Ehrenrettung der amerikanischen Frauen
[224] Ehrenrettung der amerikanischen Frauen. Die deutsche Presse, auch die Gartenlaube, hat sehr oft Veranlassung genommen, die Unthätigkeit der amerikanischen Frauen und deren Schlaraffenleben tadelnd zu schildern. Darauf Bezug nehmend, theilt uns ein seit mehr als zehn Jahren in New-York ansässiger Deutscher die folgenden Einzelheiten mit, die allerdings mit dem Bilde von den amerikanischen Frauen, wie es bei uns bis jetzt als Typus gegolten hat, scharf contrastiren.
Nach „Gutkow’s Unterhaltungen“ – schreibt der genannte Deutsch-Amerikaner – besckränkt sich die Aussteuer einer jungen amerikanischen Dame auf einen Rocking-Chair (Wiegenstuhl), und in ihrer Ehe hat die junge Dame nichts zu thun, als sich in besagtem Schaukelstuhl zu wiegen und Romane zu lesen.
Aehnliche Ideen habe ich oft in Deutschland, selbst von gutunterrichteten Leuten aussprechen hören; lassen Sie uns deshalb selbst einmal in ein amerikanisches Haus gehen und sehen, wie es darin aussieht.
Wir besuchen zu dem Ende eine Familie von mittlerem Wohlstand, die fast stets ein Haus allein für sich bewohnt; wir finden dieselbe äußerst comfortabel eingerichtet, Zimmer und Treppen mit Teppichen, die Hausflur und Küche mit Wachstuch belegt. Alles im Haus hat einen Anstrich von Behaglichkeit und was Reinlichkeit betrifft, die versteht sich beim Amerikaner von selbst. Haben wir das Haus von oben bis unten durchstreift, so finden wir acht bis neun Zimmer, Küche und Keller, die in Ordnung zu halten sind und, wie wir uns überzeugt haben, auch gehalten werden. Eine Hausfrau wird sich sehr schnell vorstellen können, was in einem solchen Haus zu thun ist. Dienstmägde sind anmaßend und kostspielig hier, und deshalb findet man selten mehr als eine Magd in mittelgroßen Familien.
Wer besorgt nun die Arbeiten des Haushalts? Gütige Feen oder Heinzelmännchen kommen in einem so prosaischen Lande, wie Amerika es ist, nicht fort, die Hausfrau und die Töchter sitzen den lieben langen Tag im Wiegenstuhl und lesen Romane – also bleibt der Arbeit nichts übrig, als sich selbst zu thun!