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Don Pasquale (Illustrirte Zeitung)

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Textdaten
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Titel: Don Pasquale
Untertitel:
aus: Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843, S. 43–45
Herausgeber: Johann Jacob Weber
Auflage:
Entstehungsdatum: 1843
Erscheinungsdatum: 1843
Verlag: J. J. Weber
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: MDZ München, Commons
Kurzbeschreibung: Oper von Gaetano Donizetti
Eintrag in der GND: [1]
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Don Pasquale.

Während des letzten Winterhalbjahres ist das Repertoire der Pariser italienischen Oper nur um zwei Novitäten reicher geworden. Beide sind von Donizetti, dem unermüdlichen Hauptopernlieferanten für die italienische Oper aller Länder des civilisirten und noch zu civilisirenden Europa’s. Linda di Chamouni ist von ihrem jüngeren Bruder, dem sehr ehrenwerthen Herrn Pasquale, complet aus dem Felde geschlagen worden, und wir halten es demnach für nothwendig, dieses verhätschelte Schooßkind der Pariser Dilettanti etwas genauer ins Auge zu fassen.

Don Pasquale trägt eine blonde Perrücke, einen kastanienbraunen Frack mit breiten Schößen, Pantalons mit Fußstrippen, lackirte Stiefelchen – kurz die neueste Mode von 1842, dem Jahre seiner künstlerischen Geburt; allein trotz dieser fashionablen Toilette, trotz seiner modernen Haltung erkennen wir in dem Schalk doch den Schatten eines längst Abgestorbenen, den man vergessen hat zu beerdigen, und der nach einem halben Jahrhundert wie ein verdammter Geist über alle Theater Italiens einherwandelt. Ehemals nannte er sich Ser Marc Antonio, und hatte sich unter diesem Namen aller Orten viele Gönner erworben. Seine Lebensgeschichte ist kurz und erbaulich, und nichts weniger als originell. – Er ist unmenschlich reich; aber drei furchtbare, unerbittliche Feinde sitzen ihm

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Theater Ventadour in Paris. – Eine Scene aus dem 2. Acte des Don Pasquale.

auf dem Halse: das Zipperlein, ein Neffe und ein Arzt. Letzterer macht sich über ihn lustig, und das ist in der Ordnung. Der Neffe ist verliebt, und das ist abermals in der Ordnung. Zu was ist man denn ein Neffe, wenn nicht um in ein junges, hübsches, aber armes Mädchen verliebt zu sein, und den alten gichtbrüchigen Onkel mit dieser Liebschaft fuchswild zu machen, der nun seinem Neffen durchaus eine reiche, aber häßliche Frau auf den Hals hängen will. Aber Don Pasquale ist auch ein Onkel – wie sehr viele andere Onkels: als sein Neffe ihm rund heraus

Madame Grisi.
Erste Sängerin der italienischen Oper in Paris.

Lablache.
Erster Bassist der italienischen Oper in Paris.

erklärt, daß er nicht die mindeste Lust verspüre, nach des Herrn Onkels Pfeife zu tanzen, geräth er dermaßen in Harnisch, daß er selbst, Don Pasquale, zur Strafe für den rebellischen, widerspänstigen Neffen, zu heirathen beschließt – trotz seiner Perrücke, seines Zipperleins und seiner siebenzig Jahre. Aber Don Pasquale fällt nun aus der Scylla in die Charybdis; das heißt: er vertauscht den Neffen gegen den Doctor.

„Schaffen Sie mir eine Frau; und zwar gleich auf der Stelle! sagt er zum Doctor.“

„Mit Vergnügen!“ erwiedert der Doctor.

Und der Doctor bringt ihm stracks die begehrte Frau, und – was für eine! Sie ist zwar jung und hübsch, aber einfach, höchst einfach, ja sogar höchst einfältig. Sie trägt einen schwarzen Schleier und das beliebte Uniformskleid einer armen Kostgängerin, und entfaltet nun alle die liebenswürdigen Albernheiten, die gewöhnlich in diesem Kleidchen stecken; sie schlägt die Augen nieder, sie trippelt höchst ehrbar und zimperlich einher, ihre Reden, oder vielmehr die Textworte ihres Gesanges, denn wir befinden uns ja in der Oper, lauten entsetzlich dumm. Sie hat einen unüberwindlichen Abscheu vor Bällen, Schauspielen, Lustbarkeiten aller Art, aber vorzüglich vor dem Männergeschlechte, und wiederum vorzüglich vor dem jungen Männergeschlechte, oder den jungen schlechten Männern, was so ziemlich auf eines hinausläuft. Welcher siebenzigjährige Podagrist vermöchte einer so fein und appetitlich zubereiteten Lockspeise zu widerstehen?

