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Die Stätte von Sardis

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CIV. Das heilige Grab Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Dritter Band (1836) von Joseph Meyer
CV. Die Stätte von Sardis
CVI. Blenheim in Oxfordshire in England
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[Ξ]

SARDIS
Offenb. Johannis III. Cap. 1. V.
„Du hast den Namen dass du lebest und bist todt“

[36]
CV.[WS 1] Die Stätte von Sardis.




Wir wandern schon wieder zu Ruinen. Aegypten und Kleinasien – ehedem und jetzt! Welch ein schauerlicher Wechsel!

Damals, als die Bewohner von Theben ihrem Osiris opferten, versammelten sie in ihren Mauern die Reichthümer der Welt, und als die Bürger von Sardis den Weltgeist als Flamme verehrten, setzten sie, durch ihren [37] Handel und Kunstfleiß, hundert Völker in Tribut. Asia Minor und das Nilthal waren die bevölkertsten Länder des Erdballs. In Beiden zählte man mehr große Städte, als jetzt Dörfer, und mehr Palläste waren in jenen, als in diesen jetzt Hütten. Fruchtbare Felder, reiche Aerndten, alle Güter und Genüsse der Erde waren Eigenthum ihrer Bewohner. Wo sind sie geblieben diese Zeiten des Ueberflusses und des Glücks? Verschwunden im Strom der Ewigkeit sind sie und ihre Zeugen: die Städte, Völker und Monumente, sie sind mit ihnen bis auf wenige Spuren vergangen. Die Götter selbst sind ihren Tempeln entrückt, gestürzt sind ihre Altäre von den Höhen, und an ihrer Stelle glänzt bleich der Halbmond, steht traurig das Kreuz. – Wo der Götzendiener opferte, beten heilige und gläubige Menschen; des Segens und der Gnade viel sammeln sie auf ihre Häupter, aber, seltsam! unter ihren geweihten Händen trägt die einst so freigebige Erde nur Dornen und Wermuth. Im Schweiße seines Angesichts streut der Muselmann, der Christ die Saat aus; aber er ärntet nur Thränen und Kummer. Krieg, Hungersnoth, Pest und alle Teufel der Tyrannei fallen wechselsweise über ihn her, ihm zu verbittern das Daseyn und das Werk seiner Qual zu fördern. –


Das alte Sardis, dessen Gründung in die Dämmerungszeit der Geschichte zurückgeht, lag in einer fruchtbaren, vom Paktolus bewässerten Ebene, am nördlichen Fuße des Tmolus, jenes Berges auf dem Bilde, der sein majestätisches Haupt in die Wolken hebt. Es war die Hauptstadt Lydiens, des ältesten unter Asiens Reichen. Ergiebige Goldbergwerke in ihrer Nähe erfüllten sie bald mit Wohlstand, mit dem sich Fleiß, Gewerbssinn und Spekulationslust paarten. – Diese Eigenschaften und der erworbene Reichthum lockten den Handel her, und allmählich wurde Sardis ein Mittelpunkt des Verkehrs zwischen Europa und Asien. Zur Zeit des Crösus, Lydiens letzten Königs, war Sardischer Reichthum sprüchwörtlich; aber auch eben so Sardische Weichlichkeit und Ueppigkeit. Berüchtigt war überall Sardische Unsitte und ihr Einfluß für ganz Asien verderblich. Alles, was zur Befriedigung des feinsten Sinnengenusses diente, die weichlichsten Kleider, die wohlriechendsten Salben, die leckerhaftesten Gerichte, Teppiche voll üppiger Federkraft, Sklavinnen auch und Sklaven waren hier in größter Vollkommenheit zu haben, und Sardis versorgte damit die Epikureer der ganzen bekannten Erde. Seine Tänzerinnen besuchten ganz Asien. Eine Menge Erfindungen auch, die von einem weiten Voranschreiten in der Bildung Zeugniß geben, gingen von hier aus: z. B. die des Geldmünzens, die Erfindung vieler musikalischen Instrumente, die Kunst, Wolle zu färben und Erze zu reinigen und die des Bergbaus durch Stollen und Schachten. – Nachdem Cyrus, der Perserkönig, (545 v. Chr.) den letzten Beherrscher Lydiens (Crösus) überwunden hatte, ward das Reich persische Provinz. Sardis blühte als die Hauptstadt derselben fort, bis es in dem Empörungsversuche der ionischen Städte von den Griechen angegriffen und erstürmt [38] wurde. Bei diesem Anlaß ging es in Flammen auf. Aus der Asche erhob es sich jedoch wieder und schöner, als es zuvor gewesen. Als Alexander nach der Schlacht am Granicus es einnahm, hatte Sardis über 300,000 Einwohner und es galt, nach Größe und Reichthum, als die dritte Stadt des persischen Reichs.

