Die Sehschärfe der Naturvölker und der Deutschen

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Autor: Hermann Cohn
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Titel: Die Sehschärfe der Naturvölker und der Deutschen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 661–664, 666
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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[661]
Die Sehschärfe der Naturvölker und der Deutschen.
Von Professor Dr. Hermann Cohn in Breslau.

Schon im vorigen Jahrhundert berichteten die Reisenden, daß die Naturvölker eine außerordentliche Sehschärfe besitzen. So erzählte Pallas im Jahre 1776, daß ein gemeiner Kalmück in einer später auf 30 Werst (d. h. über 30 Kilometer) geschätzten Entfernung den Staub einer nahenden Heerschar erblickte und auch anderen minder geübten Augen zeigte, während der beim Heer befindliche Oberst Kischinskoi mit einem guten Fernglase nicht das Geringste zu sehen vermochte. Bergmann berichtete 1802 folgendes: Ein Kalmück rief seinen mit ihm verirrten Genossen zu, daß er jemand auf einem Schecken einen Hügel hinanreiten sehe. Die übrigen, die sich hierdurch verleiten ließen, der angezeigten Spur nachzureiten, fingen schon an, über den Irrtum ihres Gefährten und ihre eigene Leichtgläubigkeit zu spotten, als sie nach einem Ritt von 20 Werst (über 20 km) neben einem Hügel anlangten, auf welchem ein betrunkener Kalmück eingeschlafen war, während sein scheckiges Pferd mit zusammengeschnürten Füßen unbeweglich neben ihm stand.

Ganz Erstaunliches berichtet Alexander von Humboldt im dritten Bande des „Kosmos“. Er befand sich eines Tages in der Villa des Marquis de Selvalegre in Chillo bei Quito; sein Freund Bonpland hatte allein eine Expedition nach dem 85 000 Fuß, d. h. 3,7 geographische Meilen von der Villa entfernten Vulkan Pichincha unternommen. Die Indianer in Chillo sahen nun Bonpland als einen weißen Punkt, der sich vor den schwarzen Basaltfelswänden des Vulkans bewegte, mit bloßem Auge eher, als ihn Humboldt mit dem Fernrohr fand.

Stanley erzählt, daß die Waganda am Victoria-Njansa mit ihren Augen die Leistungen eines guten, 125 Mark kostenden Fernrohres übertrafen. Auch der Afrikareisende Dr. Fischer aus Sansibar teilte Herrn Dr. Kotelmann in Hamburg mündlich mit, daß die eingeborenen Elefantenjäger des äquatorialen Ostafrika öfters Antilopen mit bloßem Auge wahrnahmen, die er mit seinem Opernglase nicht zu erkennen vermochte.

Zweifellos war das Sehvermögen der genannten Naturvölker also schärfer als das der kultivierten Reisenden. Allein wirkliche Messungen der Sehleistung der Naturvölker waren niemals vorgenommen worden.

Als aber im Jahre 1879 eine Karawane von Nubiern im Zoologischen Garten in Breslau vorgeführt wurde, benutzte ich die so günstige Gelegenheit, um die erste Messung ihrer Sehschärfe vorzunehmen; später wurden ähnliche Untersuchungen von anderen Forschern an Naturvölkern, welche in anderen Zoologischen Gärten gezeigt wurden, angestellt. –

Wie kann man die Sehschärfe prüfen? Zum Verständnis der Beantwortung dieser Frage muß ich den geneigten Leser bitten, einige Minuten mir in das Gebiet der Anatomie des Auges und der elementaren Optik zu folgen.

Fig. 1.

Der Augapfel ist sehr ähnlich der photographischen Camera gebaut. Die vorderen Teile, die Hornhaut (Figur 1 h) und die Krystalllinse (l) entsprechen dem Objektiv der Camera, dem vorderen Glase; sie lassen die Lichtstrahlen in das Auge eintreten und brechen sie so zusammen, daß sie auf der Netzhaut oder Sehhaut (n), welche an der hintern Wand des Auges ausgebreitet ist und welche der matten Scheibe in der Camera entspricht, sich zu einem sehr kleinen umgekehrten Bilde vereinigen. An dem hinteren Pole (p) des Auges befindet sich nun in der Netzhaut eine eigentümliche Stelle, eine kraterartige Vertiefung, die Netzhautgrube. Das ist die Stelle der Netzhaut, mit welcher wir am schärfsten sehen. Wenn wir einen Gegenstand genau sehen wollen, so stellen wir das Auge so, daß das Bild desselben genau auf diese Grube fällt. Wir sagen dann, wir „fixieren“ einen Gegenstand. Wenn die Netzhautgrube durch Krankheiten zerstört wird, hört jedes scharfe Sehen für immer auf.

