Die Zuckerkrankheit

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Autor: E. Heinrich Kisch
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Titel: Die Zuckerkrankheit
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aus: Die Gartenlaube, Heft 18, S. 298–299
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Die Zuckerkrankheit.

Von Prof. Dr. E. Heinrich Kisch.

Es ist eine Errungenschaft der neueren Medizin, daß sie vermittelst der verfeinerten Untersuchungsmethoden, welche der Wissenschaft gegenwärtig zur Verfügung stehen, krankhafte Vorgänge im Organismus früh im Beginn zu entdecken und zuweilen schon ganz geringe Veränderungen im Getriebe des menschlichen Stoffwechsels nachzuweisen vermag. Der Laie pflegt sich halb im Scherze, halb im Ernste darüber verwundert auszudrücken: „Die Aerzte erfinden immer neue Krankheiten!“ Nun, mit diesem „Erfinden“ hat es seine guten Wege. Die Krankheiten haben wohl so ziemlich von jeher bestanden, nur vermögen sie sich jetzt nicht mehr so lange der ärztlichen Beobachtung zu entziehen wie früher, als die Hilfsmittel zur Krankheitserkenntniß ungenügende waren. Physikalische und chemische Instrumente, das Mikroskop und Reagensglas, das Hörrohr und der Spiegel, die Untersuchung am Gesunden wie das Experiment am Thiere müssen jetzt herhalten, um die Krankheitskeime in ihren sichersten Schlupfwinkeln zu entdecken, um jede Abweichung vom gesunden Zustande aufs rascheste festzustellen.

Zu den krankhaften Zuständen, deren Erkenntniß gegenwärtig bereits in den frühesten Stadien ermöglicht ist, und deren Vorkommen schon darum jetzt ein viel häufigeres zu sein scheint als früher, gehört auch die Zuckerkrankheit (Diabetes), eine Stoffwechselveränderung, welche viel Interesse bietet, obgleich ihr Wesen noch nicht ganz aufgeklärt erscheint.

Zucker wird bekanntlich als Nahrungsstoff dem menschlichen Organismus zugeführt und zwar in den verschiedenen Formen des Rohrzuckers, Traubenzuckers, Malzzuckers, Milchzuckers, Fruchtzuckers. Er bildet sich aber auch im Körper selbst und zwar beim Verdauungsprozesse im Darmkanale durch Zersetzung der stärkehaltigen Nahrungsmittel, ferner in der Leber durch Umwandlung eines zuckerbildenden Stoffes (des Glykogens). Der eingeführte wie der auf die bezeichnete Art erzeugte Zucker wird normalerweise im Organismus ganz verbrannt und giebt schließlich Kohlensäure und Wasser. Durch krankhafte Verhältnisse des Stoffwechsels kann es aber geschehen, daß dieser kostbare Brennstoff, der Zucker, nicht seiner Bestimmung gemäß verwerthet, sondern auf dem natürlichen Wege ausgeschieden wird, und jene Allgemeinerkrankung, bei der es zur Zuckerausscheidung kommt, wird als Zuckerkrankheit bezeichnet.

