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Donnerbart und Tamarinde, zwei bemerkenswerte Pflanzen

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: W. Bekal
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Titel: Donnerbart und Tamarinde, zwei bemerkenswerte Pflanzen
Untertitel:
aus: Deutscher Hausschatz, Illustrierte Familienzeitschrift, 37. Jahrgang Oktober 1910 – Oktober 1911, Seite 1031
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Erscheinungsdatum: 1911
Verlag: Friedrich Pustet
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Erscheinungsort: Regensburg, Rom, New York, Cincinnati
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Quelle: Commons
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Donnerbart und Tamarinde, zwei bemerkenswerte Pflanzen.
Von W. Bekal.

Der Donnerbart,[ws 1], jenes üppig wuchernde Kraut mit dickfleischigen, länglich eiförmigen, in eine Stachelspitze endigenden Blättern und rosenroten Blüten hat einst in Süd- und Mitteldeutschland eine eigenartige, bedeutsame Rolle gespielt. Karl der Große entdeckte es zuerst bei seinen Zügen nach Italien auf den Strohdächern in den Alpentälern. Da es ihm unbekannt war, fragte er die Gebirgsbewohner nach seiner Bedeutung. Die Älpler nannten es Jupiterkraut und behaupteten, es schütze vor Feuer- und Blitzgefahr. Der aufgeklärte Kaiser wollte von solchem Aberglauben nichts wissen, ließ aber die Sache näher untersuchen und fand so heraus, daß auch in dieser abergläubischen Vorstellung ein Körnchen Wahrheit ruhte. Denn das grüne Kräutlein, welches die Neigung hatte, auf den Dächern große, stets feuchte Polster zu bilden, beseitigte den größten Teil der Feuergefährlichkeit der Strohdächer dadurch, daß es jeden glimmenden Funken in seinen saftreichen Blättern erstickte. Nach dieser Feststellung erließ Karl der Große eine Verordnung, in der sämtlichen Besitzern von mit Stroh eingedeckten Häusern unter Androhung einer hohen Geldstrafe für den Fall der Nichtausführung anbefohlen wurde, den Donnerbart, wie das Kraut von der Behörde getauft war, auf den Dächern anzupflanzen. Mit dem Samen der nun plötzlich so vielbegehrten Pflanze trieb der Staat selbst einen schwunghaften Handel. Es konnte nicht ausbleiben, daß dem „Donnerbart“ nach diesem kaiserlichen Erlaß bald auch in Deutschland von dem unwissenden Volke alle möglichen übernatürlichen Eigenschaften angedichtet wurden. So sollten Tiere unter einem mit Donnerbart überzogenen Dache gegen jede Krankheit, besonders aber gegen den bösen Blick gefeit sein, während die zerquetschten Blätter Brandwunden heilen und Warzen vertreiben sollten. Ein Aufguß von den getrockneten Blüten galt als Mittel gegen die Auszehrung, wurde auch in Pestzeiten von Wunderdoktoren vielfach verordnet. – Auch aus späteren Jahrhunderten finden sich viele Erlasse von Fürsten und Städten, die die Anpflanzung des Donnerbarts zur Pflicht machen. Unter diesen alten Urkunden zeichnet sich eine durch ihre ausführliche Begründung der Absichten dieser Verordnung vorteilhaft aus. Sie wurde unter dem Grafen Eberhard V. von Württemberg am 14. Dezember 1482 bekanntgegeben, an jenem für die Geschichte Württembergs insofern äußerst wichtigen Tage, weil an ihm durch den Munsinger Vertrag die Unteilbarkeit des württembergischen Landes und die Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt festgesetzt wurde. Aus demselben Jahre stammt eine ähnliche Verordnung für die Mark Brandenburg, die jedoch weniger streng wie in Süddeutschland durchgeführt zu sein scheint. Denn während man dem Donnerbart im Süden und Westen Deutschlands noch häufig begegnet, findet man es in Mitteldeutschland nur sehr vereinzelt. Und die Zeit ist nicht fern wo es seine feuerlöschende Kraft überhaupt nicht mehr wird beweisen können. Denn die moderne Zeit hat wie mit so vielem auch mit den behaglichen Strohdächern aufgeräumt. Unsere Enkel dürften jedenfalls kaum noch Gelegenheit haben, den grünen Dachteppich des Donnerbartkrautes irgendwo bewundern zu können.

