Die italienischen Räuber (Das Ausland, 1828)

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Titel: Die italienischen Räuber (Das Ausland, 1828)
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aus: Das Ausland, Nr. 118-120 S. 469-470; 474-475; 480
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Die italienischen Räuber.

Aus dem Tagebuche eines deutschen Malers.

Im Frühling des Jahrs 1819 saß an einem regnerischen Tage der deutsche Freiherr R. mit dem Maler R*. im Zimmer des obern Geschosses eines Sommerhauses im freundschaftlichen Gespräch, als ein anderer jünger Maler S. (ein Schweizer) herein trat, um vom Baron, (den er erst Tages vorher kennen gelernt hatte), Abschied zu nehmen. Von dem Regen, der immer heftiger wurde, zurückgehalten, verweilte S. länger, als er beabsichtigt hatte. Die Donnerschläge, welche dem vereinten Feuer ganzer Batterien gleich, das Geräusch der herabstürzenden Wasser-Massen unterbrachen, erschütterten das Haus im tiefsten Grund. Dieses lag einsam in einem Garten am Saume des Waldes, der einen sehr hohen Berg bedeckt, eine Viertelstunde von dem Städtchen Olevano. Plötzlich klopfte es heftig an der Thüre. Der Maler R*. welcher derselben zunächst saß, stand auf, öffnete, und blieb erstarrt vor Schrecken und sprachlos stehen, denn zwei hohe Gestalten, mit grimmigen sonneverbrannten Gesichtern, in zerfetzte Mäntel gehüllt, die vom Regen troffen und aus denen Gewehre hervorblickten, traten ihm entgegen und fragten mit rauher Stimme: dove è il Signore? (wo ist der Herr?) Der Freiherr, der der Bequemlichkeit wegen in bloßen Hemdärmeln da saß, sprang auf, antwortete schnell gefaßt: lo chiamo io! (ich will ihn rufen) und eilte, gleich als sey er ein Diener, an ihnen vorüber, die nächste Treppe hinab in den Garten, wie ein Pfeil, trotz seiner Beleibtheit, über den abhängigen schlüpfrigen Grasboden hinweg, und setzte eben mit der gewaltigen Kraft, die man nur im Augenblick einer so gefahrvollen Lage besitzt, über eine hohe Hecke; als der eine der Räuber, dem dieß verdächtig erschien, ihm nachsetzend das Gewehr anlegt, eben im Begriff auf ihn zu schießen, ausgleitet und auf den Boden stürzt. Während dem nun oben im Zimmer sich der zweite Räuber dem hinter dem Tische sitzenden jungen Schweizer näherte, schlüpfte R*. zur Thüre hinaus, in der Hoffnung, gleich dem Baron zu entkommen. In dem Augenblick, wo er zum Hause hinaustritt, rafft der Räuber, welcher außerhalb desselben niedergestürzt war, sich auf, erblickt R*., hält ihn fest, und stößt ihn wieder in das Haus hinein. R*. tritt nun zagend in die Küche im untern Geschoß, wo der Bediente des Barons beschäftigt ist, und ruft diesem mit allen Zeichen des Schreckens in den Mienen zu: Um Gotteswillen, es sind Räuber im Hause! Jener antwortet aber ganz kaltblütig: Still, da steht auch einer! und setzt seine Arbeit fort. Nun erblickt R*. den dritten Räuber ebenfalls, der jedoch ganz ruhig bloß Wache zu halten scheint, und die beiden nicht hindert, in das obere Stockwerk hinauf zu gehen. R*. kehrt in das Zimmer zurück, er findet es leer, zum Fenster hinaussehend sieht er, wie S. und der Sohn des Hauswirths die Hände auf den Rücken gebunden, mit Kolbenstößen von 5 Räubern unter dem unaufhörlich fortströmenden Regen schnell bergaufwärts getrieben werden, er selbst, scheint es, war von ihnen vergessen worden. Im Eingang des Waldes durchsuchten die Räuber die beiden Gefangenen, nahmen dem Maler Börse, Uhr und Brieftasche; und weiter aufwärts gehts ohne Rast, so schnell, daß S., obschon stark von Körperbau und des Bergsteigens nicht ungewohnt, dennoch nach einer halben Stunde athemlos auf einen Steinblock hinsinkt und erklärt, er müsse ausruhen, sollten sie ihn auch niederstoßen. Eine kurze Frist wird ihm gestattet, dann gehts wieder rasch und rascher aufwärts; immer heftiger strömt der Regen, rollt der Donner, und fast unerklimmbar sind die schlüpfrigen Wege geworden; da gebietet endlich der Anführer Halt!

