Ein Bildermann der Kinderwelt

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Titel: Ein Bildermann der Kinderwelt
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aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 308–310
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1862
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Der Düsseldorfer Maler Hubert Salentin
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Ein Bildermann der Kinderwelt.

Der Maler Hubert Salentin in Düsseldorf ist einer von den lieben Bildermännern, die das Spielleben der Kleinen darstellen zur innigen Herzensfreude aller Großen. Betrachten wir den beistehenden Holzschnitt. Wie wirklich stolz steigt der kleine Bräutigam mit dem Strauß im Knopfloch der Jacke daher neben dem größeren Mädchen, zu dem er lächelnd emporschaut! Das Mädchen aber gar ist ein Muster von Schalkhaftigkeit. Wie sie das Köpfchen so steif hält, damit der Brautkranz nicht herabfällt, und wie sie die Augen niederschlägt, ganz so, wie sie’s bei allen Bräuten gesehen! Wie hält sie das Schürzchen fein mit angeborener weiblicher Grazie! Und nun gar die übrige Gesellschaft, der kleine Hemdläuter mit seiner Trichtertrompete, der andächtig singende Stürzenschläger, der fröhliche Geiger mit dem urthümlichen Instrument, das tanzlustige Pärchen etc. Würdig eröffnen ein Paar vor dem Brautpaar daherfliehende Hennen den Festzug, auf den die junge Magd von der Thür herschaut. Wir Alle aber setzen uns im Geiste zu dem Großmütterchen, das mit dem milden Lächeln, wie es nur von einer schönen Erinnerung hervorgerufen wird, einen Blick, wie ihn der Künstler nicht feiner ablauschen, nicht schöner als einen in stiller Freude segnenden darstellen konnte, aus der kindlichen Braut ruhen läßt.

Der Maler Hubert Salentin wurde geboren am 16. Jan. 1822 zu Zülpich in der preußischen Rheinprovinz. Die Spuren seines Talents zeigten sich außerordentlich früh und wurden von der sinnigen Mutter ebenso bald erkannt uns freudig gepflegt. Als aber Hubert in seinem achten Lebensjahre den Vater verloren hatte, machten die Vormünder den Lieblingswunsch der Mutter und des Kindes mit dem Einwürfe zunichte, daß ja in der ganzen Gegend Niemand etwas malen lasse und man davon also nicht leben könne. Da entschloß Hubert sich, das Schmiedehandwerk, und zwar in Köln, zu erlernen, und schon im Frühjahr 1836 zog er wohlgemut in Begleitung seiner Mutter dorthin, die Kleider in einem Bettkissenüberzuge, und dabei ein großes Weißbrod, welches die Mutter selbst gebacken, als Willkomm für den Meister.[1]

Was Hubert hauptsächlich bewog, seine Lehrjahre in Köln zu bestehen, war die Hoffnung, in der großen Stadt schöne Bilder zu sehen und die Freistunden zur Malerei zu benutzen. Allein in seinen ganzen drei harten Lehrjahren war an keine Zeit für die Malerei zu denken. Um so größer war die Freude, als endlich

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Kinderbrautzug.      Xylogr. Anstalt von Brend’amour.
Originalzeichnung von Hubert Salentin.

[310] die Lehrzeit um war. Gleich den ersten Gesellenlohn verwendete er zum Ankauf eines Aquarellkastens sammt Tusche und Pinseln und fing nun an, des Sonntags zu zeichnen und zu malen. Er copirte Alles, was er bekommen konnte, und freute sich von einem Sonntag zum andern auf seine Lieblingsbeschäftigung.

Ein Uebelstand, der ihm viel Kummer machte, war der, daß seine Mitgesellen seine Arbeiten zwar bewunderten, aber durch das fortwährende Angreifen mit den niemals reinen Fingern sehr beschmutzten. Es mußte also auf ein Material gedacht werden, welches sich waschen ließ. Ein neben ihm wohnender Anstreicher besorgte ihm nun Oelfarben, und das erste Bild, welches Hubert malte, stellte den Räuberhauptmann Rinaldo vor, schrecklich blutdürstig anzusehen. Da er aber zu viel Oel in die, Farben genommen, so waren dem Räuber, als er kaum eine Stunde an der Wand gehangen, die Augen bis auf die Schuhe herunter gelaufen. Allmählich ging es jedoch besser, und Hubert fing schon an, den Meister und die Gesellen zu portraitiren, und es gab immer ein fürchterlich Halloh, wenn das Bildniß ähnlich befunden wurde. So waren ihm sieben Jahre glücklich verflossen, als im Jahre 1846 in seiner Vaterstadt ein Schmiedemeister starb; die Mutter kaufte dessen hinterlassenes Werkzeug, und nun ward Hubert Salentin wohlbestallter Meister des Handwerks in Zülpich.

