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Die Seele des Orchesters

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Titel: Die Seele des Orchesters
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aus: Die Gartenlaube, Heft 49, S. 774–776
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Die Seele des Orchesters.

(Mit Abbildungen.)

Aus einem noch jetzt von den Arabern benutzten sehr unvollkommenen Saiteninstrumente, dem Rebec, das die Eroberungen der Mauren nach Europa brachten, scheint sich nach und nach das entwickelt zu haben, was heute die Seele des Orchesters bildet – die Violine. In Italien war es, wo der Bau derselben die ersten und sehr rasche Fortschritte machte, so daß z. B. Gaspare di Salo in Brescia (1535) bereits Instrumente fertigte, welche vollkommen die heutige Form haben. In der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts finden sich auch schon Nachrichten über die größere Ausbreitung des Violinspiels und es wird überdies des Violoncellos und des Basses gedacht. Die ersten Geigen sollen größer gewesen sein, als die heutigen, und erst am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts durch Testator il Vecchio in Mailand verkleinert worden sein. Man erklärt sich hieraus den Namen Violine, der so viel als „kleine Viola“ bedeutet.

Außer Gaspare di Salo sind noch mehrere andere Brescianer, besonders Maggini, Zanetto und Laussa als berühmte Geigenmacher des sechszehnten Jahrhunderts bekannt. Sehr bald wurde jedoch Brescia, die Wiege des Violinbaues, durch die ausgezeichneten Leistungen mehrerer Künstler in Cremona, namentlich des Andrea Amati (1575) in den Hintergrund gedrängt. Auch die Söhne Amati’s, sowie einer seiner Enkel, bauten ausgezeichnete Instrumente, welche noch jetzt theils als Seltenheiten, theils wegen ihres lieblichen Tones sehr theuer bezahlt werden. In dem letzten Viertel des siebenzehnten Jahrhunderts verfertigte ein Schüler des letzten Amati, Andrea Guarneri (1675–94) ebenfalls ganz vortreffliche Violinen, welche sich, wie die seiner Nachfolger, noch heute durch ihren brillanten Ton auszeichnen und von vielen Künstlern allen andern vorgezogen werden. Der Geigenbau pflanzte sich in der dadurch berühmt gewordenen Familie Guarneri bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts fort. Die ausgezeichnetsten Werke lieferte Joseph Guarneri del Gesù (1728–42). Paganini’s Lieblingsvioline war aus seiner Hand hervorgegangen. Ein dritter großer Meister des Cremoneser Violinbaues, Antonio Stradivari (Straduarius), gestorben 1738, hatte nicht das Glück, seine Kunst auf seine Söhne vererbt zu sehen. Die Amati und Guarneri, sowie Antonio Stradivari begründeten den hohen Ruhm Cremonas in der gedachten Beziehung und wurden übrigens durch ihre zahlreichen Nachfolger in Italien und andern Ländern nicht übertroffen. Die Cremoneser Geigen sind vielmehr von einer so classischen Vollendung, daß man nach einem Jahrhundert des Probirens und Suchens nach andern Constructionen in der neuesten Zeit zu der Ueberzeugung gekommen ist, es sei das Beste, die von den alten italienischen Meistern noch vorhandenen Instrumente rücksichtlich ihres Baues ganz genau nachzuahmen. Natürlich braucht dies nicht in unwesentlichen Aeußerlichkeiten zu geschehen. Die erwähnte Nachbildung würde nun durchaus nicht so entschieden angestrebt werden, wenn man von dem prachtvollen Klange der meisterhaften Arbeiten aus der classischen Zeit des Violinbaues nur aus geschichtlichen Aufzeichnungen etwas wüßte. Nein, man kann noch jetzt die wunderbar reinen, vollen und dabei schmelzenden Töne jener Kunstwerke bewundern. Manche besitzen einzelne Exemplare, Andere ganze Sammlungen derartiger alter und ausgezeichneter Instrumente, und dies nicht als bloße Raritäten. Die Violine hat nämlich die merkwürdige Eigenschaft, daß sie mit dem zunehmenden Alter einen immer schöneren Klang erhält. Deshalb ist es auch schwierig, neue Violinen richtig zu beurtheilen. Nicht selten sehen die Geigenmacher nur darauf, daß ihre Instrumente sich im neuen Zustande durch einen tadellosen Klang auszeichnen. Es wird dies in manchen Fällen durch Verdünnung der Decke und des Bodens des Resonanzkörpers, mitunter auch durch eine sehr verwerfliche Beizung des Holzes erreicht. Diese Mittel kürzen aber erfahrungsmäßig die Dauer der guten Eigenschaften einer Violine bedeutend ab und sind nur bei ganz gewöhnlichen Instrumenten zulässig. Der Violinbauer muß also hinsichtlich seiner bessern Werke mehr auf die Zukunft, als auf die Gegenwart bedacht sein. Mit jedem Jahre werden dieselben dann besser.