Unter dem Mikroskop zeigen sich nun in der Netzhautgrube Tausende dicht aneinander stoßender Zellen, sogenannte Sehzapfen (Figur 3). Sie erscheinen als schmalste, flaschenartige Gebilde, die aus einem etwas mehr bauchigen Zapfenkörper und einem äußerst schlanken Zapfenstäbchen bestehen. Das sind die lichtempfindenden Elemente, von denen jedes kaum 1/1000 Durchmesser hat. Auf diesen Zapfen werden die Bilder der Außenwelt am schärfsten wahrgenommen. –

Man beurteilt nun die Sehschärfe nach der Fähigkeit, zwei nahe aneinander gelegene Punkte in großer Ferne noch als zwei zu unterscheiden. Die Prüfung der Sehschärfe hat also Aehnlichkeit mit der Prüfung des Tastsinnes. Jedermann kann leicht folgenden einfachen Versuch machen. Schließt man die Augen und bringt einen Zirkel so auf seine Zungenspitze, daß die Zirkelspitzen nur noch 1 mm auseinander stehen, so empfindet man trotz der geringen Entfernung der Zirkelspitzen dennoch, daß es 2 Spitzen sind. Macht man denselben Versuch an der Fingerkuppe, so empfindet man beide Spitzen nur als eine einzige; man muß hier die Zirkelspitzen schon auf 2 mm voneinander entfernen, um sie auf der Fingerkuppe noch als zwei zu unterscheiden. Auf dem Handrücken nehmen wir sie erst wahr, wenn sie 20 mm, und auf dem Oberarm erst, wenn sie 60 mm voneinander abstehen. Die Feinheit des Tastsinnes mißt man also nach der Thätigkeit, zwei Zirkelspitzen noch als gesondert auf der Haut wahrzunehmen. So ist auch beim scharfen Sehen das Unterscheiden zweier wenig voneinander entfernter Punkte maßgebend.

Wovon hängt diese Unterscheidung im Auge ab?

Jede Lupe hat in ihrem Innern einen Punkt, den optischen Mittelpunkt, durch welchen alle in sie eintretenden Lichtstrahlen ungebrochen hindurchgehen. Auch das Auge hat im Innern der Krystalllinse einen solchen Punkt (Figur 1 k), den man Knotenpunkt nennt. Wenn also von einem leuchtenden Punkte A Lichtstrahlen in das Auge fallen, so geht der Lichtstrahl ungebrochen weiter bis zur Netzhaut, bis zu a; sein Bild muß also in a liegen; ebenso geht der von B durch den Knotenpunkt gezeichnete Lichtstrahl Bk ungebrochen weiter bis zur Netzhaut, und sein Bild muß in b liegen.

Die beiden Lichtstrahlen, die von den leuchtenden Punkten A und B kommen und den Knotenpunkt k passieren, schließen nun offenbar einen Winkel ein, den Winkel AkB und dieser Winkel heißt der Gesichtswinkel.

Fig. 2.

Sind die beiden leuchtenden Punkte sehr nahe am Auge oder sehr weit voneinander entfernt, so ist dieser Winkel natürlich sehr groß (siehe in Figur 2); je weiter aber die beiden Leuchtpunkte vom Auge fortrücken, oder je näher sie aneinander stehen, um so kleiner wird der Winkel, wie man beim Winkel in Figur 1 sehen kann; aber immer noch werden die beiden leuchtenden Punkte als zwei wahrgenommen werden. Wenn aber der Winkel äußerst klein wird, so werden die Punkte nicht mehr als zwei, sondern als ein einziger empfunden werden.

Nun teilt man bekanntlich einen rechten Winkel (ACB, Figur 4) in 90 Grade ein; Winkel ACD hat 10 Grade, ebenso ECB; Winkel FCB ist 1 Grad. Jeder dieser 90 Winkelgrade hat wieder 60 Winkelminuten; eine Winkelminute ist also der 5400te Teil eines rechten Winkels. Man hat nun nach theoretischen Berechnungen und nach Sehprüfungen in Zimmern diesen Winkel von einer Minute als kleinsten Gesichtswinkel angenommen, unter welchem noch zwei Punkte als 2 unterschieden werden. –

Man hat daher Punkte, Zeichen und Buchstaben konstruiert von solcher Größe, daß sie in einer gewissen Entfernung unter einem Winkel von einer Minute dem Auge erscheinen, und man [662] bezeichnet als normale Sehleistung diejenige, bei welcher solche Zeichen unter dem Winkel von einer Minute, also in der bestimmten Entfernung, noch erkannt werden.

Buchstaben werden freilich leichter erraten; jeder, der einmal einen Druckbogen korrigiert hat, weiß, daß es fast nie gelingt, alle Druckfehler auszumerzen, weil man eben nicht jeden Buchstaben liest, sondern viel errät und in Gedanken ergänzt. Helmholtz meinte, daß auch die Bewegung der Augen mithilft, so daß das Bild eines Buchstabens sich nacheinander auf verschiedenen Gruppen von Sehzapfen abbilden kann. Auch kommt sehr viel auf die Form der Buchstaben an. Die Lücke im lateinischen O wird in der Ferne viel leichter als die Lücke im C von der Lücke im G unterschieden; das B wird schwerer entziffert als das L.