Von dem Umsturz des letztern datirt sich die Epoche seines Sinkens. Schon in den unruhigen Zeiten, welche auf Alexanders Tod folgten, litt es sehr. Mehrmals erobert und gebrandschatzt, versiegten aber die Quellen seines Reichthums immer mehr, als sich der Welthandel eine andere Bahn gebrochen hatte. Von Antiochus, dem letzten syrischen Könige, kam es (187 vor Chr.) unter das Römer-Joch. Ein fürchterliches Erdbeben, welches zur Zeit der Regierung des Tiber Kleinasien heimsuchte und viele Städte zerstörte, traf auch Sardis und verwandelte es in einen Schutthaufen. Der Kaiser sandte Legionen, es wieder aufbauen zu helfen und noch einmal umgürtete es sich mit Mauern, schmückte es sich mit Palästen, Tempeln und Rennbahnen aus.

Noch ein Jahrtausend länger, unter der Herrschaft der Byzantiner, bewahrte es einen Schatten seiner ehemaligen Herrlichkeit. Nachdem aber im 11. Jahrhunderte die Türken es erobert hatten, wanderte der größte Theil der christlichen Einwohner aus und es entvölkerte sich dergestalt, daß man die Heerden in die Höfe der Palläste, auf das Forum und in die Rennbahn zur Weide trieb. Tamerlan, der Verwüster Asiens, der Austilger des Menschengeschlechts, kam auch hierher. Was Odem hatte, wurde von ihm ermordet, die Stadt machte er der Erde gleich. – Niemals erhob sie sich wieder; jetzt bezeichnet eine Menge niedriger, mit Gras und Gestrüpp überwachsener Schutthügel, die, aus der Ferne gesehen, den Gräbern eines großen Friedhofs ähnlich sind, die Stätte, wo einst Sardis gestanden.

Die Aera derselben hat drei Stunden im Umkreise und bestätigt die Berichte der Alten von seiner früheren Größe. 16 bis 20 Fuß hoch ist auf diesem weiten Raume Alles Schuttboden, und oft berührt des Wandrers Fuß die Kapitäler aufrechtstehender Säulen, oder Gesimse, welche sie tragen. Das einzige freistehende, noch übrige Monument seiner verschwundenen Pracht sind 2 kolossale, 21 Fuß im Durchmesser habende Säulen von blendend weißem Marmor, die Ueberreste des berühmten Tempels der Cybele, welcher auf einem 30 Fuß hohen Sockel erbaut war. Letzterer ist im Schutt verborgen; aber die Riesenkolonnen stehen herrlich da und schauen wie hehre Geister über die Grabgefilde ihrer verschwundenen Stadt.

Ein paar niedrige Lehmhütten, die kaum das Auge bemerkt, machen einen Weiler aus, das türkische Sart, das Sardis der Gegenwart! Die Hirten, welche sie bewohnen, sind auf Meilen im Umkreise die gesammte menschliche Bevölkerung. Auch der Anbau des Landes ist verschwunden bis auf die letzte Spur und alles weit umher ist schweigsame, schauerliche Wüste.



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: CIV.