In welcher Weise die abnormen Vorgänge zustande kommen, ist noch nicht völlig klar; aber sichergestellt ist, daß dieselben durch eine große Reihe von Ursachen verschuldet werden können. In erster Linie stehen dabei krankhafte Nervenbeeinflussung durch Verletzungen und Erkrankungen des Gehirnes und Rückenmarkes, sowie durch anhaltende ungünstige psychische Eindrücke, durch Kummer, Gram, Angst, Schreck. Experimente am Thiere haben nachgewiesen, daß durch Verletzungen, welche an bestimmten Stellen des Gehirnes, am Boden des untern Theiles der sogenannten Rautengrube, beigebracht werden, sowie nach Durchschneidung gewisser Nervenbahnen sich künstlich Zuckerkrankheit erzeugen läßt; und einzelne Untersuchungen an, Personen, welche durch Unfälle Gehirnverletzungen erlitten hatten, bestätigten den Thierversuch. Häufig ist der Ausgangspunkt der Krankheit eine deutlich nachweisbare erbliche Anlage, und in manchen Familien sind mehrere Geschwister oder andere blutsverwandte Mitglieder zuckerkrank. Es vererbt sich diese Anlage zuweilen unmittelbar von den Eltern auf die Kinder, zuweilen überspringt sie eine Generation und tritt erst wieder bei den Enkeln zu Tage. Häufig habe ich die Beobachtung gemacht, daß in gewissen Familien ein durch erbliche Anlage vermittelter Zusammenhang von übermäßiger Fettleibigkeit und Zuckerkrankheit besteht, und zwar derart, daß einige Familienmitglieder, die schon in der Jugend sehr starke Fettentwicklung aufwiesen, zwischen dem 30. und 40. Lebensjahre zuckerkrank wurden, oder daß bei einigen Individuen derselben Familie sich Fettsucht, bei anderen aber die Zuckerkrankheit entwickelte. Hochgradig fette Personen werden in auffallend vielen Fällen zuckerkrank.

Nicht ohne Einfluß auf das Zustandekommen der Zuckerkrankheit scheint die Diät zu sein, besonders der übermäßige Genuß von stärkehaltigen Nahrungsmitteln, von Mehlspeisen und Süßigkeiten. Die außerordentlich viel Zucker schleckernden Südländer haben große Neigung, zuckerkrank zu werden. Vielleicht ist in diesem Umstande auch der Grund gelegen, daß die Zuckerkrankheit ganz bedeutend häufiger bei Wohlhabenden auftritt als in den ärmeren Schichten der Bevölkerung. Hingegen stimmt mit dieser Annahme nicht die durch Erfahrung festgestellte Thatsache, daß dreimal so viel Männer als Frauen zuckerkrank werden, während doch zweifelsohne das schöne Geschlecht mehr Vorliebe für Naschen von Süßigkeiten besitzt. Es spielen übrigens individuelle und Stammesverhältnisse, klimatische Eigenthümlichkeiten u. s. w. eine nicht klar gelegte, aber doch nicht zu unterschätzende Rolle. Auffällig ist beispielsweise die große Verbreitung der in Rede stehenden Krankheit unter den Israeliten.

Die Zuckerkrankheit ist zumeist ein langsam sich entwickelndes, schleichend auftretendes Leiden. Das erste und auffallendste Symptom ist in der Regel ungewöhnlich vermehrte Harnabsonderung, sowie heftiger, schwer zu stillender Durst. Es sollte dieses Zeichen immer ein Wink sein, die Absonderung behufs Nachweisung von Zucker chemisch untersuchen zu lassen. Denn erst viel später treten auffallende äußere Erscheinungen ein, welche mit der Grundkrankheit in Verbindung stehen: die Gesichtsfarbe wird gelblich, der Gesichtsausdruck erscheint gealtert, ängstlich bekümmert, die Haut wird trocken, faltig, zuweilen tritt heftiges Hautjucken ein oder die Bildung von Hautschwären. Dem Durste gesellt sich oft das Gefühl von Heißhunger zu; dabei magern die Kranken sichtlich ab, sind schwach und matt, fühlen sich elend, zur Arbeit unfähig, bei jedem Anlasse leicht gereizt und erregt. Bei längerer Dauer können sich die verschiedensten Organerkrankungen anschließen, welche zuletzt das Leben in Gefahr bringen.

So weit braucht es aber mit der Krankheit nicht zu kommen. Viele Fälle erfahren, wenn das Leiden im Beginn erkannt und rechtzeitig geeignet behandelt wird, so bedeutende Besserung, daß durch eine lange Reihe von Jahren behagliches Wohlbefinden herrscht, ja es kann auch wirkliche Heilung erzielt werden.