Fig. 3.

Gruppen von Punkten sind besser. Sie wurden schon vor 35 Jahren von Professor Snellen in Utrecht empfohlen. Aber auch hier ist eine Gruppe von 5 Punkten nicht gut zu vergleichen mit der Zusammenstellung von nur zwei Punkten: Snellen zeichnete eine solche Tafel mit Punkten von 5 mm Durchmesser, welche in einer Entfernung von 16 m dem Auge unter einem Gesichtswinkel von einer Minute erschienen, also auf 16 m vom gesunden Auge getrennt gesehen werden müssen.

Aber noch besser sind für die Bestimmung namentlich der Sehschärfe bei Naturvölkern und ungebildeten Menschen die hakenartigen Zeichen, welche Snellen vor drei Jahrzehnten konstruiert hat, Figuren, ähnlich einem E und die nach verschiedenen Seiten offen sind, also z. B. M, W, ∃ , E (Figur 5). Diese Haken sind so gezeichnet, daß jeder Strich der Figur genau in 6 m Entfernung dem Auge unter einem Gesichtswinkel von einer Minute erscheint.

Ich habe schon im Jahre 1886 eine kleine „Tafel zur Prüfung der Sehschärfe der Schulkinder, Soldaten, Seeleute und Bahnbeamten“ herausgegeben, welche 36 solcher Figuren in 6 Reihen enthält (Verlag von Priebatsch in Breslau). Diese Haken müssen also vom gesunden Auge bis 6 m erkannt werden. Der Leser versuche es einmal bei Figur 5 selbst, ob er sie bis 6 m erkennt.

Bei Massenuntersuchungen kommt es darauf an, daß die Zuschauenden die Tafel nicht auswendig lernen und dann bei der eigenen Prüfung die Zeichen raten. Das ist hier ganz unmöglich, denn niemand kann selbst beim besten Gedächtnis sich diese 36 Zeichen von oben nach unten, von rechts nach links, von vorn nach hinten und umgekehrt auswendig merken, und die Variationen sind darum so mannigfach, da man sie durch Drehung der Tafel noch viermal ändern kann. Als kleiner Uebelstand machte sich bei den Untersuchungen, die ich seitdem vornahm, doch geltend, daß die weniger intelligenten Personen oft nicht verstanden, ob sie einen Haken über oder unter oder neben dem Stabe, mit welchem man zeigte, lesen sollten; auch zeigten die Gehilfen zuweilen mit dem Stabe zu dicht unter den Haken oder gar direkt darauf, so daß es in der That schwer wurde, in der Ferne zu unterscheiden, über welchen Haken man Auskunft wünschte.

Damit solche Prüfungen nun noch leichter und schneller möglich werden, hatte ich die Tafel in der fünften Auflage verbessert. Nur 8 solche Haken sind, wie in Figur 6, in einem Kreise auf weißen Karton gedruckt. Ueber dieser kleinen handlichen Scheibe von nur 9 cm Durchmesser befindet sich, um denselben Mittelpunkt drehbar, ein Stück blauen Kartons, welches eine runde Oeffnung (a b c d) von 2,5 cm besitzt und immer nur einen der 8 E Haken sehen läßt. Ein Gehilfe – selbst ein ganz kleines Kind kann dazu gebraucht werden – dreht die obere Scheibe nach jeder Probe beliebig weiter nach rechts oder links, bis ein anderer Haken zum Vorschein kommt. Es kann hier kein Mißverständnis dabei entstehen, welcher Haken erkannt werden soll. Auch diese Tafel kann an allen 4 Seiten an Oesen aufgehängt werden; es fehlt also nicht an Variationen.

Außerdem wurde dem neuen Täfelchen eine kleine, aus Karton ausgeschnittene Gabel (Figur 7) beigelegt, welche der Geprüfte einfach in der Richtung halten muß, in der ihm der Haken offen erscheint; sie ist sehr praktisch, da man nun nicht mehr nötig hat, Naturvölkern, Ungebildeten oder Kindern die Schwierigkeiten des Rechts oder Links auseinanderzusetzen.

Mit dieser Tafel kann jedermann, auch wenn er nicht Arzt ist, mit Leichtigkeit in einer Minute die Sehleistung eines Menschen feststellen. Er stellt den zu Untersuchenden in 20 m Entfernung von der Tafel, in welcher nur in den allerseltensten Fällen ein Auge noch die Haken erkennt, läßt ihn immer näher herankommen und notiert die Anzahl von Metern, in der derselbe bei mehreren ihm gezeigten Haken angeben oder mit der Gabel richtig zeigen kann, ob sie oben, unten, rechts oder links offen sind. – –

Ein Bruch, dessen Zähler die gefundenen Meter und dessen Nenner 6 ist, giebt die Sehleistung.

