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Die sieben Kirchen Asiens

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Textdaten
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Autor: Rev. F. V. I. Arundell
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Titel: Die sieben Kirchen Asiens
Untertitel:
aus: Das Ausland, Nr.  179 S.  713-715
Herausgeber: Eberhard L. Schuhkrafft
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Entstehungsdatum: 1828
Erscheinungsdatum: 1828
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: München
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Überreste einst blühender Städte der Christenheit
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[713]

Die sieben Kirchen Asiens.[1]


Von sieben christlichen Kirchen der Offenbarung, welche durch die Apostel in Asien gegründet wurden, ist kaum noch eine Spur übrig. Smyrna, Ephesus, Pergamus, Sardes, Thyatira, Laodicea und Philadelphia (siehe Offenbarung Kap. 2. 3.), mit all ihrer Macht und Herrlichkeit, sind in fast gänzlichen Verfall gerathen. Nur die erst erwähnte Stadt macht wegen ihrer commerziellen Wichtigkeit als Seehafen eine Ausnahme. Ephesus ist eine bloße Ruine; Pergamus hat eine Bevölkerung von 1500 Griechen mitten unser 13,000 Türken. Sardes, einst die glänzende Königsstadt von Lydien, besteht jetzt aus wenigen Lehmhütten; Thyatira (jetzt Ak-hissar) hat blos eine einzige armselige griechische Kirche; Laodicea, (jetzt Eski-hissar) ist ein türkisches Dorf in der Nähe von Schutthaufen und Bruchstücken alter Baukunst und Bildhauerei; und Philadelphia (jetzt Allah Scher) liegt in Folge von Kriegen und Erdbeben in Trümmern. Wir theilen einige Bruchstücke aus der Reise mit.

Ephesus.

Ein schmerzliches Gefühl für den Christen ist der Anblick einer Stadt, welche die Wiege des Christenthums war und jetzt keine Kirche mehr hat, keine Stadt mehr ist, sondern ein Haufen der Zerstörung, ein unfruchtbar Land, eine Wildniß, wo kein Mensch darin wohnt, und keines Menschen Sohn darüber geht! Einst stand hier jener Tempel, berühmt durch seine Pracht als eines der Wunder der Welt und die Berge Korissus und Prion hallten wieder von dem tausendstimmigen Rufe: Groß ist die Diana der Epheser! Einst waren hier christliche Tempel, die an Pracht mit dem heidnischen wetteiferten, wo das Jupitersbild zu den Füßen des Kreuzes lag, und gleich viele Stimmen, vom heiligen Geiste getrieben, riefen: Groß ist Jesus Christus! Einst hatte Ephesus einen Bischof, den Engel der Kirche, Timotheus, den geliebten Jünger des heiligen Johannes; und die Sage berichtet, daß beide großen Männer, so wie die Mutter des Herrn, ihre letzten Tage dort verlebten. Einige Jahrhunderte vergingen und die Altäre des Herrn wurden umgestürzt, um der trüglichen Lehre Mahommeds zu weichen. Das Kreuz verschwand von dem Dom der Kirche, als der Halbmond auf die Zinnen sich erhob, als das Keble’ an die Stelle des Altares trat! Und in wenig Jahren ist es vielleicht in der Moschee eben so stumm wie in der Kirche. Einige Ruinen und wenige unbewohnte Lehmhütten – Alles, was der Sturm der Zeit von Ephesus übrig gelassen hat. Deine Reichen und deine Schönen, dein Handelsvolk, deine Seeleute, deine Pilote, Kalfater, Lastträger, deine Kriegsleute – sind dahin. Das Summen der Volksmenge ist in Todesstelle verwandelt! Selbst das Meer hat sich von dieser wüsten Scene zurückgezogen und ein giftiger Sumpf, mit Schlamm und Binsen bedeckt, nimmt die Stelle der Wasser ein, welche mit den Waaren aller Länder befrachtete Schiffe unter die Mauern der Stadt trugen.

Ich war im Januar 1824 in Ephesus; ein Türke, dessen Hütte wir einnahmen, sein arabischer Diener und ein einziger Grieche – einige Turkomanen, deren schwarze Gezelte zwischen den Ruinen aufgeschlagen waren, nicht mit gerechnet – machten die Bevölkerung aus. Die griechische Revolution und die räuberischen Streifzüge der Samioten haben großen Theils diese gänzliche Verödung herbeigeführt. Es liegt jedoch in der Nähe ein Dorf mit vierhundert griechischen Häusern.

Pergamus.