Im siebenzehnten Jahrhundert verpflanzte sich die Kunst des Violinbaues von Italien aus nach Spanien, Frankreich und Deutschland, in letzterem zuerst nach Tirol, wo besonders die Instrumente von Stainer in Absam bei Innsbruck bald so beliebt wurden, daß man sie lange Zeit den Cremonesern gleich schätzte. Die Stainerschen Violinen haben das Eigenthümliche, daß ihre Decken und Böden stark gewölbt sind. In späterer Zeit haben sie bedeutend an Ruf verloren.

Ein Schüler Stainer’s, Egid. Klotz, vervollkommnete und erweiterte die Geigenmacherei in Mittenwald an der obern Isar in Baiern, welcher Ort für Deutschland das wurde, was Cremona für Italien gewesen war, wenn auch nicht in einem so hohen Sinne. Gegenwärtig beschäftigen sich in Mittenwald gegen einhundert Familien mit Anfertigung von Violinen, Guitarren und Cithern, und es besteht seit 1858 eine eigene Musterwerkstätte daselbst, in der zwei der tüchtigsten Lehrer, welche die Regierung auf Staatskosten von den vorzüglichsten Meistern unterrichten ließ, praktischen Unterricht ertheilen. Außerdem sind auf Staatskosten ausgezeichnete alte Violinen angekauft und mit einigen der vorzüglichsten neuern Instrumente zu einer Mustersammlung vereinigt worden, welche nicht blos für die besten, sogenannten Künstlergeigen, sondern auch für die ordinären oder Marktgeigen die Vorbilder liefern soll. Hierdurch wird gewiß der dortige Violinbau künftighin auch höheren Anforderungen der Musiker immer besser Genüge leisten.

Für gewöhnliche Violinen, sowie für gute und kräftige Concertinstrumente derselben Art, ist jetzt in Deutschland unbestritten die Stadt Neukirchen – früher Markneukirchen genannt – im sächsischen Voigtlande nebst den nahen Orten Adorf und Klingenthal der Hauptfabrikationsort. Dazu kommen außer dem schon erwähnten Mittenwald noch Graslitz und Schönbach im böhmischen Erzgebirge, ferner Nürnberg, Prag, Wien, Berlin, einige Orte in Würtemberg und Schlesien. Die Vororte der französischen Geigenmacherei sind Mirecourt in Lothringen (seit 1680; jetzt sechs- bis achthundert Arbeiter), Paris und mehrere größere Provincialstädte. England und Amerika beziehen ihre Violinen größtentheils aus Deutschland.

Nach Neukirchen und Umgebung ist der Violinbau nach dem dreißigjährigen Kriege durch Vertriebene (Exulanten) aus Böhmen, diesem der Musik so ergebenen Lande, verpflanzt worden [775] und hat namentlich in neuester Zeit einen außerordentlichen Aufschwung genommen. Es werden daselbst dreihundert verschiedene Sorten Violinen und gegen zweihundert Sorten Violinbogen gemacht. Die ersteren werden hauptsächlich nach Mustern von Stradivari gefertigt und zwar zu sehr verschiedenen, theilweise fabelhaft billigen Preisen, welche nur durch die außerordentliche Theilung der Arbeit möglich sind, z. B. Kindergeigen zu zwei Thalern das Dutzend; gewöhnliche Geigen von dritthalb bis zweihundert Thaler pro Dutzend. Eine sehr billige Sorte dieser Instrumente, die übrigens oft seltsam bemalt wird, wandert nach dem fernen Amerika, wo sie dem Indianer und Neger das Leben erheitern hilft. Aber auch bessere Arten werden in Menge nach Amerika versendet. Ferner sind Rußland und England und nach diesen, Italien ausgenommen, alle europäischen Länder Absatzgebiete für die Neukirchner Fabrikate. Man berechnet den jährlichen Umsatz der Neukirchner Gegend in diesem Artikel, einschließlich der Blasinstrumente, auf anderthalb Millionen Thaler, und die Anzahl der jährlich dort fabricirten Streichinstrumente beläuft sich auf mindestens dreißigtausend Stück. Desgleichen erzeugen Neukirchen und Umgebung an Darmsaiten gegenwärtig wohl zwanzigmal so viel, wie ganz Italien, nämlich für 500,000 Thaler jährlich, und beziehen die dazu nöthigen Därme zum größten Theile aus Norddeutschland (Berlin, Königsberg) und aus Dänemark und England.

