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Zwei Bilder aus Oberbaiern

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Textdaten
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Titel: Zwei Bilder aus Oberbaiern
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 347, 355, 357
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[347]

„Brautfahrt auf dem Königsee“.
Nach seinem Oelgemälde auf Holz übertragen von Professor Ludwig Thiersch in München.

[355]

Pfingstwäsche im Gebirge.
Originalzeichnung von Conrad Beckmann in München.

[357] Zwei Bilder aus Oberbaiern. (Mit Abbildungen S. 347 u. S. 355.) Das stimmungsvolle Bild unserer heutigen Nummer, Professor Thiersch’s „Brautfahrt auf dem Königssee“ erweckt mir lebhaft die Erinnerung an jene schönen Tage von München, wo ich, eben zurückgekehrt von einem Ausfluge zu diesem Könige unter den deutschen Seen, Gelegenheit fand, mich in das naturfrische Gemälde unseres Meisters zu versenken und mich so zurückzuträumen an die schönheitumstrahlten Ufer von Bartholomä. Mit welch vollendeter Kraft schöpferischer Gestaltung hat der Künstler den geheimnißvollen Reiz des See’s nachempfunden! Als ich betrachtend vor seinem Bilde stand, sah ich sie leibhaftig vor mir, die in dem gewaltigen Felsenbecken ruhig fluthenden Wasser, und fühlte mich auf’s Neue hineingezogen in den Zauber dieser herrlichen Landschaft.

Die Tauern flehen im Dunste der heißen Nachmittagssonne, hoch droben die Schönfelsspitze wie in duftigem Schleier. Schweigen ringsum über den Tiefen des See’s, das Gemüth berührend wie die Ruhe eines Kirchhofes. Der Falkenstein stürzt sich steil und jäh in die Fluth – eine melancholische Wand: Tannen umdüstern das Gestein, und dunkler Epheu rankt sich daran empor, das ernste Zeichen eines Kreuzes aber hebt sich leuchtend von dem Felsrücken ab. Es mahnt uns, daß diese blaue Wasserebene wirklich ein Kirchhof ist; denn wer sie befährt, dessen Kiel geht über Gräber hinweg.

Ein Nachen gleitet im Schatten des Falkensteins daher. Drei Menschen sitzen darin, der Fährmann und – man sieht es diesen strahlenden Augen an – ein glückliches junges Ehepaar, das wohl erst gestern am Altare stand. Der sonnenverbrannte Mann aus den Bergen, der das Ruder führt, zeigt mit der markigen Hand zum Kreuze da oben hinauf, und dann erzählt er den Beiden die traurige Geschichte von einem anderen glücklichen Paare – o, ich kenne sie wohl, diese traurige Geschichte. Das war auch so ein blutjunges Paar. Noch hingen wohl von den Blättern des Brautkranzes die Reste in dem blonden Haar des mädchenhaften jungen Weibes; noch perlten vom Hochzeitsweine wohl die verlorenen Tropfen in dem Barte des frischblühenden Mannes. Und dieses junge Glück sollte schon heute enden! Sie standen mit verschlungenen Armen hoch oben auf dem Falkenstein und blickten hinab in die krystallene Fluth des Königssee’s. Ob sie sich wohl fragten, was tiefer sei, die Wasser, die da unten die zackigen Wände des unergründlichen Felsenkessels umspülten, oder ihr holdes, eben erst erwachtes Liebesglück? Da – es war ein entsetzlicher Augenblick – brach ein morsches Erdstück unter ihren Füßen hinweg, und in jähem Falle stürzte tief hinab in die Fluth mit Glückes- und Zukunftsträumen das noch eng umschlossene unselig-selige Liebespaar.

Das war ehedem. Und heute? Der Nachen mit dem andern Hochzeitspaare – wie umfließt ihn das Licht der Nachmittagssonne so heiter! – Das leichte Fahrzeug entzieht sich meinen Blicken. Noch seh’ ich die Furchen, die es in dem stillen Wasser zurückgelassen. Dann verschwinden auch sie. „Seid glücklich, Ihr Zwei!“ ruf’ ich ihnen nach. „Das Glück ist ein flüchtiger Geselle, flüchtig wie das Leben selbst. Ihn haschen und halten, wo er sich zeigt, das ist die ganze schwere Kunst, ach, und wie ohnmächtig sind Menschenhände!“ – –

Das schöne Baierland ist reich an Zaubern der Natur, und das Volk, das in seinen Thälern, auf seinen Höhen und an seinen Seen lebt, es ist von einer köstlichen Ursprünglichkeit, die das Herz des Fremden erquickt und erfreut.

Hat uns das Thiersch’sche Bild einen Blick in die erhabene Natur des oberbairischen Gebirgslandes thun lassen, so führt uns das Conrad Beckmann’sche, das zweite unserer heutigen Nummer, eine Scene aus dem Volksleben von drastischer Naivetät vor – zum Ernste gesellt sich der Humor. Diese „Herrgottswäsche“, wie man das Bild unseres trefflichen Künstlers nennen könnte, ist ein Stück Sittengeschichte, zu deren näherer Erklärung wir dem Meister selbst das Wort geben.

„Das Pfingstfest war schon eingeleitet,“ erzählt der Maler, „als wir, mein lustiger College und ich, die enge Gasse eines oberbairischen Dorfes – was weiß ich, wie es hieß? – durchschritten. Ueberall wurde ‚hergerichtet‘, um das Fest würdig zu begehen. Da scholl es plötzlich an unser Ohr: ‚Komm, Greth, hilf mir den Herrgott tragen!‘, und durch die enge Thür eines Bauernhauses, die steilen Stufen zur Gasse herab, trugen Greth und die alte Mutter ein derb geschnitztes Bild des Gekreuzigten.