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Die elektrischen Kräfte/Zusammenstellung:§10

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Die elektrischen Kräfte
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§. 10. Die Theorie des von F. Neumann eingeführten elektrodynamischen Potentials.

     Gegeben mögen sein zwei biegsame Drahtringe und die in irgend welchen Bewegungen begriffen sind, und auch ihrer Gestalt nach im Laufe der Zeit irgend welche Aenderungen erleiden. Diese Ringe mögen durchflossen gedacht werden von elektrischen Strömen. Es repräsentire


diejenige lebendige Kraft, welche im Ringe während eines gegebenen Zeitelementes hervorgebracht wird durch die Einwirkung|
Die ponderomotorischen Kräfte eldy. Ursprungs für

des Ringes oder (was dasselbe ist vergl. pag.12) diejenige ponderomotorische Arbeit, welche auf während dieser Zeit ausübt; ferner sei

derjenige Theil jener lebendigen Kraft oder ponderomotorischen Arbeit, welcher seine Entstehung verdankt den Kräften elektrodynamischen Ursprungs. — Es handelt sich um die nähere Untersuchung dieser Grösse (42.).

     Irgend zwei Elemente der Ringe und mögen bezeichnet sein mit und Die Coordinaten des Elementes sind abhängig einerseits von der Bogenlänge (dieselbe gerechnet von einer bestimmten Marke bis zum Anfange von und sind, weil der Ring in Bewegung sich befindet, andererseits auch noch Functionen der Zeit. Von denselben beiden Argumenten, nämlich von Bogenlänge und Zeit, wird ferner auch abhängig sein die in vorhandene Stromstärke Analoges gilt für die Coordinaten und die Stromstärke des Elementes

     Es mag nun die Zeit, im Allgemeinen bezeichnet mit specieller mit



benannt werden, jenachdem sie Argument von



ist; so dass also



wo und irgend welche [1]Functionen sind.

     Solches festgesetzt wird die gegenseitige Entfernung zwischen

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lineare Leiter. — Neumann’s Potential und Integralgesetz.

den beiden Puncten und eine Function sein, deren Charakter angedeutet ist durch das Schema:



D. h. ist zunächst abhängig von den sechs Coordinaten und diese ihrerseits sind abhängig, die einen von die andern von

Bemerkt sei noch, dass die Richtungs-Cosinus und der Elemente und darstellbar sind durch



dass folglich diese Richtungs-Cosinus, ebenso wie die Coordinaten selber, abhängig sind respective von und von

Nach dem Ampère’schen Gesetz [vergl. (38.a, b, c)] repräsentirt



diejenige ponderomotorische Kraft eldy. Us, welche das Element auf das Element ausübt. Die von dieser Kraft während der Zeit auf das Element ausgeübte Arbeit wird, falls man ihre Componenten mit bezeichnet, dargestellt sein durch



Hiefür aber kann, weil die Entfernung der beiden Elemente von einander vorstellt, auch geschrieben werden:



oder kürzer:



Somit ergiebt sich für die zu berechnende Arbeit (42.), d. i. für die­jenige ponderomotorische Arbeit, welche der ganze Ring vermöge seiner Kräfte eldy. Us, während der Zeit auf den ganzen Ring ausübt, folgende Formel:


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Die ponderomotorischen Kräfte eldy. Ursprungs für

die Summation ausgedehnt über sämmtliche Elemente beider Ringe; hieraus folgt durch Substitution des Werthes (45.):



     Zufolge (43.a, b, c) sind diejenigen vier coordinirten Variablen, von welchen die Entfernung mithin auch die Function in letzter Instanz abhängt. Bei mehrfacher Differentiation nach jenen vier Variablen wird daher das Resultat unabhängig sein von der Reihenfolge. Somit ist identisch:



und hieraus folgt:



wo die Bedeutung hat:



Der Uebergang von (48.) zu (49.) bewerkstelligt sich augenblicklich, falls man beachtet, dass nur von andererseits nur von abhängt.

     Da wir es nun mit Stromringen, d. i. mit geschlossenen Strömen zu thun haben, so nimmt die Formel (47.) durch Substitution von (49.) folgende Gestalt an:



Setzt man also:



so wird schliesslich:



     Es mag nun der speciellere Fall ins Auge gefasst werden, dass die Ströme gleichförmig sind, dass nämlich die Stromstärken wenn auch abhängig von der Zeit, so doch unabhängig von den Bogenlängen sind. Alsdann verschwindet der Ausdruck (50.); so dass die Formeln (51.a, b) die einfachere Gestaltung annehmen:

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lineare Leiter. — Neumann’s Potential und Integralgesetz.



