Die Vorstellung der Braut
[724] Die Vorstellung der Braut. (Zu dem Bilde S. 713.) Ein entscheidender Augenblick! Nicht kraft einer lange vorher getroffenen Abmachung der Eltern, wie es sonst wohl unter den Familien des alten französischen Adels Sitte war, ist der junge Marquis zu seiner Braut gekommen, er selbst hat sie sich gewählt, und vielleicht aus einem Geschlechte, das seinem stolzen Herrn Vater nicht ganz ebenbürtig dünkt. Da können nur die persönlichen Eigenschaften der Erkorenen die Kluft überbrücken, alles kommt darauf an, ob der natürliche Liebreiz ihrer Erscheinung, ihre tadellose gesellschaftliche Sitte dem Oberhaupte der Familie soviel Achtung abnötigen, daß es, wenn auch ungern, seine Einwilligung erteilt. Vorerst malt sich denn auch noch viel kritische Zurückhaltung im Gesicht des alten Marquis, und auch seine Umgebung scheint nicht geneigt, aus der rein beobachtenden Rolle herauszutreten, bevor die Mienen des Hausherrn dies rätlich erscheinen lassen. Mit einem gewissen Stolz in den Zügen läßt die schöne Braut die nicht eben wohlwollende Prüfung über sich ergehen; sie wie die begleitenden Verwandten sind sich ihres Wertes wohl bewußt. Aengstliche Spannung aber verrät die Miene des Bräutigams: wie wird der Spruch des allgewaltigen Vaters ausfallen? Und wenn er „Nein“ sagt – die weichen Linien im Gesicht des Sohnes deuten nicht darauf hin, daß dieser einem ernsthaften Kampf um den Besitz der Geliebten gewachsen wäre.