Die zur Gattung der Leguminosen gehörige wilde Tamarinde[ws 2], eine strauchähnliche, besonders in Südamerika und auf den westindischen Inseln vorkommende Pflanze, übt auf Menschen und Tiere bei längerem Genuß eine seltsame Wirkung aus. Die Jambai, wie man den weißblühenden, blätterreichen Strauch mit ihrem heimatlichen Namen nennt, wird von dem Vieh sehr gern gefressen und bildet in vielen Gegenden Südamerikas, so hauptsächlich in Paraguay ein beliebtes, billiges Futtermittel. Doch die Fütterung mit Tamarinde hat leider, wenn sie zu lange ohne Wechsel in der Kost andauert, ihre großen Unannehmlichkeiten zur Folge. Pferde verlieren ihren Haarschmuck vollständig und werden kahl bis zur Schwanzspitze. Daß sie dann geradezu abschreckend häßlich wirken und an Wert bedeutend verlieren, ist erklärlich. Lange Zeit haben die Viehzüchter der dortigen Gegend vergebens nach der Ursache dieser krankhaften Erscheinung gesucht. Und erst in letzter Zeit ist es gelungen, die merkwürdigen Wirkungen des Jambaigenusses festzustellen. Auf die dem Pferde verwandten Arten der Esel und Maultiere äußert sich eine längere Fütterung mit Tamarinde in derselben Weise. Auch sie werden kahl oder aber ihr Fell bekommt große, völlig haarlose Stellen. Ein Mittel, die Folgen des Jambai-Futters wieder zu beseitigen, gibt es für die Einhufer nicht. Sie bleiben nackt, auch wenn mit der Ernährung gewechselt wird. Auf den Bahamainseln, wo derartige haarlose Pferde und Esel sehr häufig sind, nennt man diese armen, unschönen Tiere auffallenderweise „Nassauer“. Warum, ist nicht zu ergründen. – Schweine, von denen die Jambai gleichfalls mit Gier vertilgt wird, verlieren ebenso ihre Borsten und feinen Härchen. Wenn sie aufhören, Tamarindenlaub zu fressen, wachsen ihnen - insofern ergeht’s ihnen besser als den Einhufern – gelblichweiße Haare nach, die jedoch zur Verschönerung der Tiere keineswegs beitragen. Solche gelbe Schweine heißen in Südamerika allgemein „Mestizen“ nach der ebenfalls gelblichen Hautfarbe dieser Mischlinge. Von Rindern, Schafen und Ziegen wird die Jambai ohne Nachteile genossen. Desgleichen übt sie auf das Allgemeinbefinden der Tiere keine nachteiligen Wirkungen aus und verändert auch nicht das Aussehen und den Geschmack des Fleisches.

Daß die Jambai auch auf den Menschen als Enthaarungsmittel wirkt, ist erst im letzten Jahre bekannt geworden. In den größtenteils noch völlig unerforschten und undurchdringlichen Urwäldern Südamerikas hausen verschiedene Indianerstämme, deren Angehörige nicht den geringsten Haarwuchs aufzuweisen haben. Ihre Schädel ähneln polierten braunen Kugeln, und selbst die Weiber haben auch nicht ein einziges Haar auf dem Kopf. Schon Alexander von Humbold erwähnt diese kahlen Indios als eine besondere Merkwürdigkeit, und neuere Forscher sprechen von ihnen als einer völlig degenerierten Rasse, die infolge von andauernden, verborgenen Krankheiten den Haarwuchs verloren hat. Daß dem nicht so ist, ist nunmehr aufgeklärt worden. Jene Indianerstämme genießen nämlich den Samen der Tamarinden in gemahlenem Zustande und mit Wasser vermengt als ständige Zukost zu ihren sonstigen Speisen. Wir haben es also bei den kahlen Indios lediglich mit derselben rätselhaften Wirkung der Jambai zu tun. Über die chemische Beschaffenheit des Stoffes, der ein derart nachhaltiges Enthaarungsmittel bildet, ist noch nichts Näheres bekannt.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der erste Abschnitt entsprichte dem Artikel Der Donnerbart von Walther Kabel. Dieser erschien 1912 in der Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens.
  2. Die letzten Abschnitte entsprechen dem Artikel Eine Pflanze als Enthaarungsmittel von Walther Kabel. Dieser erschien 1912 in der Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens.