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Ein Triumph deutscher Kriegs-Industrie

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Titel: Ein Triumph deutscher Kriegs-Industrie
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1883
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Ein Triumph deutscher Kriegs-Industrie.

Wenn auch die Reichstagsverhandlungen über den Militäretat und der Steuerzettel uns Bürgern des neuen deutschen Reichs die Allen angeborene Freude am Soldatenleben bisweilen mehr oder weniger verleiden, so genügt doch schon ein Blick in die Geschichte unseres Volkes, namentlich der letzten zwei Jahrhunderte, um uns die Schatten über etwaige Ansprüche unseres Kriegsministers rasch zu verscheuchen. Wie viele Milliarden deutschen Staats- und Volksvermögens, wie unsägliches Familienelend, wie viel Trauer und Schmach über verlorene Schlachten und Gebiete hätten unserem Vaterlande erspart werden können, wenn man nicht nur allzu oft mit den Millionen für tüchtige Kriegsrüstung gegeizt, oder sie für den oft nichtswürdigsten Luxus verschwendet hätte! – Ja, der Steuerzettel ist jetzt manchmal drückend, aber wie erleichtert fühlt sich unser Herz, wenn wir heute auf unser Heer und nach unseren Grenzen schauen! Mit welcher Ruhe, mit welchem Vertrauen können wir dies! Die in der Weltgeschichte einzig dastehende Feuerprobe des zum ersten Mal seit Jahrhunderten im Kampfe vereinigten und alleinstehenden deutschen Heeres in Frankreich erfüllt uns mit der Zuversicht, daß bis ins Herz Deutschlands kein Feind wieder dringen werde.

Eben deswegen überschlagen wir beim Zeitungslesen sicher keinen Bericht, der uns über neue Versuche und Fortschritte auf dem Gebiete unserer Kriegsrüstungen belehrt. Wir wissen, daß nur die vollendetste Schlagfertigkeit und Waffentüchtigkeit unserer Land- und Seemacht uns den Frieden sichert. Besonders anziehend für uns alle ist die Großartigkeit, die in dem technischen Theile des Rüstungswerkes uns am anschaulichsten vor Augen tritt. Bekanntlich stehen seit langer Zeit sich Schutz- und Trutzwaffen im Wettstreite gegenüber, und namentlich überbieten sich gegenseitig die Kaliber der Geschütze und die Stärke der schützenden Panzerplatten von Schiffen und Landbefestigungen. Gerade auf diesem Gebiete ist nun der deutschen Technik ein Fortschritt gelungen, über welchen unseren Lesern sicherlich eine illustrirte Belehrung willkommen sein wird.

Das letzte Jahrzehnt hat nämlich unser Vaterland in vielen Beziehungen aus der ehemaligen drückenden Abhängigkeit von auswärtiger Industrie-Übermacht erlöst. Ebenso wie das friedlichste Werkzeug, die Nähmaschine, ihre amerikanische Schwester nicht nur völlig erreicht, sondern in mancher Richtung überholt hat, konnte auch die deutsche Flotte sich von Englands Walzeisenwerken lossagen, indem seit 1878 die Dillinger Hütten an der Saar die für die kaiserliche Admiralität zum Bau neuer Panzerschiffe erforderlichen Walzeisenplatten in vorzüglichster Güte liefern. Schließlich, und das muß als ein großer Triumph gelten, ist es Deutschland in wenigen Jahren gelungen, das beste Material für die Panzerung seiner Land- und Küstenbefestigungen in dem sogenannten Hartgußeisen [208] zu erzeugen, welches im Stande ist, den schwersten Marinegeschützen den nachhaltigsten Widerstand entgegenzusetzen.

Der Ruhm der Herstellung dieses Hartgußeisens und zwar in jeder Form, in riesigen Dimensionen und hohen Gewichten, dabei dennoch in völlig gleichartiger und allen Ansprüchen an einen Panzer völlig gerecht werdender, vorzüglicher Qualität gebührt allein Herrn Commerzienrath Gruson in Buckau bei Magdeburg.

Die Gruson’sche Fabrik in Buckau bei Magdeburg:
Granatenstraße.

