Die gepfändete Kuh

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Titel: Die gepfändete Kuh
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aus: Die Gartenlaube, Heft 6, S. 99
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[97] 

Die gepfändete Kuh.
Nach dem Oelgemälde von Professor Anton Seitz.

[99] Die gepfändete Kuh. (Mit Illustration S. 97.) Die amtlichen Erkenntnisse und Verfügungen nehmen sich oft genug hinter dem grünen Tische sehr viel anders aus, als in der Ausführung. O! ein „Von Rechts wegen“ ist eine eigene Sache. Es kann geschehen, daß wir, vernünftig betrachtet, nichts gegen dasselbe einzuwenden haben – die Gerechtigkeit hat ihrer würdig gesprochen; während, wenn es zur Exekution kommt und wir dabei zusehen, uns die Galle der Empörung aufsteigt. Da ist ein Beispiel, eines für tausend: die arme Wittwe mit der herangewachsenen Tochter und dem kurzzöpfigen Spätling, sie sind vielleicht im Stande, sich redlich mit ihrer Hände Arbeit zu nähren, redlich, aber kärglich; sie haben ihre Hühner und ziehen junge Brut zum Verkauf, und sie haben aus der bessern Zeit noch ihre Kuh, die Blässe, an der ihre Herzen hängen – die Vertraute der Kinderjugend, die Haupternährerin. Aber der Vater hat eine Schuld auf dem Häuschen hinterlassen, und der reiche Bauer, der Gläubiger, will sein Geld haben. Warum? gleichviel, er will sein Geld haben. Sie flehen um Geduld, in ein paar Jahren kann es abverdient sein – nein, er will sein Geld haben. Er klagt, und es kommt ein Mann des Gesetzes mit dem Unerbittlichen und pfändet die Kuh ab. Das Haus wird öde sein ohne die Blässe, öde, wie wenn Jemand gestorben. Der Mutter will das Herz brechen, die große Tochter weint, die kleine ist zornig und erbittert – nutzt nichts; er kann sein Geld fordern und er nimmt ihnen die Kuh. Man wird sie vielleicht versteigern, es kommt wenig dabei heraus; er darf noch einmal fordern und noch einmal pfänden. Vielleicht versteigert man das ganze Haus und Jemand kauft es für den zehnten Theil des Wertes: „von Rechts wegen“. Die Humanität protestirt dagegen. Die ausführenden Diener der Gerechtigkeit sind eben darum übel dran, weil ihre Aufträge zuweilen wider die Humanität streiten, weil sie unter Umständen etwas thun müssen, was dem öffentlichen Gefühl, vielleicht ihrem eigenen zuwider läuft. Viktor Hugo hat seinen besten Roman, die „Misérables“, auf diesem Gebiet der Gerechtigkeit aufgebaut, wo sie für die Empfindung zum Unrecht wird. Ob die menschliche Gesellschaft eines Tages die Wage finden wird, um in jedem Falle die Forderungen der Gerechtigkeit mit denjenigen der Menschlichkeit auszugleichen? Wer weiß es?