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Die asiatische oder epidemische Cholera

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Textdaten
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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Die asiatische oder epidemische Cholera
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 413–414
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die asiatische oder epidemische Cholera.

Was wissen die Aerzte von der Cholera, von ihrem Wesen, ihrer Ursache und Heilung? So gut wie gar nichts! Nur das ist augenscheinlich, daß bei dieser Krankheit das Blut äußerst schnell einen großen Theil seines Wassers nach dem Darmkanal und Magen hin verliert und dadurch in seinem Laufe und seiner Thätigkeit, vorzüglich in Bezug auf die Absonderungen und Wärmeentwickelung, sehr bedeutend gestört wird. Alle Erscheinungen bei der Cholera, wie Brechen, Durchfall, Kälte, Trockenheit und bläuliche Färbung der Haut, Harn- und Pulslosigkeit u. s. w., lassen sich hieraus erklären.

Ansteckend ist die Cholera nicht, d. h. sie ist von Person zu Person nicht übertragbar, wohl scheint sie aber bisweilen (aber nicht immer) unter gewissen, uns noch unbekannten Bedingungen verschleppbar zu sein, so daß ein oder mehrere von der Ferne hergekommene Cholerakranke in einer von dieser Krankheit noch nicht heimgesuchten, wahrscheinlich aber dem Entstehen der Cholera günstigen Gegend dieselbe veranlassen können. – Uebrigens befällt die Cholera Menschen jedes Alters und Standes, Gesunde wie Kranke, am Häufigsten aber Personen, welche unregelmäßig leben (besonders Säufer) und solche, die sich nicht schonen können (Arme). – Vorboten hat diese Krankheit gar nicht, höchstens stellt sich vor ihrem Ausbruche Appetitlosigkeit, Uebelkeit, Neigung zum Durchfall, leichte Diarrhöe (Cholerine), allgemeines Uebelbefinden und veränderte Gesichtsfarbe ein.

Die Krankheitserscheinungen bei der Cholera sind die folgenden: Der Durchfall ist wohl stets das erste Symptom und dieser, gewöhnlich schmerzlos, zeigt sich häufig zuerst in der Nacht, meistens nach Mitternacht. Das Entleerte wird hierbei sehr bald [414] ganz wässerig, geruchlos, weißlichgrau und reiswasserähnlich. – Das Erbrechen, welches in der Regel erst einige Zeit nach dem Durchfalle auftritt und wohl nie ohne denselben besteht, aber recht wohl fehlen kann. entleert zuerst den gerade vorhandenen Inhalt des Magens, das Genossene, dann Schleim und Galle, schließlich jedoch ebenfalls reiswasserähnliche Flüssigkeit. Diese Flüssigkeit, welche durch den Stuhl und das Brechen aus dem Darmkanale und Magen entfernt wird, stammt aus dem Blute und enthält deshalb außer Wasser auch noch andere Blutbestandtheile (Eiweiß, Salze), sowie eine große Menge von Oberhautpartikelchen der Darmschleimhaut. Bisweilen, in den schwersten und tödtlichen Krankheitsfällen, bei der sogenannten trockenen Cholera, kommt es gar nicht zur Entleerung der reiswasserähnlichen Flüssigkeit, sondern dieselbe häuft sich im gelähmten Darme und Magen an. – Es ist gewiß einleuchtend, daß in Folge des großen Wasserverlustes das Blut eindicken muß und dies zeigt sich auch bei Aderlässen und in den Leichen ganz deutlich. Daß aber eingedicktes Blut nur mit Mühe durch das Herz vorwärts getrieben werden und nicht mehr so flott, besonders durch die feinen Haargefäßchen, fließen kann, versteht sich wohl von selbst. Daher kommt es denn, daß der Puls (des Herzens und der Pulsadern) welcher anfangs gewöhnlich beschleunigt ist (bis zu 144 Schlägen), nach und nach in dem Grade, als die Wasserentleerung und Eindickung des Blutes sich steigert, immer langsamer und schwächer wird, bis er endlich gar nicht mehr zu fühlen ist. – Mit der Eindickung des Blutes und der geschwächten Circulation steht nun die geringere Entwicklung der Eigenwärme (s. Gartenlaube Nr. 33) im Einklange. Zunge und Haut fühlen sich deshalb kalt an. Die letztere ist bleigrau, anfangs kühl und dann entweder leichenartig oder froschkalt (bei zäher Feuchtigkeit), zusammengezogen (wie Gänsehaut), runzliger (besonders an Händen und Füßen) und weniger elastisch, so daß eine mit den Fingern gebildete Falte sich nur langsam wieder ausgleicht; die Nägel erscheinen länger und bläulichgrau. – Wegen der gestörten Umwandlung des Blutes aus dunkelrothem in hellrothes innerhalb der Lungen und wegen des verzögerten Durchflusses des sonach dunklen Blutes durch die Haargefäße tritt an verschiedenen Stellen, wie an der Haut (besonders der Finger und Zehen), den Lippen, Augen und der Zunge, bläuliche Färbung (Cyanose) hervor. – Alle Absonderungen aus dem Blute, welche des Wassers ganz besonders bedürfen, müssen natürlich bei dem angegebenen Zustande des Blutes und der Circulation verringert und endlich ganz aufgehoben werden. Daher schreibt sich denn die große Trockenheit der Haut, der Augen, der Nase, der Zunge und Mundhöhle (der große Durst), des Kehlkopfs (die rauhe, heisere, schwache und klanglose Stimme) und der Lungen (das beschwerliche Athmen mit beängstigendem Drucke auf der Brust). Die Harnabsonderung ist deshalb äußerst sparsam und ganz aufgehoben. – Es wäre nun wunderbar, wenn bei einem solchen Blutzustande die Ernährung und Thätigkeit des Muskel- und Nervensystems ordentlich vor sich gehen sollte. Dies ist aber auch nicht der Fall, denn im Muskelsysteme treten anfangs Krämpfe (besonders in den Waden und Bauchmuskeln), später Schwäche und Lähmungen auf; die Affection des Nervensystemes giebt sich durch widernatürliche Empfindungen (besonders von innerer großer Hitze) und Schmerzen mancherlei Art, Sinnestäuschungen, große Gleichgültigkeit und Unbesinnlichkeit zu erkennen. – Das Gesicht ist verfallen, bläulichgrau, die Augen tiefliegend, matt, trocken und von bläulichen oder dunkelblaugrauen Ringen umgeben, die Nase schmal, spitzig und kalt; die Schläfen- und Backengegend vertieft und kühl; die Lippen trocken, bläulich oder mit zähem Schleime überkleidet.