Unter Hartgußeisen versteht man in der Technik eine aus gewöhnlichem Gußeisen fabricirte Masse, deren Guß nicht in einer Lehm-, sondern in einer eisernen Form – Schale oder Coquille – stattfindet. Durch die Anwendung der als sehr guter Wärmeleiter wirkenden eisernen Form wird eine ungemein schnelle Erstarrung der Gußmassen erzielt, und dies verursacht nicht nur eine dichte Lagerung der einzelnen Eisentheilchen, sondern verhindert auch vor allen Dingen eine chemische Änderung des Eisens, wie z. B. durch Verbrennung der in demselben enthaltenen Kohle. Schon die in den sechsziger Jahren von Gruson gefertigten Hartgussgeschosse waren den englischen Panzergeschossen aus ähnlichem Material an Güte, vor allem an Härte, überlegen. Trotzdem blieb die Fabrik in Buckau dabei nicht stehen. Gruson’s Bestreben ging darauf aus, das Hartgußeisen durch eine besondere Mischung verschiedener Roheisensorten und durch ein besonderes Gußverfahren auf einen möglichst hohen Härtegrad zu bringen, und dies gelang ihm so vollkommen, daß seine eigenen Hartgußgranaten bei den letzten Erprobungen an dem neuen Hartgußpanzer in Trümmer gingen. Erst nach längerem Beschießen zeigte derselbe geringen Vertiefungen und kleine Risse.

Die Gruson’sche Fabrik in Buckau bei Magdeburg:
Panzer-Montage-Raum.

Da jedoch diese Eisenhärte allein ein Fehler des Panzers wäre, der gleichzeitig genügende Zähigkeit besitzen muß, um den wiederholt darauf fallenden Geschossen möglichst lange widerstehen zu können, so sann Gruson weiter und erreichte auch diese letzte Vervollkommnung seines Gußeisens durch eine Mischung verschiedener Essensorten. – Näher auf das Mischungsverhältniß einzugehen, würde hier zu weit führen und dürfte ebenso wenig im Interesse der Fabrik liegen, wie eine eingehende Beschreibung der Maßnahmen, welche den größeren oder geringeren Härtegrad des Hartgußeisens herbeiführen.

Dem Leser der „Gartenlaube“ wird es aber interessant sein, einiges über die Panzerfrage im allgemein zu erfahren, und dies führt uns von selbst auch zur Beantwortung der Frage: Warum man in Deutschland für Land- und Küstenbefestigungen der Walzeisen-Panzerung die Hartguß-Panzerung vorgezogen hat.

Es ist jedes Staates erste militärische Aufgabe, für seine Kriegsbedürfnisse im eigenen Lande die erforderlichen Quellen zu erschließen. Hierdurch wird nicht nur der Möglichkeit vorgebeugt, daß ihm eine vielleicht unentbehrliche auswärtige Quelle im Fall eines Krieges abgeschnitten werden kann, sondern auch in national-ökonomischer, in handelspolitischer Richtung erreicht, daß die für Kriegszwecke verausgabten Summen im eignen Lande bleiben und auf diese Weise wieder dem Wohlstand des Reiches und seiner Bürger zu Gute kommen.

Als aber das deutsche Reich mit dem Ausbau seines Festungsystems, mit der Anlage neuer Küstenbefestigungen vorging, war die Fabrik in Dillingen noch nicht in der Lage, Panzerplatten anfertigen zu können, wogegen Gruson bereits im Jahre 1868 einen Panzerstand aus Hartguß zu Versuchszwecken auf dem Tegler Schießplatze bei Berlin aufgestellt hatte. Kurz nach Beendigung des deutsch-französischen Krieges konnten die Versuche bereits wieder, und zwar in erweitertem Maßstabe, gegen einen Panzerdrehthurm aufgenommen [209] werden. Sie wurden dann bis in den Winter 1873 bis 1874 fortgesetzt, zu welcher Zeit die deutsche Militärverwaltung die Panzerfrage für Land- und Seebefestigungen zu Gunsten des Gruson’schen Materials endgültig entschied und die Fabrik in Buckau mit umfangreichen Aufträgen sowohl für feste Panzerstände, wie auch für Panzerdrehthürme bedachte. So vollzog sich in Deutschland in der kurzen Zeit von fünf Jahren die Lösung einer gewichtigen Frage – dank dem unermüdlichen Eifer deutscher Ingenieur- und Artillerie-Officiere, dank der großen Energie des überaus strebsamen Groß-Industriellen Herrn Commmerzienraths Gruson. –

Die Hotchkiß-Kanone.