Das diätetische Heilverfahren, das heißt die Anordnung der für den Einzelfall geeigneten Ernährungsweise sowie der passenden Art der Lebensführung, feiert bei der Zuckerkrankheit die größten Triumphe. Der Diätetik fällt hier vor allem die Aufgabe zu, zur Ernährung solche Nahrungsstoffe zu wählen, aus denen gar kein oder nur sehr wenig Zucker im Organismus gebildet wird. Nun wissen wir, daß solche Zuckerbildner besonders alle stärkehaltigen Pflanzentheile (Getreidekörner, Hülsenfrüchte, Wurzelknollen, Kastanien) und der Zucker selbst sind. Sie müssen daher vom Tische jedes zuckerkranken möglichst verbannt werden. Die Durchführung dieses Verbotes hat aber große Schwierigkeiten, und auf die Dauer verträgt niemand eine ausschließliche Fleischkost. Am schwersten entbehren begreiflicherweise die Zuckerkranken das Brot, das uns von Jugend auf als eines der täglichen Bedürfnisse am [299] nöthigsten erscheint. Seit längerer Zeit sind darum die Aerzte bemüht gewesen, einen Ersatz für das Roggenbrot, welches 49% Stärke, und für das Weizenbrot, welches sogar 55% Stärke enthält, zu beschaffen. Man hat aus Kleber, nachdem durch wiederholtes Waschen des Mehles die Stärke aus demselben entfernt worden, Brot bereitet, ferner aus stärkemehlfreier Weizenkleie, sowie aus süßen Mandeln, aus isländischem Moos; aber alle diese sogenannten „Diabetesbrote“ haben wesentliche Nachtheile, sie sind entweder wenig schmackhaft oder schwer verdaulich und lassen bald die Sehnsucht nach dem gewohnten guten Brote immer heftiger auftauchen. Es erscheint darum zweckentsprechender, dem Zuckerkranken, sobald er Widerwillen gegen diese Brotersatzmittel bekundet, gewöhnliches gutes, nicht zu trockenes Brot, etwa 40 bis 100 Gramm täglich, zu gewähren, aber nur in kleinen Mengen und in verschiedenen auf den ganzen Tag vertheilten Zwischenräumen. Ebenso können ihm der Abwechslung wegen auch Gemüse gestattet werden, deren Genuß keine besondere Einwirkung auf die Zuckerausscheidung übt. Vorwiegend muß die Nahrung aus Fleischkost bestehen, aber auch hierin soll Mäßigkeit als erstes Gebot geübt werden. Der Kranke thut gut daran, sich des Tages auf 3, höchstens 4 in bestimmten Zwischenräumen zu nehmende Mahlzeiten zu beschränken, bei denen eine gewisse Abwechslung vorherrschen soll. Den Verlust, welchen der Körper durch die Ausscheidung des Zuckers erfährt, muß man durch Essen und Trinken zu ersetzen suchen, allein die Verdauungsorgane dürfen auch nicht überlastet werden. Neben der Fleischkost ist auch hinreichend viel Fett in der Nahrung zu bieten, weil die Fettarten raschere Sättigung gewähren und weil sie den Eiweißvorrath des Körpers vor zu rascher Zersetzung schützen.

Bei der Auswahl der Speisen und Getränke muß man sich also im ganzen vorwiegend von dem Gehalte derselben an Zucker und Stärkearten leiten lassen, dabei aber der individuellen Geschmacksrichtung möglichst Rechnung tragen. Der Arzt muß mit dem Koche Hand in Hand gehen. Im allgemeinen soll aber das folgende Verzeichniß der für Zuckerkranke gestattetem und verbotenen Nahrungsmittel als Richtschnur dienen.