Der Ausdruck ist abhängig von den räumlichen Lagen der beiden Ringe sowie von ihren Stromstärken und das Differential repräsentirt offenbar denjenigen partiellen Zuwachs, welchen der Ausdruck während der Zeit annehmen würde, falls man die Stromstärken sowie die räumliche Lage von constant erhalten, die räumliche Lage von hingegen derjenigen Aenderung überlassen wollte, welche sie während der Zeit in Wirklichkeit erleidet. Demgemäss wird jenes Differential zu bezeichnen sein als der partielle Zuwachs[2] von genommen nach der räumlichen Lage von Bestimmt sich die räumliche Lage des Ringes durch irgend welche Parameter und sind die Zuwüchse dieser Parameter während der Zeit so wird offenbar jenes Differential sich ausdrücken lassen durch so dass alsdann die Formel (52.b) auch so geschrieben werden kann:



Der Ausdruck (52.a) ist übrigens, wie bald näher erörtert werden soll, derjenige, welcher von meinem Vater eingeführt worden ist unter dem Namen des elektrodynamischen Potentiales. Demgemäss kann der in (52.a, b, c) enthaltene Satz so ausgesprochen werden:

      .... Sind und zwei in Bewegung begriffene biegsame Ringe, jeder durchflossen von einem gleichförmigen elektrischen Strome, und ist das elektrodynamische Po­tential der beiden Ringe auf einander, so wird die während der Zeit vom Ringe auf den Ring ausgeübte ponderomotorische Arbeit eldy. Us, abgesehen vom Vorzeichen,

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Die ponderomotorischen Kräfte eldy. Ursprungs für

immer gleich sein dem partiellen Zuwachs von ge­nommen nach der räumlichen Lage von

     Aus diesem Satze lässt sich durch Identificirung der beiden Ringe und unmittelbar ein analoger Satz gewinnen für einen einzigen Ring. Bedient man sich nämlich des früher (bei ähnlicher Gelegen­heit, pag. 31, 32) exponirten Verfahrens, so gelangt man zu folgen­dem Resultat:

      .... Ist ein in Bewegung begriffener biegsamer Ring, durchflossen von einem gleichförmigen elektrischen Strome, und ist das elektrodynamische Potential dieses Ringes auf sich selber, so wird die während der Zeit vom Ringe auf sich selber ausgeübte ponderomotorische Arbeit eldy. Us, abgesehen vom Vorzeichen, immer gleich sein dem partiellen Zuwachs von genommen nach der räum­lichen Lage von Dieses Potential des Ringes auf sich selber stellt sich dar durch eine Formel von derselben äusseren Gestalt wie (52.a), nur mit dem Unterschiede, dass noch der Factor hin­zutritt.

     Aus (46.) und (52.b) folgt:



und ebenso wird offenbar, was umgekehrt die Einwirkung von auf anbelangt, die analoge Formel sich ergeben:



Diese beiden letzten Formeln können nun, bei Einführung der Be­zeichnung:



auch so dargestellt werden:




Nun sind aber [vergl. (43.a,b,c)] und unabhängig von den Stromstärken, mithin unabhängig von den Argumenten also lediglich abhängig von Daher ist und Mit Rücksicht hierauf ergiebt sich durch Addition der beiden letzten For­meln sofort:

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lineare Leiter. — Neumann’s Potential und Integralgesetz.


wo und diejenigen Zuwüchse bezeichnen, welche und wäh­rend der Zeit in Wirklichkeit erfahren. Die ponderomotorische Arbeit eldy. Us, welche die beiden Ringe während der Zeit auf einander ausüben, ist also, abgesehen vom Vorzei­chen, gleich dem Product der beiden Stromstärken, multiplicirt mit demjenigen Zuwachs, welchen das auf die Stromeinheit bezogene Potntial während der Zeit erfährt.