Wurden also diese Haken in 6 m richtig erkannt, so ist die Sehleistung Sl. = 6/6, d. h. normal; kann der Untersuchte sie sogar aus 12 m Entfernung deutlich sehen, so ist Sl. = 12/6 = doppelt so groß als normal; muß er aber bis 2 m herankommen, um die Haken noch zu erkennen, so ist Sl. = 2/6 = 1/3 der normalen.

Mit Hilfe der Tafel und der Gabel ist es natürlich auch leicht möglich, kleine Kinder, die den ersten Tag zur Schule kommen, auf ihre Sehleistung zu prüfen; man kann also schon vor dem Beginn des ersten Lese- und Schreibunterrichtes die wichtige Frage entscheiden, ob das Kind normale Augen hat oder nicht. Um diese Prüfung noch einfacher zu gestalten, habe ich zum Gebrauche für Massenuntersuchungen von Schulkindern jetzt in der 8. Auflage nur einen einzigen Haken auf die Vorderseite und einen anders gestellten Haken auf die Rückseite eines Cartons drucken lassen; durch Drehungen und Wendungen des Cartons wird genügend Abwechslung geboten, wie die soeben in Breslau an Schulkindern vorgenommenen Messungen gezeigt haben.

Fig. 4.

Alle diese Sehproben müssen aber unter freiem Himmel gemacht werden. Als ich vor 33 Jahren 10000 Schulkinder in Breslau untersuchte, machte ich die Prüfungen in den Schulzimmern; sie werden sonst in den ärztlichen Sprechzimmern vorgenommen. Allein schon 1871 zeigte ich in Schreiberhau, einem Dorfe im Riesengebirge, daß die Sehleistung im Freien viel größer wäre. Als im Jahre 1882 das vortreffliche Photometer von Leonhard Weber erfunden war, konnte ich durch Messungen nachweisen, daß im Freien die Tafeln immer noch heller beleuchtet seien als an dem Fenster in den hellsten Schulklassen. Die Untersuchung im Freien ist auch darum vorzuziehen, weil es kaum so große Zimmer giebt, als für die Bestimmung der Sehschärfe nötig ist. Man hat bisher angenommen, daß die hier gezeichneten Haken (Fig. 5) vom gesunden Auge nur bis 6 m erkannt werden. Unter freiem Himmel werden sie jedoch viel weiter gesehen.

Wollen wir die wirkliche Sehleistung des Menschen mit unbewaffnetem Auge feststellen, so müssen wir ihm die Möglichkeit der Fernsicht bieten wie in der Natur. Man muß also, da ich Personen gefunden, die diese Haken selbst bis 20 m noch deutlich erkennen, eine Bahn von 20 m Länge auf der Erde mit Strichen bezeichnen und dort den zu Prüfenden antreten und allmählich immer näher kommen lassen, bis er die Haken deutlich erkennt.

Nach diesen Prinzipien untersuchte ich die Schulkinder in Schreiberhau 1871, die Greise in Schreiberhau 1874, die Nubier 1879, die Helgoländer 1896, die Kalmücken 1897 und in diesem Jahre einige ägyptische Volksstämme. Die Resultate dieser sowie einiger von anderen Aerzten angestellten Untersuchungen waren folgende:

Die Nubierkarawane bestand aus 11 Personen; 9 von ihnen hatten doppelte Sehleistung und mehr; einer sogar zweiundeinhalbfache. Am merkwürdigsten aber war, daß Ali Billal, der [663] Priester, der die Nubier begleitete, der einzige, der lesen konnte und viel arabisch gelesen hatte, eine schwache Kurzsichtigkeit erworben hatte (früher will er sehr gut gesehen haben), so daß er jetzt ein Glas konkav 1,5 brauchte; trotzdem aber besaß er mit der Brille noch eine fast doppelte Sehschärfe.

Generalarzt Dr. Seggel in München untersuchte im Jahre 1883 6 Chippeway-Jndianer und fand bei ihnen einundeinviertel- bis einundeinhalbfache Sehschärfe. Er prüfte auch 15 Lappländer, von denen 3 sogar zweiundeinhalbfache, und 4 Hawaier, die einundeinhalb- bis zweiundeinhalbfache Sehschärfe besaßen. Dr. Kotelmann in Hamburg fand 1884 bei 34 Augen von Kalmücken im Durchschnitt Sehschärfe von 2,7, einmal sogar die kolossale Sehleistung von 6,7! Diese mehr als sechsfache Sehschärfe ist nicht auf einen Irrtum zurückzuführen; sondern wiederholt wurde festgestellt, daß dieser Kalmück, Namens Sansché, Haken, die das normale Auge nur bis 6,5 m erkennt, auf 42 m unter freiem Himmel las.

