Ein Geisterseher moderner Art

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Titel: Ein Geisterseher moderner Art
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aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 358
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[358] Ein Geisterseher moderner Art. Zu welchen wahnsinnigen Phantasiegebilden sich die Anhänger der Lehre vom Spiritualismus versteigen, das beweist die im Nachstehenden wiedergegebene Stelle aus den Werken von A. J. Davis in New-York, welcher als Vorläufer des Spiritualismus unter den Gläubigen der „Harmonischen Philosophie“ einen hohen Rang einnimmt. Wir drucken den für die heutigen spiritistischen Verirrungen sehr bezeichnenden Passus aus einer kleinen Flugschrift von Richter Edmonds ab, welche unter dem Titel „Giebt es ein Leben nach dem Tode?“ auch in Deutschland eine ziemlich große Verbreitung gefunden hat. „In der Schlacht bei Fort Donelson,“ schreibt Davis, „sah ich, wie ein Soldat durch eine Kanonenkugel augenblicklich getödtet wurde. Sein einer Arm flog über die hohen Bäume weg. Das Gehirn war zum Theil in weite Ferne geschleudert, zum Theil auf dem Boden umher verspritzt. Seine Glieder und Finger huschten über die Todten und Sterbenden dahin. Nun, wie bekam dieser Mann einen geistigen Körper? Aehnliche Dinge habe ich zu öfteren Malen erschaut. Keine Todesfälle durch Kanonenkugeln, sondern ähnliche Todesarten durch Unglücksfälle oder Explosionen. Von diesem Manne also, dessen Körper beim Fort Donelson so vollständig vernichtet worden, sah ich alle geistigen Atome emporströmen und in der Luft sich sammeln. Die Atmosphäre war von solch goldenen Partikelchen – Ausströmungen der Todten – über dem ganzen Schlachtfelde angefüllt. Ungefähr Dreiviertel einer englischen Meile über dem Dampfe des Schlachtgetümmels, über all dem düstern Gewölk des finstern Haders, das Wald und Hügel bedeckte, dort oben in den reinen Lüften war es herrlich anzuschauen, wie die neue geistige Formbildung des plötzlich getödteten Soldaten vor sich ging; wie seine Finger und Zehen, sein Herz und Hirn sich wiederfanden. Da stand er nun, der neue geistige Körper, dreiviertel Meile über all dem Streit und Getöse, über aller Zerstörung des wüthenden Kampfes! Und gleichzeitig kamen die Leiber vieler Anderer aus verschiedenen Richtungen daher, sodaß ich im Umkreis von einer halben bis zu drei und fünf Meilen in der Höhe in der klaren ruhigen Luft sehen konnte, wie die geistigen Organismen sich bildeten und alsdann nach allen Seiten aufstiegen. Erst sah ich das Antlitz aus der Atome Goldwirbel sich entwickeln, alsdann den Kopf, den Hals, die Schultern und Arme. Das Ganze etwas schlanker, als der natürliche Körper, im Uebrigen aber ihm ganz gleich, sodaß Ihr augenblicklich die Gestalt und Gesichtszüge Eures alten Freundes erkennen würdet. Nur möchtet Ihr ausrufen: ‚Ei, Jakob, wie hast Du Dich zu Deinem Vortheil verändert! Du siehst viel klarer und hübscher aus. Deine Züge sind sanfter und liebreicher.‘ So ganz natürlich ist der geistige Körper, den der gute Gott in seiner Weisheit aus dem irdischen Staube erneut und verjüngt aufsteigen läßt.

Wie war nun die ‚Empfindung‘ des so plötzlich getödteten Mannes? Sie war für einige Zeit aufgehoben. Es gab für ihn kein Dasein. Denkt Euch den Fall. Es war ein gesunder, kräftiger Maschinenarbeiter, der mit seiner geladenen Muskete wacker in den Kampf gegangen war, um für das Sternenbanner zu streiten, das niemals sinken soll. Sein plötzlicher Tod war für ihn, was der Hammer für ein Stück Kiesel ist. Wenn ein harter Kieselstein schnell genug getroffen wird, zerstiebt er als Staub im Winde. Wäre der Schlag langsamer erfolgt, alsdann würde der Stein weder zermalmt noch zerstört worden sein. Es ist die Plötzlichkeit des Streiches, was die ‚Cohäsion‘ (den Zusammenhang) in dem Kiesel überrascht, gleichwie die Kanonenkugel die ‚Empfindung‘ der Individualität in dem Manne für den Augenblick vernichtet hatte. Die Individualität kehrt gewöhnlich bei plötzlichem Todesfalle nach einiger Tage Aufenthalt in einer Wohnstätte des Geister- oder Sommerlandes wieder. Die so plötzlich Verstorbenen werden in der Regel zu irgend einer Bruderschaft gebracht, in ein Hospital oder zu einem gastfreundlich geöffneten Pavillon, woselbst sie bewacht und sorgsam gepflegt werden, gleich all denjenigen, die aus den niedern Welten anlangen. Rückt nun der Augenblick heran für des Geistes Erwachen, alsdann wird entweder durch eine himmlische Musik die ‚Empfindung‘ wachgerufen, oder durch leise Handbewegungen und sanftes Anhauchen über dem Antlitze des Schlafenden, oder auch durch das melodische Murmeln eines nahen Silberbächleins. Und so wird der neue Ankömmling eingeführt in das Sommerland.“