Es war etwa auf der Hälfte der Höhe des ganzen Berges (bis zu dessen Gipfel 3 Stunden Weges sind) an einer schauerlichen Stelle, welche die rothe Mauer heißt, (Mura rossa) einem gewaltigen weit überhängenden Felsen von rothem Granit, unter dessen Schutz die Räuber sich auf einen Augenblick lagerten, und dem Maler die Hände losbanden. Der Räuberhauptmann fragt mit starker widriger Stimme: Sapete da scribere? (Könnt ihr schreiben?) S. bejaht es; da reißt jener ein Blatt aus der geraubten Brieftasche, greift von der Erde ein spitzes Stückchen Holz auf, gießt aus seinem Pulverhorn etwas in die hohle Hand, und läßt ganz gemächlich, indem er nur den Kopf etwas beugt, Wasser vom Hut hinein tropfen, rührt es um, so daß es statt Dinte dienen kann, und reicht es nebst dem Blatt dem Maler. Diesen hatten indessen sämmtliche Räuber umringt. Der Hauptmann hielt ihm die Spitze des Dolches in’s Genick, zwei andere hatten die Messer nach den beiden Seiten seines Halses gerichtet, und ein Dritter schlug das Gewehr auf seine Brust an, und brüllte: scribete! (Schreibt!) Alle schrien unter einander, indem jeder etwas anderes verlangte. S. faßte sich soweit, daß er bat, es sollte nur Einer reden; darauf gebot der Hauptmann Stille, und diktirte: <ttCarissimo [470] Signore Barone, io sto in pericolo di morte (lieber Herr Baron, ich bin in Lebensgefahr.) Bei diesem schönen Eingange bedurfte S. aufs neue Fassung, und fragte ob er deutsch oder italienisch schreiben solle? Was deutsch? Italienisch schreibt! Hätte der gute S. gewußt, daß keiner dieser Waldfürsten weder schreiben noch lesen könne; er hätte wahrscheinlich deutsch und Manches geschrieben, was er jetzt unterlassen mußte. Es wurde weiter diktirt: für den Sohn des Hauswirths, müssen längstens in 6 Stunden 3000 Scudi, und für den Maler 1000 bezahlt werden. Hier hielt S. an, bat um einige Entfernung der Mordgewehre, weil er sonst nicht schreiben könne, und fuhr fort, indem er trotz seiner kläglichen Lage verwundert lächelte: 1000 Scudi sollen für mich bezahlt werden? Nicht 1000 Bajocci habe ich sammt allen meinen Angehörigen; dem Baron bin ich gar nicht weiter bekannt, und befand mich blos zufällig bei ihm; ich bin ärmer als ihr, verdiene mühsam im Winter zu Rom so viel, um im Sommer zu meinem Studium auf dem Lande nach der Natur malen zu können. Dieses mein ganzes Vermögen habt ihr bereits und (sich in die Höhe richtend) schrecken werdet ihr mich nicht: ich war Soldat, habe Gefechte und Belagerungen mitgemacht, und fürchte den Tod nicht. Darum ist es unnöthig, daß ich meinethalben an den Baron schreibe. Die Räuber stutzten, und etwas milder forderten sie: es thue nichts, er solle nur schreiben. Weiter mußte er von des Barons Leuten ein Lägel Wein, Brod, Pulver und Blei verlangen, und hinzufügen, wenn nur einige Stunden über die Zeit verstrichen, müßten sie beide unter Qualen sterben. Kaum hatte er seine Depesche geendet, als trotz dem heftigen Regen, ein junger Ziegenhirte, vermuthlich einer der Helfershelfer der Banditen, wie sie deren