Die verbesserte Thierwelt

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Textdaten
Autor: Franz Bonn
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Titel: Die verbesserte Thierwelt
Untertitel: Eine zoologische Studie von Dr. Sulphurius
aus: Fliegende Blätter, Band 78, Nr. 1966–1967
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: UB Heidelberg, Commons
Kurzbeschreibung:
Illustrationen von Lothar Meggendorfer
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Die verbesserte Thierwelt.
Eine zoologische Studie von Dr. Sulphurius.

Während auf allen Gebieten des menschlichen Wissens und in allen technischen Fragen der unermüdliche Fortschritt unserer Zeit immer neue Entdeckungen und Verbesserungen hervorbringt, steht die Thierwelt noch immer auf dem Standpunkte, den sie vor Jahrhunderten eingenommen hat. Wenn auch da und dort durch Kreuzung der Raçen einzelne Thiere sich veredelt haben mögen, so ist der Ochse des neunzehnten Jahrhunderts doch im Großen und Ganzen genau derselbe Ochse und eben so dumm, wie der des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts. Es dürfte deshalb wohl an der Zeit sein, daß sich die Wissenschaft mit einer Verbesserung der Thierwelt ernstlich beschäftigt. Die besondere Hinneigung zum Thiere, welche sich allenthalben kundgibt, die große Vorliebe, mit der insbesondere moderne Pädagogen unsere Jugend mit zoologischen Kenntnissen überfüttern, der Umstand, daß jede Stadt, welche auf den Rang einer Großstadt Anspruch machen will, ihren zoologischen Garten oder wenigstens ein Aquarium besitzt, lassen es dringend geboten erscheinen, daß in dieser Richtung etwas geschehe. Welchen Reiz wird es für die Besucher solcher Institute bieten, wenn nicht immer dieselben Bären, Löwen, Tiger und Elephanten ausgestellt sind, sondern wenn einmal ganz neue, oder doch wesentlich verbesserte Thiere zur Ausstellung gelangen werden! Auch der Nutzen der Thiere ist zweifellos durch Verbesserung der Thierwelt einer unendlichen Steigerung fähig, und wie vorteilhaft wäre es für den Buchhandel, wenn durch eine Umgestaltung der Thierwelt alle bisherigen Werke über Zoologie unbrauchbar würden und durch neue ersetzt werden müßten!

Der Gedanke einer verbesserten Schöpfung liegt überhaupt nahe, und es handelt sich nur, denselben auf wissenschaftlichem Wege darzustellen und so zu gestalten, daß er sofort praktisch zu werden vermag. Wir glauben deshalb, den Dank nicht nur aller Menagerie-, Aquarien- und zoologischen Garten-Besitzer, sondern auch der Gelehrtenwelt und der ganzen Menschheit zu verdienen, wenn wir es versuchen, einige Winke zur Verbesserung der Thierwelt zu geben, und hoffen durch die beigegebenen Illustrationen der Ueberzeugung Bahn zu brechen, daß eine Veränderung der Thiere, wie wir sie anstreben, auch den ästhetischen Anforderungen der Jetztzeit weit mehr entsprechen würde, als der bisherige Zustand.

Beginnen wir mit einem Schweinehund.

Der Schweinehund und das Hundeschwein“ – wie gefällig treten uns die beiden Thiere in dieser so einfachen Verbesserung entgegen. Das Hundeschwein würde selbstverständlich mit dem Kopfe des Hundes auch dessen Intellekt erlangen. Es würde sofort jede Dressur annehmen und zimmerrein werden. [107] Dadurch würde es die Gunst des Menschen in noch höherem Maße als bisher erringen, während andererseits der Schweinehund immerhin ein treuer und lieber Begleiter des Menschengeschlechts bleiben könnte. Der Schweinehund hätte vielmehr vor dem bisherigen Hunde den Vorzug, daß er seine Wachsamkeit nicht durch das oft lästige Bellen, sondern durch ein gedämpftes Grunzen an den Tag legen könnte. Der Schweinehund würde gewiß auch mit dem zierlichen Ringelschwänzchen des Schweines zu wedeln verstehen – Hunde-Naturen wedeln ja immer – während dem Hundeschwein durch die Umgestaltung des Schweifes Gelegenheit gegeben wäre, Freud und Leid zum klarsten Ausdrucke zu bringen.