Im Mai vorigen Jahres konnte ich die mehrfach erwähnte große Sehschärfe der Kalmücken selbst im Zoologischen Garten zu Breslau feststellen, da eine Karawane von 21 Personen hier gezeigt wurde. Ich prüfte sie mit meiner Hakentafel und der Gabel. Nur einer von ihnen sah sie auf 6 m, 3 auf 9, 6 zwischen 9 und 12, 8 zwischen 12 und 15, 2 bis 16 und einer, der Kalmück Jawann, bis 18 m; dieser hatte also dreifache Sehschärfe; die beiden Priester, Gellongs, welche die Karawane begleiteten und Gebete in thibetanischer Schrift lesen, aber kaum etwas schreiben konnten, zeigten zwei bis dreifache Sehschärfe. Wir konnten stets erst mit einem Opernglase kontrollieren, ob die von ihnen mit bloßem Auge gemachten Angaben richtig waren.

Etwas geringere Sehschärfe stellte Kotelmann auch bei 23 Singhalesen und 3 Hindus aus Ceylon fest, die im Mittel aber immer noch mehr als die doppelte Sehschärfe hatten. Er vermutet, daß diese Völkerschaften ihre Augen weniger als die fast immer im Freien beschäftigten Kalmücken ausbilden.

Bei den Kaffern wurde von Schwarzbach ebenfalls einundeinhalbfache Sehschärfe gefunden. – Sehr interessant waren die Ergebnisse der Untersuchungen, die ich in diesem Frühjahr auf meiner Studienreise in Aegypten mit meinem Täfelchen angestellt habe.

Unter den Beduinen, die ich bei klarstem Wetter am 16. Februar 1898 nachmittags 5 Uhr am Fuße der großen Cheops-Pyramide in Gizeh untersuchte, befand sich ein Mann von 18 Jahren, Namens Derwisch, der die Haken bis 36 m richtig angab, also eine sechsfache Sehleistung zeigte.

Unter 100 ägyptischen Rekruten, die ich am 20. Februar, einem wolkenlosen Tage, vormittags 10 bis 12 Uhr auf dem Kasernenhofe der Red-Baraks bei Kairo gemeinsam mit Herrn Dr. Bitter, dem Direktor des Hygieinischen Instituts in Kairo, sowohl auf Sehleistung als auf granulöse (ägyptische) Augenentzündung prüfte, hatten 75% eine ein- bis zweifache, 7 eine zwei- bis dreifache und 1 eine dreiundeinhalbfache Sehschärfe. Ram Nassr aus Garbieh, 25 Jahre alt, zeigte eine vierundeinhalbfache und Mohammed Ganim aus Tantah eine fünffache Sehleistung, da er die Haken statt bis 6 m sogar einwandsfrei bis 30 m las. –

Von besonderem Interesse war es für mich, eine größere Zahl von Bischarin, deren Sehvermögen noch nie geprüft worden, zu untersuchen. Diese im Sudan, in der Nubischen Wüste als Nomaden lebende, höchst uncivilisierte Völkerschaft, welche die Bedauiesprache spricht, sendet nur vereinzelte Vertreter nach Ober-Aegypten. Allein hinter Assuan, nicht weit vom ersten Katarakt des Nil, hatte eine große Horde ein Zeltlager bezogen. Ich ritt am Morgen des 3. März nach diesem Lager in die Arabische Wüste mit zwei Dolmetschern; der eine sprach arabisch, der andere verstand die Bedauiesprache und behauptete, die Leute näher zu kennen. Mit Mühe hatte ich, von tropischer Sonne (33° R., keine Wolke) und von unabweisbaren unzähligen Fliegen gepeinigt, in der Nähe der kläglichen Zelte mir eine Bahn von 24 m mittels kleiner Steinhäufchen auf dem Wüstensande markiert und die Sehprüfungen mit einem 10jährigen Knaben begonnen (er verstand die Aufgabe leicht und las bis 11 m), da kam der Aelteste (Schech) der Bischarin, einer sehr trotzigen und wilden Bande, und erklärte, unter keiner Bedingung die Fortsetzung der Untersuchung zu gestatten – aus Aberglauben, da diese Prüfung den Augen schaden könne! Natürlich versuchte ich durch das afrikanische Zauberwort „Bakschisch“ ihn und seine Stammesgenossen zu gewinnen. Allein es wurde mir trotz aller Verhandlungen der Dragomane stets erwidert: Selbst für 100 Pfund Sterling würden sie die Prüfung nicht gestatten. Ich mußte also leider unverrichteter Dinge wieder nach Assuan zurückreiten. Ich hoffe, daß Prof. Schweinfurth, der berühmte Afrikaforscher, dem ich mein Täfelchen in Luxor übergeben, und der sich für die so vereinfachte Untersuchungsweise interessieren will, bei seinen häufigen Reisen in den Sudan doch noch eine größere Zahl der Bischarin prüfen wird. Das wäre von großer Wichtigkeit, da diese merkwürdigen braunen Stämme von der Kultur noch gänzlich unbeleckt sind und gewissermaßen das Urauge zeigen.