In Bezug auf Meisterwerke des Violinbaues haben jetzt die Instrumente von Vuillaume, Mirmont und den Gebrüdern Gand in Paris, sowie von Sitt in Prag, Lemböck und Bittner in Wien, Grimm in Berlin und einigen andern tüchtigen Künstlern den meisten Ruf. Vuillaume, welcher wie Mirmont und alle berühmten französischen Geigermacher in Mirecourt geboren ist, wird von den Meisten für den größten unter ihnen gehalten. Er hat die gewissen Liebhabern willkommene Manier, seinen neuen Instrumenten durch Abkratzung des Lacks und durch sonstige höchst getreue Nachahmung alter Violinen das Aussehen zu geben, als wären sie schon lange, lange Zeit in Gebrauch gewesen und einer Sammlung von Alterthümern entnommen. Daß dies beim Verkauf später zu manchem Betrug führen muß, ist natürlich.

In England werden viele ordinäre Instrumente aus Deutschland feiner ausgearbeitet, öfters sogar mit frischen Hälsen versehen und sorgfältiger lackirt, dann aber zu viel höheren Preisen verkauft. Ueberdies giebt es in England einige geschickte Wiederhersteller und tüchtige Kenner der alten ausgezeichneten Violinen. Für diese ist London der bedeutendste Handelsplatz. Das Haus Puttick und Simpson in London hat oft in einem einzigen Jahre zwei- bis dreitausend Streichinstrumente der bessern und besten Arten zu versteigern. –

Die Violine ist bekanntlich mit vier Saiten bespannt, welche die gleiche Länge (etwas über 12’’ Pariser Maß), aber verschiedene Dicken und dem entsprechend verschiedene Gewichte haben. Sie werden auf die Töne g, d1, a1, e2 gestimmt, also immer um eine Quinte auseinander; die entsprechenden Schwingungszahlen pro Secunde sind: 196, 294, 440, 659; die betreffenden Spannungen 121/2, 122/3, 133/4, 1715/16 Zollpfund. Das a1 der dritten Saite mit 440 Schwingungen pro Secunde dient vermittelst der Stimmgabel zur Stimmung der übrigen Saiten. Die Tonhöhe sinkt, wenn das Gewicht der Saite zunimmt, und zwar so, daß z. B. die Schwingungszahl im Verhältniß von 4:3 abnimmt, wenn sich das Gewicht der Saiten im Verhältniß von 9:16 erhöht. Die außerordentlich große Anzahl von Tönen, welche die Violine giebt, wird, wie Jedermann weiß, dadurch hervorgebracht, daß der Spieler durch Andrücken der Saiten an das Griffbret die Länge der schwingenden Theile derselben verkürzt. Durch einen schwächeren Druck auf die Saiten, welcher das Mitschwingen ihres untern Theils noch erlaubt, werden die Flageolettöne erzeugt.

Die Saiten der Violine werden, wie die aller andern Streichinstrumente, aus den Gedärmen von Lämmern, Ziegen, Schafen, Katzen etc. angefertigt. Die feinsten Sorten werden durchgängig aus den Gedärmen sehr junger Lämmer – nicht über acht Monate alt – gesponnen. Am tauglichsten hierzu sind die von den im August und September geborenen, weil die beste Zeit zur Fabrikation der Saiten die vom März bis Juli ist. Es lassen sich da die Därme am besten dehnen und zu recht glatten und wohlklingenden Saiten zusammendrehen; auch ist alsdann hinreichendes frisches Wasser vorhanden, um die Vorarbeiten vor dem Spinnen, das Wässern und Abschaben (Maceriren), sowie das zur Entfernung des Fettes dienende Beizen der Därme (in Pottaschelösung) gehörig vornehmen zu können. Die feinsten Saiten bestehen aus nur drei macerirten Lammdärmen. Jetzt werden auch viele feine Saiten aus gespaltenen Gedärmen älterer Thiere verfertigt. Nach dem mehrmals wiederholten Drehen schwefelt man die Saiten und ölt sie mit ein wenig feinem Oliven- oder Mandelöl ein, dem ein Procent Lorbeeröl zugemischt wird, um das Ranzigwerden der andern Oele zu verhüten. Die stärkeren Saiten überspinnt man mit Silber- oder Kupferdraht, um ihr Gewicht zu erhöhen und ihren Ton dadurch entsprechend zu vertiefen. Der Raum erlaubt uns nicht, die vielen einzelnen Arbeiten und Vorsichtsmaßregeln, welche die Verfertigung der scheinbar so einfach herzustellenden Darmsaiten nothwendig macht, noch näher zu detailliren. Daß das betriebsame Neukirchen im sächsischen Voigtlande und seine Nachbarorte in Deutschland die ausgedehnteste Saitenfabrikation aufzuweisen haben, ist schon erwähnt worden. Nach dem Berichte der Gewerbekammer zu Plauen giebt es dort gegen 250 Saitenmacher, welche jährlich gegen 100,000 Schock Saiten von durchschnittlich zwölf bis dreizehn Klaftern Länge verfertigen und deren Fabrikate weithin versendet werden. Die feinsten Saiten werden noch jetzt von Neapel bezogen, wo man zu ihrer Bereitung sehr gutes Rohmaterial hat.