In ganz ähnlicher Weise ließen sich zwei weitere Hausthiere wesentlich verbessern; wir meinen die Katze und die Ziege.

Wenn auch die „Ziegenkatze“ natürlich statt „Miau“ – „Mek-mek“ schreien müßte, und einigermaßen durch den Hörnerschmuck an Behendigkeit und Schmiegsamkeit verlieren könnte, so bliebe sie doch nach wie vor sicher der Liebling der alten Jungfern, und wer weiß, ob nicht das Märchen von der Falschheit derselben nach und nach verstummen würde. Wie vortheilhaft dagegen wäre es erst eine „Katzenziege“ im Stalle zu haben. Stallmäuse wären fortan eine Unmöglichkeit und die Katzenziege böte den weiteren Vortheil, daß sie beim Melken nicht mit den Hörnern stoßen könnte, wie dies bei der unverbesserten Ziege zuweilen der Fall ist.

Wie vorteilhaft wäre es, wenn die Kraft und Behendigkeit des Pferdes mit der Schlauheit des Fuchses vereint wäre! Das „Fuchsenpferd“ würde diesen Vortheil bieten. Sein Unterhalt käme wesentlich billiger, als der des bisherigen Pferdes, denn es würde weder Heu noch Haber fressen; Hühner und Enten wären dagegen aus dem Stalle zu entfernen. Auch für die Reitkunst würde sich das Fuchsenpferd mehr empfehlen, es könnte keinem Reiter mehr einfallen, sich an der Mähne des Pferdes festzuhalten, wie das schlechte Reiter zuweilen thun sollen. Freilich bei Pferderennen wäre es gegenüber dem gewöhnlichen Pferde bezüglich der Kopflänge etwas im Nachtheil, aber es würde dies durch die größere Schnelligkeit gewiß aufgewogen werden. Von unschätzbarem Gewinne für die Jagd wäre dagegen der „Pferdefuchs.“ Dieser wäre natürlich das gutmüthigste Thier von der Welt und könnte weder den Hasen noch den Rehen Schaden thun. Auch wäre er, weil er weniger schlau, viel leichter zu erlegen, während Ruthe und Pelz ebenso schön und brauchbar blieben, wie bisher.

In gleicher Art nützlich für die Jagd wäre der „Rhinoceros-Hirsch.“ Wie leicht wäre demselben nachzujagen, und wenn auch die Dicke seiner Haut eine stärkere Ladung erfordern sollte, welch eine Menge Hirschunschlitt wäre von einem solchen Thiere zu gewinnen. Man kann sicher behaupten, daß seine Geweihe an Stärke wesentlich zunehmen und das Fünfzig- und Hundert-Ender nicht selten wären, da das Rhinoceros sehr alt wird. Ebenso wäre das „Nashornreh“ gewiß leichter zu erlegen, da es wegen der enormen Schwere des Kopfes nicht leicht der Kugel des Jägers entrinnen könnte, so daß in Folge dessen auch Sonntagsjäger es treffen könnten, dann mehr Rehfleisch auf den Markt kommen und der „Rehschlegel in der Rahmsauçe“ billiger werden müßte – ein Vortheil, der auch Nichtjägern in die Augen springen dürfte.

Man vergegenwärtige sich die sozialen Folgen einer Abnahme der Lebensmittelpreise, wie sie das „Fischhuhn“, der „Entenfisch“ und die „Fischente“ herbeiführen würden.

