Die gefährlichsten Hustekrankheiten des Kindesalters – Der Keuchhusten
Eine verständige und gewissenhafte Mutter, wenn sie merkt, daß ihr Kind hüstelt oder hustet, behält es sofort zu Hause und zwar in gleichmäßig warmer, reiner Luft, die aber nicht blos am Tage, sondern auch bei Nacht warm und rein sein muß. Thut sie das, zumal zu einer Zeit, wo der Keuchhusten herrscht, so bekommt das Kind den Keuchhusten nicht, eine Hustekrankheit, von welcher sogar die homöopathischen Aerzte, die doch Alles schnell mit ihren ausgezeichneten Arzneimitteln (Nichtsen) heilen zu können meinen, zugeben, daß sie nicht unter vier, wohl aber bis zwölf Wochen andauere. Nur Hahnemann II., das ist nämlich Herr Dr. Arthur Lutze,[1] behauptet, daß durch richtig gewählte homöopathische Arzneien (wie: weiße Nieswurz, Sonnenthau, Kupfer oder Wurmsamen) dieser Husten oft sogleich abgeschnitten werden könne, während er in der Regel achtzehn Wochen dauere, wenn nichts eingegeben wird, und daß er bei fleißigem Mediciniren allopathischer Mittel auch wohl noch länger anhalte. Doch scheint von allen Homöopathen blos Herr Dr. Lutze die Keuchhusten-Abschneiderei loszuhaben, denn seine Herren Collegen bringen die Heilung dieses Hustens, ebenso wie der arzneifeindliche Naturheilungsproceß, niemals unter Wochen fertig. Uebrigens (aber ganz im Vertrauen gesagt) ist der Keuchhusten eine Krankheit, bei welcher die Aerzte aller Schulen sehr wenig wissen und noch weniger können, und die eigentlich bei Jung und Alt den Glauben an die Heilmacht des Arztes und der Arzneien recht tüchtig erschüttern sollte. Es gibt in den Apotheken wirklich nur noch wenige Medicamente, die beim Keuchhusten noch nicht probirt worden sind.
Der Keuch- oder Stickhusten befällt, in der Regel nur einmal im Leben, besonders Kinder zwischen dem zweiten und achten Lebensjahre, doch auch Säuglinge und Zehn- bis Zwölfjährige; Mädchen und Schwächlinge werden in größerer Anzahl davon ergriffen, als Knaben und kräftige Kinder. Auch bei Erwachsenen hat man bisweilen Keuchhusten beobachtet. Nicht selten wird eine solche große Anzahl von Kindern eines Ortes von dieser Krankheit heimgesucht, zumal im Frühling und am Ende des Winters, daß man von Keuchhusten-Epidemien spricht, die wahrscheinlich (wie die nicht selten gleichzeitig herrschende Grippe- und Masern-Epidemie) bestimmten, zur Zeit noch unbekannten Luftverhältnissen ihren Ursprung verdanken. Es soll dieser Husten auch anstecken, wird behauptet, und dann sechs Tage nach der Ansteckung zum Vorschein kommen. Ist dies der Fall, dann kann die Ansteckung aber wohl nur in nächster Nähe (durch einen luftförmigen Ansteckungsstoff) geschehen. Es werden allerdings manchmal Ammen und Kindermädchen, deren Pfleglinge an Keuchhusten leiden, von einem ähnlichen Husten befallen. Doch dürfte sehr oft auch ein keuchender Husten bei Kindern, die viel mit Keuchhustenkranken umgehen, auf Nachahmung beruhen. Jedenfalls ist es gut, gesunde Kinder von solchen Kranken fern zu halten.
