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Ein Merkstein katholischen Zusammenwirkens

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Textdaten
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Autor: Hermann Eberhard Friedrich Richter
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Titel: Ein Merkstein katholischen Zusammenwirkens
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 811–813
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Notre Dame de France in Le Puy
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Ein Merkstein katholischen Zusammenwirkens.

Wir Deutschen gefallen uns oft darin, den Franzosen ihren Mangel an geographischen Kenntnissen vorzuwerfen. Erzählt man doch, daß Goethe 1807 in Erfurt die vom Standpunkt französischer Höflichkeitsregeln unverzeihliche Grobheit begangen habe, zu Napoleon dem Ersten zu sagen: „Sire, das Charakteristische Ihrer Nation ist theils die Urbanität und Geistreichheit, theils die Unwissenheit in der Geographie!“

Gleichwohl dürfte es vielen Deutschen schwer fallen, sich vor gleichen Vorwürfen der Unwissenheit zu wahren, wenn sie über die Geographie Frankreichs befragt würden. So glaube ich, daß eine Menge unserer Leser heute zum ersten Mal von der merkwürdigen Stadt Le Puy hören, welche doch eine Hauptstadt des früheren Landes Velay oder der südlichen Auvergne, jetzt des Departements der oberen Loire ist. Mir wenigstens, ich gestehe es frei, war diese Stadt fast nur aus den Schriften der Geologen, besonders Lyell’s, bekannt, welche berichten, daß sich daselbst jene vulcanischen Erscheinungen, welche das ganze Gebirg der Auvergne berühmt machen, in besonders interessanten Vorkommnissen finden und daß man dort in vorsündfluthlichen Kalklagern, noch unterhalb uralter Lavaströme, auch Menschenknochen, den sogenannten „fossilen Menschen von Denise“, aufgefunden und aufbewahrt habe.

Als ich im heurigen Sommer die erloschenen Vulcane der Auvergne und ihre aufblühenden Thermalbäder (Vichy, Mont d’Or, Royat etc.) besuchte, las ich am Schlusse meines vortrefflichen Reisebuches die Aeußerung: „Wenn man einmal so weit gereist sei, solle man nicht versäumen, das in seiner Art einzige Panorama von Le Puy zu sehen.“ Da ich nun ohnedies nicht gern denselben Weg rück- wie hinwärts mache, so beschloß ich, die Eisenbahn zu verlassen und quer durch das Land mit Post von der Endstation Brioude über Le Puy nach St. Etienne zurückzureisen. So geschah’s. Ich fuhr hoch oben auf der Banquette der Diligence, dem einzigen Platz, von wo man nicht nur das ganze Land schaut, sondern auch den Charakter des Volks am besten kennen lernt. Denn im Coupé und in den ersten Classen der Eisenbahnen ist der heutige Franzos ein höchst schweigsamer, ängstlich zurückhaltender Reisegefährte, welcher jedes Gespräch kurz abbricht oder am liebsten ganz vermeidet.

Wir waren soeben bei dem auf riesigem, schroffem Basaltfelsen prangenden alten Stammschlosse der Fürsten Polignac vorbeigefahren, als ich meine Reisegefährten fragte, ob nicht hier in der Nähe ein Dorf Namens Denise liege. Man belehrte mich, daß Denise kein Dorf sei, sondern ein Berg, und zwar der, auf welchem unser Wagen eben hinfahre. In der That zeigte sich bald, was ich suchte. Der Berg besteht aus zwei hohen Schichten, von denen die obere eine schwarze, säulenförmige Lavamasse, die untere eine milchweiße Kalkbildung ist. Beide sind, dicht neben der Chaussee, durch einen gleichzeitig oben und unten betriebenen Steinbruch erschlossen, und der unten lagernde Kalkstein ist vermuthlich derselbe, in welchem der „fossile Mensch“ gefunden worden, welchen ich Tags darauf in dem Museum von Le Puy besichtigen konnte. Im Weiterfahren belehrten mich meine Reisegefährten, daß wir jetzt zur „Grotte des Eremiten“ kämen. Dies war weiter nichts, als eine Schlucht oder ein Engpaß, gebildet durch eine zweite, neben dem Berge Denise emporstrebende kuppelförmige Lavamasse. Aber indem wir durch diese Schlucht herumbogen, eröffnete sich plötzlich das wirklich überraschende und nach meinem Reisehandbuche „einzige“ Panorama, welches ich dem Leser in beifolgender Abbildung vorführe.