An England, einen See-Staat mit weit ausgedehnten Küsten und vielen Hafenanlagen war schon weit früher die Frage erhöhter Sicherung der Seebefestigung herangetreten. Englands großer, die Welt beherrschender Eisenindustrie standen wohl Mittel zur Disposition, diese Frage ebenfalls schnell lösen zu können. Geschah dies auch dort? Nein. In England wollte jedes Privatetablissement die Panzerfrage für sich ausnutzen, und so wurde Zeit und Geld mit Prüfung zahlreicher, sicherlich oft ganz unbrauchbarer Vorschläge vergeudet, welche sich außerdem jede öffentliche Kritik gefallen lassen mußten, die der Sache selbst nicht dienen, sondern nur schaden konnte. Außerdem gebrach es auch an einer einheitlichen Leitung der gesammten Versuche, da die verschiedenen Branchen der Militärverwaltung selbst in ihren Ansichten stark aus einander gingen.

Durchschnitt eines Panzerdrehthurmes.
a Glacis. b Vorpanzer. c Maschinerie zum Drehen des Thurmes. d Rollbahn. e Casematte. f Raum für Geschosse. g Panzer.

Erst das Jahr 1870 mit der Besorgniß, in den Krieg verwickelt zu werden, schaffte die 10 Jahre und länger ventilirte Frage aus der Welt, und wurden nunmehr mit aller Energie die Panzerungen an den schon früher in Mauerwerk begonnenen Küstenbefestigungen angebracht; erstere bestehen aus einem System von 3 fünfzölligen (englisch) Walzeisenplatten, die, 6 Zoll von einander entfernt, mit Bolzen verbunden, und deren Zwischenräume mit einem Eisenkitt ausgefüllt sind. – Hierbei sei noch bemerkt, daß die Engländer ihre Konstruktion nur mit der Hälfte der summarischen Geschoßkraft erprobten, die dem deutschen Hartgußpanzer zugemuthet wurde.

Bezüglich der Schiffspanzerung hielt man noch vor 10 Jahren einen Walzeisenpanzer von 30 Centimeter Stärke für völlig ausreichend; seitdem sind aber die Geschützcaliber der See-Artillerie bedeutend gewachsen, und wurden deshalb die Panzerplatten einzelner Schiffe bis zur doppelten Stärke gebracht. Ebenso verließ man das Walzeisen, und stellten zuerst die Engländer sogenannte „Compoundplatten“ her, welche aus einer Stahlplatte von 1/3 und aus einer Eisenplatte von 2/3 der Gesamtstärke bestehen, die beide fest auf einander geschweißt und gewalzt worden sind. – Derartige Platten werden jetzt auch in Dillingen gefertigt.

Die Franzosen dagegen glaubten durch einen reinen Stahlpanzer am besten der Gewalt der schwersten Caliber entgegentreten zu können. Italien, dessen Industrie es noch nicht gestattet, Panzermaterial im eigenen Lande zu beschaffen, steht momentan im Begriff, neuerbaute Schiffe mit solchem auszustatten, und stellte daher vor einiger Zeit Versuche mit französischen Stahl- und englischen Compoundplatten von 48 Centimeter Stärke an. Als Resultat derselben ergab sich, daß die Stahlplatten den Compoundplatten etwas überlegen, daß aber beide dem italienischen 45 Centimeter-Geschütz nicht gewachsen waren. Hierbei muß wiederum noch bemerkt werden, daß das neue deutsche Krupp’sche 30,5 Centimeter-Geschütz dem italienischen 45 Centimeter-Rohr bei weitem überlegen ist und daß ersteres auch eine Compoundplatte von 51 Centimeter Stärke glatt durchschlagen haben würde. Dem 35 Centimeter-Geschütz derselben Fabrik könnte auch eine 60 Centimeter starke Compoundplatte nicht Widerstand leisten, und die Krupp’sche 40 Centimeter-Kanone dürfte sogar im Stande sein, die ebenfalls mit 60 Zentimeter starken Compoundplatten versehene Inflexible auf 3000 Meter Entfernung zu durchbohren. –

Wohin soll das noch führen? Lieb Vaterland, magst ruhig sein; Krupp, Gruson, Dillingen, sie halten Wacht zu Drei’n!