Das Eigenthümliche bei dieser Krankheit sind die periodisch wiederkehrenden, durch freie Zwischenräume getrennten krampfhaften Hustenanfälle, von denen ein jeder mit einem langen, keuchenden Einathmen beginnt, worauf fünf, sechs oder noch mehrere kurz und gellend abgestoßene Aushustungen so schnell hintereinander folgen, daß kein Einathmen dazwischen mehr möglich ist. Erst am Ende der Hustenstöße tritt das Einathmen als ein langgedehntes, keuchend-schallendes Stöhnen oder schrillendes Pfeifen wieder ein. Mehrere solcher eigenthümlicher Ein- und Ausathmungen bilden jeden einzelnen, 1½ bis 2 Minuten andauernden Keuchhustenanfall; sie können so schnell hinter einander folgen, daß das Kind förmlich stecken bleibt, d. h. außer Athem kommt und dem Ersticken nahe ist. Die hierdurch bedingte Störung des Athmens und Blutlaufs (besonders durch die Lungen) gibt sich am Aeußern des vom Anfalle ergriffenen Kindes, welches sich gewöhnlich aufrichtet und ängstlich an einen festen Gegenstand anklammert, dadurch zu erkennen, daß das Gesicht bläulichroth oder blau wird, die gerötheten Augen (sogar mit Blut unterlaufen) thränen und vortreten, die bläuliche Zunge aus dem Munde hervorgestreckt ist, Hände und Füße kalt werden, sogar Gesichtszuckungen und allgemeinere Krämpfe auftreten. Sehr oft kommt es auch zum Erbrechen (zähen Schleimes und des Genossenen), bisweilen zu Blutungen aus Mund und Nase, sowie zu unwillkürlicher Harn- und Stuhlentleerung, sogar zu Bruchschäden. Nach Beendigung des Anfalles, der entweder ganz von selbst eintrat, oder durch Gemüthsbewegung, Aerger, Schreck, Weinen oder Lachen, Essen, kalte und unreine Luft, starke Körperbewegung veranlaßt wurde, ist das Kind kurze Zeit lang noch etwas erschöpft und schwitzt, kehrt aber, scheinbar ganz wohl, bald wieder zu seinem Spiele zurück oder verlangt nach Speise und Trank. Nur wenn sich die Anfälle (deren Anzahl anfangs gering, später in 24 Stunden bis auf 40 steigen kann) zu schnell aufeinander folgen, bleibt das Kind auch in den Zwischenzeiten leidend, erschöpft, bleich und klagt über Brust- und Kopfschmerzen.
Mit den beschriebenen krampfhaften Hustenanfällen beginnt und endet nun aber die ganze Krankheit nicht, sondern vor Eintritt und nach dem Verschwinden dieser Anfälle zeigen sich noch andere Krankheitserscheinungen. Beim Beginne der ganzen Keuchhusten-Krankheit sind nämlich nur die Symptome eines mit Fieber verbundenen Schnupfens und Lungenkatarrhs (Verstopfung der Nase, häufiges Niesen, geröthete Augen, trockner Husten) vorhanden und dieser erste Zeitraum, den die Aerzte auch den katarrhalischen nennen, kann Tage und Wochen andauern. Auf ihn folgt erst, und zwar mit Nachlaß und Aufhören des Fiebers, der krampfhafte Zeitraum, dessen Dauer sehr unbestimmt und nicht unter drei bis vier Wochen, sogar erst nach Monaten beendigt ist. Er schließt jene eigenthümlichen Hustenanfälle in sich, die in den ersten vierzehn Tagen immer heftiger und häufiger werden, dann längere Zeit in derselben Weise fortbestehen und endlich ganz allmählich (selten plötzlich) an Heftigkeit und Häufigkeit abnehmen. Jetzt tritt nun die dritte, sogenannte kritische oder Schleim-Periode ein, in welcher der Husten seinen eigenthümlichen krampfhaften Charakter verliert, weniger quälend, mehr feucht und lösend wird und einen reichlichen weißlichen oder grüngelblichen Schleim aus der Lunge herausbefördert, der aber von vielen Kindern sofort verschluckt wird. Diese Periode hält ebenfalls noch einige Wochen an und geht nur allmählich in volle Genesung über, wenn sich nämlich nicht anderweite Krankheiten durch den Keuchhusten entwickelten.
Die Keuchhusten-Krankheit, die bisweilen auch einen friesel- oder röthelartigen Hautausschlag mit sich führt, geht in den allermeisten Fällen in vollständige Genesung aus, selten endet sie mit Tod und äußerst selten im Anfalle durch Erstickung; nicht selten legt sie aber den Grund zu Nachkrankheiten, zumal wenn sie lange andauerte und sehr heftig auftrat.