Die Stadt Le Puy (das heißt der Pik, daher man sagt: je vais au Puy, je viens du Puy etc.) liegt auf einem flachpyramidalischen Berge terrassenförmig aufsteigend, inmitten eines doppelten Kessels erst niedrigerer, dann höherer Berge, beide stellenweise mit vulcanischen Kegeln oder scharfabgeschnittenen Lavafelsen besetzt. Der Gipfel des Berges ist seit mehr als tausend Jahren ausschließlich von der Geistlichkeit besetzt, welche daselbst eine Menge von Kirchen, Klöstern, Hospitälern etc. inne hatte und noch inne hat. Den untern Berg und seinen Fuß nimmt die Handel- und gewerbtreibende Bürgerschaft ein. Beide Stadttheile sind seit alten Zeiten in Sitten, Rechten und Ansprüchen, oftmals sehr scharf, geschieden gewesen. Eine große Kathedrale krönt den Gipfel. Aber hoch über den Thürmen derselben ragt noch eine grauschwarze vulkanische Felsmasse empor, der „Felsen oder Dyck von Corneille“ genannt, welche eben den Namen „Le Puy“ veranlaßt hat. Eine andere solche Felsmasse oder Dyck[1], noch grotesker und völlig zuckerhutähnlich geformt, ragt unterhalb des Berges aus einer Vorstadt empor und ist mit einer dem Erzengel Michael gewidmeten Kirche besetzt, woher sie den Namen „Aiguille de St. Michel“ erhält; im Heidenthum war hier ein Mercur-Tempel. Die alten Heidenbekehrer haben an die Stelle dieses geflügelten Götterboten in der Regel und klugerweise den ebenfalls geflügelten Erzengel gesetzt.

Der näher um die Stadt herumziehende niedrigere Bergkreis ist zur größeren Hälfte von Weinbergen, mit zahlreichen Land- und Winzerhäuschen, malerisch besetzt, und an seinem Fuß schlängelt sich die hier noch kleine Loire. Auf der anderen Seite bilden Wälder, Felder, Villen, Dörfer etc. eine belebte Aussicht. Im Hintergrunde sind dann die dunkleren höheren Berge mit ihren Kuppen. Das Ganze giebt daher, verbunden mit dem grotesken Anblick der schwärzlichen Felszähne oder Dycks, ein eigenthümliches Bild, mit dessen Beschreibung ich jedoch den Leser nicht ermüden will.

Dasjenige aber, was neben diesen Naturschönheiten sofort den Blick des Reisenden auf sich zieht und dauernd fesselt, ist ein Menschenwerk, nämlich ein riesengroßes Standbild, welches auf der Spitze des obengenannten „Dyck von Corneille“, also hoch über allen Kirchthürmen in den Himmel hinausragt. Dies ist die Riesenstatue der Himmelskönigin, seit fünf Jahren dort oben aufgerichtet, weit und breit im Lande als „Notre Dame de France“ berühmt und verehrt, in künstlerischer und kulturgeschichtlicher Hinsicht merkwürdig, aber gleichwohl, soviel mir bekannt, von unseren deutschen Blättern bisher noch gar nicht in Betracht gezogen. Sie ist ein Merkstein, theils für den Einfluß der Geistlichkeit im heutigen Frankreich, theils für die Höhe seiner Technik, theils für die Regentenklugheit seines Kaisers.

Der Erste, welcher die Idee einer solchen Schöpfung öffentlich aussprach, war ein Abbé Combolat, der in einer am 27. Juli 1850 zu Puy gehaltenen Predigt darauf aufmerksam machte, wie schön sich auf dem kahlen, vordem als Festungswerk benutzten Felsenkegel Corneille eine Statue der heiligen Jungfrau ausnehmen würde. Der Bischof von Puy, Monseigneur de Morlhon, ergriff diesen Gedanken mit Energie. Er ernannte am 5. März [812] 1852 eine Commission aus den angesehensten Bürgern der Stadt, um das Project zu prüfen. Dasselbe ward gebilligt, Geld zusammengeschossen, Preise für die besten Modelle ausgesetzt und ein Aufruf an alle Künstler Europas erlassen. Darauf hin wurden, vierundfünfzig Modelle eingesendet: aus Paris, Neapel, Brüssel, Köln, Speier, Straßburg, Lyon etc. Den ersten Preis erhielt der Bildhauer Bonnassieux aus Paris, den zweiten Rimm aus Speier, die folgenden vier Montagny, Ramus, Fabisch und Lavigne. Also unter Sechs doch zwei Deutsche! Bonnassieux’s Entwurf ward zur Ausführung gewählt.

