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Ein Begebenheit aus dem Leben des Fürstbischofs von Dalberg

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Titel: Ein Begebenheit aus dem Leben des Fürstbischofs von Dalberg
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 562, 563
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[563] Eine Begebenheit aus dem Leben den Fürstbischofs von Dalberg. Zu den reinsten Freuden des edeln Mannen und Priestern, dessen Name in der Ueberschrift genannt ist, gehörte es, wohlzuthun, wo und wie er es nur vermochte. Seine Wohlthätigkeit war um so reicher und umfassender, je weniger er selbst bedurfte, sie wurde aber auch von allen Seiten und in einem Maße in Anspruch genommen, daß oft das reichere Maß seiner Liebe und Barmherzigkeit überschritt und es kamen Fälle in seinem Leben vor, wo er, mit einer Thräne im Auge, bekennen mußte, er sei so arm wie die, welche Hülfe bei ihm suchten, und das war eine volle, runde, reine Wahrheit. Eine Scene dieser Art, eine Begebenheit sollen die nachfolgenden Zeilen erzählen.

Einst wendete sich eine Familienmutter an Dalberg um eine Beihülfe. Die Familie war eine angesehene, einst sehr bemittelte, aber die Zeitverhältnisse und ihre Ungunst, Verluste bedeutender Art und andere Unglücksfälle hatten sie in ihrem Vermögen so weit zurückgebracht, daß sie fremder Hülfe bedurfte. An wen konnte sie sich vertrauensvoller, der Verschwiegenheit sicherer wenden, als an den edeln Dalberg, dessen Wohlthätigkeit bekannt war? Es war nicht eigentlich ein Almosen, welches die Frau wollte. Die Familie bedurfte einen Kapitals von siebenhundert Gulden, um der Schmach einer Klage und der Pfändung zu entgehen. Sie hielt an den letzten Fetzen einen ihr entrissenen Ansehens in der bürgerlichen Gesellschaft. Sie trat voll Hoffnung bei ihm ein und sprach vertrauensvoll ihre Bitte aus.

Dalberg blickte sie wehmüthig an. „Wie gerne,“ sagte er, „wollte und würde ich helfen, wenn ich könnte. Aber jetzt ist es beim besten Willen unmöglich. In sechs Wochen wird wieder Geld in meine Hände kommen, dann rechnen Sie auf mich!“

Die bitter getäuschte Frau erbleichte – nicht aus Schrecken allein: [564] es war ihr unglaublich, daß der Fürstbischof mittellos sein sollte. Sie gab dem Zweifel an Dalberg’s gutem Willen Raum und – hielt es für eine jener Ausreden, hinter die leider so oft im Leben sich das Nichtwollen verschanzt. Dieses Gefühl konnte sie nicht ganz unterdrücken und sagte etwas scharf betont: „Kann einem so hohen Fürsten es je an Mitteln fehlen, in der drückenden Noth einer schuldlos gebeugten Familie zu helfen?“

Gelassen, ruhig, aber schmerzlich berührt durch den durchleuchtenden Zweifel an seinem Herzen und Willen, nahm Dalberg die Frau an der Hand und führte sie zu seinem Pulte. Er schloß schweigend seine Kasse auf und sagte sanft: „Kommen Sie, wir theilen Alles, was ich habe!“ Er nahm daher Alles heraus, was die Kasse enthielt und – es waren – siebenundvierzig Gulden! – Er theilte die Summe und sagte, indem ein schmerzliches Lächeln um seinen Mund schwebte: „Nehmen Sie die Hälfte, die andre mag meine Bedürfnisse decken. Sie sind geringe, und ich bescheide mich gerne, um Ihnen wenigstens Etwas geben zu können!“ Mit tiefer Scham und inniger Rührung ergriff die Frau seine Hand, bat ihm ihr Mißtrauen ab und kniete vor ihm nieder, indem sie um seinen Segen bat, den er ihr gern ertheilte. Sie nahm die Hälfte nicht, und ging weinend weg. Als die sechs Wochen, von denen Dalberg gesprochen, um waren, sandte er der Familie die siebenhundert Gulden mit innerer Genugthuung, obwohl er kaum eine solche Summe zu entbehren hatte.