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Die kaiserliche Matrosenstation bei Potsdam

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Textdaten
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Autor: Johannes Wilda
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Titel: Die kaiserliche Matrosenstation bei Potsdam
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 33, S. 557–559
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Die kaiserliche Matrosenstation bei Potsdam.

Von Johannes Wilda. Mit Abbildungen von W. Stöwer.

Weite glitzernde Seeflächen, umrahmt von dichtbewaldeten ernsten Fichtenhügeln, von Pappeln, Weiden und von herrlichen Parks, aus denen hier Schlösser und Villen hervorlugen, dort eine malerisch gelegene Kirche oder Ruine ragt, – enge gewundene Wasseradern zwischen Wald und Wiese, wo Schwäne entlang gleiten, während ein hohes weißes Segel hinter dem anderen auftaucht oder Dampfer die Schilfrohrsäume in wiegendes Neigen versetzen: das ist die große Wasserheerstraße der Mark, das sind die grünumkränzten blauen Havelseen! Kunst und Natur, Absicht und Zufall haben sich vereinigt, um mit bescheidenen Mitteln hier eine Fülle der lieblichsten Scenerien zu schaffen, über welche der überraschte Fremde staunt, und an denen selbst das verwöhnte Auge, das berühmte Glanzpunkte unserer schönen Erde schauen durfte, immer und immer wieder sich erfreut.

Auch der deutsche Kaiser hat eine große Vorliebe für diese heimatlichen Binnenseen, die sich mit seiner Begeisterung für Seefahrt und Flotte vereinigt. So hat er denn an einem jener, dem weitgedehnten Jungfernsee, eine Matrosenstation anlegen lassen. Die Lage des Sees gestattet, auf der einen Seite die Pfingstbergtürme und die Kuppel von St. Nicolai in Potsdam zu sehen; auf der andern schweift der Blick über die blaue Fläche des Sees zur Basilika von Sakrow und zur Pfaueninsel, dann rechts nach dem Schloß und der langen Bogenbrücke von Glienicke mit dem weißen Schloß Babelsberg im Hintergrunde.

Früher bestand die Matrosenstation aus einer kleinen Bootsanlage und einem nicht häßlichen, wenn auch unbedeutenden Gehöft. Das alte Haus, dessen Vorgarten von einer wundervollen Linde beschattet wird, dient heute noch dem Schiffsführer zur Wohnung; im Herbst aber dürfte das neue Vorsteheramtsgebäude der Station vollendet sein. Im übrigen ist die jetzige Anlage, die Schöpfung Kaiser Wilhelms II., fertig, denn das im vorigen Jahre erbaute, in Norwegen gezimmerte originelle Kasernement ist bereits von den Mannschaften bezogen worden.

Den Mittelpunkt bildet das hart am Wasser liegende, von Rasen und junger Pflanzung umgebene Empfangs- und Einsteigehaus der kaiserlichen Familie. Es ist ein ebenfalls in Norwegen gearbeitetes Blockhaus, das in seinem braunen Ton, mit den schön geschnitzten phantastischen Giebeln, Galerien und sonstigen Verzierungen eigenartig und malerisch wirkt. Nach der Wasserseite zu ist es von einer Quaimauer umschlossen. Links (vom Wasser aus) zeigt sich unter grüner Bettung eine Batterie von sechs kleinen Achtcentimeter-Geschützen, die zum Salutieren und zum Exercitium für die Mannschaften dienen. Daneben ist der Bootshafen, in dem unter anderem zwei hochgeschnäbelte norwegische Boote liegen, und dann der Bootsschuppen für die Dampfpinasse, mit welcher der Kaiser sich auf seine Segelfahrzeuge übersetzen läßt. Rechts ist wieder ein norwegischer Bau. Es ist das Bootshaus für die Dampfjacht „Alexandria“. Im Hintergrund, jenseit der vorüberführenden Straße, neben der alten Kaserne liegt abermals ein höchst eigentümliches geräumiges, norwegisches Haus, das die Wohnung des Maschinisten nebst Werkstätten umfaßt.

An der Straßenfront des Einsteigehauses sehen wir Jagdtrophäen des Kaisers: Walrippen und -wirbelknochen, einen lebenden, etwas verdrießlich veranlagten norwegischen Adler und einen russischen Geier.

Das Empfangs- und Einsteigerhaus

Im Einsteigehaus liegt rechts und links je ein Toilettenzimmer, während der sonstige Raum aus einer geräumigen, mit bunter Holzmalerei diskret geschmückten Halle besteht. Zwei große Tische mit Sesseln und der Schreibtisch des Kaisers, alles in Holz ausgeführt, bilden in der Hauptsache die Ausstattung. Wir [558] bemerken noch verschiedene Trophäen und Erwerbungen von den nordischen Reisen, so den knöchernen Schreibtischsessel, einen Spazierstock aus dem Bein des vom Kaiser erlegten Wales, Malereien auf Knochen etc. Von der Halle führt eine Thür auf die Veranda und direkt nach der Treppe, die zum Einsteigen in die Boote dient.

Von der kleinen Flotille sind am sehenswertesten die Dampfjacht „Alexandria“ und die Miniatursegelfregatte „Royal Louise“.

Die „Alexandria“ ist ein langgestreckter, stattlicher Doppelschraubendampfer, der mit seinem weißen Anstrich sich recht elegant ausnimmt, zumal wenn über ihm, zwischen der „Gösch“ am Buge und der preußischen Flagge am Heck, die Standarte des Kaisers flattert.