     Der allgemeine Satz (52.a, b, c, d) mag beispielsweise in Anwen­dung gebracht werden auf den Fall, dass der Ring völlig starr, und nur, sich selber parallel, nach einer gegebenen Richtung verschiebbar ist. Alsdann geht die Formel (52.c) über in



wo die Entfernung des Ringes oder (genauer ausgedrückt) etwa die Entfernung seines Schwerpunctes von irgend einer festen Ebene vor­stellt, die senkrecht steht zur gegebenen Richtung, und wo die Vergrösserung dieser Entfernung während der Zeit bezeichnet. Bei einer solchen parallelen Verschiebung ist nun aber [vergl. pag. 49] die von den betrachteten Kräften verrichtete Arbeit gleich falls man nämlich unter die Verschiebung selber, andererseits unter die Summe der Componenten jener Kräfte versteht. Die vorstehende Formel kann daher auch so geschrieben werden:



oder auch so:



und sagt mithin aus, dass die vom Ringe auf den starren Ring in der gegebenen Richtung ausgeübte pondero­motorische Kraft eldy. Us gleich gross ist mit der nega­tiven partiellen Ableitung des Potentiales nach

     Andererseits mag jener allgemeine Satz (52.a, b, c, d) angewendet werden auf den Fall, dass der Ring völlig starr, und nur dreh­bar ist um eine gegebene feste Axe. Die Formel (52.c) geht alsdann über in:



wo den Drehungswinkel, und seinen Zuwachs während der Zeit

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Die ponderomotorischen Kräfte eldy. Ursprungs für

bezeichnet. Im Falle einer solchen Drehung ist aber [vergl. pag.49] die von den betrachteten Kräften verrichtete Arbeit gleich ihrem Drehungsmoment multiplicirt mit Somit geht die vor­stehende Formel über in:



d. i. in



und sagt also aus, dass das vom Ringe auf den starren Ring ausgeübte Drehungsmoment eldy. Us gleich gross ist mit der negativen partiellen Ableitung des Potentiales nach dem Drehungswinkel




     Für den weitern Gebrauch wird es zweckmässig sein, die für das elektrodynamische Potential durch die Formel (52.a) gegebene Defi­nition in folgender Weise auszudrücken:

     Das elektrodynamische Potential zweier gleichförmiger Stromringe auf einander ist definirt durch



oder auch durch



wo eine willkührliche Function von vorstellt [3], wäh­rend die Bedeutung besitzt:



     Dabei sind unter (genau ebenso wie früher pag. 44) die Cosinus derjenigen Winkel zu ver­stehen, unter welchen die Elemente geneigt sind gegen ihre Verbindungslinie letztere gerechnet von nach hin.

     Das durch diese Formeln (55.a, b, c) definirte kann nun in der That bezeichnet werden als das von meinem Vater

| eingeführte elektrodynamische Potential, in etwas erweiter­ter Gestalt. Denn man erkennt leicht, dass dieses in das genannte Potential übergeht, sobald gemacht wird [4].

     Setzt man nämlich und nimmt man gleichzeitig für die willkührlich zu wählende Function den Werth so wird zu­folge der Formel (55.c):



oder (was dasselbe ist, vergl. Pag. 39):



wo die schon angegebenen Bedeutungen haben, während den Cosinus desjenigen Winkels bezeichnet, unter welchem gegen einander geneigt sind. Demgemäss nehmen die For­meln (55.a, b) folgende Gestalt an:




Diese Formeln aber sind mit denen, welche mein Vater als Definition des Potentiales aufgestellt hat, völlig identisch, sobald man (ebenso wie früher pag. 45) die Constante macht [5]


  1. Die Functionen sind, wie man leicht erkennt, nicht ganz willkührlich zu denken. Denn zu ein und derselben Zeit sind die Coordinaten für den Anfangs- und Endpunct von dargestellt durch

    Die Entfernung dieser beiden Puncte von einander ist aber Somit folgt, dass jene Functionen der Bedingung entsprechen müssen:


    Ebenso verhält es sich mit

  2. Der totale Zuwachs d. i. derjenige Zuwachs, welchen während der Zeit in Wirklichkeit erfährt, wird sich [vergl. (43.a, b, c)] darstellen lassen durch


    wo das erste Glied zu bezeichnen ist als der partielle Zuwachs von nach der räumlichen Lage von das zweite als der partielle Zuwachs von nach der Stromstärke von während die beiden letzten Glieder analoge Bedeu­tungen haben mit Bezug auf

  3. Statt könnte offenbar auch ein Ausdruck von der Form


    zu hinzugefügt werden, ohne dass dadurch der Werth von irgend welche Aenderung erlitte. Denn die Curven und sind geschlossene Curven.

  4. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Function den Werth wirklich besitzt für den Fall beträchtlicher Entfernungen; in Frage gestellt ist ihre Be­schaffenheit nur' dann, wenn die Entfernungen äusserst klein sind. (Vergl. pag. 46.)
  5. Vergl. die auf pag. 45 citirte Abhandlung: Ueber ein allgemeines Princip der math. Th. inducirter elektrischer Ströme; daselbst die fünf letzten Seiten.