Die Stadt Le Puy in Frankreich.

Inzwischen hatte der Bischof einen Aufruf zu Beiträgen an alle Gläubigen erlassen und selbst 10,000 Francs gezeichnet. Der Kaiser Napoleon der Dritte war der nächste Subscribent. Er zeichnete für sich und die Kaiserin 12,000 Francs, bemerkte aber nebenbei sehr richtig: es werde zu kostspielig und langaussehend werden, wenn man das Werk in Bronze ausführen wolle; auch sei dies Metall zu werthvoll, daher z. B. in Kriegs- oder Revolutionszeiten der Plünderung ausgesetzt: er schlage daher Gußeisen vor und werde für das Material sorgen. Wirklich schenkte er der Stiftung unterm 20. April 1856 eine Masse von den inzwischen bei Sebastopol eroberten eisernen Kanonen, 150,000 Kilogramm (= 300,000 Zollpfund) an Gewicht, zur Ausführung des Gusses. Und damit stempelte er das Werk zu einem Siegesdenkmal für den Krimfeldzug, während es im Sinne seiner Stifter zur Verherrlichung der inzwischen von den Kirchenfürsten proclamirten unbefleckten Empfängniß dienen sollte. „Durch diese Nationalisirung des Unternehmens,“ wie mein klericaler Gewährsmann Franciske Maudet in seinen „Monuments historiques de la haute Loire etc.“ ausdrücklich zugesteht, „hat der kluge Kaiser dasselbe möglich, leicht und volksthümlich zu machen gewußt.“ Er hat es verstanden, mit einem Federzug die zwei wichtigsten Factoren des heutigen französischen Staatslebens zu befriedigen: die Geistlichen mit ihrem Anhang und die nationale Partei. Er hat damit den Glanz des ausgeführten Riesenwerkes abgelenkt von dem theologischen Dogma auf die nationale Glorie, von dem Vatican auf die Tuilerien.“ – Die Unterzeichnungen nahmen nun einen raschen Gang. Bald überstieg die Summe der Beisteuer 300,000 Francs, wovon ein Drittel allein aus dem Departement der oberen Loire.

Am 16. Mai 1856 schloß die oben erwähnte Commission einen Vertrag mit einem der größten Eisengießer Frankreichs, Herrn Prenat zu Givors bei Lyon, wodurch derselbe sich verpflichtete, für eine Summe von 190,000 Francs (etwa 50,000 Thaler) die Statue zu formen, zu gießen und auf dem Felsen Corneille aufzustellen. Am 15. September schickte Bonnassieux sein zwei und zwei Drittel Meter hohes Modell ein. Nach diesem ward die Riesenstatue erst in Thon bis in die feinsten Details ausgeführt; über den Thon ward dann eine Gypsmasse geschlagen, alsdann der Thon herausgegraben und so eine gypserne Hohlform gewonnen, in welche wieder Gyps gegossen wurde. Letztere stellte nun das eigentliche Modell (40,000 Kilogramm –= 80,000 Zollpfund schwer) dar, welches nach abermaliger sorgfältigster Ausarbeitung jeder Einzelnheit in soviel (etwa hundert) Theile zersägt wurde, als einzelne Stücke gegossen werden mußten; darüber wurden wieder Hohlformen gemacht und in diesen der Guß vollzogen. In allen diesen Operationen mußte die größte Umsicht und Genauigkeit angewendet werden, wenn nicht das Ganze verunglücken sollte. Fast noch mehr Schwierigkeiten machte der Transport dieser schweren Eisenmasse nach Puy und auf den Felsen hinauf. Ungeheure Gerüste mußten errichtet, gewaltig kräftige Maschinen in Gang gesetzt werden, um solche kolossale Massen aus dem Abgrund hinauf auf die schwindelnde Höhe längs der zackigen Felswandungen emporzuziehen. Der steinerne Sockel, auf welchen die Statue zu stehen [813] kam, war inzwischen durch eine Sou-Steuer der in den Schulen der „Doctrine chrétienne de la France“ unterrichteten Kinder aufgebaut worden. Derselbe hat sieben Meter (= zehn und eine halbe Elle) Höhe und kostet 15,000 Francs, was also, da jedes Kind nur vier Pfennige beisteuerte, auf eine Zahl von 300,000 Kindern hinweist, welche dem Orden anvertraut sind.