Ein Hoch der deutschen Industrie, welche nächst der bewährten Heeresleitung es ebenfalls verstanden hat, den Respect vor der deutschen Armee, dem deutschen Volke in Wehr und Waffen, nach außen hin zu fördern! Ein Hoch den Leitern der bürgerlichen Institute, die ein den fremden Heeren gegenüber nicht nur ebenbürtiges, sondern vielfach überlegenes Kriegsmaterial zu erzeugen gewußt haben! – Mag der freundliche Leser heute einen kurzen Besuch der Fabrik von Gruson abstatten, um dieselbe hierdurch besonders zu ehren.

Wie überall da, wo deutsche Industrie schafft und wirkt, so bietet sich uns auch in der Gruson’schen Fabrik das Bild eines von kundiger Hand geleiteten complicirten Räderwerks, in dem selbst die kleinste Schraube, das winzigste Getriebe mit der dem deutschen Volke in so hohem Maße eigenthümlichen Pünktlichkeit, Ordnung und Gewissenhaftigkeit eingreifen. Und wenn auch der Anblick der vielen Rauch und Dampf ausstoßenden Schornsteine, [210] das Getöse der Hämmer, das rastlose Laufen der Maschinen, die Gluth ausströmenden Oefen, der Betrieb auf den das ganze Etablissement durchlaufenden Schienensträngen, das Arbeiten der Dampfkrahne und das emsige Treiben von 1400 und mehr Arbeitern den Eindruck ungestümer, rasender Thätigkeit hervorrufen, so genügen dennoch wenige Minuten der Beobachtung, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß Alles zu einem endlichen, wohldurchdachten Ziele führt. Wie könnte dies auch anders sein! Ist doch Gruson bei dem Altmeister der Eisenindustrie in die Schule gegangen, und hat doch derselbe, welcher jetzt selbst zu den Koryphäen in der Eisenbranche zählt, bei Borsig in Berlin die erste Ausbildung erhalten. Ein gründliches Studium der Mathematik und Naturwissenschaften, sowie eine längere Thätigkeit als Director anderer großer Eisenindustrie-Etablissements vollendeten Gruson’s Ausbildung, sodaß er sich 1856 bereits an demselben Orte – freilich nur klein beginnend – auf eigene Füße stellen konnte, an dem später seine nach und nach immer mehr und mehr erweiterten Fabrikräume entstanden, welche jetzt in vielen mächtigen Gebäuden einen Raum von 80,000 Quadratmetern bedecken.

Die zum Betrieb von 550 Arbeitsmaschinen, den Dampfkrähnen, hydraulischen Werken etc. erforderlichen 363 Pferdekräfte verdanken ihren Ursprung 31 mächtigen Dampfmaschinen, während in 12 großen Coupol- und 10 Tiegelschmelzöfen das Eisen aus den Rohmetallen gewonnen wird, welches in täglich 3000 und mehr Stücken als fertiger Guß zu weiterer Bearbeitung gelangt. Erlischt des Tages Licht, so erglühen 80 große elektrische Lampen, um, theilweise selbst die ganze Nacht hindurch, das niemals völlig ruhende Treiben zu beleuchten.

Beim Eintritt in das Etablissement glaubt man sich in einer kleinen Stadt zu befinden, deren gerade, sich vielfach kreuzende, zur leichteren Orientierung besonders benannte Straßen jedoch das wogende Leben einer Großstadt aufweisen. Ein vielverwickelter Schienenstrang durchzieht die gesamten Anlagen und endigt schließlich auf dem Bahnhofe von Buckau. Hin und wieder erweitern sich diese Straßen zu Plätzen, unter denen der Wilhelmsplatz sich besonders dadurch auszeichnet, daß an demselben das Comptoir liegt, die Centralstelle des genammten Instituts, und daß mitten in demselben, auf einem mit eisernem Gitter umgebenen Sockel, die Millionste der in der Fabrik gegossenen Hartgußgranaten, welche die Jahreszahl 1875 trägt, als bleibendes Andenken postirt worden ist.