Das heitere Temperament des jungen Schmiedemeisters verschaffte ihm überall viele Freunde, und das Geschäft blühte bald ganz erfreulich. Salentin konnte jetzt mehr über seine Zeit verfügen und benutzte die freien Stunden ausschließlich zur Malerei.

Ein glücklicher Zufall wollte, daß einmal ein Düsseldorfer Maler E. Stammel, nach Zülpich kam. Salentin erfuhr dies, machte sich sogleich, nicht ohne Herzklopfen, an ihn und lud ihn ein, seine Arbeiten zu sehen. Allerdings kamen sie diesem höchst curios vor, aber er lobte sie dennoch sehr und schrieb zugleich dem Hubert die richtigen Malerfarben und Pinsel auf. Nun fing eine neue Aera für unsern Künstler an. Das war ein ganz anderes Material, damit ließ sich etwas machen! – Unterdessen waren seine Kunstleistungen in der ganzen Umgegend bekannt geworden, die Bauern bestellten bei ihm nun Kirchenfahnen und dergleichen, und er malte das Alles, wie er selbst sagt, schauderhaft schön. Niemand freute sich darüber mehr, als die Mutter. Nicht wenig hob und förderte ihn auch der Umgang mit dem jetzigen Sanitätsrath und königl. Brunnenarzte L. Alfter, der ihm bildende Bücher und besonders anatomische Werke mittheilte, und mit der liebenswürdigen Familie desselben.

Was war aber natürlicher, als daß nun doch einmal die ganze Schmiederei dem Salentin zuwider werden mußte? So geschah es auch, und so entschloß er sich endlich, sie aufzugeben und sich ganz auf das Portraitmalen zu legen. Eines frühen Morgens wurde der Ranzen gepackt, und Salentin zog zum zweiten Male gen Köln.

Salentin schlug sein Atelier in einem sehr bescheidenen Wirthshause auf. Trotz aller Anstrengung wollte sich jedoch anfangs Niemand finden, der sich malen ließ. Endlich machte er den Anfang mit seinem Wirth, der einen Buckel hatte und den er ohne Buckel dennoch ganz ähnlich darstellte. Dieses ermunternde Beispiel zog an, es kamen nun Soldaten an die Reihe, namentlich Hautboisten, dann stellten sich auch Bürgersleute und dergleichen ein, bis sich zuletzt Salentin’s Bekanntschaft so weit ausdehnte, daß er vollauf zu thun hatte und reichlich Geld verdiente. Niemand war nun glücklicher als er, und zugleich benutzte er die damals in Köln unter Ramboux’s Leitung bestehende Kunstschule, in welcher nach der Natur und der Antike gezeichnet wurde. Es kam auch die alljährliche Ausstellung, und auf dieser sah Salentin zum ersten Male die neuen Schöpfungen großer deutscher Meister. Da war’s mit seiner bisherigen Zufriedenheit vorbei. Nichts konnte ihn abhalten, sofort nach Düsseldorf zu gehen. Hier reichte er seine Zeichnungen bei der Akademie ein und wurde in den Antikensaal aufgenommen. So bezog Hubert im Herbste 1850, 28 Jahre alt, die Akademie. Unter Leitung Sohn’s und später Tidemann’s gingen die Studien rasch und mit Erfolg von statten, er kam sehr bald in die Malclasse und machte schon im nächsten Herbste eine Studienreise in den Schwarzwald, von wo er so schöne Studien mitbrachte, daß er nun unter Dir. Schadow’s Leitung ein eigenes Atelier bekam.

Sein erstes Bild, „der Freier“, wurde mit großem Beifalle aufgenommen; ebenso sein „Feuer-Ausbruch während des Gottesdienstes“, ein sehr lebendiges und figurenreiches Bild, sowie auch die anmuthige Darstellung des „Findelkinds“. Nicht weniger Freunde fanden „die Mutter mit dem blinden Knaben“, „die Rettung eines Kindes aus dem Brunnen“, „die Predigt des Eremiten“, „die Rückkehr von der Taufe“ und viele andere kleinere Arbeiten. Seine „Katechisation“ und unser „Kinderbrautzug“ gehörten zu den besten Genrebildern der zweiten deutschen Ausstellung in Köln. – Sein letztes größeres Bild, „die Dorfkirche“, wurde für die städtische Gallerie in Düsseldorf angekauft; es ist ein Bild voll Naturwahrheit und feiner Charakteristik, und ausgezeichnet durch all die Vorzüge der Arbeiten Salentin’s, die namentlich in der tiefen Empfindung, feinen Zeichnung und edlen Färbung demselben bestehen. Wenn wir auf Hubert Salentin’s Lebensgang zurückblicken, so wird Jedermann beistimmen, daß man mit Wahrheit von ihm sagen kann: „Er war seines Glückes Schmied!“



  1. Salentin hat diesen Eintritt in die Lehre in dem schönen Bilde „der neue Schmiedelehrling“ wiedergegeben.