Erlaubte Speisen: frische Fleischsorten aller Thiergattungen, ferner alles eßbare Geflügel, Pökelfleisch und Rauchfleisch, wenn sie nicht mit Honig oder Zucker versetzt sind; Fische im frischen und geräucherten Zustande; bei guter Verdauung: Schildkröten, Krebse, Frösche, Austern, Hummern, Muscheln, Schnecken; ferner Eier, Kaviar. Suppe, die ohne Mehl zubereitet ist. Schmalz, Oel, Butter, Käse, Quark, Sahne, dicke (saure) Milch. Gekochte grüne Gemüse: Blumenkohl, Spinat, Rosenkohl, Kohlrabi, grüne Bohnen und die grünen Enden vom Spargel. Ungekochte grüne Gemüse, mit Oel, Rahm, Butter, Fett, Speck und mäßig gewürzt zubereitet: Lattich, Wasserkresse, Endivien, Kopfsalat, Rettig.

In mäßigster Menge sind erlaubt: Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren, ein Apfel, eine Birne, eine Orange, etwas Mandeln. Von Brot: Kleber-, Kleien-, Mandelbrot, wenn nöthig 40 bis 100 Gramm Roggen-, Graham- oder Weißbrot.

Erlaubte Getränke: reines Wasser, natürliche oder künstliche Säuerlinge, Mineralwässer, Thee, Kaffee; alle ungesüßten Spirituosen: Cognac, Rum, Whisky, Sherry, Bordeaux, Burgunder, Chablis, Rheinweine, österreichische und ungarische, aus besten Quellen bezogene, nicht zuckerhaltige Weine, bittere Biersorten (Pilsener Bier) in sehr mäßiger Menge, ungesüßte Mandelmilch, zuckerfreie einfache Citronenlimonade.

Verbotene Speisen: Zucker, Honig, Mehlnahrung (Mehlspeisen) jeder Art bis auf eine geringe ärztlich gestattete Brotmenge, Kartoffeln, Reis, Gries, Arrow-root, Sago, Tapioca. Die Wurzelgemüse: Mohrrüben, weiße, rothe und gelbe Rüben, Zwiebeln, Radieschen, Sellerie, Gurken, Schoten, Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen, Erbsen), Kastanien, alle süßen und eingemachten Früchte, Trauben, Kirschen, Pflaumen, Pfirsiche, Aprikosen und gedörrte Früchte.

Verbotene Getränke: Chokolade, Kakao, abgerahmte Milch, Molken, Most, Obstweine, moussirende Weine, Champagner, Portwein, Madeira, süße Ungarweine, süße und schwere Biere, Fruchtsäfte und Liköre.

Die Auswahl für die Speiseordnung ist nach dem Angeführten keine zu geringe, und es muß zur Erleichterung der Verdauung auf eine sehr sorgfältige gute Zubereitung der Speisen Bedacht genommen werden, ebenso wie diese selbst nur genügend zerkleinert zum Genusse gelangen sollen. Auch muß der Zuckerkranke der Pflege der Zähne und des Mundes (durch mehrmaliges wiederholtes Ausspülen mittelst eines guten Mundwassers) große Aufmerksamkeit schenken. Der Magen ist ganz besonders für diese Kranken ein so hochwichtiges Organ, daß ihm die fürsorglichste Beobachtung zu theil und alles ängstlich vermieden werden muß, was die Verdauung beeinträchtigen kann. Ein Diätfehler rächt sich oft in schwerster Weise. Gegen den vorhandenen Heißhunger muß der Arzt durch geeignete Mittel (Opium und andere Narcotica) ankämpfen, der übermäßige Durst wird durch Säuerlinge, Selters- oder Sodawasser mit etwas Cognac, auch durch Eispillen gestillt.

Die Haut bedarf bei Zuckerkranken gleichfalls besonderer Pflege, denn einmal haben diese Kranken große Neigung zu Ausschlägen und Furunkel- (Schwären-)bildung, dann aber ist jede Erkältung für solche Individuen höchst gefährlich, und darum muß die Haut abgehärtet werden. Nach beiden Richtungen sind Bäder von mäßigem Wärmegrade, sowie kalte Abreibungen des Körpers, gehörige schützende Bedeckung desselben mit Wollhemden oder wollenen Jäckchen von günstigem Einflusse. Wenn die Haut sehr spröde und trocken ist, empfiehlt sich ein Zusatz von Weizenkleie oder Mandelkleie zu den Bädern.