Auf der Rückreise konnte ich wenigstens 6 Bischarin in Luxor untersuchen, die mir der dortige deutsche Konsul, Herr Tadros, herbeigebracht; 5 von ihnen hatten zwei- bis dreifache Sehleistung. – Von großem Interesse waren für mich natürlich auch die Untersuchungen in den Schulen in Kairo, die ich gemeinsam mit Herrn Dr. Eloui-Bey ausführte, einem ausgezeichneten, in Frankreich ausgebildetem Augenarzte, der zugleich als Regierungsschularzt mit 12 000 Franken Gehalt angestellt ist.

Die Erlaubnis, die Schulkinder und die Soldaten mit meinem Täfelchen zu prüfen, wurde mir von Sr. Excellenz dem ägyptischen Unterrichtsminister, Herrn Artin Pascha, bezw. vom Generalarzt der ägyptischen Armee Herrn Dr. Mujiar, auf Antrag des deutschen General-Konsulats und des Herrn Prof. Dr. Rogers-Pascha in kürzester Zeit erteilt.

Aus den vielen interessanten Ergebnissen meiner Studien in 5 dortigen Schulen sei hier nur erwähnt, daß ich in der Ecole Abbas, einer modernen ägyptischen Töchterschule, ein 11jähriges Mädchen, Namens Asmah, die Tochter eines Aegypters und einer Cirkassierin, fand, welche als erste und tüchtigste Schülerin bezeichnet wurde, und die zu unserer Ueberraschung die Tafel bis 38 m las, also über sechsfache Sehschärfe hatte, obgleich sie an granulöser Augenentzündung litt. – Noch viel größer aber war unser Erstaunen, als wir in der Khedivialschule, einer Art Gymnasium, einen 16jährigen Jüngling, Namens Achmed Helmi aus Kairo, fanden, der imstande war, an dem wolkenlosen, wundervollen Vormittag des 15. März in dem schönen Garten der Schule die Haken achtmal richtig zu bezeichnen in 48 m! Er hatte also, wie sich Dr. Eloui mit mir überzeugte, eine achtfache Sehschärfe. Sämtliche Schüler und alle Lehrer verfolgten staunend von Meter zu Meter die Sehleistung von Helmi und brachen schließlich in morgenländischen Beifall aus. Seine Sehschärfe entspricht einem Gesichtswinkel von 71/2 Sekunden. Es ist dies eine Sehleistung, die bisher einzig dasteht.

Wenden wir uns nunmehr der Betrachtung der Sehschärfe der Deutschen zu!

Zunächst verdienen die Helgoländer unsere Beachtung. Wir [664] können sie im Hinblick auf ihre Sehkraft den Naturvölkern an die Seite stellen. Sie waren bisher noch nicht untersucht worden, und es war wohl zu vermuten, daß ihre Sehleistungen vorzügliche sein würden, da sie sich nicht mit Nahearbeit beschäftigen, sondern fast sämtlich Schiffer oder Fischer sind. Ich benutzte daher die Gelegenheit eines Badeaufenthaltes vor zwei Jahren, um in Helgoland, wo ich niemals einen Eingeborenen mit einer Brille gesehen, 100 Männer unter freiem Himmel vor dem Hause der königlichen biologischen Anstalt mit meiner Hakentafel zu prüfen. Die Sehleistungen derselben waren geradezu erstaunliche. Auf 6 m lasen nur 5, bis 9 m 16, bis 12 m 40, bis 15 m 22 und bis 18 m sogar 8. Letztere hatten also dreifache Sehschärfe; zwischen zwei- und dreifacher Sehschärfe hatten mithin 30%. Nur ein einziger Helgoländer von 19 Jahren hatte eine halbe Sehleistung, und dieser, lehrreich genug, war der Gemeindeschreiber! Im Mittel hatten die Helgoländer fast doppelte Sehschärfe.

Natürlich mußten solche Befunde bei mir schon lange die Vermutung erwecken, daß überhaupt unser Maßstab zu klein gewählt sei, daß auch das normale Auge bei Europäern wohl viel weiter sehe, als man nach den früheren Untersuchungen in Schulzimmern angenommen, daß man also nicht einen Gesichtswinkel von einer Minute, sondern einen noch kleineren Winkel als die Grenze ansehen müßte.

Dafür sprechen die Schuluntersuchungen, die ich in Schreiberhau im Jahre 1871 vorgenommen. Von den 244 Augen der Schulkinder, die ich damals unter freiem Himmel geprüft, hatten 38 zwischen ein- und einundeinhalb-, 85 zwischen einundeinhalb- und zweifacher, 104 zwischen zwei- und zweiundeinhalb- und 10 zwischen zweiundeinhalb- und dreifacher Sehschärfe.