Beim Rundgang durch die Straßen ruht das Auge des Besuchers, welcher seitens der Fabrikdirection die freundlichste Aufnahme und vieles Entgegenkommen findet, mit Vergnügen auf den athletischen, schwarzberußten Gestalten der emsigen Arbeiter, deren schwielige Hände und geröthete Wangen freilich von der Last der Arbeit zeugen, deren äußeres Wohlaussehen aber auch darauf schließen läßt, daß hier Mühe und Fleiß reichlich belohnt wird, und aus deren Blicken ein Etwas leuchtet, was darauf hindeutet, daß hier Arbeiter und Arbeitgeber in gegenseitiger Zufriedenheit auf einander bauen und vertrauen.

Die interessanteste aller dieser Straßen ist unstreitig die „Granatenstraße“ (vergl. Abbildung, S. 208), in welcher Tausende und aber Tausende von Geschossen, wohl geordnet und aufgespeichert, harmlos lagern, um, vorläufig still träumend, einst feuerspeiend ihre blutige Bestimmung zu erfüllen.

Als großartigster aller inneren Räume der Fabrik muß die weite, mit Oberlicht versehene, 10 Meter hohe, 20 Meter breite und 260 Meter lange Halle angesehen werden, in welcher die Panzerplatten in’s Dasein treten, deren größte das formidable Gewicht von 50,000 Kilogramm repräsentiren, was einem ungefähren Rauminhalt von etwa 6 bis 7 Cubikmeter entspricht. Die für einen derartigen Guß erforderlichen Erzmassen werden in den großen in der Halle selbst befindlichen Coupolöfen erzeugt, deren Einrichtung es gestattet, das Roheisen in wenigen Stunden – 10,000 Kilogramm in einer Stunde – niederzuschmelzen. Die Oefen werden nach und nach von der Gicht aus beschickt und, nachdem das Eisen in Fluß gerathen, etwa alle 10 bis 15 Minuten abgestochen.

Die abgestochenen Massen fließen von den Oefen aus nach einem vorläufigen Sammelbassin, dem sogenannten Sumpf, aus welchem sie später, wenn das für den Guß einer Platte erforderliche Quantum vorhanden, von Neuem in einen anderen Behälter entlassen werden, in dem sich das flüssige Metall in Folge der sprudelnden Bewegung gründlich mischt.

Nach einiger Zeit der Abkühlung, welche der kundige Gießmeister bestimmt, und nachdem einige Probegußstäbe angefertigt, zerbrochen und auf ihre Bruchfläche geprüft worden sind, wird die noch immer dunkelrothe feurige Gluth durch eine Schütze in die Dammgrube und nach der in letzterer befindlichen Coquillenform abgelassen. Einem Höllenstrom gleich stürzt die Masse in das unterirdische Dunkel, die in diesem befindliche Luft unter Feuererscheinungen und mit pfeifendem, zischendem Geheul verdrängend.

Die Abkühlung des noch soeben brodelnden Metalls erfolgt höchst langsam, und erst nach mehreren Tagen kann das wohlgelungene Werk der Dammgrube enthoben werden, um mittelst der Dammlaufkrahne nach dem Montageraum der Panzerplatten geführt zu werden, in welchem die weitere Bearbeitung erfolgt.

Der Montageraum ist ebenfalls ein weitläufiges Gebäude – sind hier doch gleichzeitig die verschiedenen Stücke des Panzers, eines Panzerstandes oder Panzerdrehthurms unterzubringen, damit durch Dampfhobel, Meißel, Feile und Fräsemaschine die einzelnen Theile derselben genau an einander gepaßt und vorübergehend aufgestellt werden können. Diese Theile sollen sich später gegenseitig durch die eigene Verspannung und das eigene Gewicht halten; Bolzen und Nieten werden hierzu nicht verwendet, gerade glatte Flächen, hin und wieder ein Falz sind die einzige Verbindung der zwischen den verschiedenen Blöcken sich bildenden Nähte.

