Die illustrierte Postkarte
[340] Die illustrierte Postkarte. Als „Generalpostmeister“ Stephan die Einführung der Postkarte ins Werk setzte, hat er schwerlich daran gedacht, daß er damit einen ganz neuen Zweig der graphischen Industrie ins Leben rufen würde; wir meinen die „Ansichtskarte“. Aus kleinen Anfängen heraus hat sich diese eigenartige Industrie zu einer Macht entwickelt, welcher niemand, der eine Reise thut, entrinnen kann. Wo man auch heutzutage hinkommen mag, nach welcher Gegend, nach welcher Stadt, die sich sehen lassen kann, es auch sei, flugs wird einem eine Postkarte mit mancherlei schönen Ansichten in die Hand gedrückt, bald mehr bald weniger kunstvoll ausgeführt, zuweilen sehr primitiv. Wir haben Ansichtskarten gesehen, die als Kunstwerke in ihrer Art gelten können; wir kannten aber auch einen Wirt, der dem Verlangen seiner Gäste nach einer Ansichtskarte dadurch entsprach, daß er der Rückseite einer gewöhnlichen Postkarte einfach einen Blaustempel mit den Umrissen seines heimatlichen Berges aufdrückte. In der That giebt es wohl nichts Einfacheres, den Lieben daheim ein Lebenszeichen und zugleich ein Abbild zu geben von dem, was man gerade Schönes anschaut, und indem die daheim eine Karte zu der andern legen, beginnt das Sammeln. Wie man Albums hat für Photographien, für Postmarken und Stempel, so beginnt man in unserer sammellustigen Zeit nun auch die illustrierten Postkarten in hübschen Umschlägen zu vereinigen und ziert damit den Tisch. Deutschland, Oesterreich-Ungarn, die Schweiz, Italien, Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark – sie alle müssen ihren Tribut hierzu liefern. Manche Sammler bilden Abteilungen nach Ländern und Provinzen, andere unterscheiden zwischen Schwarzdruck, Buntdruck etc. Hoffentlich übt dieser neue Sammlersport die gute Rückwirkung aus, daß von seiten der Industrie immer mehr Wert auf die künstlerische Ausführung der Ansichtskarten gelegt wird.