben, und um diese zu beseitigen, sind die Besitzer auf verschiedene Arten des Transportirens gekommen. Einen sehr großen Elephanten, welchen ich vor vielen Jahren sah, brachte man dadurch von einem Ort zum andern, daß man ihn in einem von sechs Pferden gezogenen Wagen ohne Boden gehen ließ. Da der Wagen aber genau blos die Länge des Thieres hatte, so mag es schwierig genug für die Pferde und den Elephanten gewesen sein, immer den gleichschnellen Gang inne zu halten. Auch soll, wie mir erzählt wurde, der Elephant in einem Anfall von Eigensinn manchmal plötzlich stehen geblieben sein, wo es dann den sechs Pferden nicht möglich war, das Thier fortzubringen, ehe es wieder willig wurde.

Sehr oft werden die Elephanten auch einfach gefahren auf natürlich sehr massiv gebauten Wagen, welche zugleich den Transport auf Eisenbahnen sehr erleichtern. Die einfachste Art ist allerdings, wenn man den Elephanten seinen Weg selbst zu Fuß zurücklegen läßt, freilich wird dadurch oft viel Zeit eingebüßt im Vergleich zur Eisenbahn, und auch sonst hat diese Art und Weise ihr Unangenehmes. Noch im vorigen Jahre hatte sich, wie die Zeitungen berichteten, beim nächtlichen Transport ein Elephant von seinem Aufseher befreit, war querfeldein gerannt und zum Entsetzen des Nachtwächters in einem Dorfe erschienen. Der über das ihm fremde Ungeheuer entsetzte Wächter der Nacht wußte nichts Besseres zu thun, als Feuerlärm zu blasen, worauf die Bauern und glücklicherweise auch die Eigenthümer des Thieres erschienen, welche dasselbe vergeblich in einem benachbarten Walde gesucht hatten. Mir selbst klagte ein Elephantenwärter, wie viel er bei diesem Transport mit seinem Elephanten auszustehen habe. Einmal war es diesem, glücklicherweise auch in der Nacht, eingefallen, in ein Weizenfeld einzubiegen und sich da gütlich zu thun. Nicht eher, als bis er sich voll gefressen hatte, war er herauszubringen gewesen. Ein anderes Mal, wo der Führer in der Dunkelheit den Weg verfehlt und in einem Dorfe von dem Rücken des Elephanten aus an mehreren Fenstern im ersten Stock angeklopft hatte, um nach dem Wege zu fragen, hatte der Elephant bei dieser Gelegenheit einen ganzen Weinstock sammt Spalier von einer Wand abgerissen und mitgenommen, um die Blätter unterwegs zu verzehren. Es läßt sich begreifen, daß der Führer solchen Einfällen des gewaltigen Thieres gegenüber wenig oder nichts thun kann, wozu noch die Verantwortlichkeit gegen den Eigenthümer kommt, wenn dieser, wie oft, nicht dabei ist.

Schon die Größe des Thieres ist manchmal sehr störend. So sollte z. B. einst ein Elephant, welcher nach Leipzig zur Schau geführt wurde, vorher noch einmal in dem Dorfe Connewitz bei Leipzig übernachten. Aber die Thüre des dazu bestimmten Stalles war zu klein, um den Riesen einzulassen, da solche hohe Reisende in dem Gasthofe zu selten eintrafen. Doch siehe, was die Größe des Thieres verhinderte, machte dessen Intelligenz wieder möglich. Der Elephant ließ sich, dazu commandirt, auf die Kniee nieder, und auf diese Weise rutschend und sich möglichst bückend, gewann er den Eingang und andern Tages auf gleiche Weise den Ausgang.

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Feines Mittagsmahl in der Menageriebude.

Von den Kunststücken der Elephanten zu sprechen, ist jedenfalls hier überflüssig, Jedermann kennt dieselben aus eigener Anschauung, denn sie sind ja fast immer dieselben. Mir ist immer das Hinlegen auf Commando das Interessanteste dabei gewesen, da dies so abweichend von dem aller andern Thiere ist, daß man, ohne es zu sehen, keinen rechten Begriff davon hat. Gewöhnlich wird dabei das Publicum belehrt, daß „nach der Naturgeschichte“ die Elephanten sich nicht hinlegen könnten und im Stehen schlafen müßten, was aber falsch sei, und nun erfolgt der Gegenbeweis. Natürlich fällt damit auch die berühmte Art des Fangens, nach welcher man den Elephanten sich an einen Baumstamm lehnen, einschlafen und den Stamm umhauen läßt, in ihr schmähliches Nichts zusammen.

