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Ein Grabdenkmal für den Componisten der „Wacht am Rhein“

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Textdaten
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Autor: B.
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Titel: Ein Grabdenkmal für den Componisten der „Wacht am Rhein“
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 462–463
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ein Grabdenkmal für den Componisten der „Wacht am Rhein“.
(Mit Abbildung.)

Karl Wilhelm vor zwanzig Jahren“ – unter diesem Titel brachte die „Gartenlaube“ in Nr. 36 des Jahrgangs 1870 dem beneideten Tondichter der „Wacht am Rhein“ eine gebührende Huldigung. Diese verdient er noch nach zwanzig, nach hundert und mehr Jahren, wird doch auch das Schneckenburger’sche Lied, welchem er die volksthümlichste und siegreichste aller Melodien verlieh, ebenso wenig untergehen, wie das Andenken an den beispiellosen Krieg und Sieg des bewehrten deutschen Volkes über den gallischen und galligen Größenwahnsinn.

Damals lebte der Tondichter noch, mußte aber bald darauf drei Jahre lang elend und langsam sterben – Zeuge seiner letzten Leiden war die Stadt Crefeld – nur gelang es ihm noch, sich zum Sterben in seine architektonisch und volkssittlich eigenthümliche Vaterstadt Schmalkalden zu begeben, wo er am Nachmittage des 26. August 1873 starb.

Das deutsche Volk vergißt seine theuren Todten nicht: ein Nationaldenkmal zum Andenken des Componisten der „Wacht am Rhein“ wird sich auf dem Grabe desselben in Schmalkalden erheben. Zur Unterstützung dieses Planes ist außer den direkten Sammlungen eine Gesammtausgabe seiner Tondichtungen veranstaltet worden; dieselbe besteht aus: „Zweiundsiebenzig Liedern und Gesängen für eine Singstimme“, „Zweiundsechszig Liedern für die heranwachsende Jugend“ (beide bei Breitkopf und Härtel in Leipzig) und „Siebenzig Quartetten für Männerstimmen“ (bei M. Schloß in Köln) und giebt somit ein vollständiges Bild von Wilhelm’s Schaffen.

Eine Aufforderung zur Unterstützung dieses Unternehmens von Wilhelm Büchner in Crefeld, die bis jetzt noch nicht den gewünschten Erfolg hatte, wird neuerdings von seinen Mitbürgern, dem Herrn Seyffart in Crefeld, seinem Bruder, dem preußischen Abgeordneten, und anderen Männern erneuert und dem deutschen Volke zur Beachtung empfohlen. Als Wilhelm’s schon 1854 componirtes Lied von Max Schneckenburger 1870 wie ein hunderttausendstimmiger Völkerchoral durch die Welt brauste, da hieß es: Wer ist Karl Wilhelm? Wo ist er? Antwort: Er verweilt alternd, einsam, vergrämt, unheilbar krank, amtlos und dürftig in einer kleinen, alten Stadt des Thüringer Waldes. Da ging ein rührender Zug der Dankbarkeit durch alles Volk, und Briefe und Ehrengaben flossen ihm reichlich zu. Er läßt den Sturm über sich ergehen, und die fünfzehnhundert Thaler, die ihm zugeflossen waren, schließt er ungezählt in sein Schubfach, ohne sich je zu einer Empfangsbescheinigung zu verstehen. Er dankt für keines der ihm zugeflossenen Geschenke, sondern bleibt stumm und verdrießlich, ein gebrochener Mann, schwer krank an Leib und Seele, in einem Winkel des Thüringer Waldes sitzen. Auch läßt er sich nur mit Widerwillen in einem wahren Triumphzuge endlich nach Berlin schleppen. Hier soll er die musikalische und instrumentale Aufführung im Circus Renz am 20. November 1870 selbst leiten. Halbtodt vor Aufregung, wird er endlich in den Sturm von Huldigungen hineingezogen.