„Vortrefflich!“ ruft der entzückte Pasquale; „das ist, was wir brauchen!“

Und, bardautz! wird der Ehecontract unterzeichnet, und Pasquale ist auf dem Gipfel des Glücks. Aber, wer hätte es wohl geahnet? flugs nach Unterzeichnung des Contracts läßt die schöne Norina ihre Maske fallen. Gang, Haltung, Sprache, Alles wird anders an ihr. Die schlanke Taille entpuppt sich, das Köpfchen richtet sich stolz auf, das Auge schießt Blitze, ihre Rede wird kurz und befehlend. Sie sagt, oder singt vielmehr: ich will! und, sonderbar, was sie will, ist jedesmal das Gegentheil von dem, was der alte Herr Gemahl will.

Ein glänzendes, höchst modernes Ameublement wird angeschafft, Lakaien, Diener, Jäger, Köche in Dienst genommen – – – Haben wir den verehrten Lesern nicht schon ein Wörtchen zugeflüstert, daß Don Pasquale unmenschlich reich sei? Ei ja wohl. Nun so werden die verehrten Leser auch wohl schon eine leise Ahnung haben, daß Don Pasquale unmenschlich geizig ist, denn das sind ja unerläßliche Eigenschaften aller derartigen Comödien-Onkels, warum nicht auch eines neuen alten Opern-Onkels? – Nun gut: so wird man sich auch Pasquale’s Schrecken vorstellen [45] können, als Modehändlerinnen, Putzmacherinnen, Nähterinnen sein Haus füllen; eine von der lieben Gattin neugekaufte wundervolle Equipage von neugekauften wundervollen Pferden ins Hausthor gefahren wird – was jedoch unterhalb des Podiums geschieht, weshalb wir auch nichts davon zu sehen bekommen, sondern nur Don Pasquale’s lieblich melodiöse Desperation darob vernehmen – – Ach! und was ist das Alles gegen das, was noch nachkommt? Sobald sich ein junges capriciöses Weibchen ihren alten Herrn Gemahl zum Opfer erkoren hat, und einmal im Zuge ist, ihn zur Verzweiflung zu bringen, was für herrliche Mittelchen stehen ihr da nicht zu Gebote! Kurz und gut: der alte gute Onkel ist überglücklich, als er im dritten Acte erfährt, daß seine Heirath nicht mehr und nicht weniger als eine gewöhnliche Comödienheirath war, und daß es ihm unbenommen bleibt, die junge Scheingemahlin dem ungerathenen Neffen auf den Hals zu laden, was er denn auch zur allseitigen Zufriedenheit der Mitspielenden wie der Zuhörer eiligst und schleunigst ins Werk richtet – – Aber halt! noch ist die Geschichte nicht zu Ende; noch darf die Gardine nicht fallen: erst trippelt Norinchen ganz graziös an die Lampen vor, und flötet dem entzückten Publicum die große, erhabene Moral zu:

„Daß alte Leute nicht mehr heirathen sollten!“

Welch eine Ueberraschung! Wer hätte das erwartet? –

Und die Musik erst! Ach – Donizetti’s himmlische Musik erst! Sie ist noch viel neuer, wunderbarer, als das Libretto; denn sie ist nicht, wie dieses, das Gespenst eines vor langen Jahren Entschlafenen – nein! sie ist Fleisch und Bein wirklich und leibhaftig noch herumwandelnder, athmender, singender Personen, als da sind: Lukretia Borgia, Lucia di Lamermoor, die Tochter des Regiments, Linda di Chamouni u.s.w. – u.s.w. – Vielleicht sprechen wir nächste Saison mehr darüber; vielleicht auch nicht. Wer kann das wissen? – –
F. H.