Die grosse Ravensburger Gesellschaft/5

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Gegenstände des Vertriebs Die grosse Ravensburger Gesellschaft (1890) von Wilhelm Heyd
Das Ende der Gesellschaft
Urkunden, betreffend den Verkehr der Gesellschaft mit dem Ausland
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5. Das Ende der Gesellschaft.

Eine eigentliche Geschichte der grossen Gesellschaft von Ravensburg lässt sich mit den bis jetzt eröffneten Quellen [44] nicht schreiben, vielleicht überhaupt niemals. Um die ungewöhnliche Bedeutung zu erklären, welche sie erreichte, müsste man mehr von ihrer inneren Organisation wissen. Jedenfalls scheint die Thatkraft ihrer Vorstände, die Rührigkeit ihrer Faktoren und Agenten eine ganz ausserordentliche gewesen zu sein; die Geldmittel, schon vermöge des Reichtums der Hauptbeteiligten sehr bedeutend, schwollen durch die Einlagen zahlreicher stiller Teilhaber immer mehr an[1]. An Freunden und Gönnern fehlte es nicht. Die Stadt Ravensburg selbst hatte zwar nicht so viel Macht und Autorität, um zu Gunsten der Gesellschaft fernhin wirken zu können, aber sie leistete ihr doch im engeren Kreise Vorschub und führte, um ihren Warenzügen die Wege zu ebnen, Fehden mit Raubrittern. Wirksamere Hilfe wurde der Gesellschaft zu wiederholten Malen durch die Städte Konstanz, Luzern, Bern und durch die schweizerische Tagsatzung zu teil. Konstanz wahrte das Interesse des Kerns seiner Bürgerschaft, indem es die Gesellschaft nach aussen kräftig vertrat; überdies sahen sich die Konstanzer und die Ravensburger als Bundesgenossen an, indem beide Gemeinwesen dem Bund der Bodenseestädte angehörten, und Konstanz führte lange Zeit die Vorortschaft in diesem Bunde. Was die Schweizer betrifft, so halfen sie ja ebenfalls den eigenen Landsleuten, wenn sie die Gesellschaft unterstützten, und sie zahlten damit ausserdem einen Tribut des Dankes ab; denn viele Ravensburger hatten als Freiwillige am Kampfe der Eidgenossen gegen Karl den Kühnen teilgenommen[2]. Aber so wirksam die Fürsprache [45] dieser Mächte sein mochte, sie heilte doch nur vorübergehende Schäden oder beschwor von aussen drohende Stürme. Es kamen auch innere Krisen, bei denen die Gesellschaft darauf angewiesen war, sich selbst zu helfen. Hierunter gehört die Secession eines Teils der Mötteli. Ueber ihre Ursachen ist lediglich nichts bekannt. Dann finanzielle Verlegenheiten der Gesellschaft, in welche auch Ulmer Häuser, wie wir sahen, mit hineingezogen wurden. Beides, jene Secession und diese Geldkrisis, fiel ungefähr in dieselbe Zeit und stand wahrscheinlich in einem Kausalzusammenhang. Die Gesellschaft ging siegreich daraus hervor, ja ihre Hauptblütezeit folgte erst nach dieser kritischen Periode. Aber schon gegen das Ende des 15. Jahrhunderts melden sich die Vorzeichen des Verfalls an; sie mehren sich in den ersten Jahrzehnten des 16. Was oben über die letzten Begegnisse der Gesellschaft im mailändischen Gebiete erzählt ist, lässt deutlich erkennen, dass es mit ihr abwärts ging. Hierzu kommt nun eine Stelle in einer Luzerner Familienurkunde. Dem öfters erwähnten Jakob von Hertenstein hatte seine Frau Anna Mangolt von Sandegg unter anderem 1400 Gulden Kapital beigebracht, welche bei der Huntpissgesellschaft angelegt waren. Als nun diese Frau gestorben und ihr Sohn Leodegar volljährig geworden, setzte sich der Vater mit dem letzteren am 11. Februar 1527 über das mütterliche Vermögen auseinander[3]. Jene 1400 Gulden wurden dem Sohne zugeschieden. Auch über die Zinsen daraus wurden Bestimmungen getroffen; dabei hört man aber, gegenwärtig werfe jene Einlage keinen Zins ab. Es war also damals so weit gekommen, dass die Gesellschaft ohne Nutzen arbeitete. Wie dies herbeigeführt wurde, ob durch das Emporkommen grösserer Handelsgesellschaften, mit welchen man nicht mehr konkurrieren konnte, oder durch den mit der Entdeckung Amerikas zusammenhängenden Umschwung im kommerziellen [46] Leben, oder endlich durch beginnende Lässigkeit in der Leitung, indem die Huntpiss ihre Thätigkeit mehr ihren grossen Landgütern zuzuwenden anfingen als den Handelsinteressen der Gesellschaft – das lässt sich jetzt nicht mehr entscheiden. In welchem Jahr die Gesellschaft sich auflöste, ist nicht bekannt. Eine sonst zuverlässige Lindauer Quelle[4] nennt das Jahr 1523, aber dies stimmt nicht mit dem Luzerner Teilungsbrief vom Jahr 1527, welcher noch das Bestehen der Gesellschaft voraussetzt. Hätte im Jahr 1523 eine Liquidierung der Gesellschaft stattgefunden, so wäre damals die Kapitaleinlage den Erben der Frau von Hertenstein hinausgezahlt worden, oder sie wäre im Fall der Zahlungsunfähigkeit verloren gewesen. Sie lag aber noch bei der Gesellschaft und warf nur keinen Zins mehr ab. Somit dürfte die Annahme richtiger sein, dass die Auflösung der Gesellschaft um 1530 erfolgt sei.


  1. Primbs in seinem Aufsatz: „Der Möttelihandel“ in den Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees H. 13 (1880) kommt auch auf die Huntpissgesellschaft zu sprechen und sagt, einer mir nicht zugänglichen Quelle folgend, S. 136, sie habe sich alljährlich in Ravensburg versammelt, und da habe sich im Jahr 1431 gefunden, dass ein Kapital von 300 000, ein Gewinn von 100 000 Gulden vorhanden war. Zu Ende des 15. Jahrhunderts sollen Jos, Frick, Kaspar und Onofrius Huntpiss 131 000 Gulden, der reiche Mattelin (Mötteli) mit Bruder und Schwester 150 000 Gulden versteuert haben (Gutermann im Serapeum Jahrg. 6, 1845, S. 263). Ich gebe diese beiden Nachrichten nur mit Vorbehalt.
  2. Berner Briefe im Anh. Nr. VII. VIII.
  3. Herr Archivar Th. v. Liebenau hat mir die hierher gehörige Stelle des Teilungsbriefs gütigst mitgeteilt; das Hertensteinische Familienarchiv bildet jetzt einen Bestandteil des Stadtarchivs Luzern.
  4. Geschlechterregister im dortigen Spitalarchiv und zwar in der Einleitung zur Familie Huntpiss – so nach einer brieflichen Mitteilung des Herrn Pfarrers Reinwald.


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