Die Schweden in Stolpen während des Nordischen Krieges

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Autor: Friedrich Bernhard Störzner
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Titel: Die Schweden in Stolpen während des Nordischen Krieges
Untertitel:
aus: Was die Heimat erzählt. Sagen, geschichtliche Bilder und denkwürdige Begebenheiten aus Sachsen, S. 148—150
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Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Arwed Strauch
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Erscheinungsort: Leipzig
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62. Die Schweden in Stolpen während des Nordischen Krieges.

Kurfürst Friedrich August von Sachsen, welcher zugleich König von Polen war, wollte dem Schwedenkönige Karl XII. Liefland entreißen, indem er meinte, mit diesem „Schneekönige“ bald fertig zu werden. Allein es entstand daraus ein für ihn selbst sehr unangenehmer und für Sachsen höchst verderblicher Krieg. Obgleich die Schweden nur ein Jahr, von 1706 bis 1707, in Sachsen lagen, so hat ihr Aufenthalt demselben doch über 23 Millionen Taler gekostet. Kurfürst und König August der Starke hatte sich mit dem Könige von Dänemark und mit dem Zar von Rußland, Peter dem Großen, verbunden. „Darum kam auch fremde Einquartierung nach Sachsen. Die Krieger brachten Weiber und Kinder mit, waren in höchst bedauernswerten Umständen, halb verhungert und zerlumpt und blieben ebenfalls fast ein ganzes Jahr hindurch in unserem Vaterlande liegen.

Karl XII. brach den 1. September 1706 mit 22 000 Mann bei Steinau im Fürstentume Wohlau gelegen, in Sachsen ein. Die Kunde von diesem Einfalle verbreitete hier zu Lande einen solchen Schrecken, daß man sich in Dörfern und Städten zur Flucht bereitete, indem man der Barbareien gedachte, welche die Schweden im 30jährigen Kriege verübt hatten. Man versprach sich von den Schweden auch diesmal nichts Besseres. Im 30jährigen Kriege hatten sich die Schweden vor aller Welt einen Schandfleck aufgeheftet, der da bleiben wird, so lange es eine Geschichte gibt. Dies erkennend, war schon in jenem großen Kriege der schwedische Königshof über das Betragen seiner Truppen in Deutschland auf’s Höchste erzürnt, leider aber nicht imstande, es zu ändern. Karl XII. schien nun aber mit dem Vorsatze gekommen zu sein, das, was in Hinsicht auf die Ehre der schwedischen Truppen noch zu retten sei, zu retten; denn seine Soldaten hatten die allerschärfsten Verhaltungsbefehle von ihm erhalten. Es war den Schweden auf das Nachdrücklichste geboten, sich in Feindeslanden jeder Gewalttat und aller willkürlichen Bedrückung zu enthalten. Deswegen mochte ihm die Nachricht von der allgemeinen Flucht der Bewohner Sachsens wohl einen Stich in’s Herz geben, und es erschien sofort seine Ermahnung an alle Landesbewohner, daß niemand von seiner Wohnung weichen solle, auch nicht zu weichen brauche; denn jeder sächsische Untertan genieße, so lange er mit seinem Heere in Sachsen weile, völlige Sicherheit seiner Person; nur solle man das, was an Kontributionen (Kriegssteuern) auferlegt werden würde, bereitwilligst leisten. Es war aber trotzdem der Druck, den die schwedischen Truppen auf Sachsen ausübten, immerhin noch groß genug.

[149] Am 13. September 1706 übernachtete der König Karl XII. von Schweden mit etlichen seiner Truppen in Radeberg und verlegte wegen Mangels an Raum etliche Regimenter nach Kleinwolmsdorf bei Radeberg, die einige Tausend Pferde bei sich hatten. Die Schweden brachten daselbst nur eine Nacht zu, und doch wurde die ganze Ernte verzehrt und zum größten Teil verdorben. „Die Soldaten haben die Häuser und Höfe mit ihren Leuten, die Reiter mit ihren Pferden in den Gärten, an die Planken, gemeine Wiesen, auch Scheunen sich Platz gemacht, den Weiß- und Futterhaber, Garben schockweise den Pferden vorgeworfen, dem Korn die Ähren abgehauen; das Heu und Getreide bei manchem meist vernichtet; Nachts bei entstandenem Platzregen von Weizengarben sich Hütten gemacht und also überall, trotz des Verbotes, ein traurig Schauspiel nach sich gelassen,“ schreibt der Chronist, ein Augenzeuge jener Tage.