Das Standbild, welches ich hierbei unsern Lesern in treuer Abbildung zeige, ist nach meinem Geschmack eins der lieblichsten Erzeugnisse der modernen Plastik. Dasselbe stellt die Mutter mit dem Jesuskinde auf dem Arme dar, welches letztere seine Hand segnend über das Land ausstreckt. Das gesammte Denkmal macht einen Eindruck von Majestät, Festigkeit, Milde und Ruhe. Um von den Größenverhältnissen einen Begriff zu geben, dienen folgende Angaben. Die gesammte Statue wiegt 80,000 Kilogramm (= 160,000 Zollpfund) an Gußeisen; das Jesuskind allein 13,000 Kilogramm (= 26,000 Pfund). Die ganze Statue ist sechszehn Meter (= 24 preußische Ellen) hoch, also fast ebenso groß, wie die Bavaria bei München (26 Ellen), aber kleiner als die Borromäus-Statue bei Arona am Lago maggiore (33 Ellen). Sie ist innen hohl und mittels einer Wendeltreppe, die durch einzelne Fensterchen erleuchtet ist, zu besteigen.

Die Himmelskönigin (Notre Dame de France.
Standbild auf dem „Dyck von Corneille“ bei Le Puy.

Der Vorderarm, welcher das Kind trägt, ist drei und dreiviertel Meter lang, in seiner Höhlung können drei Männer der Länge nach, d. h. Kopf an Fuß, liegen. Wir standen drei Herren nebeneinander in dem Kopf, mit den Füßen oberhalb der Augenbrauen, und schauten über die stark vergoldete Krone, deren Spitzen aus Platin als Blitzableiter dienen, in das von solchem Standpunkt besonders herrliche Panorama hinaus, hoch wie Adler in der Luft schwebend.

Am 29. Juli 1859 waren die ersten Gußstücke aus Givors im Puy angekommen, und schon am 26. September desselben Jahres konnte die Enthüllung und Einweihung des Standbildes, welches den Namen „Notre Dame de France“ erhielt, stattfinden. Ich übergehe die Beschreibung der Festlichkeiten, welche sich nebst allen amtlichen Einzelheiten über das gesammte Unternehmen in einer besondern Broschüre des Herrn Charles Calemard de Lafayette, Präsidenten der Ackerbau- und Wissenschafts-Gesellschaft zu Puy, mitgetheilt findet. Auch will ich dem Leser nicht ausführlicher von der Stadt Le Puy erzählen, von ihren einzelnen mittelalterlichen Häusern, Mauern und Thürmen, ihrer alten geplünderten Kathedrale, ihren modernen Plätzen und Anlagen, besonders der Place du Breuil mit dem schönen Springbrunnen, wozu ein Bürger, Crochaquiers, nicht nur die Zeichnung, sondern auch das ganze Geld zur Herstellung geschenkt hat, ferner von dem großen neuerbauten Museum für Natur- und Kunstgegenstände, wozu ebenfalls schlichte Bürger die meisten Fonds gespendet haben. Alles das sieht sich besser in Person an und findet sich in den Reisehandbüchern.

Aber ich kann nicht ohne eine Nutzanwendung schließen, welche an meine eigenen Gesinnungsgenossen, an die Männer der naturwissenschaftlichen Schule, gerichtet ist. Die Geistlichkeit von Le Puy und ihr Zusammenwirken bei dieser Verherrlichung der Himmelskönigin giebt uns ein wohlzubeherzigendes Beispiel. Ich meine nicht, daß wir unsere ganz analogen Streitfragen über die Gültigkeit der Generatio aequivoca oder der Darwinschen Schöpfungslehre in ähnlicher Weise durch einen Machtspruch hoher Würdenträger unserer Wissenschaft ein für allemal entscheiden lassen sollen. Nein, aber beachten und bewundern sollen wir die bienenhafte Betriebsamkeit, mit welcher der Clerus das Werk der Dame de France ergriffen, gefördert und binnen wenig Jahren ausgeführt hat. Der Höchste und der Niedrigste, der Priester und der Lehrer, der Welt- und Ordensgeistliche, wie ihre Diener- und Laienschaft, haben brüderlich und eifrig dem gemeinsamen Zweck gedient, geschickt einander die Hände geboten und ohne persönlichen Vortheil zusammengearbeitet. Was bewegt diese Leute dazu? was befähigt sie zu solchen Anstrengungen und Erfolgen? Gewiß kein Machtgebot, sondern der Geist der Genossenschaft (esprit de corps), der Glaube an die Zukunft ihrer Sache, die Ueberzeugung, zur Weltherrschaft berufen zu sein, und der Wille, diesen Beruf mit allen Mitteln durchzusetzen. Dies sind die Motive, wie ich glaube, welche einen großen Theil der katholischen Cleriker beseelen – und in dieser Hinsicht sollten wir Naturforscher von ihnen lernen.