Nach Prüfungen, welche von Professor Donders und Dr. Vroesom de Haan in Utrecht im Jahre 1860 vorgenommen worden waren, und die sich leider nur auf 28 ältere Personen erstreckten, war ein Gesetz veröffentlicht worden, welches lautete: Die Sehschärfe beträgt im 40. Jahre 20/20, im 60. Jahre 14/20, im 70. Jahre 12/20 und im 80. Jahre 10/20 d. h. selbst gesunde Augen haben in hohem Alter nur eine halbe Sehschärfe. Ein solches Gesetz schien mir schon vor 30 Jahren ganz unrichtig, da ich viele Personen kennengelernt, welche trotz ihrer 70 und 80 Jahre normale Sehschärfe gezeigt hatten. Daher prüfte ich im Jahre 1874 in Schreiberhau, wo es auffallend viel alte Leute giebt, wo nur wenige dieser Greise lesen gelernt und also ihre Augen in der Nähe nicht angestrengt hatten, 100 Personen von 60 bis 85 Jahren auch mit Haken unter freiem Himmel. 70% hatten keine herabgesetzte Sehschärfe. 70 Augen hatten 1 bis 11/2, 17 11/2 bis doppelte Sehschärfe, ein Auge sogar über doppelte Sehschärfe. Die Durchschnittsgröße der Sehschärfe betrug bei den 60jährigen 27/20, bei den 70jährigen ebensoviel und bei den 80jährigen 25/20.

Die erstaunlichen Leistungen, die ich in Schreiberhau bei Schulkindern gefunden, regten den Oberstabsarzt Dr. Burchardt in Kassel im Jahre 1873 an, die Mannschaften des hessischen Feldartillerie-Regimentes Nr. 11 auf Sehschärfe zu prüfen. Zu seiner nicht geringen Freude fand er unter den 474 Augen jener Artilleristen 281 zwischen einfacher und doppelter, 73 mit doppelter und 16 mit zweiundeindrittelfacher Sehschärfe.

Da es nun bei der Bedienung der Geschütze darauf ankommt, Soldaten, welche recht scharf sehen, sogenannte Richtnummern zu bekommen, und da dadurch die Trefffähigkeit der Geschütze wesentlich erhöht wird, so meinte er mit Recht, es müsse bei der Aushebung eine allgemeine Einteilung nach den Augen ebenso wie nach der Körperlänge stattfinden. Leute mit so ausgezeichneten Sehleistungen dürfen nicht dem Train, den Pionieren, dem Eisenbahnbataillon oder dem Krankendienste, sondern nur der Artillerie oder Infanterie überwiesen werden.

Vor zwei Jahren hatte ich mit gütiger Erlaubnis des damaligen Kommandanten von Helgoland, des Herrn Kapitän zur See Stubenrauch, auch Gelegenheit, die auf Helgoland stationierten Mannschaften der kaiserlichen Marine, 83 Mann, und 14 Mann von den damals dort manövrierenden Artilleristen des Torpedogeschwaders zu untersuchen. Es lasen von ihnen statt bis 6 m auf 7 bis 9 m 10%, auf 10 bis 12 m 36%, auf 13 bis 15 m 35%, auf 16 bis 18 m 7% und einer sogar bis 19 m. Er hatte also mehr als dreifache Sehschärfe!

Es zeigte sich mithin, daß in der Marineartillerie erfreulicherweise dort 89% übernormale Sehschärfe besitzen. Durchschnittlich hatten sie doppelte Sehschärfe. Unter diesen Artilleristen waren keineswegs lauter Küstenbewohner, sondern auch viele Soldaten aus dem Innern Deutschlands.

Wenn ich übrigens die Resultate, die bei 238 uncivilisierten und bei 2620 civilisierten Personen gefunden worden, zusammenstelle, so ergiebt sich merkwürdigerweise, daß die Naturvölker den Kulturvölkern in den Sehleistungen nicht voraus sind; denn von ersteren hatten 48%, ein- bis zweifache, 40%, zwei- bis dreifache, 1,8% drei- bis achtfache Sehschärfe; bei den Kulturvölkern entsprechen diesen Zahlen 62%, 23% und 3,9%. Das Falkenauge der Wilden beruht daher wohl mehr auf der feinen Schulung der Aufmerksamkeit für ferne bewegliche Objekte, die dem meist in Gedanken versunkenen Europäer entgehen.

