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Die große Parade

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Kurt Tucholsky
unter dem Pseudonym
Peter Panter
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Titel: Die große Parade
Untertitel:
aus: Die Weltbühne. Jahrgang 22, Nummer 40, Seite 554-555
Herausgeber: Siegfried Jacobsohn
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 5. Oktober 1926
Verlag: Verlag der Weltbühne
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Die Weltbühne. Vollständiger Nachdruck der Jahrgänge 1918–1933. Athenäum Verlag, Königstein/Ts. 1978. Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Bearbeitungsstand
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Die große Parade

In Amerika läuft seit längerer Zeit ein Kriegsfilm: ‚The big parade‘, der dort ein ungeheurer Erfolg ist. Weil man bei Kriegsfilmen nie wissen kann, und weil selbst der Export des zurechtgestutzten Films nicht ohne Risiko ist, haben die Amerikaner das Ding anonym in Berlin laufen lassen: ohne Ankündigung, ohne geladenes Publikum, in einem kleinen Vorort-Kino.

Der Film beginnt mit Bonbonabziehbildern und hört auch so auf; diskutierbar ist nur die Mitte, die Kriegsaufnahmen zeigt. Vieles darin wirkt kaschiert, gestellt, atelierhaft – ein paar Szenen im Granattrichter sind gut, weil sie nicht nur tragisch, sondern auch mit Humor gesehen sind, und niemals hätte der Regisseur deutscher Militärfilme (Pleonasmus) so anständige Einzelzüge aufgebracht: das dumpfe Zögern, bevor ein unbequemer Dienstbefehl befolgt wird, die Quälerei mit Schmutz und stumpfen Messern, die Harmlosigkeit im Zusammensein von Männern und alles das. Schade, daß die weibliche Rührrolle nichts ist als [555] eben dieses. Wäre sie mehr, so müßte die Abschiedsszene der Liebenden nicht nur auf amerikanisches Publikum erschütternd wirken: wie sie ihn im dahinziehenden Wirbel der Truppen vergeblich sucht; wie er sie vergeblich sucht; wie sie sich schließlich finden und in einander versinken, während hinter ihnen helle Schatten aufblinken und verschwinden. Das ist das Heer, das vorbeizieht und höchstens ein freches Witzwort für die Beiden übrig hat. Amerika ist in Tränen zerflossen, als sie ihn am Bein festhält; dieses Bein hängt von einem Lastwagen herunter, der das Schlachtvieh zur Abdeckerei führt, und sie umklammert das Bein. In Steglitz haben sie gelacht. Aber Niemand hat gelacht, als er ihr vom Wagen die letzten Grüße zuwinkte und – was herunterwarf? Blumen? Narzissen?

Einen Schnürstiefel.

Den preßt sie an ihre Brust und weint.

Die fast unlösbare Aufgabe, für diesen Film deutsche Texte zu schreiben, wurde kläglich verfehlt, und im großen Ganzen war es nicht viel. Aber es ist denkbar, daß dieser Film ‚Die große Parade‘ ein kleines pazifistisches Gegengift gegen die militärischen Filme und die Korruption der deutschen Filmindustrie sein wird. Das hinge von ein paar gesinnungstüchtigen Filmfachleuten ab. Also wird er es nicht sein.

Peter Panter