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Die unbarmherzige Schwester (Erk, Variante 1)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Titel: Die unbarmherzige Schwester
Untertitel:
aus: Deutscher Liederhort,
S. 77–78
Herausgeber: Ludwig Erk
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Th. Chr. Fr. Enslin
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Erscheinungsort: Berlin
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Quelle: Google und Wikimedia Commons
Kurzbeschreibung:
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25. Die unbarmherzige Schwester.


Sehr mäßig. Mündlich, aus Schlesien. (Liegnitz, Hainau etc.)
Noten
Noten


1.
Es warn einmal zwei Schwestern,

ja Schwestern
zu Hirschberg in der Stadt, :|:
die eine gieng rum betteln, :|:
die andre war so reich. :|:

2.
Die Leut die thäten sprechen,

ja sprechen:
Du darfst nicht betteln gehn;
du hast ein reiche Schwester,
die kann dir wohl beistehn.

3.
Die arme Schwestr die wandt sich um,

ja wandt sich um
und gieng wol ihren Gang
zu ihrer reichen Schwester,
die sie in Freuden fand.

4.
„Ach Schwester, liebste Schwester,

ja Schwester,
ich bitt dich um ein Brot
für meine sechs kleinen Kinder,
die leiden Hungersnoth!“

5.
‚‚‚Ach nein, mein liebe Schwester,

ja Schwester,
ach nein, das thu ich nicht;
ein Brot soll ich anschneiden,
sechs Stücklein davon schneiden:
ach nein, das thu ich nicht!‘‘‘ –

6.
Die arme Schwestr die wandt sich um,

ja wandt sich um
und gieng wol ihren Gang
zu ihrn sechs kleinen Kindern,
die sie im Schlafe fand.

7.
Und als der Herr aus der Kirche kam,

ja Kirche kam,
wollt er aufschneidn das Brot:
das Brot war wie die Steine,
das Messer von Blute so roth.

8.
„„Ach Frau, ach liebste Fraue,

ja Fraue,
wem hast das Brot versagt?““ –
‚‚‚Ach, meiner armen Schwester,
die mich so kläglich bat!‘‘‘ –

9.
Die reiche Schwestr die wandt sich um,

ja wandt sich um
und gieng wol ihren Gang
zu ihrer armen Schwester,
die sie in Trauern fand.

10.
‚‚‚Gott grüß dich, liebe Schwester,

ja Schwester,
hier bring ich dir ein Brot
für deine sechs kleinen Kinder,
daß sie nicht leiden Noth.‘‘‘

[78]
11.
„Ach nein, mein liebe Schwester,

ja Schwester,
ach nein, das nehm ich nicht:
Gott hat uns heut gespeiset,
er speist uns morgen auch.“

1, 4. Ein reich und eine arme, die arm mußt betteln gehn. – 2. Warum gehst du denn betteln? du hast es ja nicht noth: du hast ein reiche Schwester, die wird dir leihn ein Brot. – 3. Die arme Schwester nur sich wandt, sie gieng wol etc. – 4. Gott grüß dich, liebe Schwester, verleih mir doch ein Brot für meine sechs kleinen Kinder, die leiden große Noth (sie sterben von Hungersnoth – die sterben Hungertod). – 4a. (Ach Schwester, liebste Schwester, ich hab für sie kein Brot;) du sollst ja nehmn ein Messer und sollst sie stechen todt! – 6, 5. Die sie im Elend fand. – 6a. Ach Mutter, herzliebste Mutter, gieb uns ein Stücklein Brot! – „Ich soll ja nehmn ein Messer und soll euch stechen todt.“ – 6b. Ach Mutter, herzliebste Mutter, ach nein, das thue nicht! Wir wollen jetzund schlafen, bis uns Gott wecket auf. – 7. Der reiche Mann (der Mann [Herr] wol) aus der Kirche kam und wollt aufschneiden das Brot: das Brot war hart wie Steine, das Messer von Blut so roth. - 8. Ach Frau, herzliebste Fraue (ach mein herzliebste Fraue), wem hast dus Brot versagt? – „Ach Gott, meiner armen Schwester, die mich so flehentlich (herzlich) bat!“ – 9, 5. die sie im Elend fand. – 10. Ach Schwester, liebste Schwester, verzeih mir einmal dies! Ein Brot will ich dir geben, (Alles Geld will ich dir geben,) die Kinder zu ernähren: verzeih mir einmal dies! – 11, 5. und morgen auch er speist. – 12. Ihr Reichen, thut bedenken, und thut den Armen Guts, auf daß Niemand darf sterben von großer Hungersnoth. (Aus Hainau.) – 12. (Im Münsterschen:) Die Schwester die wandt sich umme und gieng ihrn traurigen Gang; der Teufel der kam gegangen und faßt sie bei der Hand.