überall viele in Sold haben, ganz langsam, das Wams über die Schultern hängend, als wäre das schönste Wetter, des Weges kam. Er wurde angehalten und scheinbar mit schrecklichen Drohungen gezwungen, das Blatt nach Olevano zum Baron oder ins elterliche Haus des Mitgefangenen zu tragen. Nachdem S. wieder gefesselt worden, brach die Horde auf, und langte nach einer Stunde auf dem Gipfel des Berges an. Man lagerte unter einer großen Eiche, von wo aus die ganze Gegend zu übersehen war. Es ward schnell ein Feuer gemacht, Wachen ausgestellt, und Einer beordnet, aus der nächsten Heerde ein fettes Schaf zu stehlen. Nach kurzer Zeit brachte dieser das Schaf, und schnell waren alle Dolche blank, es zu schlachten, auszuweiden, und in Stücke zu schneiden, die sogleich in der glühenden Asche gebraten wurden. [474] S. hatte durch sein muthiges furchtloses Benehmen sich bei den Räubern in Achtung gesetzt, und sogar eine Art Gunst erworben, so, daß ihm oben bald die Bande von den Händen genommen wurden, und die Räuber anfingen, sich über mancherlei Gegenstände mit ihm zu unterhalten. Sie befragten ihn z. B. über die beste und für sie sicherste Straße nach Mailand, da in dieser bella città viele reiche Galantuomini wohnten; nach der Weite des Weges, nach seinem Vaterland, der Belagerungsweise einer Festung, dem Bau, der innern Einrichtung, dem Gebrauch und der Wirkung der Kanonen und Bomben u. s. w. Dagegen erzählten sie ihm vieles von der Herrlichkeit und Freiheit ihres Lebens, wie ihrer mehrere Hunderte wären, allenthalben zerstreut, die sich aber jährlich zweimal, 14 Tage lang, an einem festen, unzugänglichen Orte in den Apenninen versammelten, wo auch eine Menge schöner Damen erscheinen, und an allen Lebensmitteln Ueberfluß vorhanden sey. Dort berathschlagten sie sich über ihre nächsten Unternehmungen. Unterdessen war ein Theil des Nachmittags vorüber, das Fleisch gebraten und verzehrt, von dem immer die besten Stücke ehrfurchtsvoll dem Hauptmann präsentirt worden waren, und auch S. und der junge Landmann seinen Theil erhalten hatte. Da kam der Ziegenhirt nebst einem Treiber und beladenen Esel zurück, worauf sich der verlangte Wein, Brod, Pulver, 200 Scudi Geld, und vielerlei Silber und goldener Schmuck, wie ihn die die dortigen reichen Landleute tragen, befand. Der Hauptmann immer finster und stumm, griff ohne umzuschauen nach den Geldrollen, überzählte sie nur so in Bausch und Bogen, und wüthend und schäumend vor Zorn, daß die Spitzbuben da unten glaubten, ihn – einen Galantuomo mit einem solchen Bagatell abspeisen zu können; die Löffel, Ringe, Schnallen, Ohrringe, [475] Spangen aber stieß er unwillig mit dem Fuße hinweg, indem er bemerkte, solchen Bettel habe er genug, dieß solle der Eselstreiber wieder mitnehmen, und dem Vater des jungen Menschen sagen, daß, wenn nicht morgen mit Sonnenaufgang 2000 Scudi hier oben bei ihm angelangt wären, er unfehlbar (hier that er einen gräßlichen Schwur) nur den zerstückten Leichnam seines Sohnes erhalten würde. So mußte der Bote wieder abziehen.