Auch wir dienen einer Sache, welche berufen ist, alle denkenden Köpfe zu erobern und durch sie die Welt zu beherrschen. Naturwissenschaftliche Kenntniß und Methode müssen in Zukunft jeden menschlichen Wissenszweig durchdringen, Kenntniß des wirklich Seienden und seiner Gesetze muß jedem Gebildeten zu eigen werden. Naturwissenschaftliche, beziehentlich statistische Thatsachen und Forschungsmethoden müssen in jeder Wissenschaft, sogar in den idealsten, im Geschichts-, Rechts-, Kunst- und Religionsgebiet, zu Grunde gelegt werden. Nichts Un- oder Übernatürliches darf in den Köpfen oder Schriften auf Kosten thatsächlicher Kenntnisse herrschen wollen. Was am Probestein der exacten Forschung nicht stichhaltig ist, muß aus dem Verzeichniß menschenwürdiger Kenntnisse gestrichen werden, darunter eine Menge abergläubischer, theils heidnischer, theils mittelalterlicher Vorstellungen, welche heutzutage noch allenthalben in den Köpfen, in Sprache und Schrift für baare Münze gelten.

Daß dies unsere Zukunftsaufgabe ist, werden wenige Naturforscher oder Aerzte im Allgemeinen leugnen. Aber diesem Berufe gemäß zu wirken, wie wenigen von ihnen fällt dies bei! Da sitzt der eine bei seinen Käfern, der andere bei Steinen, der dritte im Laboratorium, der vierte an den Krankenbetten; keiner kümmert sich um den andern, viel weniger um das Ganze, am wenigsten um die weltgeschichtliche Geisterbewegung. Schaut so Einer ja aus seinen archimedischen Kreisen heraus, so ist es nach einer besseren Professur oder Gehaltsvermehrung, einer akademischen Ehre, einem Orden oder einer sonstigen, für den Naturforscher ganz gehaltlosen menschlichen Gunstbezeigung. Die Bestrebungen, das Volk für die Naturwissenschaften zu gewinnen – was doch der einzige Weg ist, um letztere zur Weltherrschaft zu bringen – gelten bei vielen dieser Käuze als flache, einen echten Gelehrten unwürdige Rede- und Schreib-Uebungen. Die Mehrzahl der eigentlichen, d. h. der wirklichen Akademiemitglieder, Geheimenräthe etc., hält sich von solchen Bestrebungen ganz zurück; viele scheuen sich, die Consequenzen ihrer eigenen Forschungen zu ziehen oder, von Anderen gezogen, anzuerkennen. Wie ganz anders müßte Das sein, wenn in jedem Naturforscher und Arzt das Bewußtsein unseres Weltberufs, der Drang für die naturwissenschaftliche Aufklärung des Menschengeschlechts zu wirken, mächtig wäre; wenn jeder sich verpflichtet fühlte, nach seinen Kräften mitzuarbeiten an der Erlösung der Menschenseelen aus tausendjähriger Verdummung und Abergläubigkeit! In dieser Hinsicht möge uns Allen der Eifer und Gemeingeist der Klerikalen von Puy zum nachahmenswerten Beispiel dienen.

Dr. H. E. Richter in Dresden. 

  1. Unter Dyck oder Dyke versteht man in jenen Gegenden (Auvergne, Cantal, Belay) gewisse scharfabgeschnittene, einzelnstehende Felskegel oder Würfel, aus vulcanischem Gestein, meist Lavaconglomeraten gebildet, welche, wie man vermuthet, inmitten großer Auswaschungen stehen geblieben sind. Sie sind, meist mit alten Ritterburgen oder Kirchen besetzt, weithin sichtbar.