Die vor der Stadt liegende Landschaft ist sehr unfreundlich, felsig, kahl und muß im Winter äußerst unwohnlich seyn, da der größte Theil der Niederung unter Wasser steht. Nachdem wir jedoch unter dem Bogen einer Brücke hindurch und hierauf über einen Todtenacker gegangen waren, wurde die Umgebung zusehends schöner, da nun eine Menge Zypressen, Pappeln und andere Bäume zum Vorschein kamen. Bei meinem Eintritte in die Stadt, als es beinah schon dunkel war, fielen mir einige ungeheure Massen von Mauern auf: ich erfuhr, daß es die Trümmer der Kirche des Ἀγιος Θεολογος oder der St. Johanneskirche seien.

Ich begleitete einen griechischen Priester nach seiner Kirche, der damals einzigen in Pergamus; sie liegt am Fuß des Schloßberges, und ist eine armselige, mit Stroh bedeckte Hütte. Obgleich die Sonne in ihrem vollen Glanz die ganze Gegend umher beleuchtete, so war es doch in diesem Gotteshaus so finster, daß ich selbst bei dem flimmernden Lichte kaum die Figuren darin unterscheiden konnte. Auf der einen Seite der Kirche hielt ein anderer Priester mit etwa vierzig Knaben eine kleine Schule. Ich schenkte [714] ihm ein Testament. Der Kontrast der prachtvollen Ueberreste der St. Johanneskirche und ihrer elenden Stellvertreterin ist eben so groß, als der Kontrast des gegenwärtigen Zustands der Religion unter den dortigen Griechen mit dem vollen Lichte des Evangeliums, das einst in den Mauern des Ἀγιος Θεολογος leuchtete.

Gegen eine kleine Belohnung ward mir erlaubt, in das Bad zu gehen, wo sich die berühmte Vase befindet. Ich hatte schon die Hoffnung, letztere zu sehen, aufgegeben, da das Bad am Morgen von Frauen, und darauf von Männern besucht wird; nur am Abend, hörte ich, könne man zukommen. Allein wenig Geld öffnete mir die Thüre des Bades, und ich ward eingelassen, während eine Anzahl Frauen auf den Marmorbänken um die Vase lagen. Der Badaufseher gibt die übertriebenste Summen an, welche von englischen Lords für die Vase geboten worden seyen: z. B. von einem vierzig tausend Piaster, von einem andern so viel Zechinen, bis die Vase voll sey.

Sardes.

Identifizirt mit den Namen Krösus, Cyrus und Alexander, seine Ebene mit Tausenden von Bewohnern und Tausenden von Gezelten der Kriegsleute bedeckend – Sardes, noch groß in den Tagen Augusts – durch Erdbeben zerstört, und zu seinem frühern Glanze wieder erhoben durch die Freigebigkeit Tibers – das christliche Sardes, das für seine Befreiung von heidnischer Verfolgung in den prachtvollen Tempeln der Jungfrau und des Apostels seine Danklieder darbrachte – Sardes, wieder unter das Joch eines falschen Glaubens gefallen, aber immer noch mächtig bevölkert, in dem besten Vertheidigungsstand vor fünfhundert Jahren – was ist Sardes jetzt? – Seine Grundfesten sind erschüttert, und seine Mauern niedergestürzt. – In Finsterniß sitzt sie und heißt nicht mehr die Herrin der Königreiche. Wie stehet so einsam die Stadt, die vordem so voll von Bewohnern war? Wenige Lehmhütten, von türkischen Hirten bewohnt, und ein paar Mühlen schließen das ganze Volk von Sardes in sich, und die einzigen Glieder der Kirche von Sardes sind zwei griechische Knechte im Dienst des türkischen Müllers!

Von dem Tempel der Cybele stehn bloß noch zwei Pfeiler; die Türken hatten vor Kurzem das Uebrige zerstört, um das Blei zu gewinnen, das die Steinblöcke zusammen hielt. Man kann diese prächtigen Säulen, von denen die Hauptsäule alle noch vorhandenen Stücke jonischer Bauart, die ich je gesehen, in der Vollendung der Anlage, und der Ausführung, übertrifft, nicht ohne Rührung betrachten. Obrist Leake glaubt, daß sich diese Ueberbleibsel aus den Zeiten vor der Einnahme der Stadt durch Cyrus herschreiben, und doch sind die Säulen noch so vollkommen erhalten, als ob sie erst gestern aufgerichtet worden wären! Der interessanteste Gegenstand für den christlichen Reisenden sind die Ruinen der zwei Kirchen: die eine hinter der Mühle soll die Kirche der Panagia, und eine zweite vor derselben die St. Johanneskirche gewesen seyn. Von der erstern sieht man noch beträchtliche Ueberreste, sie ist beinah ganz aus den prachtvollen Bruchstücken früherer Gebäude erbaut; und von ihr spricht, nach Allem zu schließen, Obrist Leake, wenn er bemerkt, daß sie die einzige der sieben Kirchen sey, von der sich noch sichtbare Ueberreste vorfinden; allein man findet auch noch, wie schon bemerkt worden ist, Ueberreste von der Kirche zu Pergamus. Bei der andern sieht man noch mehrere steinerne Pfeiler, worüber Bogen aus Backstein sich wölben.