Das „Fischhuhn“ (oder richtiger der „Huhnfisch“) kann auf dem Lande, wie im Wasser leben. Es legt Millionen Eier und läßt sie von der Sonne ausbrüten. Ebenso zahllose Eier legen die Fischente und der Entenfisch. Nun rechne man alle diese unzählbaren Eier zusammen, man erwäge ferner, daß der Entenfisch und die Fischente keine Gräten haben, und man wird sich der Ueberzeugung nicht verschließen können, daß der Nutzen dieser auf so einfache und naheliegende Weise verbesserten Thiere ein ganz unberechenbarer wäre.

[114] Aber nicht nur der Nutzen, welcher durch eine andere Verbindung von schon vorhandenen nutzbringenden Thiereigenschaften sich ergibt, muß hervorgehoben werden, es könnte eine Verbesserung der Thierwelt auch dadurch große Vortheile gewähren, daß Gegensätze verbunden und dadurch großartige Wirkungen erzielt würden.

Wir nehmen den Tiger und das Schaf – die Extreme der Sanftmuth und der blutdürstigsten Wildheit. Man verbinde sie und es werden Thierracen entstehen, welche uns überraschen müssen.

Das „Tiger-Schaf“ ist trotz seines gefährlichen Aussehens ein ganz harmloses Thier, denn der Blutdurst des Tigers sitzt nicht in dessen Kopf, sondern in dessen Magen, und wenn auch Kopf und Gebiß stark genug wären, Schaden zu thun, so fehlt doch dem Schaf die Kraft und Gewandtheit des Körpers, so daß von einer wirklichen Gefährlichkeit nicht die Rede sein kann.

Der „Schaf-Tiger“ dagegen hätte zwar Blutdurst und Kraft, Gewandtheit und Stärke genug, um insbesondere unter gewöhnlichen Schafherden großen Schaden anzurichten, aber er wäre entschieden zu dumm dazu. Es wäre somit durch die vorgeschlagene Verbesserung ein sehr gefährliches Raubthier gänzlich aus der Welt geschafft und doch bliebe uns die Schafwolle ebenso wie das kostbare Tigerfell ganz unverändert erhalten.

Auf dem gleichen Principe beruht die Verbesserung, welche die Verbindung des Bären mit dem Ochsen und der Kuh nach sich ziehen müßte. Die „Bären-Kuh“ müßte entschieden kräftigere Milch geben, könnte auch nicht, wie die bisherige Kuh, durch Stoßen mit den Hörnern gefährlich werden, und würde, statt zu brüllen, einfach brummen, während der „Ochsen-Bär“ weit mehr Kraft entwickeln könnte, als der gewöhnliche Ochs, und zu landwirthschaftlichen Dienstleistungen daher weit verwendbarer wäre. Der Einwand, daß der „Ochsen-Bär“ wegen seiner Dummheit als Tanzbär nicht mehr gebraucht werden könnte, ist jedenfalls, abgesehen von der Frage seiner Richtigkeit, ohne erhebliche Bedeutung.

Mit der Vertauschung und Verbindung einzelner Theile zweier verschiedener Thiergattungen wäre indessen nicht in allen Fällen ein wesentlicher Fortschritt erzielt, wie dieses klar zu Tage tritt, wenn wir uns z. B. den Esel und das Kameel in folgender Veränderung vorstellen.

Es zeigt sich hier auf den ersten Blick, daß Eines so dumm bleibt wie das Andere, und daß auch eine Steigerung der Leistungsfähigkeit nicht zu erzielen wäre.

Es führt uns dieß von selbst zu einem weiteren Gesichtspunkte. Bei der Verbesserung der Thierwelt können nämlich nicht immer und ausschließend Nützlichkeitsgründe bestimmend wirken, es sind auch Verbesserungen denkbar, welche hauptsächlich auf ästhetischen Motiven beruhen.