Gewiß wäre es von großer Wichtigkeit, auf dem bezeichneten Wege die wirkliche Sehleistung aller deutschen Soldaten und Schulkinder kennenzulernen. Ich habe schon im November 1896 eine Eingabe zunächst an das preußische Kriegsministerium gerichtet. Der Herr Kriegsminister von Goßler antwortete mir aber, daß dienstliche Erwägungen die Ausführung zur Zeit unthunlich erscheinen ließen. Daß anderwärts dienstliche Erwägungen die Prüfungen nicht hinderten, beweisen die Untersuchungen, welche zwei bayrische Militärärzte in Neu-Ulm und in München, durch meine Helgoländer Untersuchungen angeregt, und einige Regimentscommandeure in Preußen mit meiner Tafel in diesem Jahre vorgenommen haben.

Stabsarzt Seitz prüfte 468 Artilleristen in Neu-Ulm und fand sogar bei 95% derselben übernormale Sehschärfe, und zwar bei 87% zwei- bis dreifache Sehschärfe. Generalarzt Seggel ließ 930 Artilleristen in München im Freien prüfen und fand 92% übernormal, bei 51% doppelte Sehschärfe, bei 4 Mann dreifache und einmal sogar Sehschärfe 19/6. Als er aber mit Buchstabenproben untersuchte, hatten nur 27% doppelte Sehschärfe. Die Haken werden also weiter erkannt als gleich große Buchstaben.

Sehr interessant ist auch der Vergleich, den Seggel jetzt mit seinen Befunden aus dem Jahre 1873 aufstellt. Damals hatten von 1560 Soldaten 56% übernormale, jetzt dagegen 92% übernormale Sehschärfe. Die Ursache dieser Besserung findet Seggel wohl mit Recht in den seit damals viel besser gebauten Schulen, in den hellen Zimmern der Schulen, und er dringt mit Recht auf die splendideste Tages- und künstliche Beleuchtung aller Schulen, Arbeitsräume, Bureaus, Comptoirs etc.

Generalarzt Seggel hat auch neuerdings die sehr wichtige Thatsache beobachtet, daß infolge der besseren Verhältnisse der Augenhygieine in den untersuchten Münchener höheren Schulen die Kurzsichtigen, trotzdem sie ihre Augen viel anstrengen mußten, Verbesserung ihrer Sehschärfe erfahren haben.

Daß Verbesserung der Sehschärfe sogar bei den höchsten Graden von Kurzsichtigkeit vorkommen kann, wenn die Linse durch Operation entfernt wird, habe ich schon im Jahre 1896 in Halbheft 27 der „Gartenlaube“ in meinem Aufsatze Die operative Heilung der Kurzsichtigkeit“ mitgeteilt.

Ich ersuchte auch den preußischen Unterrichtsminister, Herrn Dr. Bosse, im vorigen Winter, daß er eine Prüfung aller preußischen Schulkinder in Bezug auf ihre Sehschärfe veranlassen möge. Der Herr Unterrichtsminister antwortete mir, daß der Anregung zur Zeit so erhebliche Hindernisse entgegenstehen, daß er einstweilen von einem weiteren Vorgehen noch Abstand nehmen müsse; doch solle die Angelegenheit immerhin im Auge behalten werden.

Es ist natürlich bedauerlich, daß die von mir geplante große Enquete nicht officiell in Preußen angeordnet wird. Ich muß immer wieder betonen, daß sie weder Kosten noch Mühe verursacht, daß jeder Lehrer, jeder Unteroffizier sie auf dem Turnplatze oder auf dem Exerzierplatze in einer Minute vornehmen kann, und daß also weder der Unterricht, noch der Dienst durch sie gestört wird. Das Ziel ist nicht allein von hohem ethnographischen, sondern auch von zweifellos praktischem Interesse für die Beurteilung der Wehrhaftigkeit der deutschen Jugend.

Jeder Leser kann übrigens leicht mit den 16 Haken, die [666] hier in Fig. 5 gedruckt sind, nach dem oben beschriebenen Modus in einer Minute seine eigene Sehleistung und die seiner Familienmitglieder feststellen.

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Während dieser Aufsatz für den Druck vorbereitet wurde, ist es mir erfreulicherweise gelungen, die Breslauer Lehrerschaft für die Aufgabe zu interessieren. Da auch der hiesige Magistrat und fast sämtliche Schuldirektoren in dankenswerter Weise gestatteten, daß alle Lehrer auf dem Turnplatze während der Turnstunden mit meiner kleinen Tafel ihre Schulkinder prüfen dürfen, so werde ich in der Lage sein, über die Befunde bei 40- bis 50 000 Breslauer Schulkindern zu berichten. Ohne den Endresultaten vorgreifen zu wollen, kann ich schon heute mitteilen, daß nach den Ergebnissen bei den ersten Tausenden von Kindern sich meine Vermutung bestätigt hat, indem auch hier in Breslau 50% der Volksschüler eine ein- bis zweifache, 32% eine zwei- bis dreifache und 3% eine drei- bis vierfache Sehleistung aufwiesen.

Wir werden also über die Sehschärfe der Wilden nicht so sehr zu staunen brauchen.