Im Verlaufe der Cholera lassen sich deutlich zwei Perioden unterscheiden, und zwar die erste oder die Periode der Kälte und die zweite oder die der Wärme, wenn nämlich die Krankheit nicht in der Kälteperiode tödtete. Im ersten oder Kälte-Zeitraume ist neben dem Durchfalle und Brechen das Sinken der Körperwärme, sowie das Schwinden des Pulses, die bläuliche Färbung und Trockenheit das Charakteristische. Je weniger hier vom Pulse zu fühlen ist, desto gefährlicher ist der Zustand, jedoch genesen auch noch viele von den Kranken, deren Puls schon unfühlbar war. Der zweite oder Wärme-Zeitraum charakterisirt sich durch die Rückkehr der Körperwärme, das Heben oder Deutlichwerden des Pulses, das Wiedererscheinen der Absonderungen, vorzüglich der Harn- und Schweißabsonderung. Das Nachlassen des Durchfalls und Brechenn ist jetzt von keiner so großen Wichtigkeit, als der Eintritt des Harnens. Ein sehr günstiges Zeichen in dieser Periode ist es, wenn die Hautwärme allmälig wiederkehrt und Patient nicht plötzlich in große Hitze und starken Schweiß verfällt. Am Wichtigsten ist jedoch die Wiederkehr der Harnausscheidung, denn von ihr hängt jetzt das Leben des Kranken ab. Wird nämlich der Harn im Blute zurückgehalten, dann tritt leicht eine Harnvergiftung desselben (Choleratyphus, Urämie) und Tod ein. – Daß nach dem Weichen aller Choleraerscheinungen noch längere Zeit eine schlechte Verdauung, besonders im Magen zurückbleibt, möchte man mehr auf die dargereichten Heilmittel (die in der Regel den Magen gräßlich maltraitiren) als auf die Krankheit schieben. – Die Dauer der Krankheit ist sehr verschieden, denn sie kann sich blos auf Stunden und Tage beschränken, wie auch auf Wochen ausdehnen. Die Kälteperiode ist stets weit kürzer als der Hitzezeitraum.