Der gesammte Stoffwechsel muß überdies durch ausgiebigen Genuß freier, frischer Luft, sowohl im Sommer wie im Winter, und wo es die Verhältnisse gestatten, durch Aufenthalt in waldiger Gebirgsgegend zur günstigen Jahreszeit, durch Verweilen in geschützten südlichen klimatischen Kurorten während der kalten Monate gefördert und angeregt werden, wobei leichtere, nicht ermüdende und anstrengende Bewegungsarten, kleine Gartenarbeit, mäßige Zimmergymnastik zu üben sind. Auch der Geist muß eine angemessene, nicht anstrengende Beschäftigung durch erheiternde Lektüre, zerstreuende Geselligkeit finden, um den Kranken vor allzu ängstlicher Selbstbetrachtung zu bewahren und jenen Trübsinn und Lebensüberdruß zu bannen, der sich so häufig bei chronischen Krankheiten einstellt und in wechselseitiger Beeinflussung auch das körperliche Befinden wieder ungünstig gestaltet. Alles, was die Körper- und Geisteskräfte zu sehr anzuspannen und zu ermatten vermag, jede leidenschaftliche Erregung muß vermieden werden. Durch Schonung und Selbstbeherrschung, mäßige und angemessene Lebensweise vermag der Zuckerkranke sein Leiden oft sehr erträglich zu gestalten und sich lange dauernden günstigen Befindens zu erfreuen. Unter meinen Klienten befindet sich ein den höheren Gesellschaftskreisen angehörender Herr, welcher bereits mehr als zehn Jahre an Zuckerkrankheit leidet und dabei den Verpflichtungen seiner Stellung recht gut nachkommt.

Unter den Heilmitteln, welche gegen die Zuckerkrankheit angewendet werden, nehmen die Kuren mit Mineralwässern, welche reich an Alkalien (einfach und doppeltkohlensaurem Natron) sind, den ersten Rang ein. Nach Karlsbad, Vichy, Neuenahr, Ems, Marienbad werden alljährlich Zuckerkranke in großer Zahl gesendet, welche mehr oder minder günstige Erfolge erzielen, dauernde Besserung besonders dann erfahren, wenn der Organismus nicht schon zu sehr erschöpft ist, wenn die Verdauungsfähigkeit noch normal ist und der Kranke sich noch in der Lage befindet, reichlich Fleischkost zu vertragen. Während eines solchen Kurgebrauches giebt sich die Besserung dadurch kund, daß der Durst und das Gefühl der Trockenheit im Munde abnehmen, die Harnabsonderung minder häufig wird, der Schlaf sich erquickender gestaltet, die Kranken sich kräftiger fühlen, ihr Körpergewicht zunimmt, die Zuckerausscheidung geringer wird, ja sogar gänzlich aufhört.

Der chemische Nachweis des Zuckers im Harne ist gegenwärtig sehr leicht und auch dem Laien durch mehrfache Untersuchungsmethoden möglich. Die letzteren jedoch anzugeben, unterlasse ich hier mit Absicht und Vorbedacht. Ich halte es nämlich nicht für zweckmäßig, daß der Kranke selbst diese Untersuchungen vornehme, welche ihn in stete Erregung versetzen und geradezu schädigen können. Ein bloßer Irrthum bei der Beobachtung kann schon verhängnißvollen Schreck verursachen. Wenn verdächtige Anzeichen auftreten, welche Zuckerkrankheit vermuthen lassen, ist es Sache des Arztes, festzustellen, ob die Krankheit vorhanden ist oder nicht; im ersteren Falle müssen häufiger Untersuchungen vorgenommen werden, um über die Schwankungen in der Menge des ausgeschiedenen Zuckers Gewißheit zu verschaffen und hieraus Schlüsse zu ziehen, wie die Lebensweise des Kranken zu regeln ist, was ihm frommt, was ihm schädlich ist.