Ein Trupp Schweden vom Regimente des Obersten Cronmann, der in Radeberg lag, kam den 28. September über Arnsdorf früh um fünf Uhr auch nach Stolpen. Die Schweden hielten am Niedertore und begehrten Einlaß. Da ihnen dieser verweigert wurde, verschafften sie sich solchen gewaltsam. Mit Äxten zerschlugen sie die Tore, stellten sich auf dem Marktplatze auf und besetzten die Zugänge nach der Festung. Da sie aber bemerkten, daß man da oben auf guter Hut wäre und nicht nur mit dem Geschütze umzugehen verstehe, sondern auch „einige Mannschaft“ durch zwei verschiedene Tore ausfallen lasse, entfiel ihnen der Mut, so daß sie über Hals und Kopf bis an die Hospitalkirche zurückwichen. Es war aber der rechte Ernst des Festungskommandanten nicht, diese zusammengelaufene und zum Teil unbewaffnete „Rotte“ anzugreifen. Leicht hätte man die schwedischen Beutesucher aufreiben können, denn dazu war die Furcht dieser Herumtreiber groß. Doch man dachte in der Festung daran, daß die Schweden Verstärkung erhalten könnten und zog es darum vor, lieber zum neuen Angriff alles in guten Verteidigungszustand zu setzen und die Stadt wohl zu verwahren.

Schon am 29. September kamen zwanzig schwedische Reiter nach Stolpen. Sie ritten vor das Haus des Bürgermeisters Jäckel und forderten Kontribution. Doch in diesem Augenblicke kam ein Teil der Burgbesatzung mit gefällten Waffen von der Festung herab. Wie die Soldaten diese erblickten, schwangen sie sich auf ihre Pferde und jagten eiligst davon.

Auf der Festung befand sich damals außer dem Oberstleutnant und Kommandanten noch ein Major, der ziemlich unwillig darüber war, daß sich die am Niedertore stehende Bürgerwache nicht besser vorgesehen hatte. Er ordnete daher an, daß sogenannte „spanische Reiter“ vor beiden Toren aufgestellt würden. Davon erhielten die Schweden bald Nachricht und meinten, die Stadt wolle sich auf diese Weise der Kontribution entziehen. Deshalb blieben sie während der Nacht in Fischbach, zwischen Stolpen und Radeberg, liegen, zogen aus Radeberg eine Verstärkung nach und kamen am folgenden Morgen in aller Frühe wieder nach Stolpen. Die zur Befestigung der Tore aufgestellten spanischen Reiter wurden niedergehauen, das Tor wurde mit Gewalt abermals erbrochen, und der Feind zog wiederum in die Stadt ein. Vor dem Hause des Bürgermeisters nahm er Aufstellung und forderte von neuem Kontribution. Doch von der Festung aus wurde ein Ausfall gegen den Feind in’s Werk gesetzt. Als die Schweden solches bemerkten, ritten sie wieder in großer Eile zum Tore hinaus. Darauf forderten die Schweden den Amtmann und den Rat vor das Tor, woselbst wegen der Lieferung mit ihnen verhandelt werden sollte. Der Herr Amtmann nahm den kommandierenden schwedischen Offizier „unter guter Versicherung“ mit sich hinein in den Gasthof, um dort [150] zu verhandeln. Die Schweden besetzten unterdessen die Tore, weil sich die Besatzung der Festung wieder in die Burg zurückgezogen hatte. Viele der Schweden kamen auch mit in den Gasthof hinein, traten in die Türe desselben und sahen sich auf dem Markte um. Als der Major auf der Burg oben solches gewahr worden war, ließ er sogleich ein „Stück mit Cartetzschen“ laden und wollte unter die Schweden Feuer geben. Der Amtmann, dem man es eilfertig hinterbrachte, schickte sogleich zu dem Kommandanten der Festung einen Eilboten und ließ „Vorstellung dagegen tun“. Der Kommandant wußte nichts davon, was vorgefallen war, begab sich aber sofort in die alte Schösserei, wo das Stück geladen stand, und er verhinderte noch rechtzeitig das Vorhaben des Majors. Die Verhandlung mit den Schweden unten im Gasthofe lief günstig ab; die Schweden zogen wieder weg. Sie gaben sich mit einer Lieferung von Lebensmitteln zufrieden. An demselben Tage aber traf noch die Nachricht ein, daß ein Waffenstillstand auf 5 Wochen geschlossen sei. Stolpen hatte sich wiederum rühmlich gehalten und den Feind durch den gezeigten Ernst in Verwirrung gebracht. Die Schweden kehrten nicht wieder.