Zugleich mit dem Uebrigen war ein Schreiben des Barons angekommen, worin dieser bestätigte, daß er gar keine weitere Bekanntschaft mit S. habe, auch weder für diesen noch für den andern Gefangenen einen Bajocco bezahlen und sogleich nach Rom abreisen werde, um bewaffnete Macht gegen sie zu verlangen. Unterdessen hatte sich die ausgestellte Wache genähert und gemeldet, daß sich an mehreren Stellen am Fuße des Berges Militär-Abtheilungen zeigten. Da fuhren alle Räuber rasch auf, machten sich schußfertig, banden den S. wieder und erklärten einstimmig: so wie sich das Militär nähere, seyen beide des Todes. Man kann sich hierbei den Gemüthszustand der Gefangenen denken. Inzwischen war es Nacht geworden; die Räuber schliefen malerisch um das Feuer gruppirt, als hätten sie das beste Gewissen; doch der Hauptmann wandte sich zuweilen, stöhnte und stieß unarticulirte Klaglaute im Schlaf aus; und ein frecher Junge, der jedoch noch der gutmüthigste schien, war wach, legte von Zeit zu Zeit Holz ans Feuer, und wollte immer mit S. plaudern, der freilich wenig Lust dazu hatte, doch gezwungen die Neugierde des Burschen befriedigte. Endlich[WS 1] schon halb schlaftrunken sagte er: Felice notte, Signor Federigo! non avete timore, per voi non c’è pericolo (Gute Nacht Herr Friedrich, habt keine Furcht, für euch ist keine Gefahr) und schlief sogleich.

Der Hauptmann war ein schöner, regelmäßig und stark gebauter Mann, größer als alle übrigen, mit wohlgeformtem Gesicht, welchem aber das vielleicht von Kindheit auf gewohnte Mordhandwerk und die Schrecken und wilden Leidenschaften, die dasselbe begleiteten, gräßlich verzerrte Züge eingeprägt hatten, so daß sein seltenes Lächeln aussah, als ob er weinte. Seinen Kopf bedeckte ein oben spitzer Hut, wie es die dortige Landestracht mit sich bringt, aber vielfach mit künstlich verschlungenen silbernen Ketten umwunden; schwarzes krauses Haar und Bart; der nervige lange Hals und die breite kräftige Brust waren ganz bloß, nur von einer silbernen Kette umschlungen, woran ein goldenes Kruzifix hing; Weste, Wams und Unterkleider von grünem Sammt, und so wie der breite lederne Gurt, in welchem zwei große Pistolen und ein reichverzierter Dolch mit silbernem Griff steckten, mit Stickereien verziert; an den Füßen eine Art Sandalen; endlich trug er einen großen, in malerischen Falten nachläßig um den Leib geschlagenen Mantel und im Arm eine Büchse, von trefflicher Arbeit ganz mit Silber ausgelegt. Auf ähnliche Weise waren auch die Uebrigen bekleidet und gerüstet.

Der junge Landmann, halb todt vor Schrecken und Ermattung, war längst eingeschlafen; nur S. wachte noch und hatte, einsam seinen Gedanken nachhängend, Zeit, seine ganze grausenvolle Lage zu übersehen. Der Mond war über den Saum des Waldes emporgestiegen und eröffnete ein prachtvolles Schauspiel. Jedes Wölkchen war aus dem reinen Azur des Aethers gewichen, unzählige goldene Sterne blickten herab, fast die ganze Kette der gewaltigen Apenninen, des Volsker und Sabiner Gebirges, weit im Hintergrunde die schneebedeckten Häupter des Velino und der Lionessa lagen vor ihm ausgebreitet; dort ein Streifen des leuchtenden Meeres, unter ihm das freundliche Olevano, weiterhin eine Menge kleinerer und größerer Städtchen und einzelne Landhäuser, und unmittelbar am Fuße des Berges mehrere ruhig waidende Heerden. Wie oft habe ich, dachte S., seit meinem Aufenthalt in Olevano sehnsüchtig auf diesen Gipfel geblickt, und die Aussicht von demselben zu sehen gewünscht, und immer aus Furcht vor den Räubern den Gang unterlassen, mit deren Hülfe ich ihn nun wirklich angetreten habe.

Endlich war auch S. eingeschlummert und im Traume nach der Heimat in die Schweiz und auf die grünen Matten um das elterliche Haus versetzt worden. Der Vater und die Mutter küßten mit freudethränenden Augen den Wiedergekehrten, die kleinern Geschwister jubelten ihm entgegen, Lämmer umspielten ihn und der treue Haushund leckte seine Hände. Da fällt plötzlich ein Schuß, mit Entsetzen sieht er sich wieder in die Wirklichkeit versetzt, der Freiheit beraubt, dem Tode nahe, der Willkür der verruchtesten Gesellen preis gegeben. Die Räuber springen wild auf zu den Waffen. Da kömmt die Wache und meldet, es sey ihr unversehens durch einen streifenden Ast das Gewehr losgegangen; der Hauptmann flucht über die Unvorsichtigkeit. „Ich sage es immer, daß die elenden Büchsen nichts Zuverlässiges sind, der Dolch ist die rechte Wehr für einen Galantuomo!“ Bald wurde es wieder ruhig, die Räuber schliefen wieder. S. aber hatte keinen Schlaf mehr: der Morgen graute, ein leiser erfrischender Wind erhob sich als erster Vorbote des Tages, die Wolken rötheten sich und das ferne Meer, hie und da ließ ein Vogel einzelne Töne wie noch halb im Traum hören, bald mehrere; und endlich kamen einige kleine Singvögel von Zweig zu Zweig gehüpft, und wagten sich, von den herumliegenden Brodkrümchen angelockt, mitten unter die schlafenden Räuber.

[480] Endlich ging die Sonne auf, und die Räuber erwachten. Nachdem sie sich in einen Kreis gereiht hatten, zog einer ein kleines Buch aus der Tasche, reichte es S. und sagte: Lest! (Legete!) Es war ein Gebetbuch. Alle nahmen andächtig die Hüte ab, jeder zog einen Rosenkranz hervor, sie knieten nieder, bekreuzten sich, der Hauptmann küßte sein Kruzifix, und so hielten diese Menschen aufmerksam anhörend, was S. las, ihre Morgenandacht, als gute katholische Christen. – Nachdem sie nun von dem Uebriggebliebenen des gestrigen Mahles gefrühstückt, und dem Weinfäßchen zugesprochen hatten, war ihr erstes Geschäft, dem jungen Bauern zu ihrer Ergötzung einen Vorgeschmack von seinem wahrscheinlichen Schicksal zu geben. Alle, außer dem Hauptmann, der ruhig in sich gekehrt blieb, zogen die Dolche, befahlen dem armen gefesselten Menschen niederzuknien, und ein alter Kerl mit einem wahren Höllengesichte sagte: Bereitet Euch zum Tode; wobei er aber dem Maler mit den Augen winkte, daß es nichts zu bedeuten habe. Er that, als ob er zustoßen wollte, und als der arme Geängstigte, wimmernd, Hände ringend und sich krümmend wie ein Wurm, um sein Leben bat, sagte er seitwärts gewandt halblaut zu S.: Was für ein Laffe! (che minchione!) Der Hauptmann stieß indessen von Zeit zu Zeit zornige Worte aus über das so lange Ausbleiben des Boten, und spielte mit dem Griffe seines Dolches. Endlich zog er diesen aus der Scheide, prüfte die lange blanke und scharfe Klinge, sie auf der Erde biegend, und sagte: ein schönes Instrument, das nie fehlt, (vedete, signor Federigo, un bell’ stromento, manco mai!) und machte damit zur Uebung eine Bewegung gegen den Unterleib des S., als wolle er ihn von unten hinauf in das Herz stoßen. S. ungewiß, ob nicht durch fortgesetzte Versuche dieser Art bei dem Ehrenmann die Mordlust wirklich geweckt werden könne; fragt ihn: also stoßt ihr von unten hinauf, warum nicht von oben hinab? Mit seinem schrecklichen Lächeln antwortet der Hauptmann: man sieht, daß Ihr noch keinen Dolch geführt habt! Oben sind ja Knochen, aber von unten fährt jeder Stoß ins Herz. Darauf versank er wieder eine Zeitlang in sein trübes Sinnen, immer den Dolch betrachtend, endlich fuhr er auf: Ihr seyd Soldat gewesen, wie putzt Ihr Eure Gewehre? Seht dieser Dolch hat Flecken, die ich nicht weg bringen kann, (nach einer Pause hinzusetzend) es ist Menschenblut, und ich mag es nicht sehen; wißt Ihr ein Mittel, sie zu tilgen? S. erwiederte: Wir Soldaten nehmen Essig und Ziegelmehl, das reinigt allen Stahl. Der Hauptmann murmelt lächelnd vor sich hin: Ich wills versuchen, aber ich glaubte nicht, daß sie weggehen. Später erzählte er: er besitze ein ganzes Kästchen voll Miniaturgemälde , die er von einem engländischen Herrn bekommen habe; diese wolle er ihm schenken, wenn er bei ihnen bleiben wolle: auf ihren Zügen könne er genug zeichnen und nach der Natur studiren. S. entschuldigte sich mit einem Ruf nach Neapel, worauf der Räuber ihm die tröstliche Versicherung machte: Nun denn sehen wir uns noch einmal auf eurer Reise, denn ich bin gesonnen, eine Expedition dahin zu unternehmen.

Es war fast Abend geworden, und 36 Stunden waren den Unglücklichen vorüber gegangen; da erschien wieder ein Bote von Olevano, der noch 300 Scudi brachte, die mit Noth und Mühe im ganzen Ort zusammengeborgt waren, mit den beweglichsten Bitten, nun den jungen Landmann loszulassen. Der Hauptmann, noch nicht befriedigt, nahm das Geld unter heftigen Verwünschungen an, setzte noch eine letzte Frist bis zum nächsten Morgen, in welcher nun noch 500 Scudi da seyn müßten, länger aber keine Lebensrettung für den Gefangenen zu hoffen sey, da sie sich keinen Augenblick länger gefahrlos in dieser Gegend aufhalten könnten. Der Bote ging. Als die Sonne sich dem Meere näherte, richtete der Hauptmann sich auf, und sagte zu S.: Jetzt könnt ihr gehen, Friedrich! (Federigo, adesso potete andare!) Habt ihr Geld? (Avete danari! Ma avete) – aber ihr habt ja – er vollendete seine Rede nicht, sondern griff in die Tasche, nahm 2 Scudi heraus, drückte sie S. in die Hand, und sagte: das wird genug seyn bis Rom, lebt wohl und seyd versichert, daß ich Euch im Herzen behalte! (Sarà basta fin a Roma! Addio Federigo! siete assicurato, che io vi tengo in cuore.) S. wollte ihm die Hand zum Abschied reichen, aber der Hauptmann wandte sich stumm ab, und winkte ihm, wegzugehen. S. gab nun den übrigen Räubern die Hand, und ging den Berg hinab. Kaum war er etwa 100 Schritte gegangen, so rief es hinter ihm drein, und im Umschauen sah er den alten Räuber ihm zuwinken: er solle wieder hinaufkommen. Noch war er nicht aus der Schußweite, wagte also nicht zu widerstreben, und stieg langsam und schweren Herzens wieder aufwärts. Oben angekommen, rief ihm der Räuber zu: Ihr habt mein Schnupftuch noch, gebt es her! Als er nemlich aus dem Landhaus abgeführt, gebunden und ausgeplündert wurde, nahm dieser Räuber S. Schnupftuch, das noch ziemlich trocken war, sein Gewehrschloß damit zu umwinden, und gab ihm dagegen sein durchnäßtes, das aber noch neu war, und deshalb verlangte er es jetzt zurück. Endlich durfte er wieder gehen, und langte nach einigen Stunden in dem Trauerhause der Eltern des Zurückgebliebenen an, der am andern Morgen, nachdem die verlangten 500 Scudi noch zusammengebracht waren, gleichfalls frei gelassen wurde.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage:Englich