Die erwähnten Kunststücke würden übrigens sehr leicht zu vervielfältigen oder wenigstens abwechselnder zu machen sein, wenn die Abrichter dabei etwas von der gewöhnlichen Routine abweichen wollten. Es scheint aber, als geschähe dieses Abrichten immer über einen Leisten, nur selten sieht man eine neue Kunstleistung des Elephanten oder auch nur eine neue Form derselben. Besonders das Komische könnte in diesem Fache viel mehr cultivirt werden und würde beim Publicum am meisten Glück machen. In dieser Beziehung war es z. B. eine äußerst originelle und glückliche Idee, als einst in einer einem Franzosen gehörigen Menagerie, welche auch nach Leipzig kam, bei der unvermeidlichen Mahlzeit des Elephanten ein Affe, ganz als Koch gekleidet, auf einem langen Bret zum Tische des gewaltigen Thieres heraufgetrippelt kam, um demselben die verschiedenen Gerichte zu präsentiren, wobei er nicht verfehlte, sich bei dem Ueberreichen jedesmal ein Stück, welches ihm gefiel wegzustibizen. Die kleine, trippelnde Gestalt mit dem weißen Anzug, dem langen Schwanz und dem ernsten, zum Ueberfluß mit weißer Kreide bemalten Gesicht sah im Gegensatz zu dem ruhigen Elephanten außerordentlich drollig aus, und ich habe es nicht unterlassen können diese Scene zu zeichnen.

Wie mechanisch übrigens auch ein Elephant seine Kunststücke ausführt, wenn er dieselben fortwährend zu wiederholen gewohnt [414] ist, davon wurde ich als Knabe einmal recht deutlich überzeugt. In der frühern van Aken’schen Menagerie befand sich auch ein Elephant, unter dessen Leistungen auch das gewöhnliche Aufheben mehrerer Geldstücke vorkam. Ehe er dieselben seinem englischen Führer, welcher auf seinem Nacken saß, überreichte, ließ er sie durch Schütteln aneinander klingen, zum Zeichen, daß er alle drei Geldstücke zusammen habe. Eines Morgens, als ich mich allein in der Menagerie sah, wandelte mich die Lust an, zu versuchen, ob der Elephant auch mir gehorchen würde. Ich zog mit einer gewissen Resignation einen Dreier aus der Tasche und warf ihn dem Riesenthiere hin, indem ich ihm dabei die englischen, durch öfteres Hören auswendig gelernten Worte zurief, welche zu diesem Kunststück gehören. Der Elephant hob richtig den Dreier auf. Statt ihn mir aber, wie mein Wunsch war, wieder zu geben, schüttelte er ihn unaufhörlich zwischen dem Rüssel, wahrscheinlich das Klimpern des einzelnen Stückes erwartend. Da der Dreier einen wesentlichen Bestandtheil meiner damaligen Capitalien ausmachte, so rief ich dem Thiere wiederholt mein Englisch zu, zur deutlichern Illustrirung die Hand ausstreckend, aber das Schütteln dauerte fort, eben so mein verzweifeltes Rufen, bis endlich der tragische Schluß damit eintrat, daß der Elephant den Dreier, vielleicht in Folge eingetretenen Krampfes im Rüssel, verlor und derselbe in eine Spalte zwischen den Dielen fiel. Ob der Elephant auf weitere Geldstücke wartete, weil er vielleicht-besser als ich wußte, daß mein Englisch nichts vom Wiedergeben erwähnte, sondern blos von drei Geldstücken sprach, oder ob er meine Person nicht respectirte, wer weiß es? Ich habe übrigens keinem Elephanten wieder Geld gegeben.