Zur Vermeidung des Keuchhustens sind von den Kindern, zumal während des Herrschens einer Keuchhustenepidemie, alle Veranlassungen zu Katarrhen (ganz besonders schneller Wechsel zwischen Warm und Kalt und überhaupt kalte, rauhe, unreine Luft, sowie Erhitzung und Erkältung) zu meiden. Sodann sind sie von andern an Keuchhusten Leidenden möglichst fern zu halten, denn, wie es scheint, holen sich die meisten Kinder den Keuchhusten in der Schule, auf Spielplätzen und in Kindergesellschaften. Kinder mit diesem Husten sollten überhaupt gar nicht in der Schule zugelassen werden. Die geringsten Anfänge von Katarrh sind sodann auf’s Sorgsamste [116] zu überwachen und das Kind sofort in gleichförmig warmer reiner Luft, bei Tag und bei Nacht, in der Stube und zwar in möglichster Ruhe (nicht herumtollend) zu halten. Bei Fieberspuren bleibe das Kind im Bette. Die Diät sei mild, namentlich Milchdiät und Fleischkost (Brühe).
Im eigentlichen Krampfhusten-Zeitraume ist eine arzneiliche Behandlung in der Regel ganz überflüssig, weil unwirksam. Es soll allerdings manchmal ein Brechmittel, beim ersten deutlichen Auftreten des krampfhaften Charakters dargereicht, die weitere Entwicklung der Krankheit gehemmt haben, doch ist hierbei große Vorsicht nöthig. Wichtig ist dagegen die psychische Behandlung des kranken Kindes durch Zerstreuung, durch Abhaltung von Gemüthsbewegungen und durch Ermuthigung zur Unterdrückung des Hustenkitzels. Ueberhaupt müssen alle jene Anlässe, welche den Husten erregen können, nach Möglichkeit vermieden werden. – Im Anfalle ist das Kind sofort in die Höhe zu richten und nach vorn übergebeugt zu halten; den zähen Schleim entferne man mit dem Finger aus dem Munde. Heftige Anfälle werden durch warme Breiumschläge auf die Brust und durch Einathmen von warmen Wasserdämpfen, sowie durch Riechen an Aether oder Chloroform gemildert. Bei längerm Steckenbleiben des Kindes hilft das Bespritzen mit kaltem Wasser; bei Gefahr von Erstickung muß noch gebürstet und Ammoniak eingerieben werden. – Auch in diesem Zeitraume ist eine reine, gleichmäßig warme Luft zum Einathmen unentbehrlich, eben so aber auch eine kräftige, aber milde Diät (Milch, Fleisch, Ei) und von Zeit zu Zeit ein warmes Bad. Bei der Hannon’schen kräftigenden Fleischdiät sollen die Keuchhustenanfälle sehr bald (spätestens in 14 Tagen) verschwinden. Die Vorschrift zu dieser Cur ist: man reiche am Morgen gebratenes Fleisch mit trocknem oder geröstetem Brode, sowie etwas reinen Madeira oder Portwein; gegen Mittag Zwieback mit eben solchem Wein; um 4 oder 5 Uhr Nachmittags eine starke Bouillon, gebratenes Fleisch, geröstetes Brod und abermals Wein; am Abend gar keine Nahrung, außer beim Niederlegen nochmals Wein; in der Nacht höchstens Wasser. Diese Behandlungsweise, welche jeden Genuß von Milch, Gemüsen, Suppen und mehligen Speisen, sowie aller Arzneien auf das Entschiedenste ausschließt, bedarf nach dem Alter und den Kräften des Kindes nur geringer Modificationen. Sie soll in ihrem Erfolge um so glänzender sein, je frühzeitiger sie (in der Krampfperiode nämlich) in Anwendung kommt und je weniger vorher medicinirt wurde.
Bleibt der Krampfhusten unverändert und will gar nicht weichen, dann ist nur noch vom Wechsel der Wohnung und des Wohnortes, besonders vom Aufenthalte in warmer und reiner Land- oder Bergluft, Hülfe zu erwarten. – Nach Beendigung der Krankheit müssen aber immer noch eine Zeit lang die genannten Veranlassungen zur Erregung des Hustens gemieden werden; bei zu frühem Ausgehen kehrt die Krankheit leicht wieder.
- ↑ Dieser Heilkünster schreibt nämlich von sich und dem Entdecker des Alkali Pneum, dem Wiederaufwärmer der schon von Descartes vor etwa 250 Jahren proclamirten Homöopathie: „weil wir Beide eine neue Heilmethode, respective entdeckt, vervollkommnet und mit Erfolg ausgeübt haben“ etc.