Hieher gehören: der „Perl-Schwan“, diese kostbare Zierde herrschaftlicher Teiche, das „Schwan-Perlhuhn“, die „Raben-Taube“, nebenbei sehr vortheilhaft zur Mäusevertilgung, und der „Tauben-Rabe“ – Thiere, welche das Auge fast so angenehm überraschen wie der „Affenelephant“ welche als das intelligenteste Thier, sehr leicht gezähmt werden kann, und der [115]Elephanten-Affe“, das niedlichste und hübscheste Thierchen der ganzen Schöpfung, unschätzbar wegen seiner Gelehrigkeit und äußerst kostbar wegen seiner Zähne. Bezüglich der Letzteren müßte man nur besonders Obacht geben, weil der Affe im zweiten Jahre die ersten Zähne zu verlieren pflegt.

Es ist nicht unsere Absicht, alle möglichen Verbesserungen der Thierwelt hier zur Darstellung zu bringen. Wir stehen ja, wie überall im Leben, zu vielen Möglichkeiten gegenüber. Unser Zweck ist nur, den Gedanken anzuregen und die Frage in Fluß zu bringen. – Aber noch eine Art der Verbesserung der Thierwelt sei zum Schlusse vorgeführt. Diese hat zugleich den Vortheil, daß die Zahl der so verbesserten Thiere vermindert wird und daher die neuen Gattungen leichter dem Gedächtnisse der Jugend sich einprägen, weil diese nur mehr halb so viele Thier-Namen sich merken müßte. Wir meinen die Verbindung je zweier verschiedener Thiergattungen zu einer'.

Hieher wäre zu zählen:

Die „Gems-Giraffe“, ein reizendes Thier, das viel weiter springen könnte, als die bisherige Gemse und dessen Erlegung, wegen des größeren Körperumfanges, leichter und lohnender sein würde, schon mit Rücksicht auf das kostbare Fell. Es wird dabei jeder Sachverständige zugeben müssen, daß die Giraffe mit ihrem überlangen Halse in der Naturgeschichte füglich entbehrt werden kann. Mußten doch wegen dieser ihrer abnormen Größe die Menagerien höher gebaut werden, als dieß sonst nöthig gewesen wäre. Da diese Raumersparniß auch finanziell von Bedeutung ist, so wird unser Vorschlag sich allgemeiner Zustimmung erfreuen.

Welch’ königlich gewaltiges Thier und doch ungefährlich wäre ferner der „Schlangen-Löwe“, und wie einfach und naheliegend ist die vorgeschlagene Verbesserung. Der Löwe bleibt wie er ist – nur sein Schweif würde sich in eine Klapperschlange zu verwandeln haben. Es ließe sich kaum ein majestätischerer Anblick denken. Löwe und Klapperschlange wären miteinander in beständigem Kampfe und beide deßhalb für Dritte ungefährlich. Dieses sich selbst stets in den Haaren liegende Thier könnte, als passendes Bild für ehelichen Unfrieden, von Dichtern und Rednern verwendet werden.

Noch ein Beispiel. Das muntere Eichhörnchen klettert auf Bäume und nährt sich von Nüssen, die Nachteule ist ein Raubvogel, der nur Nachts sieht und unter Tags schläft. Man vereine beide Gattungen und mache ein „Eulen-Kätzchen“ oder „Eulen-Hörnchen“ daraus, und man wird zugeben müssen, daß dieses Thier weit natürlicher aussieht, als jedes der beiden bisherigen Thiere für sich, sowie daß das „Eulen-Kätzchen“, da es auch den Tag zur Vertilgung der Mäuse verwenden kann, doppelt so viel Exemplare dieser so gefährlichen Feinde der Landwirthschaft zu verzehren im Stande sein wird. –

Wir glauben, klar gezeigt zu haben, in welcher Weise wir uns die Verbesserung der Thierwelt denken und schließen mit dem Wunsche, daß unsere Vorschläge recht bald ihre praktische Verwerthung finden mögen.

v. Miris.