Sind auch diese Arbeiten beendet, so können die Panzertheile ihrem Bestimmungsort zugeführt werden, um auf den vorher in Mauerwerk höchst solide hergestellten Unterbauten schließlich als vollendetes Ganzes zur Aufstellung zu gelangen. Selbstverständlich gehören zur Ueberführung aus der Fabrik nach den einzelnen Festungen und Küstenbatterien ganz besondere Transportmittel, bestehend in ausnahmsweise stark construirten Eisenbahnwagen, in Straßenlocomotiven und in mächtigen Schiffsgefäßen, wie z. B. zum Herüberschaffen der Panzertheile für den Bau von Batterien nach den Sandbänken in der Wesermündung.

Steht endlich ein derartiger Panzerdrehthurm (vergl. Abbildung, S. 209) mit ein oder zwei Geschützen fertig da, und werden Thurm und Geschütze bedient, so scheint es kaum glaublich, daß die Herstellung dieses Panzerstandes so viele Umstände gemacht hat. Ein Panzerdrehthurm bietet einen – man möchte fast sagen – zierlichen Anblick dar, und die durch ein sinnreiches Räderwerk, durch die Wirkung von Hand- und hydraulischen Maschinen erzielte Leichtigkeit der Bewegung desselben läßt das Gewicht vergessen, welches doch immerhin mehrere Tausende von Centnern repräsentirt.

Das Geschütz, welches seine Mündung durch eine ganz kleine Scharte neugierig herausschauen läßt, ist auf der Rollbahn d beweglich, und mit demselben kann auch die Kuppel des Thurmes durch wenige Leute, welche im Raume c die Bewegungseinrichtung bedienen, nach jeder beliebigen Richtung leicht gedreht werden. In der Abtheilung f unter dem eigentlichen Thurme liegen die Geschosse, sie werden durch eine Hebevorrichtung zum Geschütze hinaufbefördert, in welcher Weise auch die Kartuschen aus der Casematte e nach oben zu schaffen sind. Rings um das Innere der Kuppel läuft eine Gallerie, die eine Communication um das Geschütz gestattet und den Transport der Munition zu demselben zuläßt. Diese Gallerie ist vorn durch einen Vorpanzer b gesichert, während sie hinten genügenden Schutz durch eine einfache Mauerüberwölbung findet.

Vor dem Vorpanzer und um den Thurm herum liegt außerdem ein mit schweren, starken Granitplatten abgepflastertes, sanft geböschtes Glacis a, welches die Eigenschaft besitzt, etwa vor dem Thurme aufschlagende Geschosse zum Ricochetiren gegen die Panzer gg zu bringen, an deren gewölbten Flächen sie entweder abgleiten oder zerschellen.

Bevor wir aus der Fabrik scheiden, sei noch eines anderen, erst in neuester Zeit in derselben eingeführten Fabrikationzweiges gedacht, nämlich des eines Revolvergeschützes, welches zuerst unter dem Namen „Hotchkiß-Kanone“ in Amerika angefertigt worden ist, augenblicklich aber auch in die deutsche Marine eingeführt wird.

Diese Kanone besteht aus fünf Läufen, welche nach allen Seiten drehbar sind und auf diese Weise ein völlig unbeschränktes Schußfeld haben. Ueber den Läufen befindet sich ein Patronenlager, das auch selbst während des Abfeuerns der ersteren stets von Neuem mit Munition gefüllt werden kann. Das Geschoß [211] besteht aus einer kleinen Granate, deren schnell hinter einander fortgeschleuderte Massen namentlich Torpedobooten sehr verderbenbringend werden möchten. Das Abfeuern des Geschützes wird durch die einfache Drehung einer Kurbel erzielt.

Für heute denn „Lebewohl!“ du Stätte des Todes und der Vernichtung unserer Feinde, du Quelle des Schutzes unserer eigenen Leiber im Kampfe um Deutschlands Ehre. Verschlingst Du auch Tausende und aber Tausende, und wandelst du auch das Gold nur in Hartgußeisen, in ein todtes Capital, so schützest du dagegen hierdurch die lebende Schaffenskraft von Millionen und aber Millionen deutscher Männer und giebst deren Armen an anderer Stelle friedliche Ruhe und Gelegenheit zu reichlich lohnender Arbeit. Möge dieser kriegerische Zweig der deutschen Eisenindustrie uns noch lange den Frieden bewahren!