Die elektrische Beleuchtung

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Titel: Die elektrische Beleuchtung
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aus: Die Gartenlaube, Heft 52, S. 882
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1877
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[882] Die elektrische Beleuchtung, dieser Jahrzehnte lang ersehnte, billigere und bessere Ersatz der Gasbeleuchtung, hat seit dem Stadium, über welches wir auf Seite 713 des vorigen Jahrganges berichteten, wieder manche hoffnungsreiche Fortschritte aufzuweisen. Zu den merkwürdigsten derselben gehört die Erfindung der sogenannten elektrischen Kerze von Jabloschkoff. Von einer gewöhnlichen Kerze unterscheidet sich diese ihres Herabbrennens wegen sogenannte elektrische Kerze sehr wesentlich dadurch, daß der schmelzende Theil nicht aus einem Fettstoffe besteht, sondern aus gestoßenem Glase oder aus Porcellanerde (Kaolin), welche Mineralmasse den Zwischenraum der beiden aus Kohle bestehenden „Dochte“ ausfüllt. Bei der bisherigen elektrischen Beleuchtung ergab sich ein schlimmer Uebelstand darin, daß die beiden einander gegenüberstehenden Kohlenspitzen, zwischen denen der elektrische Lichtbogen erscheint, sich durch Abbrennen verkleinern und von einander entfernen, weshalb ein besonderer Regulator nöthig wurde, der sie immer wieder einander entsprechend näherte und dennoch unprogrammäßige Finsternisse der strahlenden Theatersonne nicht gänzlich zu verhindern im Stande war. Jabloschkoff’s elektrische Kerze vermeidet diesen Uebelstand vollständig, indem sie die Kohlenstifte nicht in einer Linie einander gegenüber, sondern parallel neben einander bringt und den Zwischenraum mit Porcellanerde ausfüllt. Der Lichtbogen schlägt nun am oberen Ende der Kerze von der einen etwas länger gelassenen Kohlenspitze zur andern herüber und bringt dabei die Porcellanmasse zu einer intensiven Weißgluth, die ihrerseits nicht wenig zur Erhöhung der Lichtwirkung beiträgt. Indem die Kohlenstifte nach und nach verzehrt werden und die Porcellanmasse entsprechend herabschmilzt, brennt die Kerze, wie eine andere, allmählich herunter, ohne jemals zu verlöschen oder irgend eine Bedienung zu beanspruchen.

Ein Hauptvortheil dieser Kerzen besteht ferner darin, daß sich der in einer Batterie erzeugte elektrische Strom leicht auf eine größere Anzahl derselben vertheilen läßt, wie man das Gas von einem Brenner zum andern leitet, indem man nämlich mit demselben ebenso viele Inductionsspiralen speist, wie Flammen vorhanden sind. Im Anfange des Octobers stellte man zu Paris auf dem Platze vor dem neuen Opernhause Versuche mit dieser neuen Beleuchtungsmethode an. Mehrere Abende hindurch wurden sechs Flammen, je drei auf zwei Kandelabern, in Betrieb gesetzt, denn Anzünden kann man hier nicht wohl sagen. Jeder Lichtbogen – denn auch die Bezeichnung „Flamme“ wäre bei diesen Kerzen unzutreffend – war, um die allzu grelle Helligkeit für das Auge angenehm zu mildern, von einer milchweißen, über einen Fuß im Durchmesser haltenden Glaskugel umgeben. Letztere erschien als eine durchaus gleichmäßig erhellte Scheibe, dem Vollmonde aus der Ferne nicht unähnlich. Auch der etwas bläuliche Schimmer des Lichtes erinnerte an Mondlicht; die Gegenstände schienen ihre scharfen Umrisse zu verlieren, und die Schatten zu mildern. Diese Kerzen würden sich aber auch zur Beleuchtung von Magazinen, Festsälen, Werkstätten, selbst für Wohnhäuser und Corridore eignen, und sich durch den bedeutenden Vorzug empfehlen, niemals das Leben der Bewohner zu gefährden oder Feuersbrünste zu erzeugen.

Man weiß, wie oft springende Petroleum-Lampen in mit brennbaren Stoffen angefüllten Werkstätten und Fabriken Feuersbrünste erzeugen, wie häufig Gasvergiftungen und Gasexplosionen vorkommen. Außerdem würde die Beleuchtung, abgesehen von der erstmaligen Anschaffung, sich bedeutend billiger stellen, worüber freilich noch weitere Erfahrungen abzuwarten sind. Im Freien bieten diese Kerzen den Vortheil, im Winde nicht zu flackern, und werden besonders bei den nächtlichen Bauten Anwendung finden, die in diesem Winter in Paris besonders häufig sein dürften. In belebten Stadttheilen, da, wo die Miethen sehr theuer sind, benützt man nämlich seit einiger Zeit, je nach Ablauf der Mieths-Contracte, auch den Winter als Bauzeit und bedeckt alsdann den Bauplatz mit einem großen, leicht auseinandernehmbaren Pavillon aus Glas und Eisen, unter welchem man lustig – des Abends und Nachts bei elektrischer Beleuchtung – darauflos mauert, zimmert, malt, vergoldet und lackirt. Den Palastbau durch die Hände der dem Aladdin und seiner Wunderlampe unterthänigen Geisterschaaren kann man sich kaum phantastischer vorstellen, als diese bei elektrischem Lichte des Nachts weiter in die Höhe wachsenden Prunkbauten im modernen Babel.