Die Saiten der Violine sind mit dem einen Ende an dem Saitenhalter befestigt, welcher seinerseits vermittelst eines kurzen Saitenstücks von dem Knopf festgehalten wird; jene laufen dann über den Steg und das Griffbret und liegen vor ihrem Eintritt in den Wirbelkasten auf einem Bretchen am Ende des Griffbrets auf, welches man den Sattel nennt. Der eigenthümliche Klang der Saitenschwingungen auf der Violine wird durch den Resonanzkörper hervorgebracht. Dieser besteht aus einer obern, mehr oder weniger gewölbten Platte von Fichtenholz, der Decke oder Resonanzplatte, auch Brust genannt, und aus einer dieser gegenüberstehenden, weniger gewölbten Bodenplatte von Ahornholz. Die schmalen Seitenwände des Resonanzkastens sind aus demselben Holze wie der Boden und werden die Zargen genannt. Decke und Boden sind innerhalb des Kastens durch kleine, eingeleimte Stückchen Holz und zwar in der Gegend des Knopfes, an den Ecken der Zargen und am Halse, mit einander verbunden, um der Violine mehr Festigkeit zu geben. Der Hals ist der an den Resonanzkasten anstoßende, unterhalb des Griffbrets liegende Theil, an dessen Ende der Wirbelkasten befindlich ist. Der Theil des Halses, mit welchem derselbe an den Zargen befestigt ist, wird Haken genannt. Die Decke der Violine hat zu beiden Seiten des Stegs zwei Schalllöcher in F-Form, die sogenannten F-Löcher, welche die Luft im Innern des Resonanzkastens mit der äußern verbinden sollen. Verklebt man dieselben, so wird der Ton des Instruments viel tiefer, hohler und schwächer. Von ganz besondrer Wichtigkeit sind zwei andere Theile der Violine, der Steg und der Stimmstock oder die sogenannte Seele. Der erstere ist bekanntlich ein Bretchen, das auf der Decke der Violine senkrecht aufgesetzt ist und über welches die Saiten hinweggespannt sind. Am obern Rande ist der Steg etwas gekrümmt; außerdem ist er eigenthümlich ausgeschnitten und namentlich an seinem untern Theile so, daß er gewissermaßen zwei Füße hat. Läßt man diese Ausschnitte weg, so giebt die Violine fast gar keinen Ton, weil dann die Uebertragung der Saitenschwingungen auf die Theile des Resonanzkörpers nicht gut von Statten gehen kann. Ziemlich unter dem rechten Fuße des Steges befindet sich innerhalb jenes Kastens der Stimmstock oder die Seele der Violine. Es ist dies ein den Boden und die Decke verbindendes Säulchen von Holz, welches erstlich dazu dient, daß die Erzitterungen des rechten Stegfußes nicht nur auf die Deck-, sondern auch auf die Bodenplatte übertragen werden, und zweitens noch den Zweck hat, diese Schwingungen gegen beide Platten rechtwinklig zu machen. Entfernt man den Stimmstock aus der Violine, so wird der Klang derselben sehr geschwächt. Der Stimmstock macht durch seinen Widerstand den rechten Fuß des Stegs ziemlich unbeweglich; desto lebhaftere Schwingungen kann aber der linke Fuß desselben machen, welcher hauptsächlich die Bestimmung hat, die Resonanz- oder Deckplatte in lebhafte Oscillationen zu versetzen. Von dem letzterwähnten Stegfuße aus läuft unterhalb der Decke nach dem Halse zu eine schmale Holzleiste hin, der Baßbalken, welcher die erregten Schwingungen über die ganze Deckplatte verbreiten hilft und außerdem zur Festigkeit des Instruments, das eine Saitenspannung von mehr als fünfzig Pfund auszuhalten hat, wesentlich beiträgt. Wegen dieser [776] Spannung, noch mehr aber deshalb, weil die Querschwingungen der Decke und des Bodens dann weniger Widerstand finden, muß die Faserrichtung der Decke den Saiten parallel gehen. Ist der Boden aus Ahornholz, so werden die Töne des Instruments kräftiger, als wenn er ebenfalls aus Fichtenholz besteht, wie die Decke. Beide, Boden und Decke, müssen eine solche Stärke haben, daß sie nahezu denselben Ton geben, wie die für sich vibrirende Luft des Resonanzraums. Dabei ist es für die Harmonie dieser drei Theile in ihrer Verbindung von Wichtigkeit, wenn Decke und Boden für sich beim Anschlagen mindestens um einen halben Ton auseinder tönen. Beim Zusammenfügen beider geben sie dann einen und denselben Ton ohne alle Disharmonie.

