Ecce homo (Gemälde der Dresdener Gallerie)
Franzesco Vecellio erreichte zwar bei weitem nicht die Höhe des wundervollen Genies seines Bruders Tizian, muß jedoch als ein sehr hervorragender Künstler bezeichnet werden. Seine ersten Arbeiten schon verriethen eine so ungemeine Befähigung, daß Tizian selbst volle Ursache zu der Eifersucht hatte, welche längere Zeit die Brüder von einander trennte. Franzesco machte diesen Zwistigkeiten dadurch ein plötzliches Ende, daß er Pinsel und Palette zur Seite legte, und als Soldat ins Feld zog. Nach erfolgtem Frieden nahm er seine Studien wieder auf, und seine Gemälde zeigen eine große Kraft der Zeichnung, vollkommen treffenden Ausdruck und originelle Erfindung. Sein Colorit dagegen steht weit unter demjenigen Tizian’s oder da Pordenone’s. Verdrießlich hierüber und erkennend, daß es ihm nicht möglich sein werde, das Versäumte nachzuholen, gab er das Malen auf und legte sich auf die Handelschaft, indeß er nur noch gelegentlich für seine Bekannten zeichnete. Er starb früher, als Tizian. Sein Christus und Pilatus zeigt das Resolute im Entwurf und in der Zeichnung, das dem Meister eigen war, und die Malerei in diesem Gemälde würde selbst dem ersten Meister der Venetianer Ehre machen.