Den Hauptraum der „Alexandria“ nimmt der in Hellgelb, Weiß und Gold gehaltene Decksalon ein, dessen einfache aber geschmackvolle Möbel mit einem kleingeblümten, zartgemusterten, hellen Stoff überzogen sind. Oben auf dem Salon befindet sich das Promenadendeck, auf dem die Fahrgäste in bequemen Korbdeckstühlen zu sitzen pflegen. Die Küche und die Nebenräume liegen hinter der starken Maschine über der Schraubenwelle. Die erstere würde mit ihrem zierlichen Gaskochherde das Entzücken jeder Hausfrau erwecken. Die „Alexandria“ wurde an Stelle eines gleichnamigen älteren Fahrzeuges nach den Angaben des Kaisers, des damaligen Prinzen Wilhelm, gebaut. Der Monarch benutzt das Schiff viel zu Fahrten mit seiner Familie, auch zu Dienstfahrtcn nach Spandau, Charlottenburg, zu den Regatten auf der Oberspree etc.

Die Dampfjacht „Alexandria.“

Neben dem Bootshaus für die „Alexandria“ erhebt sich noch ein Schuppen für eine Vierriemer-Mahagoni-Gig und einen kleinen, einruderigen „Seelenverkäufer“, der seine Seetüchtigkeit einst auf offenem Ocean bewiesen haben soll.

Die „Royal Louise“ ist ein vom englischen Hofe stammendes Geschenk. Diese dem Wasserstande der Havel angepaßte Miniaturfregatte ankert hier bereits seit vielen Jahrzehnten; sie bot den ersten Anlaß zur Gründung der Matrosenstation. Das Schiffchen macht von fern wirklich den Eindruck eines echten Kriegsfahrzeuges; in der Nähe bemerkt man erst, daß es nicht größer als eine mittlere seegehende Segeljacht ist. Die aus den Pforten hervordrohenden Geschütze bestehen aus Holz, aber die Takelage ist in allen Einzelheiten bis zu den Oberbramraaen hinauf einer Vollschiffstakelage nachgebildet. Unter dem geschlossenen Oberdeck gelangt man in einen Salon, der einer kleinen Gesellschaft hinlänglich Raum bietet. Die roten Lederpolster, die grüne Tischdecke sind noch von altväterischem Geschmack. Vor dem Salon sieht man die Stoppervorrichtungen für die Anker, hinter ihm liegt eine niedrige Schlafkajütte nebst Kabinett. Ganz hinten, nur vom Oberdeck zugänglich, öffnet sich eine Luke, in der das Steuerrad sich dreht; hier steht auch der die Radspeichen Handhabende, also häufig der Kaiser, der es liebt, selbst mit der Fregatte nach allen Regeln der Kunst zu manövrieren. Etwa zehn Mann bedienen die Takelage; die Kommandos sind die sonst in der Marine üblichen. Die „Royal Louise“ ist durch viel Ballast sehr steif gemacht. Ein Dampferfahrzeug begleitet sie in der Regel auf den Ausflügen.

Der Kaiser an Bord der „Royal Louise“

Die aus Wilhelmshaven und Kiel den Sommer über auf die Potsdamer Station kommandierten Mannschaften, etwa zwölf an der Zahl, sind natürlich ausgesuchte Leute. Die Matrosen unterstehen einem Oberbootsmannsmaaten. Die Station ressortiert vom Reichsmarineamt, von dem ein Offizier die Kontrolle übt. Der dauernd hier befindliche Schiffsführer ist ein ehemaliger, verdienter Deckoffizier. Der Dienst ist natürlich meist ein leichter. Es besteht eine regelrechte Routine mit Musterungen, Segelexerzieren (auf der Fregatte), Geschütz- und Handwaffenexerzieren, Dienstinstruktion, Postenstehen etc. Die Mannschaften erhalten zur Verpflegung 90 Pfennig auf den Tag, wofür sie sich selbst zufriedenstellend beköstigen, indem sie das Geld zusammenschießen. Urlaub wird reichlich bewilligt. Ueber die Freundlichkeit des Kaisers bei den Ausfahrten wissen die Leute viel Rühmendes zu erzählen.

Abgesehen von dem Zwecke, die königlichen Fahrzeuge sachgemäß zu konservieren, dient die Matrosenstation in erster Linie der Erholung des Kaisers, dann als eine Art Seeschule für die Prinzen und zur Unterhaltung für die kaiserliche Familie und deren Gäste. Aber auch das Publikum hat einen Vorteil davon. Je mehr die grüne Havel von einem wechselnden Schiffstreiben belebt wird, ein desto reizvolleres Bild bietet sie dem Besucher.

Die Segelfregatte „Royal Louise.“

Die Berliner wissen so etwas zu schätzen; sie [559] zählen viele begeisterte „Wasserratten“ zu ihren Mitbürgern, von denen manche sogar gleich den Wikingern kühn die Ostsee mit ihren kleinen Fahrzeugen durchqueren und den Seglern in Kiel, Stettin und Kopenhagen erhebliche Konkurrenz machen. Aber auch der Fremdenstrom, der mehr und mehr in die Berliner Umgebung dringt, findet eine Fülle des Interessanten, und nicht am wenigsten wird den auswärtigen Besucher die Matrosenstation anlocken, zumal wenn es ihm gelingt, dort die kaiserliche Familie zu sehen und mit anzuschauen, wie der Kaiser selbst die vom Winde schräg geneigte „Royal Louise“ unter vollen Segeln durch die bewegten Fluten führt.