Daß eine große Menge von Schutzmitteln gegen die Cholera empfohlen und ohne Erfolg gebraucht worden sind, versteht sich wohl von selbst. Wenn man alles vermeiden wollte, was angeblich schon die Cholera veranlaßt haben soll, dann dürfte man gar nicht mehr denken, essen, trinken und überhaupt leben. – Das beste Schutzmittel bleibt es immer, wenn man den von der Cholera befallenen Ort verläßt und in eine gesunde Gegend übersiedelt. Geht dies nicht, dann geht nichts über eine Bauchbinde. Denn weniger Diätfehler als Erkältungen des Bauches, vorzugsweise in der Nacht, scheinen den Ausbruch der Krankheit zu begünstigen. Der Verfasser, der bis jetzt verschiedene Hunderte von Cholerakranken behandelte, fand keinen darunter, welcher eine Bauchbinde getragen hätte, sehr viele aber, die weder Obst, noch Gurken, Melonen, Salat, Kartoffeln, Weißbier etc. genossen, und stets strenge Diät geführt hatten.

Die Behandlung bei ausgebrochener Krankheit kann, da wir zur Zeit nur die hauptsächlichsten Erscheinungen derselben kennen, auch nur gegen diese gerichtet sein. Großer Wasserverlust des Blutes, Kälte und träge Circulation des eingedickten Blutes sind nun aber die hervortretendsten Erscheinungen und gegen diese kann natürlicher Weise nichts wirksamer als Wärme und Wasser, neben Erregungsmitteln sein. Deshalb hält der Verfasser zur Zeit für die einfachste und beste Behandlung die folgende: bei eintretendem Durchfalle sofort in’s warme Bette, heiße Umschläge auf den Leib, Trinken heißen Thees oder Wassers in mäßigem Grade, leicht verdauliche Nahrung. Opium scheint nichts zu nützen. Werden Hände, Füße, Nasenspitze und Zunge kühl und kalt, dann muß das Trinken heißen Wassers oder Thees bedeutend gesteigert werden, auch wenn ein großer Theil davon wieder weggebrochen wird. In dem Falle, daß der Puls kraftloser und schwächer wird, setze man als Erregungsmittel für die Herzthätigkeit zu dem heißen Getränke irgend ein Spirituosum (wie Wein, Rum, Spiritus). Nebenbei mag man aber den Durst und die innere Hitze durch mäßigen Genuß kalten Getränkes, wie Bier, Wasser (kohlensaures oder mit Wein), Eis, Champagner und dergleichen zu mäßigen suchen. Die starken Erregungsmittel aus der Apotheke taugen sicherlich nichts. Beim Eintritt der Wärme muß mit der genannten heißen und erregenden Behandlung nachgelassen werden, damit nicht zu plötzlich und eine zu große Hitze eintritt; jetzt scheint Bier zum Antreiben der Harnaussonderung am meisten von Nutzen zu sein. Soviel steht aber sicherlich fest, daß, da wir die widernatürliche Ausfuhr von Wasser aus dem Blute bei der Cholera noch nicht hemmen können, die Zufuhr von Flüssigkeit in das eingedickte Blut die Hauptsache bei der Heilung dieser Krankheit ist.

NB. Die epidemische Cholera (sprich Choléra, von χολέρα, die Dachrinne) scheint ursprünglich in Ostindien, namentlich in den sumpfigen Niederungen der Gangesausflüsse, einheimisch zu sein und hat dort schon im achtzehnten Jahrhunderte bedeutend gewüthet. In der Mitte des Jahres 1817 verbreitete sie sich nach China und Japan, erschien 1821 am persischen Meerbusen und im südlichen Rußland, trat 1831 in Polen und im Juni desselben Jahren an der Grenze von Deutschland auf und zeigte sich in Schlesien, Oesterreich, Hamburg, Paris, in mehreren Gegenden Englands und Amerika’s; sie verschonte damals Sachsen und die meisten südwestlichen Gegenden Deutschlands und verschwand im Laufe des Jahres 1833. Spätere Ausbrüche (1837) kamen in vielen Theilen Europa’s und Amerika’s vor, selbst an solchen Orten, die früher verschont geblieben waren; namentlich breitete sie sich 1848 und 1849 wieder über Rußland, Norddeutschland (Sachsen), England, die Niederlande, Frankreich, Algier und Amerika aus und verschwand erst gegen 1850, um von 1852 an abermals hier und da aufzutauchen.
Bock.