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Die Zerstörung des Klosters Hirsau durch Mélac

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Textdaten
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Titel: Die Zerstörung des Klosters Hirsau durch Mélac
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 24, S. 393, 406–407
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[393]

Die Zerstörung des Klosters Hirsau durch die Franzosen unter Mélac.
Originalzeichnung von G. A. Cloß.

[406] Die Zerstörung des Klosters Hirsau durch Mélac. (Zu dem Bilde S. 393.) Im württembergischen Schwarzwald, unweit der Stadt Calw, liegt das Dörflein Hirsau, umrauscht von den Wellen der Nagold, umgeben von hohen, tannendunklen Bergen. Die wenigen Häuser des Ortes [407] scharen sich wie schutzsuchend um die ausgedehnten Ruinen eines Klosters her. Wer im Frühling oder Sommer von der Höhe einen Blick ins Thal herniederwirft, den berührt die verfallene Pracht mitten in dem lebendigen Grün wehmüthig und freundlich zugleich. Ein neues Leben sproßt aus den Ruinen; aus hohem, dachlosem Mauerwerk hat sich ein stolzer Baum zum Licht emporgerungen und überragt nun die Enge, aus der er kommt, mit seiner grünen Wölbung. Der eigenartige Reiz dieses Anblicks hat schon manchem ein verherrlichendes Lied auf die Lippen gedrängt; am bekanntesten und schönsten ist wohl Uhlands schlicht empfundenes Gedicht „Die Ulme von Hirsau“.

Einst erhob sich da, wo hellte nur noch die gewaltigen Reste der alten Bauten stehen, ein reiches Kloster, dessen Anfänge ins 9. Jahrhundert zurückreichen. Nach mannigfachen Schicksalen, die uns Pfarrer Klaiber in einem anregend geschriebenen Büchlein über Hirsau erzählt, nach Zeiten des Wechsels zwischen Blüthe und Verfall wurde es 1556 infolge der württembergischen Reformation in eine Erziehungsanstalt für evangelische Theologen umgewandelt und der Leitung eines evangelischen Abtes unterstellt. Der jagdlustige Herzog Ludwig von Württemberg ließ einen Theil der Gebäude, die ehemalige Abtei, niederreißen und in den Jahren 1586 bis 1592 ein Lustschloß in edler deutscher Renaissance an die Stelle setzen. Allein seine Schöpfung sollte nur ein Jahrhundert dauern. Im Jahre 1692, nach der verlorenen Schlacht bei Oetisheim, zogen die Franzosen unter Mélac das Nagoldthal hinauf und verbrannten das auf seine neuen Befestigungen trotzende Calw. Als bei ihrem Abzug ein Bürger dieser Stadt aus Rache den Adjutanten des feindlichen Führers niederschoß – man sagt, die Kugel habe Mélac selbst gegolten, sei aber fehlgegangen – da kehrte Mélac wüthend um, zerstörte, was von Calw noch stand, und auch das bisher verschonte Hirsau fiel seinem Zorn zum Opfer, das Kloster ging in Flammen auf. Die Zeichnung unseres Künstlers zeigt den Abzug des beutebeladenen Feindes, die Verzweiflung der Einwohner, die Zerstörung, welche der Brand in dem herrlichen Bau anrichtete.

Wie leider bei vielen jener mächtigen geschichtlichen Trümmerstätten unseres Vaterlandes, so hat auch beim Hirsauer Kloster Eigennutz und übel angebrachte Sparsamkeit vollendet, was Feindeshand begonnen. Um zu allerhand Zwecken Baumaterial zu gewinnen, hat man die noch erhaltenen Mauerreste barbarisch geplündert, bis das erwachende Verständniß für künstlerischen und geschichtlichen Werth diesem Treiben eine Schranke setzte. Was jetzt von der einstigen Pracht noch übrig ist – im ganzen das, was auf unserem Bilde sich unversehrt aus den Flammen hebt – insbesondere der eine Thurm der alten Klosterkirche, der aus dem 11. Jahrhundert stammt, die herrliche Kreuzganganlage und die hochaufragenden Giebelmauern des Lustschlosses, das wird sorgsam gepflegt; und wer an stillem Sommerabend durch die verfallene Stätte wandelt, dem mögen beim Rauschen des Windes, der sachte mit den Zweigen der Bäume spielt, weltverlorene Erinnerungen an entschwundene Zeiten wie ein Grüßen vergangener Geschlechter durch den träumenden Sinn gehen.