Zum Spielen der Violine gehört endlich ein Bogen. Der Name desselben deutet schon genügend an, welche Form diese nothwendige Ergänzung aller Streichinstrumente anfangs gehabt hat. Die vollkommenste Form des Bogens hat noch ein volles Jahrhundert länger auf sich warten lassen, als die der Violine selbst. Der Franzose Tourte verfertigte Ende des vorigen Jahrhunderts zuerst Violinbogen in der heutigen Gestalt und Einrichtung; seine Bogen haben noch heute hohen Ruf.

Die Stange des Violinbogens wird am liebsten aus Fernambukholz gemacht; weniger gut ist schon das Schlangenholz (aus Brasilien); zu den billigeren Bogen verwendet man die sogenannte amerikanische Eiche. Der untere Theil des Bogens dient zum Anspannen der Haare und führt den Namen Frosch, das obere Ende wird der Kopf genannt. Die Stange, welche beide verbindet, muß sehr elastisch sein, weshalb die Auswahl des Holzes nicht unwichtig ist. Die zwischen Kopf und Frosch ausgespannten Haare sind Roßschweifen entnommen. Sie sind an ihrer Oberfläche mit lauter dachziegelartig übereinandergreifenden mikroskopischen Höckerchen besetzt, welche zum Theil die Reibung und dadurch das Tönen der Saiten verursachen und hierbei durch das Colophonium unterstützt werden.

Fig. 1. Violine der Neuzeit. a. Decke oder Brust, b. die Zargen, c. der Saitenhalter, c1. der Knopf, d. der Steg, e. das Griffbret, f. der Hals, g. der Haken, h. der Sattel, h1. der Wirbelkasten und die Wirbel, k. die F-Löcher der Violine, l. der Frosch und m. der Kopf des Bogens.
Fig. 2. Das dreisaitige Rebec. – Fig. 3, 4, 5. Violinen aus der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.

Trotz der im Vorhergehenden angeführten Einflüsse der verschiedenen Theile der Violine auf ihren Klang, ist es doch ihre ganze Form und Bauart, in welcher das Geheimniß ihrer mächtig ergreifenden musikalischen Wirkung liegt. Es giebt alte Violinen, an denen mit Ausnahme der Decke nach und nach Alles erneuert worden ist, und doch werden sie noch eben so sehr geschätzt, wie die Originale. Da man nun jetzt nach den alten Modellen arbeitet, so sind unsere feinen Instrumente gewiß eben so gut, wie jene zu ihrer Zeit gewesen sind, und werden durch den Gebrauch künftig gleich vortrefflich, wie die Werke Amati’s und seiner Nachfolger. Daß neue Violinen einen etwas härteren und rauheren Klang haben als alte, ist ganz natürlich. Durch das Zusammenleimen, Biegen und Zusammenpressen der Theile müssen auch bei der größten Sorgfalt Ungleichheiten in der Elasticität derselben entstehen; ebenso durch die ungleiche Dichtigkeit des Holzes. Wird aber eine Violine lange Zeit gespielt, so wird vorzüglich in der Decke durch die fortwährenden Erzitterungen manche Veränderung in der Lagerung der Fasern hervorgebracht, und es werden nach und nach die mancherlei Hindernisse entfernt, welche einer ungestörten Verbreitung der Schwingungen des Resonanzkörpers anfangs hindernd im Wege standen.

Die eingehendsten Versuche zur Auffindung der eigenthümlichen Schwingungsverhältnisse der Violine hat Savart gemacht und in den Berichten der Pariser Akademie publicirt. Außerdem lehrt auch ein neueres Werk, „Zamminer, die Musik und die musikalischen Instrumente“, das Nähere über den Bau der Violinen wie über die Bedeutung derselben im Verhältniß zu den übrigen Instrumenten.