Philadelphia.

Wir betraten die Stadt durch Oeffnungen in der alten Mauer; welche aber, aus kleinen Steinen gebaut, nicht viel älter oder kaum so alt schien, als die ersten Jahre der neuern Herrschaft. Die Straßen waren äußerst schmutzig; aus einiger Entfernung jedoch ist die Ansicht der Stadt höchst anziehend, und sie verdient wohl den Namen der schönen Stadt. Ich hatte von dem Oberzollaufseher Suleiman Aga in Smyrna einen Brief an den Moslem. Der Moslem sandte nicht nur auf der Stelle seinen Kassirer, um uns, so wir es bedürften, mit dem nöthigen Geld zu versehen, sondern ersuchte uns auch, nach dem Palast des griechischen Bischofs zu gehen, der den Befehl hatte, uns bei sich auf zu nehmen und aufs Beste zu bewirthen.

Wir gingen durch die Stadt auf den Berg, auf welchem früher die Akropolis stand. Die Häuser waren unansehnlich, und oben sahen wir Nichts als einige Mauern, sichtbar aus viel späterer Zeit, als der römischen. Auf einem andern Hügel in der Nähe, der von dem ersten durch einen tiefen Graben oder eine enge Schlucht getrennt war, fanden sich ähnliche Mauerstücke, so wie auch einige Fragmente von großen Quadersteinen, die zerstreut auf der Erde lagen. Von diesem erhabenen Punkte aus sieht man, so weit das Auge reicht, Nichts als wohlangebaute Gärten und Weinpflanzungen, die eine der weitesten und fruchtbarsten Ebenen Asiens bedecken. Der türkische Name Allah Scher, Stadt Gottes, erinnerte mich an die Worte des Psalmisten; schön liegst du, Berg Zion. Die gegenwärtige Lage dieser einst so hoch begünstigten Städte Gottes gleicht sich sehr; die Glorie des Tempels ist aus ihnen gewichen; und obgleich der Leuchter des Christs nie aus Philadelphia entfernt ward, verbreitet er doch nur ein kärgliches Licht; denn lange entbehrte er des reinen Oels aus dem Heiligthum. Wir kehrten durch einen andern Theil der Stadt zurück, und wurden, obgleich der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit, mit Artigkeit behandelt, und müssen gestehen, daß die Philadelphier ein höfliches Volk sind. Neu war uns der Anblick von Turteltauben auf den Dächern der Häuser; sie passen so gut zu dem Namen Philadelphia. Die Störche sind immer noch im Besitze der Stadtmauern, so wie vieler Dächer.

Ueber das Benehmen der Türken sowohl hier als auf unserer Reise überhaupt konnten wir uns nicht beklagen; in manchen Stücken fanden wir Gelegenheit unsere Begriffe über sie zu berichtigen.

In dem Dorfe Demisch, unfern Smyrna, kam ein [715] vornehm gekleideter Türke zu uns, dem die andern große Ehrfurcht bezeigten, so daß ich mir dachte, er sey der Aga des Orts, und wahrscheinlich war er es auch. Er bemerkte mir, daß er eine sehr alte Münze besitze. Es zeigte sich, daß es eine Münze von den sarazenischen Kaliphen war, die auf einer Seite eine kufische Inschrift hatte. Er bat mich um Auskunft über sie. Ich erwiederte ihm, daß die Münze von keinem Werthe sey, die Buchstaben seyen kufisch, eskiarabisch, ich könne sie nicht lesen und nur sehr Wenige können es, z. B. gewiß Niemand in Demisch. Der Türke entgegnete, ich will Ihnen zeigen, daß Sie sich hierin irren, und übergab sie sogleich einem graubärtigen Iman, sie zu lesen. Der alte Mann setzte seine Brille zurecht, kratzte den Schmutz mit dem Finger weg, und las nun zu allgemeiner Befriedigung Wort für Wort. Ich erinnere mich nur noch der Jahreszahl 1262 oder 1267 und des Wortes Melec.[2]


  1. Visit to the Seven Churches of Asia; with an Excursion into Pisidia; By the Rev. F. V. I. Arundell, British Chaplain at Smyrna. 8vo pp. 339. London 1828. I. Bodwell. Leake’s Reisen in Kleinasien scheinen die Arundell’s veranlaßt zu haben; jener hat durch Erläuterung .. den Werth des arundellischen Werkes bedeutend erhöht.
  2. Für die Freunde der asiatischen Antiquitäten dürfte die Erscheinung der Sammlung des Herzogs von Blacas interessant seyn; Description des monumens Muselmans du Cabinet de M. le Duc de Blacas, ou recueil de pierres gravé esarabes, persannes et turques, de medailles, vases, coupes, miroirs, par M. Reinaud, T. I–II avec dix planches, Paris 1828.