Uebersättigt und todtmüde, suchte er am Rheine auf dem Schauplatze seiner früheren fünfundzwanzigjährigen Thätigkeit, in Crefeld, Erholung und Ruhe. Hier war schon im August 1870 ein Aufruf zu Beiträgen für Erheiterung seines Lebensabends ergangen. Die betreffende Summe sollte nach seinem Tode als Wilhelm-Stiftung für Unterstützung junger, im deutschen Geiste schaffender Tonkünstler verwendet werden. Nach beendigtem Kriege begann der auch durch auswärtige Mitglieder verstärkte Hauptausschuß seine Thätigkeit. Karl Wilhelm, in Thüringen wieder von einem Schlaganfalle betroffen, erhielt am 23. Juni 1871 folgendes Schreiben des Reichskanzlers: „Sie haben durch die Composition von Max Schneckenburger’s Gedicht ‚Die Wacht am Rhein‘ dem deutschen Volke ein Lied gegeben, welches mit der Geschichte des eben beendigten großen Krieges untrennbar verwachsen ist. Entstanden in einer Zeit, wo die deutschen Rheinlande, ähnlich wie vor einem Jahre, von Frankreich bedroht erschienen, hat die ‚Wacht am Rhein‘ ein Menschenalter später, als die Drohung sich verwirklichte, in der begeisterten Entschlossenheit, mit welcher unser Volk den ihm aufgedrungenen Kampf aufgenommen und bestanden hat, ihren vollen Anklang gefunden. Ihr Verdienst ist es, unserer letzten großen Erhebung die Volksweise geboten zu haben, welche daheim, wie im Felde, dem nationalen Gemeingefühl zum Ausdruck gedient hat. Ich folge mit Vergnügen einer mir von dem geschäftsführenden Ausschuß des deutschen Sängerbundes gewordenen Anregung, indem ich der Anerkennung, welche Ihnen von allen Seiten zu Theils geworden ist, auch dadurch Ausdruck gebe, daß ich Sie bitte, die Summe von eintausend Thalern aus dem Dispositionsfonds des Reichskanzleramtes anzunehmen. Ich hoffe, daß es nur möglich sein wird, Ihnen alljährlich den gleichen Betrag anbieten zu können.“

Die letzte Verheißung ward auch erfüllt, aber schon drei Jahre später hatte sich die Gruft über Karl Wilhelm’s Leben und Leiden geschlossen. Die Wilhelmstiftung konnte nun nicht mehr für ihn sorgen, hätte aber vielleicht für junge, im deutschen Geiste schaffende Tonkünstler verwirklicht und ausgestattet werden können!

Das deutsche Voll aber wird Wilhelm’s Andenken ehren; es wird die drei Sammlungen seiner Tondichtungen möglichst in seinen Familienliedertafeln und Gesangvereinen einführen und cultiviren, um so zur Herstellung eines Monuments aus dem Grabe Wilhelm’s zu Schmalkalden beizutragen. Eine Summe dafür ist schon vorhanden. Viele edle Männer und Frauen werden sie gewiß gern durch besondere Beiträge rascher zu vervollständigen suchen und sind deshalb gebeten, sich zu diesem Zweck an Herrn E. Seyffart in Crefeld zu wenden.

Wir bringen unseren Lesern hierbei eine Abbildung des von dem Bildhauer Heinrich Walger in Berlin entworfenen und von dem Comité in Aussicht genommenen Modells. Auf einem Postamente erhebt sich die Gestalt der Germania, einen Lorbeerkranz reichend. Auf der Vorderseite des Postaments befindet sich die Widmung:

Karl Wilhelm,
dem Sänger der Wacht am Rhein,
geb. 5. Sept. 1815, gest. 26. Aug. 1873.

Auf der Rückseite sehen wir unter der Jahreszahl 1870 den Gedenkspruch:

Lieb Vaterland, magst ruhig sein:
Treu wie die Wacht am Rhein in großer Zeit,
Steht fest das Volk, geeint in Ewigkeit.

[463] An der rechten Seitenfläche in einem Epheukranze liest man:

Max Schneckenburger 1840.

(Dichtung der „Wacht am Rhein“) und an der linken Seitenfläche in einem Eichenkranze:

Karl Wilhelm 1854.

(Composition der Melodie.) Endlich ist der obere Absatz an dem Sockel der Germania von dem Künstler dazu bestimmt, den Schwanengesang Wilhelm’s, „Deutschlands Siegesdank“, gedichtet von Emil Rittershaus, mit Tonsatz für vier Männerstimmen, des Componisten erfolgreichstes Schaffen repräsentirend, darauf anzubringen. Die Textworte und zwar Vers 5 desselben – rund um das Denkmal herumlaufend – lauten:

Nun danket dir, o Herr der Welt, das Land Germania,
Im Frieden wie im blut’gen Feld sei du uns nah!
Daß nimmer uns ein Streit entzwei’, führ’ uns an deiner Hand.
Erhalte einig, groß und frei das Vaterland!

Es ist dies der Gesang, welcher, im November 1870 in Crefeld componirt, zuerst in Nr. 11 der Gartenlaube beim Friedenschlusse 1871 veröffentlicht wurde, der in echt deutscher Weise den Gefühlen von Fürst und Volk über die herrlichen Siege und den errungenen Frieden im Danke gegen den Herrn der Welt Ausdruck verleiht.

Außer der Liebe zu seinen Bergen durchflammte Wilhelm’s ganzes Denken, Empfinden und tönendes Dichten die lebendigste Vaterlandsliebe. Die erste Zeile eines seiner herrlichsten Männerlieder lautet: „Das ganze Herz dem Vaterland.“ Dies war sein Herz, mit welchem er der schweren, wuchtigen Wehrkraft des deutschen Volkes die siegreichen Schwingen verlieh, welche auch der meisterhaftesten und genialsten Kriegskunst und Strategie ohne diese Hülfe des Wortes und Tones niemals wachsen werden.

B.