Es versteht sich natürlich von selbst, daß sich der Werth eines Elephanten für die Besitzer wandernder Menagerien bedeutend nach den Kunstleistungen des Thieres richtet. Ein Elephant, der „ausgezeichnet arbeitet“, ist ein viel werthvolleres Capital, als ein ungeschickter, wenn er auch wirklich schöner wäre. Eins kommt dabei oft auch mit in Frage, ob nämlich das Thier sich leicht an einen andern Führer gewöhnt. Manchmal lassen die Elephanten keinen andern als den ihnen bekannten in ihre Nähe, wie denn der erwähnte Krenzberg’sche Elephant nach jedem Menageriewärter, welcher ihm nahte, mit dem Rüssel schlug, so daß dieselben ihn mehr fürchteten, als die Löwen und Tiger. Andere Elephanten hingegen gewöhnen sich schneller an neue Personen und sind dann überhaupt gegen Fremde nicht bösartig. Vielleicht sind hiervon die verschiedene Erziehung, Neckereien, vielleicht aber auch Temperament die Ursachen; ich möchte auch vermuthen, daß die Abstammung aus verschiedenen Gegenden mit dazu beiträgt, denn da der Verbreitungsbezirk der indischen Elephanten immer noch ein sehr großer ist, so ist dies nicht undenkbar, zumal man unter den zur Schau gestellten Elephanten eine oft sehr große Formenverschiedenheit beobachten kann. Während einzelne fast formlos und wirklich häßlich aussehen, zeigen andere eine gewisse Schönheit, so seltsam dies vielleicht klingt, und dies waren gerade die Exemplare, deren Naturell am energischsten war.

Wenn alle Welt weiß, daß die zur Schau gestellten lebenden Elephanten wohl stets indische sind, da sie dort jederzeit zahm zu kaufen sind, während die afrikanischen so weit im Innern Afrika’s leben, daß, selbst wenn das Einfängen wilder gelänge, schon ihr Transport ungeheuere Schwierigkeiten verursachen würde; wenn dies Jedermann weiß: so wird doch gewiß Mancher fragen, wie es kam, daß doch die Karthager und später die Römer über so große Mengen von Elephanten verfügen und, wenn Mangel eintrat, denselben sehr schnell ersetzen konnten. Denn wenn es noch unmöglich sein muß, nur einen lebenden Elephanten aus dem Sudan durch die Sahara nach Nordafrika zu bringen, so ist bei den Massen, welche damals zum Kriege und später zu den Kämpfen im Circus gebraucht wurden, noch viel weniger daran zu denken. Aber Nordafrika war eben damals selbst noch ein an Elephanten überreiches Land, und die Karthager scheinen gar nicht weit gehabt zu haben, um in die Elephantenregion zu gelangen, denn Hamilkar Barkas, der Vater des Hannibal, wurde nach seiner Zurückkunft von Sicilien einmal eigens auf die Elephantenjagd geschickt; zugleich ein Beweis, für wie wichtig man den günstigen Erfolg hielt, da man den ersten Feldherrn des Staates persönlich damit betraute. Da man die Elephanten massenweise einfing, wozu bei ihrem heerdenweisen Leben immer Gelegenheit war, so ist höchst wahrscheinlich der Fang ein ähnlicher gewesen, wie noch jetzt in Indien, indem man nämlich die ganze Heerde in große feste Umzäunungen lockte und die Thiere dann einzeln, vielleicht auch schon mit Zuziehung gezähmter, bändigte. Durch die Karthager würde übrigens die Elephantenmenge kaum merklich verringert worden sein, selbst wenn der Staat noch länger bestanden hätte, denn ihnen als praktischen Kaufleuten war der Gebrauch des lebenden Thieres der Zweck beim Einfangen. Als aber die Römer die Herren dieses ganzen Gebietes wurden und die Circusschlächtereien im Großen begannen, da mögen sich die Mengen dieser imposanten Thiere, doppelt imposant durch ihre stets auch beim Weibchen schönen Stoßzähne, furchtbar schnell gelichtet haben, bis auch die letzten, die sich vielleicht bis an den Rand der Sahara geflüchtet hatten, das Aussterben dieses Thiergeschlechts in Nordafrika mit ihrem Blute in der Arena besiegeln mußten.

Noch jetzt machen sich die Folgen dieser localen Ausrottung bemerklich, indem es ohne Zweifel nicht so schwer wäre, afrikanische Elephanten nach der Küste des mittelländischen Meeres zu bringen und einzuschiffen, wenn es dergleichen noch in Nordafrika gäbe. So aber wird es vielleicht noch lange dauern, ehe dies mit einem solchen Thiere aus dem Innern dieses Erdtheils gelingt, und vielleicht ist es die große Wasserstraße, auf welcher uns die Nilpferde und Giraffen zukommen, vielleicht ist es der Nil, welcher uns Deutschen auch einen afrikanischen Elephanten zuführt.

L.